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Starlight Express-Die Abenteuer von Casey Jones & Rusty

Nach Motiven des Musicals
von

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3. Ein Rennen mit unlauteren Mitteln

Starlight Express
 

Kapittel 3

Ein Rennen mit unlauteren Mitteln
 

„Wow! Jetzt geht’s los!“ rief Casey begeistert und reckte seinen Hals.“ Los, Krokodil! Zeig dem schmierigen Angeber, was Du kannst!“

Auf dem großen Bildschirm über den Bahnsteigen konnten die Zuschauer das Rennen verfolgen, das nun aus dem Bahnhof auf eine Rundstrecke um die Stadt führte. Mehrere schwenkbare Übertragungskameras waren entlang der Strecke auf Masten montiert, die den Wettlauf der beiden Kontrahenden aufzeichneten und übertrugen. Beide Gegner liefen fast auf gleicher Höhe.

„Na, Emmenthaler, my Boy? Kommst Du noch mit?“ feixte Greaseball.

„Mit Dir alle Mal!-Stromstoß!“

Eine helle elektrische Entladung fuhr aus dem linken Abnehmer auf Krokodils Helm und verfehlte den Diesel nur knapp! Es war die erste Attacke, die Krokodil eingesetzt hatte, um seinen Gegner zu schwächen.

„Daneben, Du Flasche! Das hat ja kaum gekitzelt! Um mich lahmzulegen, braucht es stärkere Stromschläge! Jetzt pass mal auf! - Chromfaust!“

Ein harter Hieb schmetterte gegen Krokodils Schulter! Die rätianische Lok schwankte bedrohlich, seine Partnerin stieß einen angstvollen Schrei aus! Doch es gelang Ihm, auf den Beinen zu bleiben. Wäre er gestürzt, wäre das Rennen für Ihn vorbei! Denn eine Entgleisung bei dieser Geschwindigkeit legte jeden Zug lahm.

„Alles okay, Bella! So schnell kriegt mich dieser Bulle nicht klein!“ knurrte Krokodil und versuchte wieder, seinen Gegner zu überholen. Aber Greaseball war Ihm immer eine Länge vorraus.

„Fang mich, wenn Du kannst!“ rief er scherzend.

„Na warte! Blitzstachel!“

Krokodil streckte seinen rechten Arm aus und aus seinen Fingern fuhren zwei langgezogene Blitze, die Greaseballs Hintern trafen!“

„Jauutsch! Das Krokodil kann ja richtig beißen!“ rief dieser und machte einen kleinen Satz. “Hey!“

Die grüne Emmenthaler Lok nutzte die kurze Abglenktheit und zog an dem Diesel vorbei!

„Er hat uns überholt!“ rief Dinah.

„Keine Sorge, Baby. Bis zum Ziel sind es noch ein paar Kilometer! Und so leicht kommt er mir nicht davon! Keiner zwickt einen Superior A in den Hintern!“

„Du willst doch nicht etwa....“

„Laß mich nur machen, Baby! Ich bin noch nicht auf volle Power!“

Inzwischen gelang es Krokodil, seinen Vorsprung nochmals zu vergrößern.

„Gut gemacht, mein Freund! Weiter so!“ rief Loisel, der das Rennen auf dem großen Bahnhofsbildschirm verfolgte.

„Krokodil liegt in Führung, dicht gefolgt von Greaseball, der jetzt wieder aufholt!“ tönte es aus den Lautsprechern. „Beide kommen nun in den Zieleinlauf! Kann die Lok aus Emmenthal ihre Position halten oder wird Greaseball Ihr den Sieg im letzten Moment streitig machen?“

„Oh nein! Bloß nicht! Bitte, Krokodil, halt durch!!“ rief Casey und hielt die Fäuste geballt. Im nächsten Moment passierte es: Der Diesel zog wieder an seinem Gegner vorbei!

„Kuckuck!“ rief Greaseball grinsend und winkte im Vorbeifahren. Dann versetzte er dem Helm von Krokodil einen Klaps.

„Hey!“

„Oh nein! Er hat uns wieder überholt!“ rief Bella.

