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Longing - Just for you

von

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Titel: Longing – Just for you

Teil: Kapitel 1

Autor: Tsugumi

Email: jennybreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Seimaden

Rating: PG- 16

Warnung: limone, angst

Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod?
 

Kapitel I
 

Ein dunstiger Morgennebel lag über der Makai und ließ nur langsam zu, dass die aufgehende Sonne Licht in diese von Dämonen beherrschte Welt brachte. Das Leben im Palast begann jedoch ohnehin früh und so war es nicht ungewöhnlich, dass nicht nur die Dienerschaft, sondern auch die drei wichtigsten Dämonen des Reiches schon auf den Beinen waren.

Laures saß an einem großen, schweren Holztisch in seinem Arbeitszimmer, zu seiner linken Titius, zu seiner rechten Zadei. Vor ihnen ausgebreitet lag eine große Karte des westlichen Teiles der Dämonenwelt auf dem Tisch. Laures blickte nachdenklich darauf, während Zadei mit dem Zeigefinger seiner Dämonenklaue über eine Gebirgskette am äußeren Rand fuhr und dabei erklärte:

„Die Glakyr-Dämonen halten sich in den unzähligen Tunneln und Höhlen dieses Gebirges versteckt. Es ist schwierig, sie genau auszumachen, weil diese Höhlen für uns größtenteils unerforscht sind, aber mit der richtigen Anzahl Männer dürfte es keine großen Schwierigkeiten machen, sie aus ihren Mauselöchern zu locken und dann fertig zu machen.“ Kaum hatte er geendet, fiel ihm Titius ins Wort.

„Aber wie ihr bereits sagtet, das Gebiet ist uns nicht vertraut. Die Glakyr leben dort seit Jahrtausenden. Niemand weiß, wie viele hunderte oder tausende versteckte Höhlen und Gänge es dort gibt. Das ist ein Vorteil, den sie mit Sicherheit nutzen werden. Wir könnten schnell in eine Falle geraten.“
 

Zadei sah ihn über den Tisch hinweg an und meinte ein wenig gereizt:

„Und was schlägst du dann bitte vor?“ Titius erwiderte den Blick kühl wie immer. Laures schwieg, blickte seinen Diener mit den blauen Augen aber ebenfalls auch abwartend an, als dieser auch schon seine Ansicht verdeutlichte: „Wie sollten Kundschafter ausschicken, Spione. Sie müssen Informationen sammeln und herausfinden...“

„Herr Gott, Titius! Da ist ein Haufen elender Unterdämonen, die einfach nicht damit klarkommen, dass wir hier den Laden schmeißen! Seit Monaten verbreiten sie schon Unruhe. Es wird langsam Zeit, dass wir da mal aufräumen!“ fiel Zadei ihm laut ins Wort.

„Es sind nicht einfach irgendwelche dummen Unterdämonen, es handelt sich leider um einen sehr intelligenten Stamm. Ich darf euch erinnern, dass wir schon zwei Scharen Unterdämonen hingeschickt haben, aber sie wurden alle vernichtet!“ argumentierte Titius nun auch etwas energischer. Laures schwieg immer noch nachdenklich, blickte mit seinen ewig distanziert wirkenden Augen immer zwischen seinen beiden Beratern hin und her, die abwechselnd das Wort ergriffen. Von der Hitze der Diskussion blieb er völlig ungerührt.
 

„Und gerade deswegen müssen wir nun mit aller Macht zuschlagen. Wir lassen uns nicht auf der Nase rumtanzen, dass muss ein für alle mal klargestellt werden! Zur Not vernichten wir eben das ganze blöde Gebirge.“

„Ach ja, und ihr wollt also mit einer Armee da rein spazieren und einfach alles platt machen...“

„Ja! Genau das habe ich vor.“ Zadei machte eine wischende Geste über den entsprechenden Landstrich auf der Karte und funkelte Titius dabei an. Dieser verengte seine Augen und hielt dem Blick stand.

„Das ist mal wieder typisch. Einfach reinplatzen und alles dem Erdboden gleich machen. Hätte mich auch gewundert, wenn ihr einen anderen Vorschlag gehabt hättet! Ich sage, wir sollten die Glakyr infiltrieren. Mit viel Geschick und ein paar Tricks verunsichern wir sie und sorgen dafür, dass sie untereinander uneins werden. Wenn wir es schaffen sie zu zersplittern, dann..“

„Ha, natürlich! Du bist intrigant wie eh und je, Titius. Kannst es echt nicht lassen, was?“ Zadei verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch. Aber Titius ignorierte diesen verbalen Seitenhieb und bedachte Zadei nur mit einem abfälligen Schnauben. Dann wandte er sich seinem Herrn zu, der die ganze Zeit nichts dazu gesagt hatte.

„Was denkt ihr, Laures-sama? Welchen Vorschlag haltet ihr für den besten?“
 

Der Dämonenfürst legte einen seiner schlanken Finger an die eigene Wange und fuhr mit dem schwarzen Nagel nachdenklich darüber, bevor er mit seiner ruhigen, tiefen Stimme sprach. „Mehrmals haben die Glakyr Überfälle begangen, die gegen uns gerichtet waren. Das ist eine eindeutige Erklärung, dass sie sich gegen meine Regeln stellen. Damit sind sie meine Feinde und Feinde dulde ich nicht. Sie sind nur ein kleines Völkchen, aber schlauer als andere Unterdämonen und äußerst brutal. Ich habe nicht vor, so lange zu warten, bis sie ernsthaft Ärger machen. Ich möchte keine Zeit verlieren, auch nicht dadurch, Spione auszuschicken. Wir schlagen schnell und effizient zu, wir löschen sie aus. Als eine Warnung für alle anderen. Niemand fechtet meine Macht an oder kommt sogar auf die Idee, mir zu drohen. Allein der Gedanke, dass dieses Gesindel dem Schloss nahe kommen könnte, macht mich krank... Zadei, kümmere dich darum, ich übertrage dir die Verantwortung in dieser Sache.“ Damit war die Sache für ihn geklärt. Ebenso wie für alle Anwesenden klar war, warum er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass der Feind sich dem Schloss nähern könnte. Er hatte etwas zu beschützen, deswegen würde er sich in seine Entscheidung auch nicht mehr reinreden lassen.

