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Somewhere

von

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Dämmerung

Am nächsten Morgen wurde Taki unsanft geweckt durch einen plötzlichen Lärm. Es dämmerte erst, das konnte nicht der normale Hotelbetrieb sein.

Taki war sofort hellwach und setzte sich ruckartig auf. Durch die jahrelange Arbeit als Drogendieb waren seine Instinkte geschärft; er hatte böse Ahnungen. Er stand auf, stellte fest, dass er sich am Abend vor Erschöpfung nicht ausgezogen hatte und sich entsprechend fühlte - ungewaschen, zerknittert und schlecht ausgeschlafen. Mit einem Laut, der zwischen Stöhnen und Fluchen lag, zog er seine Kleidung zurecht und rieb sich das Gesicht. Als er seine Schuhe anziehen wollte, ratterte es am Fenster.

Taki hob den Kopf und traute seinen Augen nicht: draußen auf der Fensterbank hockte Go, hielt sich am Fensterrahmen fest und fuchtelte wild, dass Taki ihn hereinlassen sollte.

Der Blonde riss das Fenster auf und sein Partner fiel ihm zuerst fast entgegen, kam dann aber ziemlich behände auf beiden Füßen auf.

„Spinnst du? Was zum Teufel machst du...“

„Beeil dich! Unsere Deckung ist aufgeflogen! Zieh dich an und komm!“
 

Sekunden später verließen beide schnell das Zimmer. Sie waren zwar bewaffnet, aber Taki fragte sich, ob ihnen das irgend etwas nützen würde.

Sie kamen am Treppenabsatz an, hörten laute Stimmen und sahen ein paar Männer die Treppe heraufrennen. Go schien sie zu erkennen, jedenfalls packte er Taki sofort hart am Oberarm, zog ihn zurück auf den Flur, und sie rannten beide in die entgegengesetzte Richtung.

Aus dem Hotel und der näheren Umgebung konnten sie Schreie und schnelle Schritte hören, das Personal und die anderen Gäste schienen zu begreifen, was los war.

«Verdammt, nur das nicht!» dachte Taki. Wenn jetzt auch noch Panik ausbrach...

Sie kamen in eine kleine, noch halb dämmrige Halle und plötzlich stand noch ein Mann vor ihnen. Schnell und unerwartet verpasste er Go einen Schlag gegen die rechte Kinnseite. Der Dunkelhaarige schrie vor Schmerz auf und fiel auf die Knie, presste seine Hand auf die getroffene Stelle. Taki ging erschrocken neben ihm in die Hocke.

„Den Tipp habe ich von deinem Freund Yamada,“ kam es frech von dem Typen. „Erinnerst du dich? Ein gebrochener Kinnknochen verheilt nicht so schnell...“

Go warf dem Fremden einen hasserfüllten Blick zu.

Der Fremde grinste frech und Taki sah seine Chance. Er nutzte den Überraschungseffekt, sprang rasch auf und schlug dem Kerl die Waffe mit einer oft erprobten Geste aus der Hand.

Während der Fremde aufschrie und sich fluchend das Handgelenk hielt, riss Taki Go am Arm hoch und lief mit ihm in den nächsten Seitenflur.

Go’s Kinn tat nicht mehr so höllisch weh, trotzdem verzog er das Gesicht. „Was hast du jetzt vor?“

Der schmale Flur war nur durch ein mittelgroßes Fenster erleuchtet; Taki sah es und hatte plötzlich eine Eingebung. „Komm!“

Er hatte gesehen, dass vor dem Fenster die Feuerleiter verlief. Er öffnete das Fenster und kletterte hinauf. Go fluchte noch einmal kurz, weil seine Verletzung schmerzte, folgte ihm dann.

Auf dem Dach schienen sie vorläufig in Sicherheit zu sein; sie wollten gerade aufatmen, als ein Schuss an ihnen vorbei ging. Sie duckten sich und sahen, dass auf dem Parkplatz des Hotels auch zwei Männer waren. Go schnaubte, er kannte sie allzu gut.

Der Dunkelhaarige zog impulsiv seine Waffe und schoss zurück, ohne richtig zu zielen. Er hatte nicht so viele Skrupel wie Taki, aber er war kein Mörder; trotzdem wollte er diese Kerle wissen lassen, dass sie nicht hilflos waren.

Danach machte Go eine rasche Geste zu Taki, und sie liefen hinter einem Dachvorsprung in Deckung. Go war auf der Lauer, sah über seine Schulter, die Waffe noch in der Hand. Ohne darüber nachzudenken, legte er den freien Arm um seinen Partner und zog ihn an sich.

