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Küchengeflüster

von

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Randvoll

Kia blies Kagerou sanft in das Ohr, und erfreute sich an dessen Reaktion – sein Angebeteter grummelte verschlafen, und kuschelte sich gleichzeitig enger heran. Augenblicklich erschien ein verschlagenes Lächeln auf Kias Gesicht, denn genau das hatte er sich mit dem Pusten erhofft. Es gab für ihn nichts Schöneres am Morgen, als den nackten und äußerst verführerischen Körper seines Geliebten an seinem eigenen spüren zu können.

„Hey...hey, das ist ein klares Foul, mein lieber!“, scherzte Kia verliebt, während er begierig seine Arme um seinen dösenden Freund schlang. Er platzierte spielerisch einen Kuss auf Kagerous Stirn, und sog betört dessen Duft ein. Kia schloss die Augen, und dachte entzückt an die letzten Stunden zurück.
 

Genau wie am gestrigen Morgen vor dem Klettern zugesichert, hatte Kagerou sein Versprechen wahr gemacht und ihm, nach ihrem Besuch der Ausstellung und der späten Ankunft in der WG, ein paar aufregende Stunden im Bett geschenkt – und AUFREGEND war hierbei deutlich untertrieben, wie Kia fand. Selbst jetzt noch begannen seine Ohren zu glühen, wenn er an die ausgelassene Aktivität seines Geliebten dachte. In solchen Momenten fragte er sich ernsthaft, wie es sich wohl anfühlen würde, Kagerou in sich zu spüren.

Kia war sich bewusst, dass sein Liebster ebenfalls in den Genuss kommen wollte, den er schon seit dem Beginn ihrer Beziehung auskosten konnte. Sie hatten nie vorgehabt, die Rollen innerhalb ihres Sexlebens fest zuzuschreiben, dennoch, es war bisher noch nicht dazu gekommen, dass Kagerou eine andere Rolle als die bisherige eingenommen hatte. Kia wusste, dass es ausschließlich an ihm lag, dass sich sein Freund in dieser Hinsicht zurückhielt. Insgeheim war er auch mehr als froh darüber, denn es würde sein erstes Mal sein, und irgendwie konnte er sich generell noch nicht recht mit diesem Gedanken anfreunden. Aber auf der anderen Seite spürte er, dass seine Neugier und sein Verlangen wuchsen, und es wohl nicht mehr lange dauern würde, bis er Kagerou mit seiner Erlaubnis überraschen würde.
 

„Noch etwas Geduld...“, murmelte Kia versichernd, der gedankenverloren mit einer Haarsträhne seines Geliebten spielte.

„Hast du was gesagt?“, hörte Kia Kagerou verschlafen nuscheln.

„Ach, nichts... Ich muss gleich aufstehen!“, entgegnete Kia ausweichend, der einen Moment später einen stechenden Schmerz in seiner linken Brustwarze spürte. Er schnappte überrascht nach Luft, und drückte Kagerou wild von sich.

„Was zum Teu-“

Kia konnte nicht zu Ende sprechen, da Kagerous weiche Lippen unerwartet seine Worte verschluckten. Dieser drückte ihn sanft auf den Rücken und schob sich gleichzeitig auf ihn rauf. Kia konnte dabei Kagerous aufflammende Leidenschaft deutlich spüren und war drauf und dran, diese zu erwidern, als der Kuss genauso plötzlich endete, wie er begonnen hatte.

Er sah hoch zu Kagerou, der aus sitzender Position und mit verschränkten Armen auf ihn herabblickte. Ein göttlicher Anblick, wie er feststellen musste, aber das heimtückische Grinsen im Gesicht seines Liebsten bescherte ihm eine Gänsehaut.

„So? Du musst also aufstehen?“, fragte Kagerou neugierig, der langsam seine Arme sinken ließ, um mit den Fingern zur sportlichen Brust seines Geliebten zu langen. Sanft fuhr er ihre vertraute Form mit dem Zeigefinger nach. Seine dunkelgrauen Augen, die eben noch in Kias geschaut hatten, richteten ihren Blick nun auf dessen Hals. Dort entdeckte Kagerou den schwindenden Umriss eines Liebesmahls, das er in der vergangenen leidenschaftlichen Nacht ungefragt hinterlassen hatte. Er wusste, dass er Kia damit ärgerte, da dieser auf Knutschflecke jeglicher Art allergisch reagierte, aber das machte die Sache für ihn umso reizvoller. Ein verliebtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

„Jetzt machst du mir aber Angst, Kagerou!“, meinte Kia spielerisch übertrieben, der gleichzeitig eine Hand über Kagerous rechten nackten Oberschenkel gleiten ließ. Sie wanderte langsam an dessen Innenseite nach oben. Noch ein kleines Stück, so dachte Kia, dann würde er das lieblichste Stück seines Freundes berühren können, als sie unerwartet festgehalten wurde. Mehr irritiert als enttäuscht blickte er zu Kagerou empor, dessen Lippen wieder ein neckendes Grinsen zeigten. Kia seufzte theatralisch.

„Ka-chan... Ich habe gerade gar keine Ahnung, was da in deinem süßen Schädel vor sich geht, aber könntest du aufhören, Gesichtsfasching zu veranstalten?! Dein Dr. Jekyll und Mr. Hyde am frühen Morgen bekommt mir nicht auf nüchternen Magen.“, sprach Kia mit fester Stimme, aber innerlich musste er sich am Riemen reißen, um nicht vor Lachen laut loszubrüllen.

Es war doch immer wieder erstaunlich, wie sehr er sich über die eigenen idiotischen Scherze amüsieren konnte, so Kia selbstverliebt sinnierend, der dabei das Gesicht seines Geliebten nicht aus den Augen ließ. Er konnte sehen, wie Kagerou bei seiner Bemerkung überrascht die Augenbrauen hob und für einen Moment die Lippen zu dünnen Strichen aufeinander presste, so dass sie ihre rote Farbe verloren. Kia unterdrückte den Drang, seine Hand nach ihnen auszustrecken. Unzählige Male hatte er diese weichen Lippen nun schon küssen dürfen, aber müde wurde er ihrer nicht. Im Gegenteil. Es verging keine Minute am Tag, wo er sie nicht wenigstens für ein paar Sekunden vor Augen hatte, wenn er sie schon nicht unmittelbar kosten konnte. Manchmal fragte er sich, was wohl seine Arbeitskollegen dachten, wenn sie ihn mit einem verträumten Lächeln im Büro sitzend vorfanden.

Kia seufzte ein weiteres Mal, und versuchte seine seinen-Liebsten-auf-Lippen-reduzierende-Gedanken zu verdrängen. Kagerou bestand natürlich aus mehr als nur einem attraktiven Mund. Der Beweis dafür war schwer zu übersehen, denn schließlich kniete dieser rittlings auf ihm.

„Was ist nun? Willst du noch eine Nummer schieben, bevor ich aufstehen muss, oder nicht?“, fragte Kia mit einem unschuldigen Lächeln. Er sah, dass sich Kagerous Augen für einen winzigen Moment weiteten, ehe sie sich zu Unheil verkündenden Schlitzen verengten.

„Ich mein, die Zeit bleibt nicht stehen...“, murmelte Kia nicht mehr ganz so selbstsicher. Er starrte in Kagerous wütend funkelnde Augen und überlegte einen Augenblick, ob er es mit seinen Scherzen etwas zu weit getrieben haben könnte. Aber dieser Gedanke verflog in jenem Moment, als Kagerous schulterlanges silberweißes Haar sanft sein Gesicht streifte, als dieser sich zu ihm runterbeugte, und ihn leidenschaftlich auf die Lippen küsste. Kagerous Zunge drängte sich dabei in seinen Mund und begann geübt die Stellen abzusuchen, die dafür sorgten, dass ihm bei jeder Berührung ein Schauer über den Rücken lief. Kia stöhnte leise. Bilder der letzten Nacht schossen ihm ungewollt in den Kopf, die seine wachsende Erregung explosionsartig in die Höhe schießen ließ. Er wollte Kagerou sofort.