„War das alles für heute? Gut, dann ziehe ich mich jetzt zurück.“

Damit erhob sich der Dämonenfürst und verließ mit einem kurzen Abschiedsgruß das Zimmer, sein schwarzer Mantel und das lange Haar rauschten hinter der imposanten Gestalt her.
 

Als die anderen beiden allein ihm Zimmer waren, lehnte Zadei sich seufzend in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Sehr gut, endlich wieder etwas Action. Sieht aus als könnte ich mich endlich mal wieder austoben.“

Titius, der ruhig aufgestanden war und nun die Karte sorgfältig zusammenrollte, meinte nur reserviert und ohne aufzusehen:

„Ihr seid wirklich nur glücklich, wenn ihr irgendetwas kaputtmachen könnt, was?!“

Zadei hob ob des Klangs seiner Stimme eine Augenbraue und sah ihn an: „Sag mal, kann es sein, dass du ein wenig gereizt bist, weil unser guter Laures deinen Vorschlag nicht angenommen hat?!“

Titius‘ Miene blieb ausdruckslos wie immer, als er sich umdrehte und die Karte in eines der dafür vorgesehenen Regale legte.

„Natürlich nicht. Ich benehme mich ja nicht wie ein Kind, im Gegensatz zu gewissen anderen Personen hier.“
 

Nun begann Zadei leise zu lachen. Die Schärfe in seiner Stimme war im Vergleich zu vorhin gänzlich geschwunden und einem amüsierten Klang gewichen. Er stand auf und ging von hinten auf den anderen zu, meinte dabei: „Du bist ja doch eingeschnappt! Also das finde ich wirklich sehr interessant!“ Grinsend stand er auf und wollte den Arm seinen Engels ergreifen, dieser aber entzog sich ihm. Mit Zadei zugewandtem Rücken meinte er bloß: „Denkt doch was Ihr wollt.“

Damit schritt Titius aus dem Zimmer und auch ein: „Ach nun komm schon, sei doch nicht immer so…“ verhinderte nicht, dass sich die Tür hinter ihm schloss.

Doch Zadei hatte nicht vor sich einfach so abspeisen zu lassen. Mit ein paar Schritten war er hinter Titius her und machte einen erneuten Versuch, Titius Arm zu ergreifen, was diesmal gelang.

„Was soll das! Das tut weh!“ brauste Titius auf. Gleichzeitig wand er seinen Arm, um ihn aus dem Griff der grünen, geschuppten Kralle zu entziehen, aber das war nicht gerade einfach.

„Warum bist du denn so bissig verdammt? Du bist echt ein schlechter Verlierer, wirklich Titi!“

„Ha, das sagt ja gerade der Richtige!“

„Jetzt lenk nicht ab, was ist los mit dir?“

„Ihr zerquetscht mir den Arm, das ist los!“
 

In diesem Moment bog plötzlich Hilda um die Ecke. An der Hand hatte sie ein kleines, schwarzhaariges Bündel mit spitzen Dämonenohren und kurzen Beinchen, dass tapsenden Schrittes neben ihr herlief. Zadei lockerte sofort seinen Griff und mit einem Ruck hatte Titius sich befreit.
 

„Guten Morgen… Was ist denn los?“ fragte die junge Frau skeptisch, aber überraschenderweise war es Titius, der die Sache abwiegelte. „Nichts, eine Meinungsverschiedenheit, mehr nicht.“

Hilda musterte die beiden für eine Weile schweigend, entschied aber, es dabei zu belassen. Sie ahnte sehr wohl, dass Zadei wieder dabei gewesen war, aufzubrausen, auch wenn dies in der letzten Zeit recht selten geschah, zumindest an früheren Zeiten gemessen. Natürlich machte sie sich weiterhin Sorgen, aber Laures sagte so oft, dass man den Dingen ihren Lauf lassen müsse, Zadei würde sich niemals vollständig ändern und Titius wisse dies. Das beruhigte sie nur wenig, aber sie wusste nur zu gut welch seltsamen Lauf das Phänomen Liebe nehmen konnte und das sie nicht zu stoppen war, welchen Weg sie auch immer nehmen mochte.

„Ist die Besprechung schon zu Ende?“ fragte sie, anstatt zu bohren und blieb vor den beiden stehen.

„Oh ja, ist sie“, meinte Zadei und warf dabei einen kurzen Seitenblick auf Titi. „Und zwar mit sehr zufriedenstellendem Ergebnis.“

Titius machte daraufhin nur einen abfälligen Laut und ging dann in die Knie, wobei er dem kleinen Etwas vor sich durch die widerspenstigen Haare strich.

„Guten Morgen, Prinz Makaze “ Titius schenkte ihm ein freundliches Lächeln, dass der Kleine erwiderte, wenn auch etwas schüchtern, während seine Hand sich fest im Rock seiner Mutter vergrub.

Hilda seufzte. „Er will einfach nicht bei seiner Amme bleiben, dabei muss ich doch Sherril suchen. Sie ist schon wieder unauffindbar. Nenne es die übersteigerten Ängste einer hysterischen Mutter, aber ich habe das Gefühl, dass sie schon wieder etwas Neues anstellt. Ich habe das einfach im Blut...“

Titius richtete sich auf. „Soll ich den Kleinen zurück in sein Zimmer bringen, dann könnt ihr in Ruhe suchen, Lady Hilda“, bot er sich an und die hübsche Frau nickte dankbar.

Dann sprach sie beruhigend auf ihren Sohn ein und schob ihn sanft aber entschlossen zu Titius rüber. Und kaum hatte sie seine kleinen Händchen aus ihrem Rock entwirrt, krallten sie sich auch schon in den Saum von Titius‘ Robe.
 

Nach ein paar Worten des Dankes verschwand die Gemahlin des Dämonenfürsten auch schon wieder im nächsten Korridor. Zadei blickte auf das Bündel hinab, das an Titius hing wie ein Klammeraffe. Als der Kleine jedoch merkte, dass er von dem goldäugigen Dämon beobachtet wurde, der aus seiner Perspektive mehr als riesig war, machte er große Augen und versuchte sich mit einem leisen Wimmern hinter Titius zu verstecken. Zadei zog eine Augenbraue hoch.