Mit einem scheinheiligen Grinsen schielte der Diesel zurück. Dann fuhr seine rechte Hand an seinen Metallkragen. Hier hatte er heimlich ein kleines Stück seines Zierbeschlages vor dem Start gelockert. Nun brauchte er nur eine winzige, harmlose Fingerbewegung, und das kleine,funkelnde Teil löste sich ab und flog durch den Fahrtwind als Geschoß auf Krokodil zu, der gerade wieder aufholen wollte! Und da passierte es: Das Metallteil knallte gegen den Helm der Lok in Augenhöhe, ein Teil des Visiers bekam Risse!

Der Emmenthaler verlor durchden Schreck und die teilweise Blendung die Gewalt und entgleiste!

Ein Aufschrei ging durch die Menge, als die Zuschauer auf dem Sichtschirm verfolgten, wie es Krokodil und seine Partnerin von den Gleisen hob und sie in einen Stapel alter Kisten und leerer Dieselfässer knallten!

„Oh-oh-oh! Da hat es Krokodil und seine Partnerin aber böse erwischt! Die Beiden sind entgleist! Damit ist für sie das Rennen gelaufen!“ tönte es aus den Lautsprechern.

„Oh nein! Krokodil!“ rief Loisel erschrocken und lief los.

„Schnell, Rusty, hinterher! Vielleicht können wir helfen!“ rief Casey. Sein Freund nickte und fuhr mit dem Jungen auf den Schultern los. Ihnen folgten einige der Zuschauer und auch Loghead schloß sich den Hilfstrupp an, der für solche Notfälle immer bereitstand.

Kurz darauf lief Greaseball als Sieger in den Bahnhof ein, beklatscht und bejubelt von denen, die geblieben waren.

„Danke, Fans, danke!“ grinste der Diesel.

„Das war wieder mal phantastisch!“ rief Caboose und klatschte. Auch die anderen Loks und Wagen umringten den Sieger und klatschten. Nur Dinah konnte sich nicht so recht freuen. Sie wußte, das Greaseball mit unfairen Mitteln kämpfte. Aber sie konnte nicht beweisen, das er das Teil mit Absicht gelockert hatte. Denn es passierte immer wieder, das kleine Steine oder Teile einer Lok oder eines Waggons sich bei hoher Geschwindigkeit lösen konnten oder aufgewirbelt wurden und sich dann in gefährliche Geschosse verwandeln konnten.
 

Als Casey und Rusty die Unglücksstelle erreichten, rollte Loisel gerade einige der leeren Tonnen weg, die auf Bella gefallen waren, Krokodil versuchte, sich selbst zu helfen.

„Nun siehst Du, warum es wichtig ist, das wir Loks einen Helm tragen.“ erklärte Rusty, als er den Jungen von seinen Schultern hob.

„Und wo ist deiner?“

„Im Lokschuppen. Ich hatte keine Zeit mehr, Ihn zu holen, da Greaseball ja hinter mir her war. Er ist nichts besonderes. Sieht aus wie der Deckel eines Dampflokkessels.“

„Warte, ich helfe Dir, Krokodil!“ rief Casey, als er bemerkte, wie die Lok versuchte, Ihre Beine unter zwei verkeilte Masten hervorzuziehen. Der Junge stemmte sich gegen das eine Metallrohr, schaffte es aber nicht, es weg- geschweige denn hochzudrücken.

„Rusty, ich brauche deine Hilfe!“

„Ich komme, Casey!“

„Fass hier an und zieh, ich schiebe! Wir müssen diese Metallmasten hier wegbekommen!“

„Verstanden!“

Dank Rustys Kraft war das Hindernis rasch auf die Seite geräumt, Krokodil war wieder frei. Dann griffen beide dem Geschlagenen hilfreich unter die Arme und halfen Ihm beim Aufrichten. Aber als er den rechten Fuß aufsetzen wollte, sank er stöhnend wieder zusammen.

„Langsam. Setz dich hierhin. Irgendetwas ist mit deinem Fahrgestell!“ sagte Casey besorgt. Rusty half Krokodil inzwischen aus dem Helm.

„Was ist denn passiert?“

„Irgendetwas ist gegen meinen Helm geknallt und hat mein Visier beschädigt! Da habe ich die Kontrolle verloren und bin entgleist! Da, seht Ihr? Mein Visier hat einen Sprung und genau hier oben hat mich irgendetwas getroffen! Verdammt!“

„Hättest Du keinen Helm getragen, hättest Du jetzt wohl nur noch ein Auge! Jedenfalls konnten wir auf dem Bildschrim nicht den Grund für deine Entgleisung erkennen. So ein Pech! Ich wünschte, Du hättest gewonnen!“
 

„Meine arme Bella! Ist alles in Ordnug?“ fragte Loisel inzwischen besorgt.