Um seinen gierigen Wunsch in die Tat umsetzen zu können, musste er Kagerous Körper ein wenig nach unten dirigieren, und mit feuchten Fingern nachhelfen. Aber ehe Kia zur Tat schreiten konnte, lösten sich Kagerous Lippen von seinen. Und damit nicht genug. Dieser stand plötzlich auf und verließ sorglos das Bett, ohne ihm dabei eines Blickes zu würdigen.

„Was-“, stammelte Kia irritiert, der an sich hinabblickte, um sich zu vergewissern, dass es da unten auch wirklich so aussah, wie es sich anfühlte, und Kagerou es definitiv auch bemerkt haben musste. Er richtete den fragenden Blick erneut auf seinen Liebsten.

„Wie ‚was’?! Ich dachte, du wolltest aufstehen. Das hast du zumindest eben gesagt, oder irre ich mich da?“, entgegnete Kagerou gelassen, dessen Gesicht dabei einen schelmischen Ausdruck trug.

„Na ja, schon, aber... Aber das war vor ein paar Minuten, und jetzt-“

„Und jetzt bist du eben anderer Meinung. Verstehe.“, fuhr Kagerou Kia gekonnt das Wort abschneidend dazwischen, und schenkte ihm ein wissendes Lächeln.

„Einparken ist jetzt leider nicht mehr möglich, weil das Parkhaus schon geschlossen hat.“, sprach Kagerou augenzwinkernd. „Aber wenn du möchtest, dann kann ich-“

„Nein. Vielen Dank. Ich sollte jetzt wohl auch aufstehen, wenn ich noch gescheit frühstücken möchte.“, antwortete Kia wie aus der Pistole geschossen, der sich ernsthaft fragte, ob sein Geliebter womöglich Gedanken lesen konnte.

„Okay. Dann werde ich mal ins Bad huschen und anschließend in die Küche gehen. Möchtest du etwas bestimmtes Essen oder Trinken?“

„K- keine Ahnung. Mach einfach.“, erwiderte Kia ungläubig und leicht frustriert. Er beobachtete Kagerou dabei, wie sich dieser offenbar unbekümmert seinen Pyjama anzog – trotz auffallend erregtem Zustand – und zur Tür ging.

„Gut. Dann bis gleich, Geliebter!“, hörte Kia Kagerou süffisant sagen, während dieser herzlos das Zimmer zu verlassen schien.

„Das glaub´ ich jetzt nicht...“

Kia stöhnte leise und setzte sich auf. Er wusste ja, dass sein Freund eine teuflische Ader besaß, und er zudem selbst dran schuld war, wenn er jene mit dem eigenen Verhalten, welches durchaus manchmal weit über das Ziel hinausschoss, hervorrief. Aber das Kagerou ihn so abblitzen ließ, war ihm schon lange nicht mehr passiert. Da half ihm auch nicht der Gedanke, dass sich Kagerou jetzt ebenfalls in einem unbefriedigten Zustand befand.

„Dieser süße Idiot!“, seufzte Kia wehmütig. Ergeben stand er auf und ging zur Balkontür. Vielleicht würde ihm ja die kühle Morgenluft Abhilfe schaffen, dachte er schief grinsend, als er die Tür öffnete und augenblicklich den frischen Luftstrom auf seiner nackten Haut spürte.
 


 

„Oh! Guten Morgen Kouya! Gut geschlafen?“

Kouya schloss die Küchentür hinter sich, und starrte anschließend unsicher in die Runde. Obwohl inzwischen schon mehrere Tage vergangen waren, seit er offiziell als Mitbewohner dieser Wohngemeinschaft willkommen geheißen wurde, konnte er noch immer nicht die Anspannung ablegen, die ihn morgens überkam, wenn er zum Frühstück in die Küche ging. Kouya blickte zum großen Tisch in der Mitte des Raumes. Dort sah er Kia, der an der langen Seite der Tafel saß und geräuschvoll eine Toastbrotscheibe aß, und ihm ein marmeladenverschmiertes Lächeln schenkte. Diesem gegenüber hatte Shino Platz genommen, der seinen verletzten Fuß auf den Stuhl neben sich hochgelegt hatte. Shino blickte kurz von der Zeitschrift auf, die er gerade las, und nickte ihm freundlich zu. Er trug zudem als einziger noch seinen Pyjama. Kagerou, der ihn beim Eintritt mit seiner angenehmen Stimme begrüßt hatte, stand dahinter an der Arbeitsfläche und brühte Tee auf.

„Möchtest du auch welchen?“, fragte dieser mit einem bezaubernden Lächeln.

„Oh... Äh, ja, gern.“, stammelte Kouya, dessen Unsicherheit beim Anblick von Kagerou zunahm.

„He Kagerou! Reiß dich mal zusammen und hör auf, Ya-chan zu verwirren!“, sprach Kia übertrieben schroff, der Kouya zuzwinkerte und auf den Platz neben sich deutete. Ihm war das Lächeln seines Geliebten nicht entgangen.

„Willst du mir damit irgendwas Bestimmtes sagen?“, entgegnete Kagerou verwundert, der die Teekanne nahm und zum Tisch trat. Er blickte Kia herausfordernd an.

„Oh! Jetzt fällt es mir wieder ein. Es ist immer noch wegen meines unbekümmerten Aufstehens, oder?! Ach komm, Kia... Du bockst schon die ganze Zeit! Irgendwann ist auch mal gut...“, meinte Kagerou seufzend, der sich ans Kopfende des Tisches setzte, und Kia dabei nicht aus den Augen ließ.

Kouya blickte fragend zwischen den beiden hin und her und überlegte neugierig, was wohl zwischen ihnen vorgefallen war, als Shino unerwartet sprach.
 

„Kein Grund zur Sorge, Kouya. Das machen die beiden häufiger. Gewöhn dich einfach dran. Nun, und wenn es dann doch zu sehr nerven sollte, verlang einfach ein Time-out. Auf diese Bitte reagieren sie nämlich NOCH – soll heißen, dass sie trotz allem ein wenig Würde und Anstand besitzen.“, erklärte Shino unverblümt, der sich damit zwei ungläubige Blicke einhandelte, denen der lautstarke Protest auf dem Fuß folgte.

„Das sagt der richtige!“, rief Kia aufgebracht, der Shinos Worte nicht auf sich sitzen lassen wollte – auch wenn sie nicht ernst gemeint waren.

„Ich erinnere dich nur zu gern an deinen FEHLTRITT...“

Shino sah gequält zu Kia rüber, der ihm trotz der gesagten Worte ein einfühlsames Lächeln zeigte. Kia musste ihn nicht an sein fragwürdiges Verhalten beim Klettern erinnern, dachte Shino, denn es war ihm ohnehin ständig vor Augen – er brauchte nur auf seinen Fuß zu starren. Dazukam, dass er zum krönenden Abschluss mit Hiroki geschlafen hatte, und sich das ganze Wochenende so zu einem unvergesslichen Ereignis in sein Gedächtnis gebrannt hatte.

Shino seufzte innerlich. Freud und Leid lagen dicht beieinander, wie er zugeben musste, denn zu den Schmerzen in seinem Fuß hatten sich Hirokis berauschende Berührungen gesellt, denen nun eine innerliche Unruhe folgte, die kaum auszuhalten war.

„Time-out, Kia...“, bat Shino leise, der für einen Moment Kagerous mitfühlenden Blick auf sich spürte.
 

