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Darkest Days

One-Shot Sammlung| 05 - Die Sterne, der Mond und die Sonne
von

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4| thirteen ways to make mistakes

darkest days | thirteen ways to make mistakes

Schmetterling

Fullmoon wo sagashite | Izumi Rio
 

Es war ein schöner Tag. Die Sonne stand hoch am azurblauen Himmel und erwärmte die Pflastersteine des Weges. Die Zweige der Bäume, bestückt mit tiefgrünen Blättern, wiegten in der sanft lauen Brise. Der Geruch von frischem gemähten Gras und Sommeranfang. Das Summen einer Biene untermalte die friedliche Stille und die grünen Wiesen und Beete der Parkanlage waren mit bunten Tupfern in allen Farben übersähen.
 

Er hasste den Sommer und vor allem hasste er Tage wie diesen. Das Licht war zu grell, die Temperatur für seinen Geschmack zu warm und die Welt im Allgemeinen zu bunt. Sie ließ kein Platz für dunkle Gedanken, aber die hatte er nun mal, ob sie nun passen mochten oder nicht. Und gerade weil sie nicht passten, hasste er diesen Tag, nicht die Gedanken, denn die waren seine eigenen, nur den Tag.
 

Die Parkbank auf der er saß, - offensichtlich missgelaunt und trotz der Wärme in seinen üblichen, langärmeligen Kleidern, - stand im Schatten einer großen, alten Eiche. Er saß auf der Lehne der Bank, während seine Füße die eigentliche Sitzfläche berührten. Seine Unterarme ruhten auf seinen Oberschenkeln und seine goldgelben Augen folgten einem kleinen Schmetterling, der um eine knallrote Tulpe kreiste. Die Flügel des Schmetterlings waren mitternachtsblau mit weißen Rändern und kleinen weißen Punkten. Er zählte je sechs auf jedem Flügel. Zwölf Punkte. Ein Punkt für jeweils einen großen Fehler, den er im Leben gemacht hatte.
 

I

Ich wurde geboren
 

II

Ich wollte wissen wie es ist meine Mutter lächeln zu sehen
 

III

Ich bin losgerannt
 

IV

Ich bin in eine Falle gelaufen
 

Seine Mutter hatte ihn nie geliebt, oder doch, vielleicht einmal vor sehr, sehr langer Zeit. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern oder vielleicht gab es diese Erinnerungen auch gar nicht. Vielleicht hatte er sich immer nur gewünscht, dass es sie gab. Er war in den Tod gegangen als er noch viel zu jung gewesen war um zu begreifen, was Tod eigentlich bedeutete. Er hatte sie nur ein einziges Mal lächeln sehen wollen. Nur ein einziges Mal.
 

Vier Fehler, die er in den sieben Jahren seines Lebens auf der Erde gemacht hatte und eigentlich hatte er geglaubt, es seien seine Letzten gewesen. Wer hätte gedacht, dass man auch im Leben nach dem Tod noch Fehler machen konnte?
 

Der kleine Schmetterling ließ sich schließlich auf der Blume nieder und betastete mit seinen Fühlern die karmesinfarbenen Blütenblätter. Auch für ihn war es bereits das zweite Leben. Wie ein Leben nach dem Tod. Eine Chance hatte sie es genannt, eine zweite Chance, doch er hatte noch viel mehr Fehler gemacht als zuvor.
 

V

Ich habe mich in sie verliebt
 

VI

Ich habe ihr Herz gebrochen
 

VII

Ich ließ sie gehen
 

Sie war die erste Person, die ihm jemals gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Er war überrascht gewesen. Überrascht und verwirrt. Er hatte ihr nicht geglaubt. Er hatte sie von sich gestoßen, hatte sie ignoriert, ihr das Gefühl gegeben, sie wäre ihm egal. Er hatte sie getestet und sie hatte es die ganze Zeit gewusst. Sie fing an sich selbst zu belügen, so lange, bis sie selbst an ihre Lügen glaubte, aber er hatte sie ihr niemals abgenommen, er hatte immer gewusst, was sie wirklich fühlte. Er hatte nur nie gewusst warum. Er hatte sich selbst gesehen und nie etwas entdeckt, dass liebenswert gewesen wäre, also hatte er nichts gesagt. Er hatte sie weiter beobachtet, aus der Ferne. Aus der Ferne, in die er gehörte, aus der er immer alles beobachtet hatte, aus der er auch seine Mutter immer beobachtet hatte.
 

VIII

Ich habe die Seele meiner Mutter genommen
 

IX

Ich habe jemandem davon erzählt
 

X

Ich habe sie geküsst
 

Izumi streckte den Finger aus und berührte damit die zarten Blütenblätter der Blume. Der Schmetterling flatterte kurz auf und ließ sich dann auf seinem Finger nieder. Izumi hob die Hand nahe an sein Gesicht um das kleine Tier besser mustern zu können. Der Schmetterling krabbelte auf seine Handfläche und Izumi fragte sich ob er denn keine Angst hatte.
 

Ein Todesengel sollte sich nicht an seine Vergangenheit erinnern, das war Teil seiner Strafe. Inwiefern das zusammenpassen sollte, wusste Izumi nicht. Er hatte sich trotzdem erinnert. Er hatte nie vergessen. Er hatte den Namen seiner Mutter erkannt, als er ihn las und er hatte sie erkannt, als sie ihn nicht erkannte. Er hatte sich an die Gleise erinnert, an ihre Schläge, sogar an die Katze, die er so gerne behalten hätte und er hatte sich daran erinnert, dass er nur ein kleiner Junge gewesen war, der nicht verstanden hatte.
 

Er war naiv gewesen, naiv wie der Schmetterling. Er hatte sie geküsst um zu sehen wie es war, was er selbst fühlte, aber es hatte nicht gebracht, er hatte es nicht erkannt und wie auch? Er hatte nie erfahren wie sich Liebe anfühlt, wie hätte er beurteilen sollen, ob er liebte? Wie sollte er überhaupt dazu in der Lage sein, wo er es doch nie gelernt hatte.
 

XI

Ich habe alle betrogen und allen voran mich selbst
 

XII

Ich habe versucht mich zu erinnern und schließlich bemerkt
 

XIII

dass ich die Gleise niemals verlassen habe.
 

Es gab keine Liebe, nichts und niemanden. Er stand immer noch auf den Gleisen und wartete, wartete darauf, dass irgendetwas geschah, dass irgendwer ihm erklärte, warum alles so war, wie es war, dass es einen tiefern Grund gab, einen Sinn hinter all dem, dass es etwas gab, für dass es sich zu leben lohnte, dass es eine zweit Chance gab, für jeden, dass sich Dinge änderten und die Welt nicht nur grausam war.
 

Izumi ballte seine Hand zur Faust und zerquetschte damit lautlos den blauen Schmetterling. Wenn er Glück hatte, wurde er vielleicht zu einem Todesengel, schließlich hatte er sich selbst in diese Falle begeben.



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