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Wie das Leben so spielt

von

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Kapitel 6

Kapitel 6
 

Plötzlich packte sie jemand an der Schulter und wirbelte sie herum. Reflexartig hob sie den Arm und schlug die Hand grob beiseite. Ihre Augen blitzten bedrohlich und sie war bereit, auszuholen, um zuzuschlagen, aber als sie Jyri erkannte, entspannte sich ihre Haltung etwas. „Was?“, blaffte sie unfreundlich und ihre Augen funkelten wütend.

„Nun komm mal wieder runter! Kein Grund gleich abzuhauen!”, versuchte er sie unwirsch zurechtzuweisen. „Man kann auch überreagieren.“

„Überreagieren?!“ Sie starrte ihn fassungslos an und glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Du hast doch gesehen, was sie da abgezogen haben!“, fuhr sie auf.

„Sie haben Kritik an dem Song geäussert, das willst du doch immer“, formulierte er sauer, aber überlegt.

„Kritik geäussert?“ Ihr fiel fast die Kinnlatte runter. “Das nennst du Kritik geäussert!?” Sie hatte nicht über Lust, ihm an die Gurgel zu gehen. „Das war ein einziges Runtermachen meiner Arbeit!!!“ „Nun werd nicht melodramatisch!“, wehrte er leicht wütend dreinblickend ab. Nun klappte ihr wirklich der Mund auf und sie konnte ihn nur absolut fassungslos anstarren. „Sie haben dir gesagt, was ihnen an den Songs nicht gefällt und das ist jawohl ok. Sie haben dir konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht und ihre Beschwerden nicht einfach so im Raum stehen lassen, also was willst du!?“

Swentje verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn undeutbar an. „So... Ich bin also melodramatisch, ja!?“

„Oh, nun komm mir nicht so!“ Genervt fuhr sich Jyri über die Augen. „Was?“, brauste sie auf. „Wie soll ich denn deiner Meinung nach reagieren, hä!?“ Mit einem verletzten Unterton funkelte sie ihn an.

„Keine Ahnung, aber nicht so!“ Jyri schrie nun fast. „Herr Gott verdammt, nimm nicht immer alles gleich so persönlich!“ „Was ist daran bitte schön nicht persönlich zu nehmen!?“ Swentje schrie nun ebenfalls fast. „Die Art und Weise war einfach unter aller Sau! Und jetzt versuch mir nicht weiszumachen, dass es an ihrem Kater liegt, dass sie sich in Tonfall und Worten vergriffen haben! Das ist noch lange kein Grund für sowas! Gut, die Kritik an >Demons and Angels< kann ich ja irgendwie noch so halbwegs verstehen, aber bei >In Memory< war das absoluter Bullshit! Verdammt, ihr wisst, was der Song mir bedeutet, ihr kennt den Hintergrund dazu und dann muss ich mir das anhören!? Wie soll ich das bitte schön nicht persönlich nehmen!?“ Swentje war unglaublicherweise immer lauter geworden und den letzten Satz brüllte sie Jyri geradewegs ins Gesicht.

Schweigend sah er sie an und sein Blick folgte einer einzelnen Träne, die sich ihre Wange hinabstahl.

„Ob sie sich in den Worten vergriffen haben, kann man so oder so sehen“, sagte er schlieslich im ruhigen, leisen Tonfall. Swentje fuhr mit einem unterdrückten zornigen Laut herum und blinzelte wütend die Tränen weg, die ihr in die Augen steigen wollten. Verdammt! Sie stemmte eine Hand gegen einen Baum und starrte, die Kiefer aufeinanderpressend, auf das Stück Waldboden, dass sich zwischen ihren Füssen und dem Baumstamm befand. Aber auch, wenn sie das Gesicht abgewandt hatte, drückte ihr Körper deutlich genug aus, was die Wut zu überdecken versuchte.

Er seufzte leise.

„Ich kann dich ja verstehen, dass dir die Kritik an gerade diesen beiden Songs so nahe geht, aber das heisst nicht, dass sie falsch oder böse gemeint ist“, versuchte er weiter zwischen den Fronten zu vermitteln. „Versuch doch mal, ihren Standpunkt zu verstehen...-“ „- Das habe ich! Und das ist auch wohl der einzige Grund, warum ich nicht schon im Keller abgedreht bin“, stiess sie zwischen den Zähnen hervor. „Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass ich mich nicht in andere hineinversetzen kann. Aber das ändert nichts daran, dass die Art und Weise der >Kritik< einfach mal scheisse war. Ganz zu schweigen davon, dass bei der letzten Probe noch keiner was an den Songs auszusetzen hatte! Und dann die Vorgabe, das bis übermorgen umgesetzt zu haben!“ Sie schnaubte wütend.