„Hey Kouya, nun setz dich endlich!“, rief Kagerou auffordernd, der jenem die Tasse mit Tee befüllte. Anschließend strafte er Kia mit einem mahnenden Blick. Dieser Spinner hatte wirklich ein Händchen dafür, anderen deren eigenes Fehlverhalten gnadenlos unter die Nase zu reiben – auch wenn es nur als Spaß gemeint war.

Kagerou konnte sich zwar gut vorstellen, dass Shino mit seinem leichtfertigen Verhalten alles andere als glücklich war, aber nachvollziehen konnte er dessen Aktion bei Leibe nicht. Er fragte sich ernsthaft nach dem Grund, der Shino dazu gebracht hatte, alle Vernunft über Bord zu werfen. Hatte Shino Hiroki unter allen Umständen sichern wollen, weil er ein Auge auf jenen geworfen hatte und unweigerlich dessen Nähe suchte? War Shino verliebt? Liebe machte ja bekanntlich blind und leichtsinnig, stellte Kagerou gedankenverloren fest, der beobachtete, wie Kouya schließlich Platz nahm, und nach der Teetasse griff. Er beschloss, Shino zu einem späteren Zeitpunkt darauf anzusprechen.

„Hast du eigentlich Muskelkater vom Klettern, Kouya?“

Der Stimme folgend, sah Kouya zu Kagerou, der ihm ein wissendes Lächeln schenkte.
 

„Ich wäre überrascht, wenn es nicht so wäre...“, meinte Kia, der sich entspannt auf seinem Stuhl zurücklehnte und das einsetzende Sättigungsgefühl begrüßte. Er rieb sich sanft den Bauch, und brummte dabei zufrieden gestellt.

Kouya sah verwundert von Kagerou zu Kia und wieder zurück. Dieser erwiderte lachend seinen Blick, denn Kias Brummen und die dazugehörige Bewegung war diesem natürlich nicht entgangen. Kouya stimmte fröhlich mit ein, zuckte aber einen Moment später zusammen, als er Kias aufgebrachte Stimme vernahm.

„Was?!“, fragte Kia barsch, der sich durch Kagerous und Kouyas Lachen veralbert vorkam, denn die Blicke, die sich die beiden zugeworfen hatten, waren für ihn nicht zu übersehen gewesen.

Kouya räusperte sich verlegen, und sah entschuldigend zu Kia.

„Ich wollte nicht lachen, aber-“

„Aber du verhältst dich manchmal einfach zu kindisch, so dass wir gar nicht anders können. Stimmt´s!?“, beendete Kagerou Kouyas begonnenen Satz. Er blickte von seinem Liebsten beruhigend zu Kouya, der wegen dessen schroffer Art beinah ängstlich auf dem Stuhl daneben saß.

„Kindisch?! Ich benehme mich also kindisch. Selbst wenn es kindisch wäre, rechtfertigt das noch lange nicht euer Lachen. Aber vor allem-“, entgegnete Kia unerwartet ruhig, der langsam aufgestanden und neben Kagerou getreten war,

„-wenn mein Verhalten also nicht dem Alter entspricht, was war denn dann mit dir heute Morgen?“, beendete er seine Frage, und starrte auf seinen Liebsten herab. Dieser begegnete Kias bohrendem Blick mit einem breiten Lächeln.

„Ich würde sagen, dass war-“

Weiter kam Kagerou nicht, denn auf einmal hatte er die mit Marmeladengeschmack versehene Zunge seines Geliebten im Mund.

„Ngh...“
 

Kia löste nach nicht weniger als zehn Sekunden seine Lippen, und blickte amüsiert in Kagerous Augen, die im lautlosen Protest weit aufgerissen waren.

„Verdammt. Statt küssen, hätte ich lachen müssen, stimmt´s?!“, stellte Kia süffisant fest, und versah Kagerous Stirn zum Abschluss noch mit einen geräuschvollen Schmatzer. Er richtete sich anschließend auf, und blickte zu Kouya. Dieser sah von Kagerous feuerrotem Gesicht zu Kias, dessen ein selbstgefälliges Grinsen zeigte.

„Für den Muskelkater und die schmerzenden Druckstellen im Schritt gibt es eine super Salbe, die im Bad im Spiegelschrank liegt. Fühl dich frei, sie zu benutzen...“, erklärte Kia, dessen Worte die erwünschte Reaktion nicht verfehlten. Er sah, wie sich Kouyas Gesicht dunkelrot verfärbte, und dieser sich peinlich berührt bedankte.

„Kia!“, rief Kagerou entgeistert.

„Ups! Schon so spät? Ich muss dann mal los. Bis später!“

Lachend kehrte Kia den am Tisch Sitzenden den Rücken zu. Er ging schneller als nötig zur Küchentür, da er befürchtete, dass sein Liebster versuchen würde, den Spieß erneut umzudrehen. Diese Chance wollte er Kagerou nicht bieten.

An der Tür angekommen, blickte Kia ein letztes Mal zurück zu den Anwesenden. Er sah Kagerous Stuhlkissen auf sich zufliegen kommen, und wich diesem mit einem breiten Grinsen elegant aus.

„Daneben!“, kommentierte Kia gutgelaunt und freute sich darüber, dass er mit seiner Einschätzung richtig gelegen hatte. Sein Freund war wenigstens manchmal ein offenes Buch für ihn, dachte er verliebt. Er zog beflügelt die Küchentür hinter sich zu, und sperrte Kagerous laut ausgerufene Verwünschungen ein.
 

„Dieser blöde Kerl...“, fluchte Kagerou, der aufstand, um sich das Stuhlkissen zurück zu holen.

„DAS war kindisch.“, meinte Shino trocken, der sich damit Kagerous wütenden Blick einfing.

„Ja, ja... Ist ja schon gut.“, grummelte Kagerou. Er nahm wieder Platz und schenkte Kouya ein schiefes Grinsen.

„Manchmal kann ich einfach nicht anders. Der Kerl raubt mir echt den letzten Nerv und treibt es zudem neuerdings viel zu bunt.“, murmelte Kagerou gereizt, der sich damit Shinos zweifelnden Blick einfing.

„Wenn du meinst...“, fügte Shino skeptisch hinzu und konzentrierte sich anschließend wieder auf seine Zeitschrift. Ihm entging dabei Kagerous raus gestreckte Zunge.

„Kouya, die Salbe, von der Kia eben sprach, ist wirklich gut. Wenn du Schmerzen haben solltest, dann benutz sie einfach. Kia tut das auch immer, vor allem dann, wenn er sich beim Baseball mal wieder verausgabt hat – was immer häufiger vorkommt, denn mit seinem zunehmenden Alter nimmt auch das imponierende Gehabe proportional zu, wenn du verstehst, was ich damit sagen will.“, witzelte Kagerou, dem es noch lieber gewesen wäre, wenn die besagte Person diese Worte auch hätte hören können.

„Danke, aber ich glaube, es geht auch so.“, entgegnete Kouya verlegen, dem Kagerous Worte einen im Bunny-Köstum Baseballschläger schwingenden Kia in seinem Kopf hervorzauberten. Dieses Bild ließ ihn schmunzeln und er war beinah versucht, sein Gedankenbild mit den Anwesenden zu teilen, aber er schaffte es gerade noch, sich zu beherrschen. Er hatte schließlich keine Ahnung, wo Kia alles seine Augen und Ohren hatte. Womöglich stand dieser vielleicht lauschend vor der Tür und wartete nur auf solch eine Gelegenheit, um erneut in Erscheinung treten zu können. Kouya seufzte leise und griff nach einer Scheibe Toast.

„Ich hatte mir den Muskelkater schlimmer vorgestellt. Mich überraschen eher die Stellen, an denen ich ihn verspüre. Spannend, wo sich so alles Muskeln verbergen…“, erklärte Kouya beiläufig, der sich nicht entscheiden konnte, ob er Schokoladenaufstrich oder Marmelade essen wollte.