Als Taki bewusst wurde, dass er instinktiv in diese Geste gelehnt hatte, spürte er, wie ein Teil der Anspannung der letzten Monate von ihm abfiel. Es war lange her, dass er sich seinem Partner so nahe gefühlt hatte. Oder irgend jemandem. Das Leben packte ihn wieder. Hier, auf einem Hausdach und verfolgt von vier oder fünf Verbrechern, die wahrscheinlich zu allem bereit waren.

In den Räumen unter ihnen wurde es allmählich auch laut, man hörte schnelle Schritte. „Sie sind auf dem Dach!“ rief eine raue Stimme.

«Verdammt...!» dachte Taki.

Einen Augenblick später wurden sie entdeckt; drei nicht gerade vertrauenswürdig aussehende Männer waren die Feuerleiter heraufgekommen und bauten sich vor ihnen auf, einer davon war bewaffnet.

Go biss die Zähne zusammen und packte seine eigene Waffe fester. Das war genau die Situation, die er und Taki immer hatten vermeiden wollen: ein bewaffneter Kampf. Sie wollten beide niemanden töten, aber sie konnten sich auch nicht einfach so ergeben.
 

Auf einmal zerriss ein gut gesetzter Schuss die Luft: der Bewaffnete ließ mit einem leisen Aufschrei die Pistole fallen und hielt sich die Hand. Er verzog das Gesicht und der Ärmel seines Hemdes verfärbte sich rot. Seine Kumpanen waren dadurch kurz abgelenkt, da tauchten hinter ihnen auf einmal einige andere Figuren auf.

„Schön ruhig!“ sagte einer und packte den Bewaffneten mit dem Arm um den Hals, während ihm ein anderer rasch die Waffe entriss.

Taki hörte sich selbst tief ausatmen. Die neu hinzugekommenen waren Polizeibeamte.

Als letzter kletterte ein Bekannter die Leiter herauf: „Hatozaki!“

„Alles in Ordnung mit euch?“ fragte der dunkelhaarige Polizist die beiden.

„Ich denke ja,“ brummte Go und rieb sich noch einmal sein Kinn. „Aber wer...“

Hinter dem Kaminschacht tauchte ein braunhaariger junger Kerl auf, gut gebaut, mit einem frechen aber liebenswürdigen Gesichtsausdruck. Er hatte seine Waffe noch in der Hand, steckte sie jetzt ein.

„Kidaka!“ stieß Taki hervor.

„Ja, ich persönlich,“ grinste der andere.

Taki setzte sich auf den Dachfirst, hinter dem er und Go sich eben noch versteckt hatten, und legte den Kopf in die Hände. Nach der ganzen Aufregung überlief ihn ein Zittern.

Go stellte fest, dass er seine eigene Waffe noch in der Hand hielt. Er schob sie schnell in den Gürtel und legte eine Hand auf Taki’s Schulter. Hatozaki warf er aus blitzenden Augen einen wütenden Blick zu.

„Hatozaki, was soll das alles? Wie konnte das passieren?“

„Yamada hat euch beobachten lassen. Er dachte sich, dass ihr noch an dem Fall dran seid. Er wusste auch von Kidaka. Aber Tsunega hat wie üblich dichtgehalten. Niemand wusste, dass ich dahinter stecke und meine Leute sofort losschicken kann.“

„Soll das bedeuten, Sie wussten davon?“ tobte Go. „Und haben uns beide als Köder hierher geschickt?? Sie sind wohl nicht mehr ganz...“

„Beruhig dich bitte,“ kam es von Taki. „Das hilft doch alles nichts.“ Der Blonde stand auf. „Wenigstens ist dieser Fall endlich gelöst. Und die Schuldigen bekommen so bald nicht mehr die Chance, jemandem etwas anzutun.“

„Ich denke auch, dass das das wichtigste ist,“ sagte Hatozaki.

Eine kurze Weile standen sie alle vier zusammen und taxierten sich gegenseitig mit Blicken. Taki fühlte sich, als wäre eine schwere Last von seinen Schultern gerollt. Kidaka schaute leicht verlegen zu Boden, Hatozaki war ungerührt wie immer. Go schnaubte immer noch vor sich hin.