„Ich habe nur ein paar kleine Beulen und Schrammen, sonst bin ich in Ordnung! Sieh lieber nach Krokodil!“ antwortete das Waggonmädchen, welches bereits wieder stehen konnte. Die eingetroffenen Helfer räumten indes die Trümmer weg, Loghead half nach Kräften mit.

„Braucht Ihr Hilfe?“ fragte der Leiter der Bergungstruppe Casey, der sich gerade Krokodils rechten Fuß besah.

„Was hast Du, Krokodil?“ fragte Loisel besorgt, der nun hinzukam.

„So wie es aussieht, hat sich sein Zahnstangenantrieb verklemmt!“ erklärte Casey.

Loisel kniete neben Ihm nieder und warf ebenfalls einen Blick auf das Fahrgestell des rechen Fußes.

„Du hast recht! Kein Wunder, das er nicht auftreten kann!-Ich brauche Werkzeug!“

„Kommt sofort!“ rief Loghead und eilte davon.

„Du kennst dich gut aus. Wer bist Du?“ fragte der Junge aus Emmenthal.

„Ich heiße Casey Jones.“

„Bist Du auch ein Lokführer-Lehrling?“

„Noch nicht. Aber ich will es werden!“

„Du hast gute Voraussetzungen dafür. Das Du das mit dem Zahnrad gesehen hast...man braucht dafür ein geübtes Auge.“

„Ihr kommt doch aus den Bergen, nicht wahr? Und da benutzt man für Steilstrecken einen Zahnradantrieb. Und das Zahnrad ist aus seinem Lager gesprungen und steckt nun quer. Deshalb hat der Arme Schmerzen beim Auftreten. Kannst Du das selber reparieren?“

„Das habe ich bereits in meinem ersten Lehrjahr von meinem Meister in Emmenthal gelernt. Kleinere Schäden kann ich bereits selbst beheben.“

„Ist ja stark!“

Das Werkzeug wurde gebracht und die Helfer sahen interessiert zu, wie Loisel mit Caseys Hilfe den Schaden behob. Bella hielt Krokodils Hand und Rusty passte auf dessen Helm auf.

Zuerst wurde das Antriebszahnrad entfernt, dann untersuchte Loisel das Fahrwerk.

„Ein Glück, es ist nichts ernsthaft beschädigt, ich muß keine Teile auswechseln.“ seufzte er. Dann baute der Junge das Zahnrad wieder richtig ein und vergaß nicht, alle Gelenke abzuschmieren.

„Fertig. vielen Dank für deine Hilfe, Casey.“

„Gern geschehen, Loisel.“

„Dank auch für deine Hilfe, Rusty. Du und Casey passt gut zusammen.“ sagte Krokodil und stand langsam auf. „Keine Schmerzen mehr! Ein gutes Gefühl!“

„Sag mal, Rusty, kann das Rennen eigentlich nicht wiederholt werden? Das war doch höhere Gewalt, das Krokodil zum Entgleisen gebracht hat!“ fragte Casey.

„Das ist das Risiko bei diesen Rennen. Jede Lok muß auf alles vorbereitet sein! So sind die Regeln. Eine Wiederholung ist nur zulässig, wenn am Gleis ein Schaden festgestellt wurde und dieser Schuld an einer Entgleisung war. Wer sonst entgleist, ist aus dem Rennen und hat verloren.“

Rusty gab Krokodil seinen Helm zurück und gemeinsam kehrten sie in den Bahnhof zurück. Dort erwartete sie bereits der Stationsvorsteher mit Greaseball.

„Tut mir leid, das Ihr solches Pech gehabt habt.“ erklärte Mr. Corell. „Ich hoffe, Lok und Waggon ist nichts passiert.“

„Es waren nur kleine Schäden, die konnten schnell behoben werden.“ erklärte Loisel.

„Dann bin ich erleichtert, mein Junge. Wie konnte es zu dieser Entgleisung kommen?“

„Etwas hat Krokodils Visier getroffen und er hat die Gewalt über sich verloren. Ein bedauernswerter Zwischenfall.“ erklärte Loghead.

„Tja, Krokodil, my Boy, vielleicht klappt es das nächstemal. Du brauchst nur noch etwas Training. Denn ich bin nur sehr schwehr zu schlagen!“ grinste der Diesel.