„Klettern trainiert beinah deinen kompletten Muskelapprat! Zudem wirst du geistig gefordert, schulst deine Körperwahrnehmung und steigerst die Ausdauer. Dir ist bestimmt aufgefallen, dass es enorme Kraft kostet, wenn du in der Wand stehst und über den nächsten Schritt nachdenken musst. Nun, für mich ist Klettern natürlich noch viel mehr – eins sein mit sich und der Umwelt. Die Einfachheit und Schönheit des Seins-“ Kagerous begeisterter Redeschwall wurde von Shino unterbrochen.

„Ich glaube, das ist ein bisschen zu viel des Guten am frühen Morgen, Kagerou. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kouya deinen schrägen Gedanken folgen kann. Selbst mir fällt das nach all der Zeit, die ich dich inzwischen kenne, zuweilen recht schwer.“, erklärte Shino fast schon herablassend, der sich anschließend Kouya zuwandte.

„Daher lass dir gesagt sein, Kouya, Klettern ist einfach das idealste Rückentraining. Recht simpel, würde ich sagen…“

„Shino!?! Ich bin entsetzt! Was ist los mit dir? Ich kann mich nicht daran erinnern, DICH heute Morgen geärgert zu haben, dennoch teilst du in meine Richtung ganz schön was aus. Ist es der Fuß?“ Kagerou sah fragend zu Shino, der die ganze Zeit die Augen stur auf die Zeitschrift gerichtet hielt.

„Komm schon, Shino! Oder ist gestern etwas mit Hiroki vorgefallen, als er dich nach Hause gebracht hat? Hat er dir etwa noch Vorwürfe gemacht?“ Kagerou blickte für einen Moment entschuldigend in Kouyas Richtung.

„Wie kommst du jetzt bitte auf Hiroki? Und nein, es ist nichts vorgefallen. Vielleicht sollte ich einfach eine weitere Schmerztablette nehmen, damit ich angenehm schwebend und besser gelaunt durch den Tag komme.“ Shino hoffte, dass seine Stimme so unbeteiligt wie nur möglich klang, denn innerlich hatte Hirokis Erwähnung eine Flut unterschiedlichster Gefühle und Gedanken ausgelöst – allen voran natürlich die gestrigen Stunden im Bett, die ihm glücklicherweise körperlich weniger zu schaffen machten, als er befürchtet hatte.

Er vermied es, hoch zu Kagerou zu schauen, dessen neugierigen Blick er deutlich spüren konnte. Shino war sich sicher, dass es ihm äußerst schwer fallen würde, den gestrigen Vorfall geheim zu halten, wenn er Kagerou in die Augen schauen würde – mal von Kouya ganz zu schweigen. Schuld an seiner leicht beeinflussbaren Gemütsverfassung waren die Schmerzen im Fuß, die ihn völlig aus der üblichen inneren Balance gebracht hatten und dafür sorgten, dass er sich ganz schön zusammenreißen musste, um das heute Morgen aufgesetzte Pokerface aufrecht zu erhalten.

Eigentlich befand er sich ja in der vorteilhafteren Position, wenn er an Hiroki dachte. Dieser würde sich wohl mehr als einmal fragen, ob Shino in Gegenwart von Kouya den Mund halten konnte. Shino könnte, wenn er denn wollte, sogar völlig zum Schwein mutieren – frei nach den zum Himmel schreienden Darstellungen der schlechtesten Filme in seiner Videothek, wie er fand. Demnach könnte er zum Beispiel Kouyas Bruder dazu nötigen, ihre gerade erst begonnene körperliche Beziehung aufrechtzuerhalten, falls dieser-

„Ich habe Hiroki gestern Abend am Fahrstuhl getroffen. Er hat Shinos vergessene Tasche vorbeigebracht.“

Kouyas unschuldige Worte rissen Shino aus den Gedanken. Er hob nun doch seinen Kopf und sah für einen Moment zu diesem rüber, der mit dieser Anmerkung nichts Mehrdeutiges im Sinn gehabt zu haben schien. Shino atmete erleichtert auf bis sein Blick auf Kagerou fiel, der ihn skeptisch mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Er hielt überrascht den Atem an und wollte rasch wegsehen, aber es war zu spät. Kagerous zweifelndes Schauen wurde zum ungläubigen Starren und führte dazu, dass sein Gesicht und die Ohren zu glühen begannen. Innerlich verfluchte sich Shino für diese unkontrollierte Reaktion, die so ganz und gar nicht zu ihm passte. Ob es wohl daran lag, dass er für Hiroki mehr empfand, als er sich bisher eingestanden hatte?

„Alles in Ordnung, Shino?“, fragte Kouya besorgt, dem Shinos Gesichtsfarbe nicht entgangen war.

„Uhm… Mein Fuß meint es gerade nicht sehr gut mit mir. Der Schmerz wird wieder stärker.“, murmelte Shino, der sich, die Verlegenheit überspielend, eine lange schwarze Haarsträhne hinter das Ohr strich und dabei heiser lachte.

„Ist es dann nicht besser, wenn du heute nicht in die Videothek gehst?“

Shino blickte zu Kagerou, der ihn jetzt mit mitfühlenden Augen fragend ansah – dessen durchdringender Blick war nun völlig verschwunden. Shino war sich nicht sicher, was er von dieser plötzlichen Verwandlung halten sollte. Er war bei weitem nicht so vertraut mit Kagerous Persönlichkeit, wie es Kia war, dennoch konnte er die Hand dafür ins Feuer legen, dass ihn der jüngere Mann zu einem späteren Zeitpunkt definitiv auf diese Sache ansprechen würde.

Shino seufzte theatralisch und schenkte den beiden Mitbewohnern ein breites Lächeln.

„Ach was! Mit Schmerzmittel geht heutzutage alles! Außerdem habe ich heute die Ehre, Kouya als befristete Aushilfskraft einzuführen.“

„Wie, Kouya als Aushilfskraft?“ Kagerou wandte sich Kouya zu, der ihm ein schokoladenverziertes Lächeln schenkte.

„Ich habe Shino angeboten, ihm seine Beine in der Videothek zu ersetzen. Ich dachte mir, da ich bis zum Semesterstart nicht wirklich etwas zu tun habe, kann ich mich auch anderweitig nützlich machen. Nun, und völlig studiumsfern ist diese Arbeit ja auch nicht. Ich werde auf verschiedene Menschen treffen und kann eine kleine Studie anfertigen. Was für Menschen kommen? Was und wie oft leihen sie sich etwas aus? Kommen sie allein? Bleiben sie länger, um eventuell Gespräche zu führen? Wenn ja, worüber reden sie?“

„Wow, wow Kouya…“, unterbrach Shino Kouyas laute Gedanken. „Also, dein Eifer in allen Ehren, aber ich weiß nicht, ob meine Kunden dabei mitmachen würden. Die Videothek ist in der homosexuellen Szene bekannt und beliebt, daher würde ich sagen, dass die Kundschaft kaum den Durchschnitt der Bevölkerung repräsentiert. Außer natürlich, du willst etwas innerhalb der Szene darstellen.“

„Klingt spannend! Ich habe mich auch schon immer gefragt, wer freiwillig in Shinos düsteren Laden latscht!“, meinte Kagerou lachend, der mit schelmisch funkelnden Augen zu Shino blickte.

„Ich mein, er liegt nicht wirklich in der besten Ecke. Da drängen sich schon einige Fragen au-“

„Ach ja? Dann solltest du vielleicht mal deinen Bettgefährten fragen, warum er des Öfteren in den DÜSTEREN LADEN LATSCHT!“, rief Shino gespielt empört. Er spürte, dass er zu seiner inneren Ruhe zurückgefunden hatte.