„Manchmal habe ich den Eindruck, er hat Angst vor Dämonen...“ meinte er nachdenklich.

„Macht Euch nicht lächerlich! Er wächst mit Dämonen auf und ist zur Hälfte selbst einer. Er kennt den Unterschied zwischen Menschen und Dämonen doch gar nicht. Vor mir hat er auch keine Angst“, tat Titius diese Bemerkung ab, aber Zadei legte weiter die Stirn in Falten.

„Aber du siehst auch nicht aus wie ein Dämon, mein Engel. Wir anderen hingegen... er guckt immer so komisch!“

„Kein Wunder, bei Eurem Auftreten. Wenn Ihr mich fragt, liegt dass allein an Euch, ihr flößt ihm ja immer absichtlich Angst ein. So ein Unsinn, Angst vor Dämonen...!“Der Dämonenengel schüttelte ob der Absurdität dieser Aussage nur den Kopf.
 

Aber der andere ließ nicht locker.

„Ich kann trotzdem nicht wirklich glauben, dass das da der Bruder von Sherril sein soll. Er ist irgendwie seltsam.“

Titius lächelte milde von oben auf den Kleinen herab, der sich noch immer schutzsuchend an ihn klammerte.

„Er ist eben noch sehr klein.“

„Das kann man wohl sagen.“ Zadei trat um Titius herum und beugte sich etwas hinab, um den kleinen Halbdämon näher betrachten zu können, der sofort ängstlich zurück und nach hinten um Titi herum wich. „Also wenn du mich fragst, ist der Knirps *verdammt* klein...“

„Er ist kaum zwei Jahre alt, Zadei...“

„Ja, aber auch so schmächtig, irgendwie...“

„Er ist eine Frühgeburt, wenn ich Euch erinnern darf. Das ist normal und es gibt sich schon mit der Zeit, “ erklärte Titius und kam sich vor als würde er einem Kind etwas erklären.

„Ich weiß nicht…Also wenn du mich fragst, ich glaube, es ist Laures Schuld. Ich meine, er vernachlässigt die Ausbildung des Jungen vollkommen. Der Pimpf wird doch irgendwann gewisse Aufgaben hier zu übernehmen haben… Wann hat unser werter Laures denn bitte vor, mit dem Waffentraining anzufangen? Zumindest die Grundtechniken...und was ist mit Krafttraining?“

„Krafttraining? Der Junge ist kaum zwei Jahre alt, Zadei!“

„Na und? Man kann nie früh genug anfangen!“ Damit griff Zadei mit seiner Klaue nach einem Arm des Kleinen und zog ihn daran einfach in der Luft hoch, bis er vor seinem Gesicht baumelte.

„Siehst du, an dem ist absolut nichts dran!“
 

Der Kleine fing ängstlich zu quieken an und Titius gab einen entsetzten Laut von sich, trat sofort zu Zadei und entriss ihm den Jungen, nahm ihn schützend auf den Arm.

„Seid Ihr wahnsinnig? Ihr reißt ihm ja den Arm aus!“

„Ach hör schon auf. Wenn er so was schon nicht verkraften kann...Und im Notfall wächst der Arm halt nach...“

„Zadei, er ist ein Kind! Ein Kind! Und zur Hälfte ein Mensch, wenn ich Euch erinnern darf!“ Titius funkelte den Shôgun mit seinen blauen Augen warnend an, so etwas nicht noch einmal zu versuchen, während er den Kopf des schockierten Jungen streichelte, der sich verstört an seinem Kragen festkrallte.

Zadei gestikulierte mit den Händen. „Das da ist weder ein Mensch noch ein Dämon, das ist eine Memme! Laures sollte das endlich mal merken! Wenn er ihn in meine Obhut geben würde, ich würde einen richtigen Mann aus ihm machen! Wirklich, wenn das mein Sohn wäre...!“

Titius‘ Augen verengten sich, als er sich abwandte und murmelte. „Ihr wollt Euch also fortpflanzen?“

Großartige Idee, noch mehr so grobschlächtige Barbaren wie Euch und wir können die Makai aufgeben.“ Damit rauschte der Dämonenengel den Flur entlang, das kleine schwarzhaarige Bündel, dass über seine Schulter hinweg ängstlich zu Zadei hinüber starrte, energisch von hier fortbringend.

Doch noch immer war die Sache für den Dämonengeneral nicht beendet. Ein weiteres mal folgte er Titius.
 

„Verdammt nun hör endlich auf, damit du weißt wie ich es hasse wenn du so redest. Und hör gefälligst endlich auf mich mit „Ihr“ und „Euch“ anzureden, wenigstens wenn wir allein sind kannst du mich anreden wie denjenigen, mit dem du nachts das Bett teilst!“

In diesem Moment waren sie vor dem Kinderzimmer angekommen. Der Dämonenengel öffnete die Tür, drehte sich mit Makaze im Arm um und Zadei erwartete, das ihm nun eine weitere zornige Spitzfindigkeit entgegen geschleudert wurde, aber stattdessen meinte Titius mit plötzlich seltsam müde wirkenden Augen:

„Zadei, lass mich einfach allein jetzt. Bitte.“
 

Eine zeitlang sahen sich beide in die Augen tief in die Augen, zwei eisblaue Edelsteine trafen auf das glühende Feuer der raubkatzenartigen Augen Zadeis. Ein wortloser Dialog spielte sich ab, für einen Moment schien die Welt um sie herum innezuhalten. Dann, für den unbeteiligten Beobachter völlig unvermittelt, drehte Zadei sich wortlos um und ging davon. Kein zorniges Wort, keine Beharrlichkeit mehr, es war ein stiller Rückzug.