„So ein...“ knurrte Casey leise und ballte die Faust.
 

Langsam zerstreute sich die Menge, auf dem Bahnhof kehrte wieder der normale Betrieb ein. Greaseball zog sich zum Feiern in seinen Lokschuppen zurück, Loghead begleitete den geschlagenen Herausforderer und seine Begleiter in den Lokschuppen für Gäste. Hier konnten sich bis zu vier Loks und Wagen unterstellen, darüber befanden sich die Zimmer für die Lokführer.
 

„Komm, Casey, ich will dich meinen meinen Kollegen vorstellen.“ sagte Rusty und beide gingen zu den versammelten Waggons hinüber, die immer noch diskutierend zusammenstanden.

„Hey, hallo Rustyschätzchen! Wen bringst Du denn da mit?“ rief Buffy überschwenglich, welche die Ankömmlinge als Erstes bemerkte. Sie war dunkelhäutig und hatte schwarzes krauses Haar, auf dem ein verwegenes, dreieckiges Hütchen thronte. Beim näheren Hinsehen, erkannte Casey, das ein künstlicher, garnierter Hamburger darauf drapiert war! Mann, da kriegt man ja richtig Appetit, dachte er.

„Du sollst mich doch nicht so nennen!“ brummte die Dampflok etwas ärgerlich. „Das hier ist Casey Jones, mein neuer Freund.“

„Hallo, mein Sahnetörtchen!“ begrüßte Buffy den Jungen und kniff ihn scherzhaft in die Backe. Casey lächelte gequält. Buffy hatte wirklich eine überschäumende Art!

„Ich habe dich hier noch nie gesehen.“ bemerkte Sugar. Sie war ganz in silberchrom gekleidet, Ihr langes, brünettes Haar hatte sie hinten zu einem frechen Schopf hochgebunden.

„Nun ja, ich komme von weit her...“erklärte Casey.

„Was war denn heute Mittag eigentlich wieder los, Rusty? Ich habe gesehen, wie die anderen Dieselloks dich gejagt haben! Und Greaseball ebenfalls!“

„Ach, nichts von Bedeutung! Du weißt doch, das er mich nicht leiden kann!“

„Von wegen, nichts von Bedeutung! Gequält und gedemütigt haben sie Ihn!“ rief der Junge dazwischen.

„Casey!“

„Aber dann bin zum Glück ich vorbeigekommen und habs Ihnen gezeigt! Und Rusty hat sie mit einer Pfeif-Attake vertrieben!“ fuhr der Junge ungerührt fort.

„Wirklich? Toll!“ rief Sugar und klatschte begeistert in die Hände.

„Hör auf, Schätzchen-kch, kch-Du machst Ihn ja ganz verlegen, unseren Dampfer! Hust, kch!“

Ashley hatte sich vorgeschoben, und blies den Rauch Ihrer Zigarette in die Luft. Sie trug ein braunes Kleid und einen Rock, der den Jungen am ehesten an einen Lampenschirm erinnerte. Ihr rotbraunes Haar war hochfrisiert und sah oben aus wie der Filter einer Zigarette. Und sie roch wie ein ganzes Tabaklager.

„Casey, das ist Ashley.“ stellte Rusty vor.

„Mann, Du qualmst wirklich zu viel! Weißt Du nicht, das das ungesund ist?“

„Klar. Aber ich kann nun mal -kch-nicht anders! Schließlich bin ich ein -hust-Raucherwaggon! Meine Lunge ist schwarz wie die -kchkch-Nacht und muß jeden Monat vom abgelagertenTeer gereinigt werden!“

„Wow, das geht echt?“

„Na klar-kch, kch! Sonst wäre ich schon längst nicht mehr hier! Die Menschen haben es da nicht so einfach. Doch manche können sich die Glimmstengel und Pfeifen nicht abgewöhnen!“

„Mann, echt krass! Die Rauchertypen bei mir zuhause sind auch nicht besser!“

Dann kamen die Güterwagen an die Reihe. Hier gab es nur eine kurze Vorstellung, den plötzlich schallte es aus den Lautsprechern: „Hier spricht die Fahrdienstleitung! Rocky I, II und Barrel! Ihr habt wohl vergessen, das Ihr auf Gleis 6a gebraucht werdet! Steel fährt mit euch gleich in die Konservenfabrik zum Beladen! Also macht euch auf die Räder!“