Jyri trat leise hinter sie. Seufzend legte er ihr das Kinn auf die Schulter und zog sie hinterrücks in eine Umarmung. Unwillig wehrte sie sich dagegen, aber er hielt sie eisern fest. „Ich will damit auch nur sagen, dass du dir das Ganze nochmal ruhig durch den Kopf gehen lassen sollst und auch mal einkalkulieren solltest, dass es vielleicht nicht so gemeint war, wie es sich im ersten Moment angehört hat. Du weisst selbst, wie oft die Leute was von dir in den falschen Hals kriegen. Und die Zeitvorgabe ist auch verständlich, immerhin wollen wir hier effektiv was schaffen und in 5 Wochen haben wir den Auftritt.“

Swentje atmete tief durch und sackte etwas in sich zusammen. „Trotzdem... So wie das Ganze abgelaufen ist, kommt es mir nicht wie ein Missverständnis vor...“ Sie starrte weiterhin auf den Boden, auf dem sich ein paar Ameisen ihren Weg über Nadeln und Zweige bahnten. Sie fühlte sich innerlich so unendlich wund...

„Es war bestimmt nicht beabsichtigt! Jeder hat mal einen schlechten Tag“, hörte sie Jyris Stimme leise an ihrem Ohr sagen.

Sie schwieg daraufhin.
 


 

Letztendlich hatte Jyri es geschafft, die immernoch etwas missmutig aussehende Swentje, wieder nach Hause zu schleifen. Dort war ein einigermassen klärendes Gespräch gefolgt, das die Fronten zwar nicht wirklich geklärt, aber zumindest aufgeweicht hatte, sodass ein normales Miteinander wieder möglich war. Auch hatte Jyri sich angeboten, ihr beim Umschreiben und –komponieren behilflich zu sein, was sie dankend angenommen hatte. Zwei Tage waren doch etwas knapp und sie konnte seine Hilfe gut gebrauchen. Ausserdem kannte er sich besser in der Theorie der Materie aus, als sie und konnte ihren Kram dann überarbeiten. Allerdings hatte sie diese Aufgabe erstmal auf später verschoben. Ersteinmal wollte sie etwas Abstand zu dem Geschehenen gewinnen, ansonsten würde da Ganze nur unbefriedigend für sie enden.

Also hatte sie sich spontan dazu entschlossen, sich mit Kochen abzulenken und die Jungs zum Einkaufen losgeschickt. Auch wenn die Belzens asiatische Gerichte liebten, hiess das ja noch lange nicht, dass sie alles im Haus hatten, was man zur Zubereitung eines solchen brauchte. Glücklicherweise hatten sie die wichtigsten Gewürze, sowie die thailändische Curry-Paste da. Die Kokusmilch und das europäische Equivalent zu dem thailändischem Gemüse würden die Jungs nun einkaufen. Ebenso wie alkoholischen Kram, mutmasste Swentje, da es meist keinen anderen Grund gab, warum alle zusammen zum Supermarkt gehen wollten.

Sie suchte in den unteren Küchenschränken nach Töpfen und wurde unter dem zur Hälfte Gas-, zur Hälfte Elektroherd fündig. Sie griff tief hinein und holte den grössten Topf heras, der sich darin befand. Wenn sie schon Kaeng Khiao Wan machte, dann wollte sie davon auch mehr als nur einmal essen.

Als die Jungs schliesslich wiederkamen, begann Swentje ihre Kochsession und der Rest der Band lümmelte mit je einem Bier in der Hand vor dem Fernseher und sappte durch das Sportprogramm.

Kurze Zeit später begann sich bereits ein verheissungsvoller Geruch von der Küche her auszubreiten und immer öfter wurde er tief eingesogen und sich erwartungsvoll zur Küche umgedreht.