Titius seufzte, drehte sich um und öffnete die Zimmertür. Alles erschien ihm nach wie vor wie ein Traum, allerdings war er nie wirklich sicher ob es ein guter Traum war oder ein Albtraum, oder ob man überhaupt so eine Einteilung vornehmen konnte. Zwei Jahre war es nun her, dass er Zadei in seine Welt gelassen hatte oder vielmehr, dass sich Titius seinem Schicksal ergeben hatte, wie er es heute oft bezeichnete. Denn in seine Welt war Zadei schon viel eher eingedrungen, ungefragt und unerwünscht. In jener Nacht vor zwei Jahren jedoch hatte Titius diese Tatsache akzeptiert und erkannt, dass er inzwischen einfach zu eng mit Zadei verbunden war. Anfangs war es gut gewesen, der seltsame Dämon mit den katzenartigen Augen hatte ihn Dinge gelehrt, von deren Existenz Titus nicht einmal gewusst hatte, Gefühle, die er nie geglaubt hatte empfinden zu können. Er war sich damals sicher gewesen, dass Richtige zu tun und auch heute wusste er, dass er nicht hätte anders handeln können. Doch indem er Zadei in seiner Welt akzeptiert hatte, hatte er auch herbeigeführt, dass Zadei diese Stück für Stück für sich selbst beanspruchte. Er hatte sich immer mehr ausgebreitet, hatte sie an sich gerissen wie bei allem, was er tat. Der Dämonengeneral war bestimmend und schrecklich herrschsüchtig. Er war ignorant, eifersüchtig, aufbrausend und genau dann unberechenbar, wenn es wirklich drauf ankam.

Titius hatte das Gefühl, dass ihm die Luft zum atmen genommen wurde. Was vorher simpel und glasklar gewesen war, eine Welt bestehend aus einer Glaskugel gefüllt mit nur einem einzigen Ziel, nämlich seinem Herrn zu dienen, war plötzlich jemand, der jeden Winkel davon für sich beanspruchte und sich ausdehnte, bis die Kugel zu zerbrechen drohte.

Ein schmerzliches Gefühl, denn Titius war sich inzwischen sicher, dass es das Schicksal war, dass sie ausweglos aneinander gekettet hatte, aus welchem Grund auch immer. Und obwohl Titius die Geborgenheit genoss die der andere ihm zumindest dann gab, wenn er nicht wieder wütend war, und obwohl er die Wärme eines anderen Wesens schätzte, dass zu ihm zu gehören schien wie eine zweite Hälfte, sowie die unauslöschliche Zuneigung, die Zadei für ihn empfand, so erfüllte all dies ihn auch mit tiefer Angst und dem Gefühl für immer in der Falle zu sitzen. Warum waren die Schicksalsfäden so beschaffen wie sie waren? Nach welchem Schema wurden Seelen einfach miteinander verknüpft? Gab es überhaupt einen Sinn hinter alldem? Titius vermochte es nicht, einen zu erkennen, so viel er auch darüber nachdachte…
 

Nachdenklich zog er sich mit dem kleinen Prinzen in dessen Zimmer zurück und würde –wie immer- den Tag damit verbringen Aufgaben zu suchen, die ihn von seinen Gedanken ablenkten.
 

~*~
 

Rod beobachtete das helle Flimmern auf der Wasseroberfläche, welches die Sonne auf den sanften Wellen hervorrief. Es war so hell, dass seine Augen zu tränen anfingen, wenn er zu lange darauf starrte. Ein paar Enten tummelten sich auf dem blauen Wasser dieses kleinen Sees, an dem Rod im hohen Schilfgras saß. Die Grillen zirpten und am tiefblauen Himmel war keine Wolke zu sehen. Die Sonne war warm und streichelte sanft über Rods Haut, machte ihn schläfrig. Dennoch schaffte sie es heute nicht, in sein Herz einzudringen. Wie so oft in letzter Zeit.

Nach einiger Zeit wurde diese friedliche Idylle durch raschelnde, schwere Schritte durchbrochen, die sich ihren Weg durch das Gras hinter Rod bahnten und sich ihm näherten.

„Hier steckst du also. Im hohen Gras sieht man dich ja kaum“, Asbar ließ sich schwer neben dem anderen im Gras nieder. „Hast dir wieder das schönste Fleckchen zum Dösen ausgesucht, was?“ bemerkte er amüsiert, registrierte aber durch einen kurzen Seitenblick, dass Rod nicht zum Scherzen aufgelegt war. Er blickte einfach nur mit verschlossener Miene geradeaus.

„Asbar?“ ließ sich Rods ruhige Stimme vernehmen.

„Ja?“

„Lass uns diesen Ort verlassen. Lass uns irgendwo anders hingehen. Weiter nach Norden vielleicht.“ Noch immer blickte er Asbar nicht an, sprach nur gedankenverloren und leise. Ein paar der dunkelblonden Haarsträhnen, die sich aus dem kurzen Zopf gelöst hatten, wehten im leichten Wind, unter dem auch das Schilfgras erzitterte.
 

Asbar seufzte. Er hatte sich schon gedacht, dass es bald wieder an der Zeit war. Rod war seit längerem wieder in dieser Stimmung, die Asbar mittlerweile nur zu gut kannte. Dennoch versuchte er es.

„Aber dieser Ort ist doch wunderschön, findest du nicht? Dieses milde Klima, der wunderschöne See, der riesige Wald direkt nebenan. Viele von diesen idyllischen Fleckchen gibt es nicht in der Welt. Und die Leute im Dorf haben uns so freundlich aufgenommen. Sie wären vielleicht gekränkt, wenn wir schon jetzt aufbrechen würden. Wir sind erst seit drei Monaten hier.“

„Drei Monate zu lang. Es wird Zeit, ich bin dieses Ortes überdrüssig.“ Damit erhob Rod sich, stand aber noch eine Weile gedankenverloren da und hatte den Blick seiner hellbraunen Augen weiter auf den See gerichtet.

Auch Asbar stand auf. „Willst du es dir nicht noch mal überlegen? Es ist doch wirklich nett hier...“

„Dann bleib doch hier, wenn es dir so sehr gefällt!“ fuhr Rod ihn urplötzlich unwirsch an, bekam aber sofort einen entschuldigenden Gesichtsausdruck, zog die Stirn in der Hand.

„T´schuldige. War nichts so gemeint.“

Asbars Miene allerdings zeigte statt Ärgernis nur Besorgnis. Behutsam griff er Rods Arm und sah ihn durchdringend an.