„Au, wir müssen los! Sonst müssen wir Strafdienst schieben!“ rief der dunkelhäutige Rocky I. Sein identischer Bruder nickte und hastete mit Ihm davon, gefolgt vom dicken Tank. Der schwarzgelbe Diesel erwartete sie bereits auf dem Gleis 6a. Die drei Güterwagen hingen sich hintereinander bei der Zugmaschine ein und alle vier transformierten in den Maschinenmodus. Der Lokführer, der das Ganze beobachtet hatte, stieg nun in den Führerstand von Steel. Dann wurde das Signal auf Grün geschaltet und der Zug verließ den Bahnhof.

„Echt toll!“ bemerkte Casey.

„Und hier haben wir noch den dicken Dustin, einen Kohletender. Er ist neben Rise, dem Schüttgutwaggon, der Schwerste von den Jungs. Und meist muss ich die Beiden ziehen.“

Dustin war ein rundlicher Typ mit einer blauen Latzhose und einem lustigen und freundlichen Gesicht. Er war Casey von Anfang an sympathisch. Seine roten Pausbacken und lebhaften Augen erinnerten den Jungen an einen Clown, der er vor einigen Jahren einmal in einem Zirkus gesehen hatte. Mit dem silbernen, vernieteten Bauhelm, den karottenroten Haaren, der weiten Hose und den großen Füßen wirkte er tatsächlich etwas wie ein Spaßmacher.

„Freut mich dich kennenzulernen, Casey. Schön, das Rusty einen neuen Freund gefunden hat.“

„Hey, Du bist auch okay, Dustin. Schlag ein!“ Die beiden gaben sich die Hände. „Und wo ist dieser Rise?“

„Mein großer Bruder ist gerade irgendwo im Werksverkehr unterwegs. Warscheinlich holt er wieder Steine aus den Bergwerk! Wenn er dienstfrei hat, stelle ich Ihn Dir vor.“

„Alles klar.“

„Sugar, Ashley! Macht euch für den sieben Uhr zehn - Zug fertig! Eure Schwestern warten schon!“ tönte es diesmal aus den Lautsprechern. Die beiden Waggonmädchen eilten in Richtung Gleis 3.

Casey sah Ihnen nach, um zu sehen, wie sie Ihre Transformation vollzogen. Dustin wandte sich an Rusty.

„Ein netter Junge. Pass gut auf Ihn auf. Vielleicht will er sogar Lokführer werden.“ sprach der rundliche Güterwagen.

„Aber bestimmt werde ich nicht seine Partner-Lok! Kein Junge will mehr auf einer alten Dampflok lernen!“

„Du bist unverbesserlich, mein Kleiner!“

„Nenn mich nicht Kleiner!“ brummte Rusty, dann wandte er sich an Casey.„Und nun werde ich Dir Pop vorstellen. Mal sehen, ob er zu Hause ist.“ sagte Rusty.

„Und wann hast Du wieder Dienst?“

„Erst morgen früh wieder. Dann darf ich mit Sugar und Ashley zum Südbahnhof fahren und zurück. Wir bringen die Arbeiter zu Ihren Fabriken und Werkstätten. Danach heißt es warten, bis sie mich wieder für die Güterwagen brauchen.“

„Kein Wunder, wenn Du hier einrostest.“ seufzte Casey und hing sich bei seinem Freund hinten an.

Während sie das Gleis zum ältesten Lokschuppen des Bahnhofs einschlugen, hörte der Junge noch wie Greaseball ausgerufen wurde.

„Greaseball! Bitte bereitmachen für den Kommoran - Express!“

„Da! Und dieser Protz darf unseren schnellsten Expresszug nach Portho ins Nachbarland Vivania ziehen! Der kommt erst in drei Tagen wieder zurück! Das ist eine Reise von der ich nur träumen kann! Greaseball ist schon viel herumgekommen, ganz im Gegensatz zu mir!“

„Vielleicht mußt Du bald nicht mehr träumen...“murmelte der Junge leise.
 

Ein altes, wackeliges Gleis führte zwischen einer Gruppe alter Lindenbäume zu einem alten, baufälligen Rechteck-Lokschuppen aus roten Backsteinen. Rusty hielt vor dem Holztor, an dem bereits der Anstrich abblätterte und schob es langsam auf. Quietschend glitt es auf die Seite.