„Sagt mal, Jungs“, drang Swentjes Stimme aus selbigen Raum, „wie scharf kann ich’s denn machen?“

„Hau ordentlich rein, scharf is gut!“. Ertönte kurz darauf Kims Antwort aus dem Wohnzimmer. Swentje blickte erneut auf die Curry-Paste in ihren Händen und schob schliesslich den Kopf durch die Tür. „Ich benutz ne original Curry-Paste, das Zeug is also verdammt scharf!“, wies sie vorsichtshalber nochmal darauf hin.

„Klar, kein Ding. Du weisst doch, dass wir unsere Nachos im Kino immer mit ordentlich Chalapenos essen.“, meinte Bastian mit einem kurzen Blick über die Schulter.

„Ähm... das Zeug is um einiges schärfer, als die Chalapenos...“, versuchte es Swentje erneut. „Super! Hau rein, das Zeug!“, antworteten alle im Chor, die Augen weiterhin auf das Geschehen im TV gerichtet.

„Okay~...“

Sie wandte sich wieder dem Kochtopf zu. „Aber beschwert euch nachher nicht...“

Als sie keine Antwort bekam, zuckte sie nur stumm mit den Schultern. Sie sind gewarnt worden..., dachte sie schlicht, als sie erneut etwas Paste unterzurühren begann.
 

Nach einer weiteren halben Stunde war das Essen fertig und ihre Geschmacksnerven völlig ruiniert.

Der Tisch war mittlerweile auch gedeckt und nach einem „Essen fassen!“ stürmten auch schon die Jungs herein. In Windeseile waren die Teller gefüllt, die Löffel darin versunken, um dann das Essen mit grossem Appetit in die Münder zu schaufeln.

Kurz darauf war die Küche von anerkennendem Gemurmel erfüllt. „Oh, ist das geil...:, hörte man Kim mit vollem Mund schwärmen und auch Bastian nuschelte etwas von „saulecker“, ohne allerdings im Kauen innezuhalten. Stefan und Jyri nickten nur bekräftigend.

Swentje lächelte leicht. Also war ihr dieses traditionelle Thaiessen gelungen, freute sie sich und langte ebenfalls zu.

Überrascht blickte sie auf, als sie bemerkte, dass die Essgeräusche, die eben noch den Raum erfüllt hatten, verstummt waren. Kaum traf ihr Blick den von Jyri, als auch schon drei Stühle mit Wucht zurückgestossen wurden und hastige Schritte zu hören waren. Jyri sah seine beste Freundin weiterhin an und atmete hörbar aus. Schweigend schob sie die Schüssel mit dem Reis über den Tisch.

„Hui~... ganz schön scharf...“ Jyri atmete nochmals tief ein. Im Waschbecken versuchten Kim und Bastian gleichzeitig das imaginäre Feuer in ihren Mündern zu löschen, während Stefan am Kühlschrank stand und kalte Milch hinunterschüttete.

Lautlos seufzend stand Swentje auf und holte ein paar Brötchen, die sie zum Reis auf den Tisch legte. Dann setzte sie sich wieder und ass weiter. Ihr Mund war die Schärfe bereits vom Abschmecken gewöhnt, aber trotzdem brannte das Essen gut nach. Mit einem kurzen Blick auf Jyri, der sich gerade etwas Reis nachfüllte, konnte sie auch auf seiner Stirn feine Schweissperlen ausmachen.

„Gott!“, hörte sie es vom Waschbecken her ächzen. „Willst du uns umbringen!?“

„Ich hab euch dreimal gefragt, ob ich’s scharf machen soll“, entgegnete sie ungerührt und schob sich den nächsten vollen Löffel in den Mund.

„Aber doch nicht so scharf!!!“

„Das ist verhältnismässig mild. Ess das mal in Thailand, dann weisst du, was scharf ist“, fügte sie trocken hinzu. „Wir sind hier aber nicht in Thailand!“, begehrte Bastian auf..

„Deshalb hab ich’s ja auch mild gemacht.“ Gelassen ass sie weiter und klopfte schliesslich mit der Hand auf die Sitzfläche des Stuhls neben sich. „Ich hab euch auch Brötchen hingestellt. Trinkt noch ordentlich Wasser oder Milch dazu, dann müsste es gehen...“

Als sie sich wieder gesetzt hatten, warfen sie Jyri missmutige Blicke zu. „Warum macht dir das eigentlich nichts aus!?“

Der Angesprochene wischte sich gerade den Schweiss von der Stirn, als er antwortete. „Ich war auch mit meinen Eltern ein paarmal dort. Ausserdem essen sie öfters mal scharf, von daher bin ich das schon gewohnt.“ Er lächelte leicht.
 