„Es gibt doch einen konkreten Grund dafür, dass du so schnell wieder aufbrechen willst, nicht wahr? Du bist seit gestern so komisch. Verkriechst dich hier am See...ist gestern irgendetwas passiert?“

Rods Blick verfinsterte sich. „Es kam wieder einer von ihnen. Wieder irgendein Kriegsherr. Er suchte mich gestern Abend in der Taverne auf.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er mit traurigen Augen zufügte: „Warum, Asbar? Warum sind die Menschen so?“

Rods Augen waren mit Trauer erfüllt und die Stimme versagte ihm. Asbar legte ihm behutsam die Hände auf die Schultern und zog ihn tröstend in seine Arme. Rod lehnte den Kopf gegen sie Schulter seines besten Freundes und schloss die Augen, als er die dunkle Stimme des Älteren vernahm.
 

„Du hast recht, wir waren lange genug an diesem Ort. Wir sollten weiterziehen. Nach Norden...warum nicht?!“
 


 

~*~
 

„So ein Idiot! Verdammt!“ Kleine Blütenblätter gemischt mit einer großen gelben Staubwolke wirbelten auf, als Zadei wütend mit dem Fuß in eines der kleinen Blumenfelder trat. „Paah, ey ihr Mistdinger, das ist ja widerlich! Wie ich dieses Grünzeug hasse!“ Prustend klopfte er sich den langsam wieder herabrieselnden Blütenstaub vom Körper. Der Dämonengeneral kämpfte sich tapfer weiter durch die üppige Vegetation hinter dem Schloss, die zunehmend wilder wurde, je mehr er sich entfernte. Er musste Ranken beiseite schieben und über Büsche steigen, um sein Ziel zu erreichen. Schließlich erreichte er die kleine Lichtung, die friedlich und still lag, unverändert seit so vielen Jahren. Zadeis Blick wanderte nur kurz über die beiden Grabsteine, die hier standen, denn das was ihn interessierte, war nicht hier. Er wollte sich gerade wieder umdrehen und gehen, als er ein Rascheln vernahm und Schritte, die auf die Lichtung zukamen. Und die Geräusche verrieten ihm, das jemand ebenso wie er mit der Vegetation zu kämpfen hatte.

Die Schritte erreichten den Rand der Lichtung, ein letztes lautes Knacken ertönte und mit einem Mal purzelte Sherril aus der grünen Wand aus Unterholz heraus. Sie stieß ein lautes „Autsch!“ hervor, als sie auf den Knien landete, blickte dann auf und entdeckte Zadei, der sie überrascht anschaute. Im Gegensatz zu diesem hielt sie sich allerdings nicht mit langer Verwunderung auf.

„Hallo Zadei! Spielst du auch verstecken?“

Der Dämonengeneral zog eine Augenbraue hoch. „Nein… du etwa? Kann ich mir kaum vorstellen, denn verstecken kann man so weit ich weiß nur mit anderen zusammen spielen. Und da du keine Freunde hast… Tja…“ versetzte er in seinem üblichen „Fressen oder gefressen werden“ – Tonfall, den er in Sherrils Gegenwart immer an den Tag legte. Doch so bösartig diese Spitze auch war – denn in der Tat hatte Sherril kaum gleichaltrige Spielgefährten, die mit ihr mithalten konnten und sie schien seltsamerweise auch keinen gesteigerten Wert auf deren Gesellschaft zu legen-, die Kleine ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gelassen klopfte sie ihr Kleidchen sauber.

„Das muss ich mir nicht von jemandem sagen lassen, der selber keine Freunde hat und zudem über und über mit komischem gelben Zeug bestreut ist. Du siehst lächerlich aus, Zadei!“

Verdammt, die Kleine war inzwischen RICHTIG fies geworden! Lag es an Zadeis Vorbild oder lag das in ihrer Natur? Schnell fuhr der Dämonengeneral sich durch die Haare um den Rest Blütenstaub zu entfernen. Während er sich noch einmal komplett abklopfte, erklärte Sherril: „Und ich spiele sehr wohl verstecken… vor der Amme…“
 

Zadei seufzte: „Wie immer also.“ Da diese Aussage allerdings nicht viel Bissiges an sich hatte, wie er plötzlich merkte, standen sich die beiden auf einmal fast ein bisschen hilflos gegenüber. Sich taxierend suchten sie nach Worten, aber so etwas fällt schwer, wenn man untereinander keine normale Konversation wie „Wie geht es dir?“ gewohnt ist. Während das Schweigen immer peinlicher wurde, wanderten ihre beiden Blicke in der Gegend umher und endlich fand Zadei einen Weg, wieder zurück ins Gespräch zu kommen.
 

„Eigentlich darfst du doch gar nicht hier herumrennen, im Ernst, du weißt dass einige das hier sehr ernst nehmen, oder?“

Sherrils Blick glitt in die gleiche Richtung wie der Zadeis, nämlich zu den beiden Grabsteinen, die nebeneinander standen. „Aber du bist doch auch hier…“

„Ja, aber ich habe nur Titi… Titius gesucht. Aber da er nicht hier ist wollte ich gerade wieder gehen.“

„Es kann aber nicht lange her sein, dass er hier war. Sieh nur, da liegen frische Blumen.“ Sherril ging auf einen der beiden Steine zu und davor in die Hocke, rückte das Bündel weißer Lilien etwas zurecht, das davor lag.

„Sag mal Zadei, hast du sie eigentlich gekannt?“

Der schwarzhaarige Dämon trat neben sie. „Hm, nicht wirklich. Hab sie mal gesehen, mehr nicht. Wurde krank und ist gestorben.“

„Lügner! Sie hat sich von einem Turm gestürzt um sich das Leben zu nehmen! Ich kenn die Wahrheit, also erzähl nicht irgendwas“, sagte die Kleine vorwurfsvoll.

Zadei rieb sich den Nacken. Hatten sie ihr inzwischen also die Wahrheit erzählt... Nun ja, Sherril war nicht wie andere Mädchen in ihrem Alter und in den letzten zwei Jahren hatte sie sich weiterhin verändert.

„Sorry, wollte nur nicht, dass du paranoid wirst, will deine Namensvetterin sich das Leben genommen hat.“

Auf dem Grabstein, vor dem sie standen bzw. hockten, stand in großen, verschnörkelten Lettern der Name SHERRIL eingemeißelt.
 