„Rusty?“

„Ja?“

„Wo hast Du eigentlich deinen Tender?“

„Der ist fest integriert. Ich bin eine Tenderlok. Hast Du das nicht gesehen, als ich in den Maschinenmodus transformiert bin? Und jetzt im Humanoid-Modus ist dieser kleine Kasten auf dem Rücken da mein Tender, den ich auffüllen kann.“

„Hey, doch! Hatte ich in der Aufregung ganz vergessen! Dieser Kasten sieht aus wie ein Rucksack!“

„An meinem Tender befindet sich eine Klappe. Du mußt sie nur schräg aufziehen und da hinein kommt dann die Kohle, wenn ich im Humanoid-Modus bin. In meinen Heizkessel gelangt sie dann von alleine.“ Nur im Maschinenmodus brauche ich einen, der mich beheitzt. Das macht dann meist auch Digger. Und ich behalte dann so lange meine Strecke im Auge.“

„Verstehe.“

„Und hier auf meiner rechten Schulter befindet sich der Deckel zu meinem Wassertank. Das runde, flache Ding da. Mein Tank liegt etwa da, wo bei euch Menschen die Lunge sitzt, also quasi hinter meiner eisernen Lunge. Denn auch ich muss im Humanoid-Modus atmen. Ich kann in meinem jetzigen Zustand auch durch normales Trinken meinen Wasservorrat ergänzen. Oder man schraubt den Deckel ab und schiebt einen Schlauch in die Öffnung.“

„Toll!“

„Ach-und noch etwas: Erzähle bitte Pop nichts von unserem Zwischenfall mit Greaseball und den anderen.“

„Okay.“

„Pop, bist Du da?“ fragte Rusty.

Beide traten langsam ein. In der kleinen Halle befanden sich zwei Boxen, die durch eine Reihe von Holzpfeilern getrennt wurden, welche die Decke stützten. Das Gebäude war zwar alt, wurde innen aber sauber und ordentlich gehalten, durch drei Fenster auf jeder Lägsseite des Gebäudes fiel Tageslicht herein. Und es strahlte trotz allem eine angenehme Gemütlichkeit aus.

„Die kleine Box da drüben ist meine. Hier schlafe ich auch.“erklärte Rusty. „Gleise haben wir hier schon lange keine mehr, weil wir in den Schuppen immer im Humanoid-Modus sind. Aber einen großen Rauchabzug gibt es noch, siehst Du?“

Rusty wies nach oben. An der Decke befand sich eine Öffnung, die hinaus zu einem Kaminrohr führte.

„Legst Du dich beim Schlafen richtig hin?“

„Natürlich. In meinem gegenwärtigen Modus pflegen wir viele menschliche Eigenarten. Auch wir brauchen Schlaf, doch müssen wir nicht jede Nacht ruhen. Diese alte Matratze ist mein Schlafplatz. Und den alten Sessel hat mir Digger einmal mitgebracht. Er ist der so stabil gebaut, das er mein Gewicht aushält. Aber er ächzt schon sehr, wenn ich mich hineinsetze.“

„Hihi, das ist echt verrückt! Ein Sofa-Zug!“ grinste Casey.

Daneben, auf einem Regal, stapelten sich etliches Werkzeug und verschiedene Dosen. Und in einer Ecke befand sich eine große Schütte, angefüllt mit Kohlen.

„Abgefahren! So stelle ich mir das Zuhause einer Dampflok vor! Urig und gemütlich!“ sagte der Junge begeistert.

„Es gefällt Dir?“

„Klar! Es erinnert mich an unseren Lokschuppen daheim. - Und wo ist nun dieser Pop?“

„Warscheinlich nebenan. Die größere Box dient uns beiden als Wohnzimmer“

Rusty und Casey begaben sich nach nebenan. Das Erste, was sie sahen, war ein weiterer, großer Ohrensessel, der mit der Lehne zu den Beiden stand. Ein Schnarchen war zu hören.

Gegenüber dem Sessel entdeckte Casey auf einen Tisch einen Farb-Fernseher, in welchem gerade irgendeine Sendung lief. Ein Kabel lief aus dem Gerät und die Wand hoch, wo es in der Decke verschwand. Es war ein älteres Modell und die Bildqualität wurde hin und wieder durch Störungen beeinträchtigt.