Seufzend nahm sie die Kelle aus dem Topf und schloss den Deckel. Na supi... Jetzt hatte sie für ne ganze Kompanie gekocht und letztendlich würden sie und Jyri die einzigen sein, die es essen würden...

Etwas von dem Käng Khiao Wan konnte sie für sie und für seine Eltern einfrieren und etwas würden sie die nächsten Tage noch essen, aber trotzdem blieb dann noch ziemlich viel über... Eigentlich zu schade zum Wegschütten...

Sie verstaute die Kelle im vollen Geschirrspüler und schaltete ihn an. Was für eine Schande...

Sie drehte sich herum warf dem Fussballspiel einen desinteressierten Blick zu, als sie ins Wohnzimmer ging. Dann bog sie nach links zur Veranda ab.

Draussen angekommen, atmete sie tief ein und schloss sich entspannend die Augen. Ihre Hände wanderten wieder wie von selbst in ihre Hosentaschen. Langsam setzte sie sich in Bewegung und schlenderte am Pool vorbei in den hinteren Teil des Gartens, wo sich das typisch finnische Saunahäuschen der Belzens befand. Direkt dahinter ragten die ersten Birken und Kiefern des Waldes empor, die die Sicht auf den Lake Kitee verdeckten.

Sie bemerkte nicht, wie sie von ein paar interessierten Augen beobachtet wurde. Erst, als ihr etwas auf finnisch zugerufen wurde, schreckte sie aus ihren Gedanken und wandte sich um. „Verzeihung?“, rutschte ihr der Gewohnheit halber auf englisch heraus und einen Augenblick sah die blonde Frau sie überrascht an. Dann lächelte sie. „Ach, Sie sind gar nicht aus Finnland, Entschuldigung“, sagte sie in perfektem Englisch, dass Swentje im ersten Moment selbst überrascht war. „Wo kommen Sie denn her?“

Immernoch etwas überrascht ging Swentje nun ebenfalls lächelnd auf die die ältere Frau zu, die sie über die niedrige Hecke, die das Grundstück von dem der Nachbarn trennte, angesprochen hatte.

„Ich bin aus Deutschland, genau wie der Rest der Truppe.“ Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter zum Haus.

„Aha... und Sie sind Freunde der Belzens, nehme ich an!?“, fragte sie neugierig nach und Swentje konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Sie können mich gern duzen und Ja! Wobei Jyris Eltern mich wohl am liebsten eher adoptieren wollen würden.“

Die ältere Frau lachte kurz auf. „Ja, das klingt nach Emilia“, meinte sie versonnen und blickte zum Haus. „Jyri scheint sich ja richtig gut entwickelt zu haben“, wechselte sie dann unvermittelt das Thema.

„Ja, er hat es ganz offensichtlich geschafft, die Pupertät weitesgehend unbeschadet zu überleben“, grinste Swentje, dem Themenwechsel folgend.

„Kocht er immernoch so gut?“, fragte sie interessiert nach und sog prüfend die Luft ein. „Es richt jedenfalls hervorragend.“

„Hm~.. Das hat Jyri nicht gekocht, aber ja. Wenn er sich denn mal an den Herd stellt, dann wird es meist ein Festmahl“, lächelte Swentje.

„Ahso? Und wer war heute der Koch?“

“Ähm… ich…”, verlegen kratzte sich Swentje am Kopf. „Wirklich!?“ Die alte Finnin sah überrascht aus. „Sie können asiatisch kochen!?“

„Hm.. etwas“, gab Swentje zu. „Meine Eltern haben mich, als ich 12 war, dreimal mit nach Thailand genommen. Da hab ich mir zwar eher den Massagestil abgeguckt, aber ab und an koch ich auch mal thailändisch“, fügte sie erklärend hinzu.

Ihr Gegenüber sah etwas beeindruckt aus. „Du kannst Thaimassagen? Wie lange machst du das denn schon?“ Swentje fühlte sich mal wieder irgendwie etwas wie in einem Verhör. Allerdings einem sehr freundlichem.