„Para… was?“ fragte das Mädchen.

„Schon gut, vergiss es.“

„Weißt du, ich weiß inzwischen so einiges, was passiert ist“, erzählte die Kleine weiter, „Ich weiß, dass mein Vater nicht immer ein Dämon war, dass er früher mal ein Mensch gewesen ist wie meine Mutter. Ich weiß, dass du und Vater um den Thron gekämpft habt. Wobei du allerdings verloren hast…“

„Danke dass du mich darauf aufmerksam machst…“, murmelte Zadei, wurde aber nicht weiter beachtet.

„Aber du hast dich immer wieder mit ihm angelegt und dabei ist Sherril, Mamas Freundin, getötet worden. Und viele andere auch…“ Ihr Blick ging zu dem zweiten Grabstein. Er zeigte die Lettern IRIA und auch hier lagen Blumen vor dem Grab.

„Hey, damit hatte ich aber rein gar nichts zu tun! Ich kannte das Mädel gar nicht!“

„Interessant, dass du dich verteidigst, ich habe dir gar keine Vorwürfe im Bezug auf Gelms Verlobte gemacht“, erwiderte Sherril mit demselben scharfen Blick, den ihr Vater innehatte. Kleiner Teufel, dachte Zadei bei sich. Die Kleine versuchte wieder, ihn über irgendetwas auszuhorchen. Sie stocherte andauernd in der Vergangenheit herum. Aber über solche Themen würde er sich nicht weiter auslassen. Ja, viele hatten ihr Leben gelassen während der Streitigkeiten zwischen ihm und Laures. Viele Menschen und Dämonen. Aber er hatte nicht vor, sich so etwas wie Schuldgefühle anzueignen. So war es nun mal, der Schwächere starb, der Stärkere überlebte. Machte man sich über so etwas Gedanken, könnte man nie wieder aufhören sich Vorwürfe zu machen. Und davon abgesehen hatte er mit dem Tod dieser beiden armen Seelen wirklich nichts zu tun, mit Sherrils wenn überhaupt nur sehr indirekt, auch wenn Titius das gewiss anders sah. Sein Blick glitt noch einmal über die Gräber, in denen niemals ein Leichnam gelegen hatte, da von den beiden jungen Frauen nichts geblieben war, was man hätte beerdigen konnte. Es schien lediglich darum zu gehen, einen Ort zu schaffen, um ihrer zu gedenken. Besonders Gelm war dies wichtig gewesen.

Zadei wandte sich ab. „Ich habe keinen Grund mich zu verteidigen, vor dir schon gar nicht. Hör lieber auf dich mit Toten rum zu schlagen, das bringt nix. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe.“
 

„Nicht mit Toten herumschlagen… War Titius nicht schon einmal tot? Die Bediensteten erzählen viel, sie sagen du hast..?!“

„Sherril, es reicht! Halt sofort den Mund!“

„Ist da also was dran?“

„Ich weiß nicht wovon du sprichst. Was auch immer die Bediensteten erzählen, hör auf das Geschwätz zu glauben! Halt ich da raus und lass mich in Ruhe!“ rief Zadei nun ernsthaft erzürnt. Er schritt nun schnell auf den Rand der Lichtung zu, hatte nicht im geringsten Lust, irgendetwas zu erklären.

„Dann erzähl du es mir doch. Zum Beispiel am Anfang, warum hast du meinen Vater damals, bevor er dich einsperrte, angegriffen?“

„Weil er ein Idiot ist!“

„Im ernst, Zadei, warum?“

Langsam drehte Zadei sich um und seine Augen glühten. Er ging wieder ein paar Schritte auf Sherril zu, ging etwas in die Knie, bis er Sherril direkt in die Augen sah. Seine Stimme war nunmehr ein Zischen, wie das Mädchen es noch nie von ihm gehört hatte.

„Weil der Thron der Dämonenwelt nichts sein sollte, was ein dahergelaufener Mensch sich einfach unter den Nagel reißt. Und der dann alles auf den Kopf stellt, als wäre alles, was jemals in der Makai gegolten hatte, nichts wert. Mag sein, dass Laures nun der Stärkere von uns beiden ist, aber es war niemals recht, dass er nach Mallion zum nächsten Dämonenkaiser wurde. Das ist der Grund. Und an deiner Stelle würde ich aufpassen, da du ja immer von Thronfolge sprichst… so etwas gibt es hier nicht. Dein Vater wird irgendwann einen Nachfolger wählen müssen und selbst wenn du das sein solltest, musst du damit rechnen, dass jemand kommt, der stärker ist als du und den Platz für sich beansprucht. Und der reißt dir dann die Gedärme raus und wird Dämonenkaiser, so wie es immer gewesen ist. Und jetzt hör auf mir solche Fragen zu stellen“, Zadei richtete sich wieder auf, doch die golden glühenden Augen ließen noch nicht ab von Sherril, „du gehst mir nämlich auf die Nerven damit.“ Dann ging er endgültig.

Es war das erste Mal, dass es Sherril die Sprache verschlagen hatte. Sie wusste dass Zadei einen wunden Punkt hatte und dass dieser Titius hieß, aber heute hatten sie unbeabsichtigt ein weiteres mal an etwas gerührt, was man bei Zadei besser ruhen lassen sollte…
 


 


 

~*~
 


 

An einem kleinen Bach hatten sie Rast gemacht. Die Pferde grasten zwischen den Bäumen und Asbar hatte gerade ihr Gepäck abgeladen. Für einen Moment hielt er inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Gegen Abend wurde es immer so verdammt schwül in dieser Gegend. Aber Rod schien die Hitze nicht zu stören. Er saß wieder gedankenverloren im Gras und starrte in das fröhlich vor sich hin plätschernde Bächlein. Seufzend fragte Asbar sich, wie lange sie nun schon auf dieser Reise waren. Oder war es mehr eine Flucht?

Es kam ihm beinahe so vor. Rastlos ging es von Ort zu Ort, nirgendwo kamen sie zur Ruhe. Rod wollte immer weiter und weiter, dabei waren sie schon so viel herumgekommen.