„Wow, die haben hier sogar schon Fernsehen. Logisch, am Bahnhof gibt es ja auch diese großen Bildschirme.“ dachte der Junge.

„Pop, wach auf, wir haben Besuch.“ sagte Rusty und trat neben den Sessel. Er sah hinein und rüttelte denjenigen, der darin schlief, vorsichtig.“

Casey sah sich um. Auch hier gab es eine Kohlenschütte, ein Regal mit Werkzeugen und anderem Allerlei und zwei weitere Sessel. An der Wand auf einem Haken entdeckte der Junge dann die verkleinerte Nachbildung einer Dampflok. Das musste wohl Pops Helm sein, denn diese Nachbildung war innen hohl.

Jetzt war ein Schnaufen und Grunzen zu hören, begleitet von einem kurzen Huster. Dann wuchs hinter dem Sessel eine imposante Gestalt empor. Sie überragte Rusty um mehr als eine Kopflänge und war breit und stämmig gebaut. Rauchgraues, krauses Haar umgab den Kopf und das freundliche, dunkle Gesicht als Bart. Das also war Pop, die älteste Lok von Kommoran.

Als er den Jungen entdeckte, verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen und er trat hinter seinem Sessel hervor.

„Willkommen! Willkommen, mein junger Freund! Sieh an, ein neues Gesicht!“ rief er. “Digger! Komm herunter zu uns! Rusty hat einen Gast mitgebracht!“

Der alte Pop war ähnlich wie Rusty gebaut, nur war er im Umfang größer und breiter. Außerdem besaß er Schulterkästen, die bei Rusty fehlten. An Ihm gab es keinen einzigen Rostfleck, jeder Teil seiner schwarz-rot-grauen Rüstung war gut in Schuss. Ein gepflegter Oldtimer.“

„Wie heißt Du denn, mein Junge?“ fragte Pop und ging in die Hocke, damit Casey nicht den Kopf in den Nacken legen musste.

„Casey Jones. Und sie müssen Pop sein.“

Der Oldtimer nickte.

„Seit ich denken kann, hat er sich immer um mich gekümmert. Alles was ich weiß, habe ich von Ihm gelernt. Und natürlich von Digger.“ erklärte Rusty.

„Aus Kommoran bist Du nicht, das sehe ich. Was sind das für interessante Schuhe?“ fragte Pop.

„Das sind Roller-Blades, Sir.“

„Eine neue Erfindung aus Elektanis?“

„Wo liegt denn das?“

„Das ist ein hochtechnisiertes Land! Das fortschrittlichste auf dem ganzen Kontinent! Und es exportiert seine technischen Erfindungen überallhin! Das Fernsehen haben sie auch erfunden!“

„Hört sich spannend an!- Darf ich meine Skates ausziehen, meine Füße brauchen mal wieder frische Luft.“

„Nur zu.“

Casey flachste sich in den nebenstehenden leeren Sessel, öffnete die Schnallen und streifte sich die Inliner ab. Neugierig besah sich Rusty einen der Stiefel und als er mit seiner Nase an Fußöffnung geriet, wandte er sich angewidert ab.

„Siehst Du? Die Dinger müssen dringend gelüftet werden!“ grinste der Junge.

„In der Tat!“

Das Knarren der Holzstufen kündigte Diggers Kommen an. Die Quartiere der Lokführer befanden sich immer nebenan in einem Anbau des Schuppens und konnten nur durch eine Treppe in der Innenhalle selbst betreten werden. Unter den Wohnräumen lagen meistens eine Werkstatt oder ein Lagerraum, manchmal auch die Küche oder Waschräume. Casey schätzte den Lokführer auf etwa fünfzig, er war so dunkelhäutig wie Pop und sein schwarzes, krauses Haar zeigte bereits die ersten grauen Strähnen. Gekleidet war er in eine himmelblaue Uniform mit einem gelb umrandeten Stehkragen, die Schulterklappen zierten zwei goldene Streifen. An der Jacke und Hose waren überall Taschen angenäht, um Werkzeug und andere Dinge darin verstauen zu können. Aus einer Tasche baumelte eine goldene Uhrenkette, die an einem Knopf befestigt war.

„Digger, darf ich Dir Casey Jones vorstellen?“ sprach Rusty.

„Hallo, junger Mann! Du bist also Rustys neuer Freund.“

Der Junge nickte und reichte dem Lokführer die Hand.