„Nun, ich war mit 13 das letzte Mal da, also mach ich das schon seit 13 Jahren“, grinste sie schief. „Allerdings ist daraus irgendwann ein eigener Stil geworden. Ein Mix aus Thaimassage, klassischer Massage und eigenen Elementen.“

Nun sah die ältere Finnin mit den langen blonden Haaren erst recht beeindruckt aus und Swentje fühlte sich mal wieder nicht ganz wohl in ihrer Haut, weshalb sie verlegen abwinkte. Warum waren so viele Leute davon so beeindruckt? Ist doch nichts dabei, wenn man das konnte. Es war nichts besonderes, gut massieren zu können... Ihre Eltern hatten das halt sehr gemocht und ihre Mutter damals sogar aus gesundheitlichen Gründen gebraucht, also hatte sie das, was sie sich bei den drei jeweils vierwöchigen Aufenthalten in dem Land abgeguckt hatte, einfach mal angewendet. Durch sehr häufiges Praktizieren hatte sie dann die Technick erlernt und schliesslich was Eigenes draus gemacht.

„Im Endeffekt ist es allerdings mehr hinderlich, als wirklich praktisch“, fügte Swentje schliesslich anmerkend hinzu, woraufhin die Frau sie fragend anblickte. „Na ja... Wenn man gut massieren kann, dann wollen natürlich auch alle, dass man sie massiert, was an sich ja auch ein Kompliment ist. Nur wird man selbst dann so gut wie gar nicht massiert. Oder eben nur für ein paar Minuten und dann meist nicht ernsthaft.“

„Tja... So ist das bei vielen Sachen. Viele Leute wollen einfach nur vom Können anderer profitieren...“, entgegnete daraufhin ihr Gegenüber bedeutungsschwer nickend.

Swentje ahnte, dass sie das Gespräch ungewollt in eine zu ernsthafte und tiefgründige Richtung gelenkt hatte und versuchte schief lächelnd wieder die Kurve zu kriegen. „Ach na ja... Ich nehm ihnen das nicht wirklich übel, es sind ja eh meist Freunde oder aber Bekannte, die das aufgrund von Schmerzen einfach mal brauchen. Von daher... Ich seh das da nicht so verbissen.“

Die alte Finnin wollte darauf etwas erwidern, als eine weitere weibliche Stimme hinter ihr ertönte und sie sich herumdrehen liess. Aus dem Haus war ihre momentane Nachbarin herausgetreten, deren Gesicht sich unversehens aufhellte, als sie Swentje sah. „Aah! Du musst Swentje sein! Emilia hat mir schon einiges von dir erzählt!“ Sie kam zu ihnen herübergelaufen und reichte ihr die Hand, welche Swentje ganz reflexsartig ergriff und den Gruss erwiederte. „Wir wurden noch gar nicht bekanntgemacht,...-„ „Ach, wie unhöflich von mir!“ entfuhr es der blonden Finnin. „Da hab ich doch glattwegs vergessen, mich ebenfalls vorzustellen, entschuldige!“

„Ah.. Kein Problem...“ Irgendwie kam Swentje sich gerade etwas überrannt vor. Die beiden Frauen waren zwar alt, aber trotzdem schienen sie noch einiges an Energie zu haben. Das musste die berühmte Mentalität der finnischen Frauen sein...

„Mein Name ist Kirsti.“ „Und mich kannst du Angeli nennen!“, fügte die dunkelhaarige Finnin freundlich hinzu, die immernoch Swentjes Hand hielt.

„Äh ja... Sehr erfreut... Meinen Namen kennen Sie ja schon... Und anscheinend einges mehr als das, wenn ich Mrs Belzens kommunikative Art richtig gedeutet habe...“ Mein Gott! Was die Frau wohl alles über mich erzählt hat!?, fuhr es Swentje unangenehm durch den Kopf.

„Nur Gutes, meine Liebe, nur Gutes!“, zwinkerte ihr Angeli zu. „Na da bin ich ja beruhigt!“, gab Swentje etwas übertrieben erleichtert zurück. Hach wie schön... Wieder höflicher Smalltalk..., dachte sie amusiert-ironisch. „Und sag doch bitte du! Als Nachbarn muss man sich doch nicht Siezen!“, rügte Angeli Swentje gespielt.