Kidaka ging als erster, behauptete, jetzt eine Zigarette zu brauchen. Hatozaki sagte, „Danke an euch. Wegen eurer Entlohnung...“

„Ach hören Sie auf, Hatozaki!“ schnappte Go. „Kein Geld ist das hier wert. Das nächste Mal werden wir wahrscheinlich aus Versehen umgebracht, und das wird Sie genauso wenig interessieren.“

Hatozaki zuckte zusammen. „Ich werde jetzt meine Männer beaufsichtigen. Die Kerle, die euch das angetan haben, kommen hinter Gitter, darauf könnt ihr euch verlassen.“

„Schwacher Trost. Noch einmal möchte ich in einen Job nicht so persönlich hineingezogen werden.“ Go drehte den anderen beiden den Rücken zu. Als er über den Dachfirst sah, wurden die ersten Männer bereits abgeführt. Ein Offizier sprach mit den Angestellten, erklärte ihnen, dass sie den normalen Hotelbetrieb wieder aufnehmen konnten.

„Vielen Dank für das schnelle Eingreifen, Hatozaki,“ sagte Taki, der nicht unhöflich sein wollte.

Der schwarzhaarige Polizist machte eine Abschiedsgeste mit der Hand und ging.

Auf dem Dach wurde es ruhig. Taki wandte sich an seinen Partner.

„Komm. Noch mal gut gegangen.“

„Wenn du das gut nennst...“ Go rieb sich wieder das Kinn.

„Kidaka war zuverlässig war er immer,“ kommentierte Taki, um den Dunkelhaarigen abzulenken.

„Soll das heißen...“ Jetzt, wo die Gefahr gebannt war, dämmerte es Go allmählich. Er riss den Kopf hoch. „...Der Kerl arbeitet... ich meine... wohnt bei dir?? Bei uns? In unserer...“

„Reg dich wieder ab.“ Um Taki’s Mundwinkel zuckte es. „Er musste bei mir leben, wegen des Jobs. Das hast du mir bei unserem ersten Treffen auch erklärt.“

„Aber... Moment...!“

„Bist du etwa eifersüchtig?“ fragte Taki mit einem angedeuteten Grinsen.

Go gab ein Schnauben von sich.

«Großartig,» dachte sich Taki. «Ich könnte ihm sagen, dass er nicht in seinem Zimmer wohnt, sondern in meinem. Und dass ich die ganze Zeit in seinem Bett... Statt dessen ziehe ich ihn auf. Hervorragend! Wirklich toll, Taki!»

„Was erwartest du?? Soll mir das etwa gefallen, dass du die ganze Zeit mit diesem Schönling unter einem Dach warst?“ knurrte Go bedrohlich. „Taki... wenn...“

„Jetzt reg dich ab! Du weißt doch, dass ich nicht auf Männer stehe.“

Taki biss sich auf die Unterlippe. «Ich Idiot...»

Go war abrupt stehen geblieben. Er sah Taki in die Augen und ballte die Hände zu Fäusten. «Also so denkt er darüber. Es war nur ein Unfall. Ein kleines Zwischenspiel!»

„Danke,“ sagte er bitter und wandte sich ab. „Das war eindeutig.“

„Go...! Wohin willst du?“

Ehe Taki ihn aufhalten konnte, war der Dunkelhaarige die Feuerleiter hinuntergeklettert und aus seinem Blickfeld verschwunden.

Der Blonde schluckte. Ihm wurde klar, dass er vorhin, zum ersten Mal nach dessen Wiederauftauchen, den Namen seines Freundes ausgesprochen hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Ray-
2009-02-02T11:41:01+00:00 02.02.2009 12:41
Taki ist für mich ein einziges Fragezeichen. Statt wirklich froh zu sein und seinen Partner wieder in die Arme zu schließen, schiebt er ihn ab...

Ich hoffe dass er bald die Augen geöffnet kriegt :)


Von:  Mikito
2008-12-26T13:51:36+00:00 26.12.2008 14:51
Also erst mal das Kapi ist wie die anderen davor auch toll geschrieben. Alles lief Hand in hand. Das erst mal vorneweg.
Die Flucht war gut durchdacht und auch die Verfolgung stimmte. Nur schade das es nicht etwas länger gedauert hat.
Was mich gefreut hat, das Taki wohl wieder ein wenig mehr auf Go eingeht, und auch anders herum, denn würde er sich nicht auf den Partner verlassen wäre er wohl nicht so brav mitgekommen.
Das Taki Go dann aber auch noch hinwirft das er nicht auf Männer steht, fand ich lustig. Denn es stimmt ja. Taki steht ja nicht auf männer sondern nur auf Go. Und das dieser so einfach abdampft ohne Taki zu Rede zu stellen, passt wie die Faust aufs berühmte auge. Bin nur mal gespannt was da noch so alles auf sie zukommt..


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