Aber so war es nicht immer gewesen. Asbar erinnerte sich an den Beginn ihrer Reise. Es mochte nun fast neun Jahre zurück liegen. An dem Äußeren der beiden Gefährten war diese Zeit fast spurlos vorbeigegangen, immerhin floss in ihrer beider Adern besonderes Blut, aber an der Seele hatte die Zeit ihre Spuren hinterlassen. Besonders bei Rod. Der Ältere erinnerte sich, wie damals der Krieg mit den Dämonen beendet wurde und Rod, der Retter der Azeel, den leibhaftigen Herrn des Hades bezwungen hatte. So zumindest hieß es in den Liedern und Geschichten, die die Kinder von ihren Eltern beigebracht bekamen. Was damals genau passiert war, dass wusste nur Rod allein.

Und eine weitere Erinnerung blieb ausschließlich ihm und Rod vorbehalten. Asbar erinnerte sich, wie sie damals in der Makai mit angesehen hatten, wie die beiden mächtigsten Wesen der Dämonenwelt auf Leben und Tod miteinander gekämpft hatten. Und wie dieser Kampf ausgegangen war...
 

Der Fürst der Dämonen hatte die wahre Kraft der Azeel freigesetzt und sie hatte sich vollends in Rods Körper ergossen. Eine Kraft, unter der Rod bis zum heutigen Tag leiden sollte.

Zunächst waren sie nach diesem Ereignis, nach dem letzten großen Kampf zwischen Laures und dem Titan, auf eine Reise gegangen. Und das war es zunächst auch gewesen, eine Reise. Gerne erinnerte der Mann mit dem dämonenartigen schwarzen Haar sich daran zurück. Sie hatte anfangs viel Spaß gehabt. Auch wenn es nicht immer leicht war, denn Rod musste lernen, diese starke Kraft, die seinen Körper beherrschte, zu kontrollieren. Mehr als einmal hatte der Bursche völlig unversehens ein ganzes Haus in die Luft gesprengt in dem harmlosen Versuch, ein Feuer zu entzünden. Aber ihre Reise war in dieser Hinsicht sehr hilfreich gewesen. Sie kamen sehr viel herum, lernten so viele Menschen und Orte kennen, so viele unterschiedliche Bräuche und Lebensweisen. Und überall wurden sie mit offenen Armen empfangen. Der Ruf des Retters der Azeel eilte Rod immer weit voraus.

Und er lernte tatsächlich, mit seiner Kraft immer besser umzugehen. Alles in allem war es eigentlich eine glückliche Zeit gewesen. Für sie beide. Wann hatte es nur angefangen, so zu werden wie jetzt? Die Veränderung war schleichend und unscheinbar gekommen. Über Rods fröhliches, positives Wesen hatte sich irgendwann ein Schatten gelegt. Natürlich, der fröhliche junge Mann in ihm war immer noch vorhanden. Aber irgendwann schien er sein Ziel verloren zu haben. Seine Reise verwandelte sich zu einer Hetzjagd, die ins Nichts zu führen schien...
 

Nachdenklich trat Asbar neben den anderen.

„Sag mal, Rod, wo wollen wir eigentlich genau hin?“

Der andere warf einen kurzen Blick auf die Landkarte, die er achtlos neben sich ins Gras geworfen hatte. „Hm, vielleicht dorthin“, er zeigte mit dem Finger auf eine kleine Markierung in der Karte. „Fünfzehn Meilen von hier gibt es ein kleines Dorf. Warum nicht dorthin?“

„Oh. Gut. Man sagt, in dieser Gegend sollen die Frauen so hübsch sein wie Schmetterlinge. Echte Schönheiten.“

„Aha.“ Diese Antwort klang in der Tat nicht sehr interessiert. Asbar seufzte erneut. Vielleicht war es doch an der Zeit, es zur Sprache zu bringen.

„Sag mir Rod, wie lange soll es noch so weitergehen?“

„Wovon redest du?“ Der junge Azeel sah ihn von der Seite fragend und forschend zugleich an.

„Es sind jetzt neun Jahre. Bald zehn. Was willst du tun? Die nächsten zehn Jahre so weiter machen? Immer weiter, von Ort zu Ort? Nirgendwo länger bleiben als nötig, immer distanziert von allem und jedem. Sobald einer der Dorfbewohner oder das Mädchen von nebenan versucht, dir zu nahe zu kommen, bekommst du Panik; wir packen unsere Sachen und sind am nächsten Morgen über alle Berge. Es ist immer dasselbe Spiel...“

Rod zuckte leicht ob dieser plötzlichen und ziemlich harten Konfrontation zusammen, dann aber verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck.

„Ich habe dir immer gesagt, dass du nicht glauben darfst, dass du mit mir kommen musst. Ich liebe dich wie einen Bruder und bin dir unendlich dankbar für alles, was du für mich getan hast. Und wenn du irgendein Örtchen findest, an dem du glücklich wärst, dann würde ich das ver...“

„Herr Gott Rod, es geht doch nicht darum! Ich habe geschworen, dass ich dir überall hin folgen würde, sogar bis in die Hölle, was ich im Übrigen schon getan habe.“ Ja, sogar in der feindlichen Dämonenwelt hatte Asbar ihm zur Seite gestanden. „Es geht hierbei nicht um mich. Ich möchte wissen, was mit dir ist! Was ist mit dir geschehen? Wo ist der Rod, den ich kannte?“
 

Nun wurde der Blick des anderen trübe und senkte sich zu Boden.

„Ich weiß es nicht,“ flüsterte er. „Ich bin einfach nur... so erschöpft. Und müde.“

„Weil du seit neun Jahren rastlos durch die Gegend rennst...“

„Neun Jahre… Sag mal, werde ich alt?“ meinte Rod geistesabwesend.

„Nun, äußerlich siehst du immer noch so aus wie damals. Du scheinst um keinen Tag gealtert zu sein. Ebenso wenig wie ich“, erklärte Asbar.