„Ok~“, lächelte sie. “Und entschuldigt bitte, dass ich euer Gespräch unterbrochen habe, aber”, Angeli wandte sich ihrer Freundin zu, “dein Mann hat versucht dich zu erreichen. Du sollst ihn doch bitte zurückrufen.“ Kristi nickte nur und ging ins Haus zurück, wohl um der Aufforderung sofort nachzukommen.

„Und wie gefällt die Finnland bis jetzt?“, lenkte Angeli Swentjes Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Gut. Es ist sehr schön hier. Allerdings hab ich noch nicht viel vom Land gesehen. Ich bin ja gestern erst hier angekommen“, grenzte Swentje ihre Aussage ein und seufzte innerlich. Gott, wie sehr sie Smallltalk hasste... Andererseits wollte sie auch nicht unhöflich sein und einfach so aus der Unterhaltung entfliehen.

“Na du hast ja noch den ganzen Urlaub vor dir und ich denke mal, dass Jyri auch so einiges geplant hat. Er kennt sich in der Gegend ja auch etwas aus und soweit ich weiss, fährt er ab und an auch mal ans Polarmeer, von daher wirst du wohl noch etwas herumkommen.“ Sie zwinkerte Swentje vielversprechend zu. „Aber das hast du nicht von mir“, fügte sie verschwörerisch hinzu. Swentje grinste. „Alles klar... Im Norden, am Meer, gibts doch sicherlich Berge, oder? Wissen Sie, ob die klettertauglich sind?“

Angeli sah sie etwas irritiert an. „Natürlich gibt es dort Berge, aber ob man dort klettern kann... Ich denke mal schon, warum auch nicht.. Jedenfalls gehen dort viele Leute Bergsteigen, falls du das meinst. Was ich dich eigentlich fragen wollte: Sind Jyris Kochkünste eigentlich die Quelle dieses guten Geruchs!?“ Swentje kam sich gerade wie in einem Deja-Vu vor. Hatte sie so eine Frage nicht schon vor ein paar Minuten beantwortet!? Sie seufzte innerlich und harkte das Kletterthema erstmal ab. „Nein, ich wollt heute mal kochen. Allerdings ist es den Jungs dann wohl doch zu scharf geworden, weshalb nur Jyri und ich das Thaigericht essen werden… Wobei das bei der Menge wohl dauern wird...“, sinnierte sie kurz, als sie an den grossen Kochtopf zurückdachte.

Kristi kam wieder aus dem Haus und auf sie zu. “Ach hast du auf Vorrat gekocht!? Das ist dann natürlich ärgerlich...“, stimmte Angeli zu.

„Tja... Einen Teil können wir die nächsten Tage essen, einen Teil kann ich einfrieren, aber der Rest....“ Swentje wiegte den Kopf abschätzend hin und her. „Du hast doch hoffentlich nicht vor, das Essen wegzukippen!“, warf Kristi fast schon empört ein.

„Ähm... nun ja... Ich kann natürlich auch warten, bis die Überreste Beine bekommen und zu laufen beginnen…” Sie sah aus, als ob sie das wirklich ernsthaft in Erwägung ziehen würde und man konnte den Sarkasmus nur erahnen. “Wenn du das wirklich vorgehabt haben solltest, dann nehm ich dir gern was davon ab.” Verblüfft sah Swentje Kristi an. DAS hätte sie nun nicht erwartet... Auf diese Idee ist sie noch nichtmal gekommen...

„Ähm... sicher...“ Sie blinzelte die alte Finnin etwas überrumpelt an, die sie wiederum erfreut anlächelte. „Wunderbar! Mein Sohn liebt thailändisches Essen!”

“Ähm.. Es ist aber wirklich scharf! Nur als Vorwarnung, die Anderen sind fast sofort zum Wasserhahn gerannt, nachdem sie den ersten Löffel voll gegessen hatten...“

„Na gut, danke für die Warnung. Das könnte dann vielleicht für mich und meinen Mann etwas scharf sein, aber mein Sohn dürfte das aushalten können.“ Sie lächelte.

„Er war ein paarmal in Asien?“, vermutete Swentje und Kristi lächelte bestätigend.

„Ja, dann... müsste das eigentlich passen... Ich geb dir dann einfach mal nen Kochtopf mit“, schmunzelte Swentje schliesslich und lief zurück ins Haus.