„Möglicherweise kommt er ja sogar in deinem Auftrag?! Und wenn nicht, dann solltest du dir unbedingt neue PRAKTIKEN ausdenken, weil Kia mit den bisherigen wo-“

„Ah. Ah. Ah. Shino, Shino. Soll ich dich daran erinnern, dass wir letztens erst über diskriminierende Sichtweisen gesprochen hatten? Klar, selbst deine Videothek verfügt über Filme, die nichts weiter als die sexuelle Stimulation im Sinn haben. Aber die meisten in deiner Auswahl lassen sich nicht NUR auf das EINE herunterbrechen. Schau, daher denke ich, dass Kia aus ganz anderen Gründen auftaucht. Vielleicht will er ja nur deinen Lebensunterhalt ein wenig aufbessern? Hm, möglich wäre auch Kias selbstlose Aufopferung, um einer GEWISSEN alleinstehenden Person Gesellschaft zu leisten – vor allem, weil dieser besagte Mensch ständig turtelnde Liebespaare vor Augen hat.“ Kagerou grinste Shino über das ganze Gesicht an. Dieser erwiderte es fröhlich.

„So habe ich das natürlich noch nicht betrachtet. Vielen Dank, Professor Ka-chan!“

„Gern geschehen, Assistent Shino. Immer wieder gerne!“
 

Kouya blickte während der gespielten Auseinandersetzung amüsiert zwischen Shino und Kagerou hin und her und erfreute sich an dessen ausgelassener Fröhlichkeit, denn diese war für seine angeschlagene Stimmung reinster Balsam.

Schuld an diesem Zustand war sein Bruder, der ihm gestern Abend klar zu verstehen gegeben hatte, dass dieser mit seinem Vorhaben, Shino in der Videothek auszuhelfen, nicht einverstanden war. Eigentlich hatte Hiroki nichts gegen seine Absicht, ein wenig zu jobben, einzuwenden gehabt, aber irgendwie schien die Videothek als Ort der Tätigkeit ein rotes Tuch für seinen Bruder zu sein.

Trotz langer Überlegungen war Kouya zu keiner einleuchtenden Erklärung für Hirokis vehementer Ablehnung gekommen. Es war ihm ein Rätsel. Da sich sein Bruder noch nicht einmal dazu durchgerungen hatte, zumindest ansatzweise zu erklären, warum er die Videothek für nicht gut befand, hatte Kouya beschlossen, dennoch dort zu arbeiten.

Diese Entscheidung hatte ihn zwar schlecht schlafen lassen und er befürchtete weitere Auseinandersetzungen, aber das war ihm egal. Er war alt genug und Hiroki sollte das langsam einsehen. Er griff hungrig nach einer weiteren Scheibe Toast und überlegte, ob er sich an der komischen Unterhaltung seiner beiden Mitbewohner beteiligen sollte.
 


 

Kouya sah unschlüssig auf den Stapel DVDs vor ihm auf dem Tisch, der ihn an Kagerous Worte am Frühstückstisch erinnerte. Wie sein zwei Jahre älterer Mitbewohner erwähnt hatte, gab es hier in der Videothek natürlich auch die besagten Filme, an denen der tiefere Sinn völlig vorbeigegangen war. Titel wie ‚Ran an die enge glitschige Schikane!’ und ‚Ein Finger, zwei oder doch die ganze Hand?!’ oder gar ‚Stoßen bis zum Erguss’ ließen ihn innerlich Aufstöhnen und er versuchte krampfhaft, die sich ihm aufdrängenden Bilder aus dem Kopf zu vertreiben. Zu den geschmacklosen Filmtiteln gesellten sich zudem Covers, die diesen nicht im Geringsten nachstanden.

Er fragte sich, ob dieser schlechte Trash nicht schon wieder Kult war, aber eigentlich wollte er es gar nicht so genau wissen. Kouya vermied es daher, sich die Hüllen in allen Einzelheiten zu Gemüte zu führen. Er öffnete sie ohne zu zögern, um die darin enthaltenen DVDs in die vorbereiteten Ausleihhüllen zu tun.
 

Vor mehr als zwei Stunden waren er und Shino gemütlich zur Videothek aufgebrochen. Auf dem Weg dorthin hatte ihn Shino über die wesentlichsten Grundzüge des Managements eines Filmarchivs aufgeklärt, was, wie er fand, eine recht einfache Geschäftspraktik war.

Kouya musste sich nicht mit dem Einkauf oder der Buchführung beschäftigen, sondern lediglich die neue Ware, so wie er es gerade tat, einsortieren, oder in regelmäßigen Abständen die Nummern für die wiedergebrachten Filme im Laden verteilen. Außerdem sollte er Shino beim Kassieren über die Schulter sehen, um zu einem späteren Zeitpunkt diese Arbeit auch allein durchführen zu können.

Den meisten Spaß hatte Kouya beim unauffälligen Beobachten der Kunden, die im Laufe des Montags immer zahlreicher wurden. Da das Wochenende vorbei war und Shino seine Videothek sonntags geschlossen hielt, kamen in der Regel alle am ersten Tag der neuen Woche, um die ausgeliehenen Filme zurückzubringen.

Kouya sah Kunden im Business-Anzug, leger gekleidete Studenten oder Rentner, Frauen wie Männer. Manchmal entdeckte er versteckt an deren Kleidung das Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung, die Regenbogenfahne, oder gar andere politische Statements.

Die Atmosphäre innerhalb der Videothek war durchdrungen von Ruhe und Gelassenheit, sowie einem unausgesprochenen Zusammenhalt, der unter anderem auf die offenen und fröhlichen Gespräche untereinander zurückzuführen war. Kouya genoss dieses Gefühl und ertappte sich mehrmals dabei, dass er sich wünschte, Yuu würde ebenfalls hier auftauchen.
 

Kouya hörte Shino laut Auflachen und sah neugierig zu diesem rüber. Dieser saß an der Kasse und unterhielt sich vertraut mit einem jungen Mann, der nicht viel älter als er selbst sein musste. Der Mann trug einen dunklen Anzug, hatte volle schwarze Haare, die diesem bis zu den Schultern reichten und, soweit Kouya es aus der Entfernung beurteilen konnte, ein attraktives Gesicht.

Der junge Mann, der auf den Namen Hikaru zu hören schien, deutete lachend mit einer bösen Bemerkung auf Shinos verletzten Fuß, was dazu führte, dass Shino daraufhin mit einer Hand über den Tresen langte und nach dem Schlips des jungen Mannes griff. Überrascht wollte dieser zurücktreten, aber war zu langsam. Shino zog Hikaru an der Krawatte zu sich heran, um diesem dann sanft den Zeigefinger gegen die Nase zu schnipsen. Dieses außergewöhnlich vertraute Verhalten Shinos überraschte Kouya und er fragte sich, ob Hikaru vielleicht einmal mehr als ein nur Freund für den älteren Mann gewesen war.

Kouya war so sehr in diesen Gedanken versunken, dass er nicht mitbekam, dass sich die beiden Männer ihm zugewandt hatten. Shino winkte ihn lachend heran, während Hikaru ihn neugierig von Kopf bis Fuß musterte.

Er schluckte nervös und ließ den Tisch mit den knallbunten Hüllen, denen er nicht nachtrauerte, hinter sich.

„Kouya, darf ich dir vorstellen. Das ist Hikaru und sozusagen dein Arbeitkollege. Er ist die zweite Aushilfe, von der ich vorhin sprach.“

Kouya blickte auf die ausgestreckte Hand Hikarus, der ihm ein breites Lächeln schenkte. Er war in der Tat attraktiv, wie sich Kouya auf dieser neuen Distanz selbst bestätigen konnte.

„Ähm, freut mich.“, stammelte Kouya, der Hikarus Hand nahm.