„Vielleicht...sind es nicht wir, die alt werden. Es ist die Welt. Ja, die Welt und die Menschen werden alt. Sie verändern sich so schnell. Ich habe das Gefühl, nicht mehr mit zu kommen, Asbar.“ Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern, als hätte Rod gerade ein Geheimnis preisgegeben. Es war selbst für Asbar äußerst unheimlich, den Burschen mit dem sonnigen Gemüt so melancholisch zu sehen, welcher nun im gleichen Ton weiter sprach:

„Damals, als es für mich nichts anderes gab als die Rettung der Menschen, war alles noch so klar. Ich dachte, wenn ich die Menschen vor den Dämonen beschützen kann, kehrt endlich Frieden ein und die Menschheit könne endlich in Frieden und Harmonie leben. Ich habe mir nie etwas sehnlicher gewünscht als das. Aber es kam alles so anders. Seit...seit Hilda weg ist und Laures die Dämonenwelt wieder regiert, wie es den Anschein hat, gibt es tatsächlich endlich Frieden mit den Dämonen. Seit neun Jahren wurde kein einziger Dämon mehr in der Menschenwelt gesehen. Ich dachte, jetzt wäre alles in Ordnung. Aber die Leute vergessen zu schnell, Asbar. Die neugeborenen Kinder hören zwar noch die Geschichten ihrer Eltern, aber sie werden vielleicht nie einen Dämon zu Gesicht bekommen. Manchmal glaube ich, dass irgendwann vielleicht eine Zeit kommen wird, in der die Menschheit die Existenz der Dämonen ganz vergisst.“
 

„Ist das ein Nachteil, sie nie wieder zu sehen? Wir hatten selten gute Erfahrungen mit ihnen. Es ist gewiss nicht zum Nachteil der Menschheit, dass unsere Welten getrennt sind. Immer schon waren die Dämonen eine Bedrohung für uns. Und jetzt sind wir endlich frei von ihnen, denn sie bleiben offenbar auch lieber unter sich, “ warf Asbar ein, doch Rod fiel ihm ins Wort.

„Aber was tun sie nun? Statt den Frieden zu genießen und die Freiheit zu schätzen die ihnen geschenkt wurde, bekriegen sie sich nun untereinander. Sie erobern Land, plündern sich gegenseitig aus, streiten untereinander weil es nichts zu streiten gibt!“

„Du warst immer ein Menschenfreund, Rod. Du hast immer an sie geglaubt und in deinem Glauben liegt deine Stärke, dass habe ich damals erkannt.“

„Und wozu dient diese Stärke? Dazu, dass Kriegsherren zu mir kommen und mich bitten, mit ihnen in die Schlacht gegen ihren Nachbarn zu ziehen, damit sie sich dessen Land und Gut einverleiben können?! Habe ich dafür gekämpft, Asbar? War es das, wofür ich damals bereit war, alles zu opfern?!“ Damit vergrub er sein Gesicht in den Händen, stützte es auf die Knie und seine Stimme war nur noch ein verzweifeltes Flüstern. „Ich habe die Menschen immer beschützen wollen, vor allem und jedem, aber wie soll ich sie vor sich selber schützen? Manchmal ertappe ich mich tatsächlich dabei, wie ich mich frage, ob... ach nein, schon gut.“ «....ob ER nicht doch recht gehabt hat.» vollendete Rod den Satz im Kopf, versuchte diesen bösen Gedanken aber gleich wieder zu verdrängen, der ihn in letzter Zeit so oft behelligte.
 

Asbar war nun doch etwas hilflos. Er hatte Rod selten so am Boden zerstört gesehen. Und zum ersten Mal verstand er das Ausmaß von Rods Frustration, die sich ganz allmählich in Verzweiflung gewandelt zu haben schien. Gerne hätte Asbar etwas Tröstendes, etwas Weises zu ihm gesagt, aber was sagte man einem Mann wie Rod, der an sich selbst zu zerbrechen drohte? Immer schon war seine Kraft und die damit verbundene Verantwortung eine Last für den viel zu jungen Mann gewesen. Aber als ob es nicht genug gewesen wäre, die Verantwortung für ein ganzes Volk aufgebürdet zu bekommen, hatte er auch noch die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, von jedem, wirklich jedem Menschen, der ihm was bedeutet hatte, verlassen oder gar verraten zu werden. So viele Personen, die Rod etwas bedeutet hatten, hatten sterben müssen. Die einzige Frau, die er je geliebt hatte war zu einem anderen gegangen und ein scheinbar wichtiger Freund hatte ihn verraten. Der heilige Retter der Azeel, den alle so verehrten und in Liedern bejubelten, hatte in Wirklichkeit niemanden mehr bis auf ihn, Asbar. Es war kein Wunder, dass Rod sich scheute, einem anderen Menschen noch einmal nahe zu kommen, was im Übrigen ohnehin nicht einfach war, wenn Menschen in erster Linie zu einem kamen, weil sie irgendetwas von einem wollten.
 

Im Grunde hatte Rod nichts mehr, außer seiner Vorstellung einer besseren Welt. Aber diese Utopie hatte sich nicht erfüllt, würde sich vielleicht nie erfüllen, egal welches Opfer er dafür brachte. So sah die Realität aus, sie zerschmetterte einen Traum wie eine Kugel aus Glas, und Rod schnitten die Scherben tief ins Fleisch.
 

Was gab es darauf zu sagen? Und so schwieg Asbar.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Beelze
2008-04-15T18:52:01+00:00 15.04.2008 20:52
Ich bin der erste???
Son scheiß!
Ich dachte ich bin Numer 150 oder so.
Egal!
Du darfst dich auf keinen fall entmutigen lassen.
Auch wenn du wehnige Komis bekommst, du musst immer daran denken:
ICH BIN DEIN GRÖßTER FAN!!!!!!!!!!!!!!!!
Bitte bitte schreib weiter!!!!
Ich habe sooooooooooooooo auf eine Fortsetzung gehoft, ich will sie mir nicht wegen mangelner Leser Zahl berauben lassen.
Ich verspreche das ich dir helfe deine FF in die runde zu bringen, aber bitte schreibe weiter!!!
ich helfe dir auch, ganz gewiss, nur schreib weiter!!!

Ach ja zu deiner FF.
Ich fand das so süß!
Zadei und Titus erster Ehekrach(zumindest offizel erster miterlebter Ehe krach seit sie ganz Offizel zusammen sind) Ich will mehr davon! XD


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