Kurz darauf kam sie, einen Topf vor sich hertragend, wieder und reichte ihn an Kirsti weiter. Diese konnte es sich natürlich nicht nehmen lassen, den Deckel zu lüften und einen Blick hineinzuwerfen. Als ihr der würzige Duft des Kaeng Khiao Wan entgegenschlug, konnte sie nur wieder ein anerkennendes Geräusch von sich geben. Fast erwartete Swentje schon, dass sie einen Finger hineinstecken würde, um es zu probieren, doch sie schloss den Topf wieder und bedankte sich nochmals bei ihr.

„Ach, kein Problem. Das ist wirklich die beste Lösung. Es ist echt zu schade, zum Wegschütten.“

„Hast du nicht probiert, es etwas zu verdünnen oder die Schärfe etwas abzumildern?“, fragte Kirsti verwundert nach.

„Hm~... Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das kaum geht... Nicht, wenn man mit der Originalpaste arbeitet. Dann muss man schon sehr sehr viel Milch nachkippen und dann verwässert das Essen einfach. Ausserdem wird es trotzdem immernoch ziemlich nachbrennen...“, erklärte Swentje, fügte dann allerdings einschränkend hinzu: “Vielleicht hab ich aber auch einfach noch nicht den richtigen Weg gefunden, das hinzukriegen.“ Sie lächelte schief. „Auf jedenfall wünsch ich einen guten Appetit! Und Grüsse an den Sohn!“ Sie grinste etwas spitzbübisch, bei dem Gedanken an die vermutete Reaktion des Genannten.

Die beiden alten Frauen sahen sie überrascht an. „Du willst schon gehen?“

„Ja, ich hab noch etwas Arbeit vor mir und damit sollte ich langsam mal anfangen“, entschuldigte sich Swentje und wandte überrascht den Kopf, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. „Ich wollte dich gerade darauf hinweisen“, bestätigte Jyri und schob sie herum und in Richtung Haus. „Ich werde hier einfach mal für dich übernehmen. Wenn du meine Hilfe brauchst, ruf mich.“ Und damit wandte er sich lächelnd den beiden Frauen zu und liess Swentje, grinsend den Kopf schüttelnd, zum Haus zurückeilen.
 


 

Ein Schlüssel im Schloss liess ihn in seiner Arbeit innehalten und aufhorchen.

Als er die Stimme seiner Mutter ausmachte, schrieb er kurz die letzten Noten nieder, die er gerade im Kopf gehabt hatte und erhob sich. Er verliess das Zimmer und begab sich nach unten, wo er gerade noch den Rücken seiner Mutter erkennen konnte, als sie auch schon in der Küche verschwand. Er hörte ein Geräusch, als ob ein Kochtopf auf dem Herd abgestellt wurde und ging ihr verwundert hinterher.

Überrascht musterte er den Topf, vor dem seine Mutter stand. “Waren wir nicht auf die Geburtstags-Grillparty von Mikko eingeladen? Wieso bringst du mir denn was zu essen mit?”, fragte er sie etwas verwirrt.

“Ach der ist nicht von mir. Das hat ein Mädchen, das bei den Belzens zu Besuch ist, gekocht. Anscheinend ist es allerdings für ihre Freunde zu scharf geworden und bevor sie es wegschüttet, habe ich sie einfach gefragt, ob sie es nicht mir mitgeben möchte“, erklärte Kirsti ausführlich.

Tuomas runzelte die Stirn. „Die Belzens? Kenne ich die?“ Er schien angestrengt zu überlegen.

„Ich glaube nicht, nein.“ Kristi wandte sich vom Herd ab und liess sich am Tisch nieder. „Sie ihren Erstwohnsitz in Deutschland und ihr Sohn studiert auch dort. Ausserdem sind Emilia und Frank ja auch oft unterwegs.“

„Hmhm...“, machte Tuomas und nahm den Deckel vom Topf, um hineinzusehen. Sofort fiel ihm der Geruch auf. „Thaiessen!?“, positiv überrascht huschte sein Blick zu seiner Mutter, bevor er sich wieder dem Inhalt des Topfes zuwandte.

„Ja“, lächelte Mrs Holopainen. „Ich soll dich übrigens von ihr grüssen und dich vorwarnen, dass es wirklich scharf ist“, fügte sie hinzu, als sie sah, wie Tuomas eine Schublade öffnete und einen Löffel herausholte. “Jyris Freunde sind wohl allesamt fast sofort zum nächsten Wasserhahn gerannt, als sie es probiert haben.“

Tuomas hielt bei der Erwähnung des Namen in der Bewegung inne und wandte sich schliesslich stirnrunzelnd zu seiner Mutter um. „Jyri?“, fragte er sich vergewissernd nach.