„Mich ebenfalls. Yagami Hikaru, um Shinos Vorstellung zu ergänzen. Ich habe schon viel von dir gehört, Kouya. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.“ Hikaru zwinkerte Kouya zu, während er dessen Hand freundschaftlich drückte.

„Also, ich hoffe, nur Gutes?!“

„Ahhh ahh…Kouya. Was denkst du denn von mir? Glaubst du, ich würde geheime und peinliche Dinge über dich erzählen? Mal abgesehen davon, dass ich gar keine über dich weiß. Gut, vielleicht zählt ja dein scheues Coming-Out dazu. Dann hätte ich in der Tat etwas ausgeplaudert.“, entgegnete Shino grinsend. Kouya öffnete überrumpelt den Mund, schloss ihn aber gleich wieder.

„Shino, du Fiesling! Ich glaube, dir sind die Schmerzen inzwischen so sehr zu Kopf gestiegen, dass du deine unanständige Seite nicht mehr unter Kontrolle hast! Ich will lieber nicht wissen, wie eine GEWISSE Person in Zukunft darunter leiden wird. Aber ich frage mich, was Kouya wohl dazu zu sa-“

„Ich glaube, du wolltest jetzt gehen, Hikaru!“, rief Shino lauter als nötig und fing sich damit mehrere irritierte Blicke ein – und nicht nur die von Hikaru und Kouya, denn einige Kunden im Laden schauten ebenfalls interessiert herüber.

„Schon klar. Dann mach´s mal gut, Kouya. Wir werden uns heute Abend wohl nicht sehen, wie ich gehört habe. Also noch viel Spaß und vielleicht bis morgen Abend, wenn nichts dazwischen kommt?!“, sprach Hikaru mit einem wissenden Lächeln.

Kouya sah irritiert zwischen Shino und Hikaru hin und her und fragte sich zum einen, was für eine GEWISSE Person Hikaru mit der ersten bedeutungsvollen Bemerkung in Richtung Shino gemeint hatte und zum anderen, ob hinter der letzten in seine eine tiefere Bedeutung steckte. Es war unschwer für ihn zu erkennen, dass Shino von Hikarus Worten unangenehm berührt war. Shinos Reaktion war insofern eindeutig, dass dieser wollte, dass nichts weiter laut gesagt werden sollte. Aber es war für Kouya nicht erkennbar, worüber geschwiegen bzw. welche unausgesprochenen Geheimnisse zwischen Shino und Hikaru lagen.

Neugierig blickte Kouya Hikaru hinterher, der sich inzwischen auf dem Weg zur Tür befand und wenige Sekunden später den Raum nach draußen verließ.

„Er scheint nett zu sein.“, sprach Kouya, dem nichts Besseres einfiel.

„Nett und zuverlässig. Vielleicht etwas vorlaut, aber auf eine charmante Art und daher gut auszuhalten. Bevor er abends hierher kommt, arbeitet er als Vertreter eines kleinen Verlags. Im Prinzip braucht er die Arbeit hier in der Videothek nicht mehr, da er erst kürzlich befördert wurde und nun über ausreichend Einkommen verfügt. Aber da ich ihm so sehr ans Herz gewachsen bin, will er auch weiterhin kommen.“, erklärte Shino lachend, der sich über Kouyas fragenden Gesichtsausdruck amüsierte.

„Wenn du dich jetzt fragst, ob wir ein Paar waren, dann muss ich dich enttäuschen.“, sprach Shino nun etwas leiser.

„Er steht auf jüngere, auch wenn dieser Spinner mit 25 selber noch grün hinter den Ohren ist. Vielleicht sollte ich dich vorwarnen, Kouya. Du bist genau sein Typ, aber keine Sorge, er weiß von Yuu und wird dich daher in Frieden lassen – im Gegensatz zu einem gewissen Kletterprofil, den wir beide kennen. Hikaru war übrigens ganz schön überrascht, als er erfahren hat, dass DU Yuus besagter Schwarm und Freund bist. Ich würde nicht lügen, wenn ich behaupte, dass er Yuu um dich beneidet.“

Kouya starrte Shino an und wusste nicht was er sagen sollte. Die Begegnung mit Hikaru allein hatte schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen, aber Shinos Offenheit und Redseligkeit übertraf alles. Er konnte sich nicht daran erinnern, diesen jemals so viel am Stück sprechen gehört zu haben, dabei auch noch von äußerst privaten Dingen.

Ihm war bewusst, dass ihre gemeinsame Zeit bisher kurz und lediglich auf die gemeinschaftlichen Mahlzeiten in der WG beschränkt gewesen war. Daher waren diese ersten Stunden in der Videothek etwas völlig Neues für ihn. Kouya fühlte sich unsicher und war nicht zuletzt verlegen über Shinos überraschend offene Art. Er fragte sich ernsthaft für einen Moment, ob Hikaru nicht sogar recht hatte mit seiner Bemerkung über Persönlichkeitsveränderung aufgrund von starken Schmerzen. Diesen Gedanken schob er aber im nächsten Augenblick schmunzelnd beiseite. Wenn er schon so etwas Blödes dachte, sollte er statt der Schmerzen vielleicht lieber die Schmerzmittel in Betracht ziehen, die Shino vor ihrem Verlassen der WG erneut eingenommen hatte.

„Irgendwie schaust du gerade ziemlich verloren aus. Vielleicht solltest du dich erst einmal wieder auf die Arbeit konzentrieren, und zu einem späteren Zeitpunkt über Hikaru und mich nachdenken – wenn ich jetzt mal so vermessen sein darf zu behaupten, dass wir beide gerade zu 99 Prozent Gegenstand deiner Gedanken sind. Tut mir leid.“

„Uhm, also, na ja, vielleicht sollte ich mich wirklich erst einmal um die restlichen Filme kümmern.“, erwiderte Kouya gedankenverloren, der plötzlich ein breites Grinsen im Gesicht von Shino aufblitzen sah

„Ach ja. Die Filme. Wenn du möchtest, kannst du nachher einen von diesen mit zu Yuu nehmen und ihm liebe Grüße von mir bestellen.“, raunte Shino anzüglich. Kouya riss die Augen auf und spürte augenblicklich Hitze in sich aufsteigen. Er schlug das Angebot energisch aus und drehte sich murmelnd um.

„Mit Shino stimmt heute definitiv etwas nicht…“
 


 

Hiroki parkte den Wagen und schloss für einen Moment die Augen, während er nervös das Lenkrad umklammerte. Anschließend sah er aus der Windschutzscheibe und konnte die Videothek sehen, aus der eben ein junger Mann im schwarzen Anzug getreten war, der eiligen Schrittes in die entgegengesetzte Richtung davonging.

„Wie verhalte ich mich, wenn Shino da drinnen ist!?! Was rede ich denn da? Natürlich wird er da sein, schließlich arbeitet er dort. Verdammt. Die Sms gestern fielen mir bedeutend leichter als das hier...“, sprach er leise und schnallte sich ab. Er klatschte sich aufmunternd auf die Wangen und verließ das Auto.

„Egal. Ich bin wegen Kouya hierher gekommen und sollte mich daher auch voll und ganz auf diesen konzentrieren.“ Hiroki ging langsamer als gewöhnlich auf den Eingang der Videothek zu.

„Mist, mist, mist… Wieso will er ausgerechnet hier bei Shino arbeiten?“, murmelte Hiroki verständnislos und zog entschlossen die Tür auf.
 

Kouya saß wieder vor seinem Stapel DVDs und verzog angewidert das Gesicht, als er ungewollt die nächste Filmhülle genauer betrachtete. Er war nicht prüde und hatte allerhand über diverse Praktiken in Erfahrung gebracht, aber das, was er nun vor sich sah, drehte ihm beinah den Magen um. Das war etwas, was er definitiv nicht ausprobieren wollte. Er hoffte natürlich, dass Yuu da ähnlich dachte, obwohl er zugeben musste, dass sie bisher wenig über dieses Thema gesprochen hatten. Er hatte eigentlich gar keine Ahnung, was Yuu diesbezüglich mochte oder nicht.