„Ja“, sie sah ihn etwas irritiert an. „Der Sohn von Emilia und Frank Belzen.“

Vor Tuomas innerem Auge blitzte kurz ein Bild von einem betrunken dahertorkelnden Jyri auf, auf das fast sofort eins von einer, sich die Stirn massierenden Swentje folgte. Sie hat das gekocht!? Überrascht blickte er wieder auf das Kaeng Khiao Wan hinab und tauchte schliesslich den Löffel hinein. Kurz darauf war der gefüllte Löffel auch schon in seinem Mund verschwunden und er begann erwartungsvoll zu kauen.

Anerkennend wiegte er den Kopf und langte ein zweites Mal in den Topf. Als er den Löffel erneut gefüllt hatte, verharrte er mitten in der Bewegung und man konnte es etwas in seinem Gesicht arbeiten sehen. Dann atmete er tief und geräuschvoll aus und eine Hand stützte sich unbewusst auf der Arbeitsplatte ab. „Ja, das ist gut scharf...“ Tuomas blinzelte ein paar Mal, schob dann aber nichtsdestotrotz die zweite Ladung in den Mund. „Das kann sich wirklich Thaiessen nennen!“, sagte er mit vollem Mund.

Kirsti lächelte. „Das wird sie freuen zu hören. Kannst du ihr dann den Topf zurückbringen, wenn er leer ist?“ Einen Augenblick sah er sie überrascht an, nickte dann aber, sich wieder umdrehend. „Und bitte iss nicht jetzt schon alles, sonst wird Mikko nachher noch sauer, weil du sein Schwein nicht probiert hast“, ermahnte sie ihren Sohn und erhob sich. „Wir sollten uns langsam auf den Weg machen, dein Vater ist schon da.“

Tuomas gab nur ein zustimmendes Geräusch von sich, als er sich den dritten Löffel in den Mund schob und den Topf dann wieder mit dem Deckel verschloss. Er folgte seiner Mutter schluckend und zog die Tür hinter sich ins Schloss.

Stille kehrte wieder im Haus ein. Von draussen konnte man hören, wie zwei Autotüren zugeschlagen und der Motor angelassen wurde.

Kurz darauf wurden wieder Schritte laut, ein Schlüssel drehte sich im Schloss und jemand betrat das Haus. Tuomas spurtete die Treppe hinauf, griff sich sein Handy, das er auf seinem Schreibtisch hatte liegenlassen und flitzte die Treppe wieder hinunter. Als er an der Küche vorbeikam, hielt er kurz inne und blickte hinein. Er schien kurz zu überlegen. Dann war er auch schon mit ein paar grossen Schritten beim Herd und hatte auch schon den Löffel im Topf, um sich erneut etwas von dem Thaigericht in den Mund zu schaufeln. Dann eilte er kauend hinaus und die Wohnungstür fiel laut hinter ihm ins Schloss.
 


 

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Gott!!! Was für ein Akt, sich den Dialog zwischen Swentje und den beiden Finninen aus den Fingern zu saugen! *ärks* Das hat bei diesem Kapitel mit Abstand am längsten gedauert... Und ich muss sagen, dass es mir immernoch nicht wirklich gefällt... Das Ende schon, aber der Abschnitt mit den Angeli und Kirsti nicht so wirklich... aber gut...

Na ja.. Hoffe, dass es wenigstens euch gefallen hat ^^

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-07-15T22:11:10+00:00 16.07.2008 00:11
Sohooooooooo *gelesen hat* :D Verdammt geil, aber einige fehler:

1. Rechtschreibfehler..

"kenzeln" -> canceln
"Kokusmilch" -> Kokosmilch
"sappte" -> zappte
"Chalapenos" -> Jalapenos
Un an machen Stellen haste "Kristi" statt Kirsti geschrieben"

2. Kirsti wohnt nicht mit Tuomas in Kitee, sondern immer noch in Potoskavaara, ungefähr ne halbe Autostunde entfernt am Heinajärvi ;o)

Aber bis auf die paar Sachen muss ich sagen - haste gut gemacht :D

LG


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