Während er wieder anfing, die Hüllen auszutauschen, ertönte die Türklingel, die einen neuen Gast willkommen oder einen alten verabschiedete. Er sah bei diesem Geräusch inzwischen nicht mehr auf, da er festgestellt hatte, dass er früher oder später sowieso einen Blick auf den neuen Kunden werfen konnte – die Videothek war zum einen nicht sehr groß, und zum anderen würde die Kundschaft in seiner Nähe vorbeischlendern müssen, wenn sie zu den Neuheiten kommen wollte.

Er griff gerade nach der nächsten Hülle, als er Shinos erfreute Stimme hörte, der ein seltsamer Unterton anhaftete.

„Hiroki?! Was führt dich hierher?“

„Wo ist Kouya?“

Kouya zuckte beim Erklang der scharfen Stimme seines Bruders zusammen. Hiroki vergeudete wirklich keine Zeit. Wie er befürchtet hatte, war diese Angelegenheit noch nicht beendet und Hiroki war allen Ernstes der Meinung, ihn hier zur Rede zu stellen.

Kouya spielte für einen Augenblick mit dem Gedanken, sich unerkannt aus der Videothek hinaus zu schleichen, gab diese idiotische Idee aber wieder auf. Er konnte Hiroki nicht davonlaufen, was er eigentlich auch nicht wollte. Dennoch hätte er sich gewünscht, dass sich sein Bruder einen anderen Zeitpunkt ausgesucht hätte.

Er stand auf und sah über zwei DVD-Regale hinweg zu seinem Bruder rüber, der noch immer zu Shino blickte und dabei einen eigenartigen Gesichtsausdruck trug.

„Hier bin ich. Was gibt´s?“, rief Kouya angespannt, der sich innerlich auf eine zähe und nicht enden wollende Konfrontation einstellte. Er beobachtete Hiroki dabei, wie sich dieser beim Klang seiner Stimme abrupt umdrehte, und ihn dann überlegend musterte. Einen Moment später stand sein Bruder vor ihm, der die Lippen wütend aufeinander presste. Im Hintergrund konnte er Shino erkennen, der ihnen einen fragenden Blick zuwarf.

„Was machst du hier?“, raunte Hiroki aufgebracht. Kouya spürte Erleichterung in sich aufsteigen. Zumindest schien sein Bruder nicht an einer lauten Auseinadersetzung interessiert zu sein.

„Arbeiten. Ich sortiere DVDs ein.“ Kouya schlug sich für diese unüberlegte Antwort im Geiste vor die Stirn, denn nun inspizierte Hiroki die DVD-Hüllen auf dem Tisch zwischen ihnen. Kouya konnte förmlich den Aufschrei in Hirokis Kopf hören. Er sah, dass sich dessen Mund zweimal unentschlossen öffnete und wieder schloss.

Dieser Anblick erinnerte Kouya an einen Fisch an Land, der verzweifelt nach Sauerstoff rang – was ja eigentlich noch nicht einmal lustig war, wie er zugeben musste. Dennoch, wäre diese Situation zwischen ihnen nicht schon so aufgeheizt, dann hätte Kouya gelacht und seinen Bruder mit diesem Vergleich liebevoll aufgezogen.

„WAS ist DAS?!“, rief Shino ungewollt lauter, dessen Stimme ihm zu entgleiten drohte. Kouya sah ebenfalls auf den Tisch und sein Blick blieb vermutlich bei genau der DVD hängen, die nun seinem Bruder die Haare zu bergen stehen ließen.
 

„Das? Ganz einfach. Eine Anleitung für Fäkalsex würde ich sagen. Von einigen auch liebevoll ‚Sekt und Kaviar’ genannt.“

Hiroki und Kouya sahen erschrocken auf, als sie Shinos laute Stimme vernahmen.

„Jetzt sagt bloß, das kanntet ihr noch nicht?!“, zog Shino sie auf, der breit grinsend und schwer auf seine Krücke gestützt unbemerkt neben ihnen aufgetaucht war.

„Euren Gesichtern nach zu urteilen, würde ich sagen, dass es euch nicht gänzlich unbekannt ist.“ Shino lachte, als er die roten Gesichter der Brüder vor sich sah. Er hatte zwar keine Ahnung, warum Hiroki unerwartet hier aufgetaucht war. Aber er konnte mit Bestimmtheit sagen, dass dieser nicht gekommen war, um über die gemeinsamen Stunden zu plaudern.

„Ich weiß natürlich nicht, was für eine Auseinandersetzung ihr gerade führt, aber ich würde euch bitten, diese hinten im Büro fortzusetzen.“ Shino blickte ernst in ihre Gesichter. Kouya wandte den Blick ab und sah betroffen zu Boden. Hiroki entschuldigte sich leise.

„Kein Grund, gleich so betrübt auszusehen. Kouya, du weißt wo das Büro ist. Also…“, sprach Shino aufmunternd, der für einen Moment tief in Hirokis dunkelgraue Augen sehen konnte. Statt einer freundlichen Ermahnung, hätte er diesem am liebsten einen leidenschaftlichen Kuss aufgedrückt, um damit das wachsende Verlangen stillen zu können, das sich seit dessen Auftauchen wieder bemerkbar machte.

„Danke. Es wird nicht lange dauern.“, meinte Hiroki leise, der anschließend dem jüngeren Bruder folgte.

„Himmel, da benimmt sich einer süßer als der andere…“, murmelte Shino verliebt, der noch nicht wirklich fassen konnte, dass er Hiroki so schnell nach ihrem gestrigen Spaß wiedersehen würde.
 

„Und? Was hast du mir diesbezüglich noch zu sagen?“ Kouya lehnte verstimmt an der Wand neben der Tür und sah ungeduldig rüber zu Hiroki, der nach ihm in den Raum getreten war und sich noch immer neugierig umblickte.

„Was IST das HIER!?!“ Das war nicht das, was Kouya hören wollte.

„Wie, was ist das hier?! Ein Büro, wie unschwer zu erkennen ist.“, antwortete er und sah gereizt zu Hiroki, der sich ihm nun endlich zugewandte hatte.

„Für mich sieht das hier eher nach einem Filmfriedhof als einem Büro aus. Shino sollte mal ganz dringend seine Prioritäten überdenken.“

Hirokis Bemerkung ließ Kouya grinsen. Einen ähnlichen Gedanken hatte auch er gehabt, als er zum ersten Mal hier hereingeführt wurde. Dieser Raum war wirklich ein reinstes Chaos – für andere wohl eine wahre Fundgrube. Überall stapelten sich Filme, von denen einige wirklich alt und noch auf Videokassette gespielt waren. Die Wände waren von verschiedensten Filmplakaten überfüllt und verschwanden zum Teil hinter großen Regalen, die sich unter dem Gewicht der Fülle der Filme bogen.

„Hi-chan… Ich habe Shino versprochen, ihm hier auszuhelfen, bis sich dessen Fuß gebessert hat. Daran wird sich auch nichts ändern. Ich wünschte, du würdest die Sache nicht so verbohrt sehen. Obwohl ich ja noch nicht einmal weiß, was dich überhaupt daran stört.“

Kouya sah erwartungsvoll in das Gesicht seines Bruders und wartete. Dieser seufzte einen Moment später, ehe er antwortete.

„Ich finde einfach, dass diese Art von Videothek nicht das passende ist.“

„Was meinst du mit ‚diese Art von Videothek’? Weil es hier vorrangig Schwulen- und Lesbenfilme gibt? Weil Shino mindestens homosexuell ist? Weil es nicht in zu dem Bild, das du von deinem kleinen Bruder hast, passt?“

„Nichts von all dem. Und du solltest eigentlich wissen, dass ich keine Vorurteile hege.“

„Was ist es dann?“, rief Kouya genervt, der das Gefühl hatte, dass sie sich im Kreis drehen würden.

„Es ist nicht so, dass ich meine Entscheidung ändern würde, wenn du mir den wahren Grund für deine Vorbehalte sagst. Aber es würde mir eben leichter fallen, dich zu verstehen – auch auf die Zukunft bezogen. Immerhin bist du mein Bruder und mir unheimlich wichtig.“

Hiroki sah seinem jüngeren Bruder in die Augen und erwog für einen Augenblick, diesem ganz offen von seiner Beziehung zu Shino – von der er selbst noch nicht wirklich ein Bild hatte – zu erzählen, aber entschied sich vorerst dagegen. Er brauchte Zeit und Raum. Und diese Bedingungen fand er nun einmal innerhalb der Videothek – auch wenn Shino von seinem Glück noch nichts wusste und er sich hütete, es diesem auf die Nase zu binden. Kouya passte hierbei definitiv nicht ins Bild, aber wie konnte er es diesem erklären, ohne den wahren Grund zu erwähnen. Es blieb ihm eigentlich nichts anderes übrig, als weiterhin den verständnislosen und sturen Bruder zu mimen.

„Ich werde dir einen Job bei mir an der Uni besorgen. Vielleicht kannst du sogar bei mir ar-.“

„Das kannst du dir abschminken!“, rief Kouya aufgebracht dazwischen.

„Ich werde hier bei Shino bleiben, wie ich es versprochen habe.“

„Nein, das wirst du nicht!“, schoss Hiroki zurück, der sich dabei idiotisch vorkam.

„Du kannst mir nichts verbieten, Hi-chan! Ich bin alt genug, um selb-“

„So? Darf ich dich daran erinnern, wer momentan deine Miete zahlt? Da unsere Eltern nicht da sind, habe ich durchaus das Recht-“

„Wenn das so ist, dann werde ich mich gleich auf die Suche nach einer Arbeit machen, um selbst für die Kosten aufzukommen. Wenn du mich also jetzt entschuldigst!“, schnitt Kouya Hiroki kalt das Wort ab und rannte anschließend wutentbrannt aus dem Raum.

Mit dieser Reaktion hatte Hiroki nicht gerechnet. Er starrte bestürzt auf die offene Tür.

„Verdammt. So hatte ich mir das jetzt nicht vorgestellt…“, murmelte er wütend und ging zum Schreibtisch. Hiroki ließ sich grollend auf diesem nieder und überlegte, wie er die Sache mit Kouya bereinigen konnte. Er war so sehr in Gedanken, dass ihm Shinos Eintreten völlig entgangen war und dieser ihn nun schon seit mehr als einer Minute schweigsam von der Wand aus beobachtete.

„Ich nehme an, das lief nicht besonders gut?“
 

Hiroki zuckte zusammen, als Shinos Stimme zu seinen Ohren drang. Er blickte auf und starrte dem älteren Mann in die dunklen Augen. Er verweilte eine Sekunden in ihnen, bevor er Shino anschließend ganz auf sich wirken ließ.

Dieser trug eine verwaschene hellblaue Jeans, deren Hosenbein um den Gips herum sauber aufgetrennt war. Darüber war er in einen schwarzen Kapuzenpullover geschlüpft, auf dessen Front in weiß das Logo einer Eliteuniversität zu sehen war. Hiroki fragte sich, ob Shino einmal Student dieser Hochschule gewesen war. Sein Blick wanderte zurück zu Shinos Augen, die ihn noch immer fragend ansahen.

„Zumindest nicht so, wie ich es mir erhofft habe.“, gab Hiroki zu.

„Darf ich fragen, worüber ihr gestritten habt?“

„Ich möchte nicht, dass er hier arbeitet.“

Shino zog erstaunt die Augenbrauen nach oben.

„Wie das?“

„Ist das nicht offensichtlich?“, knurrte Hiroki.

„Nein. Zumindest nicht für mich. Wie meinst du das, Hiroki?“, erwiderte Shino irritiert, der sich wirklich keinen Reim darauf machen konnte.

„Soll ich es dir zeigen?“, raunte Hiroki heiser, der aufstand und zielstrebig auf die an der Wand lehnenden Person zuging.
 

Shino hatte keine Chance zu antworten. Hirokis weiche Lippen pressten sich plötzlich hart auf seine. Und nicht nur das. Er spürte dessen sanfte Hände im Gesicht, am Hals, auf dem Rücken, im Schritt, was ihn innerlich erbeben ließ. Er rang nach Atem, als der jüngere Mann seinen Mund endlich wieder freigab und unterdrückte im nächsten Moment ein Aufstöhnen, als er Hirokis feuchte Lippen auf dem Hals spürte.

Shinos Gedanken begannen zu rasen. Was hatte diese Aktion mit Hirokis Antwort auf seine Frage zu tun? Konnte es womöglich sein, dass dieser deswegen nicht wollte, dass Kouya hier arbeitete, weil Hiroki hoffte, die Videothek als einen gemeinsamen Treffpunkt nutzen zu können? Wenn dem so sein sollte, wäre er der glücklichste Mensch auf Erden. Es würde bedeuten, dass Hiroki die Sache zwischen ihnen ernsthafter betrachtete, als Shino bisher zu hoffen gewagt hatte.

„Hey! Hiro-“

Ein weiterer leidenschaftlicher Kuss erstickte Shinos Worte. Erneut tanzte Hirokis Zunge in seiner Mundhöhle und er spürte die eigene Erregung gefährlich anwachsen. Er musste dem hier augenblicklich ein Ende setzen – auch wenn ein Teil von ihm lieber ungeniert fortfahren wollte. Jetzt war definitiv nicht der Zeitpunkt für eine filmreife Nummer im Hinterzimmer der Videothek.

Shino drückte Hiroki entschieden von sich und suchte dessen Blick. Als er ihn fand, hielt er entzückt den Atem an – in dessen Augen spiegelte sich der eigene Wunsch wider.

„Das ist keine gute Idee. Also. Der Zeitpunkt jetzt.“, stammelte Shino außer Atem.

„Vielleicht machen wir einfach bei meiner Frage weiter, die du noch nicht beantwortet hast.“

Shino sah Hirokis unheildrohenden Stimmungsumschwung in dessen Augen kommen, und wappnete sich umgehend. Einmal mehr wurde offensichtlich, dass Kouya und Hiroki miteinander verwandt waren. Er unterdrückte ein Schmunzeln.

„Ich dachte, ich hätte dir die Frage ausreichend beantwortet?! Aber wenn du natürlich nicht in der Lage bist, sie zu verstehen, sollte ich vielleicht gehen und die ganze Sache erneut überdenken.“

„Hiro-“, begann Shino irritiert, der eigentlich mit einer ganz anderen Reaktion gerechnet hatte. Er blickte Hiroki verdutzt hinterher, der ohne ein weiteres Wort zu verlieren das Zimmer verließ.

„Scheiße.“ Fluchend sackte Shino gegen die Wand und ärgerte sich über sich selbst.
 


 

Yuu sprintete beflügelt die Treppe zu seiner Einzimmerwohnung hinauf, während ein verliebtes Lächeln seine Lippen umspielte. Als er oben angekommen war und sich in die entsprechende Richtung seiner Wohnung drehte, blieb er überrascht stehen. An seine Wohnungstür gelehnt, saß eine vertraute Person, mit der er erst in einer Stunde gerechnet hatte.

„Kouya?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Bell-chan
2010-01-27T10:46:34+00:00 27.01.2010 11:46
*sabber*
ich freu mich schon, wenn es weitergeht.
so ein böser kagerou
xDDD



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