„Und sie kümmern sich um die Beiden, Mr. Digger.“

„Nenn mich einfach Digger.- Du hast ehrliche Augen, das gefällt mir. Rusty wird in Dir einen guten Freund haben.“

„Digger, Casey wird die nächste Zeit hier bei uns wohnen. Ich hoffe, Du hast oben für Ihn noch einen Schlafplatz.“

„Aber sicher, Rusty. Wo kommst Du eigentlich her?“

„Das ist nicht einfach zu erklären...Ich stamme aus einer anderen Welt, die dieser aber nicht ganz unähnlich ist. Und ich bin hier, weil das Schicksal uns zueinander geführt hat.“ erklärte der Junge.

Digger sah Ihn ratlos an, doch Pop nickte bedächtig.

„Da ist etwas dran. Ich hatte die letzten Nächte immer wieder einen seltsamen Traum. Zuerst sah ich einen hellen Stern, der vom Himmel fiel. Dann wurde der Stern zu einem Jungen, der in deine ausgebreiteten Hände fiel, Rusty. Und heute bringst Du Casey zu uns.“

„Abgefahren! Ich bin tatsächlich vom Himmel gefallen!“

„Ich glaube, das hat etwas besonderes zu bedeuten. Sicher hat der Starlight Express euch beide zusammengeführt!“

„Bestimmt! Denn in meiner Welt kennen wir ebenfalls Geschichten über den großen Sternenzug.“

„Erzähl´mir mehr von deiner Heimat.“ bat Pop.

Während Casey der alten Dampflok von sich zuhause erzählte, winkte Digger Rusty zu sich und begab sich mit Ihm zu einer kleinen Nebentür.

„Was ist heute wieder passiert?“ fragte der Lokführer ernst.

„Was soll passiert sein?“

„Tu nicht so unschuldig! Ich sehe es doch an Dir! Du hast mit der Nase wieder mal im Dreck gelegen! Und Greaseball hat Dich wieder in die Pfanne gehauen!“

Rusty seufzte.

„Okay, es stimmt. Doch dann kam tatsächlich Casey und hat mich herausgehauen! Er hat sich für mich eingesetzt und Greaseball ungerührt die Meinung gesagt! Stell Dir das mal vor!“

„Vielleicht wurden deine Gebete nun endlich erhört, Kumpel. Na komm, eine schnelle Dusche und der Dreck ist weg, bevor Pop es richtig merkt.“

„Oh Mann, ich hasse duschen! Da werden meine Rostflecken nur noch größer!“ maulte Rusty.
 

Die beiden begaben sich nach draußen. Gegenüber dem Schuppen befand sich die runde Wasserzisterne mit dem dem großen Zulaufrohr. Hier fassten die Dampfloks immer Wasser. Aber diesmal musste es als Dusche herhalten. Also stellte sich Rusty unter die Öffnung des großen Wasserrohrs und Digger zog an einem Griff, der mit einem Ventil am Anfang des Rohres verbunden war, dort, wo es an der Zisterne angebracht war.

Im nächsten Moment ergoß sich ein Schwall Wasser über Rusty und warf Ihn fast um! Dann ließ Digger das Ventil wieder zuschnappen.

Tropfnass, die Haare im Gesicht, stand die kleinere Dampflok da, hustete und spuckte einen Schwall Wasser aus. Digger entfernte derweil mit einem großen Schwamm die letzten noch nicht gelösten Schmutzreste.

„Ich hasse das, ich hasse das!“ knurrte Rusty immer wieder. Ein zweiter kurzer Wasserguß beendete die Reinigung. Dann ging es ans Abtrocknen.

„Na also. Sieht doch schon besser aus.“
 

„Pop, meinen Sie, ich könnte Krokodil und seinen Lokführer besuchen gehen?“ fragte Casey indes.

„Aber sicher, mein Junge! Und sag einfach Du zu mir. Das tun hier alle.“

„Okay.“ nickte Casey und stand auf.

„Es ist der Blaue Lokschuppen.“

„Klar, bis nachher!“

Der Oldtimer sah Casey nach.

„Digger, der Junge hat gar keine richtigen Schuhe!“ meinte er, als der Lokführer zurückkehrte. Rusty war noch draußen geblieben, um seine Haare trocken zu kriegen.

„Wir werden etwas für Ihn organisieren. Ich werde Loghead fragen, wenn er zurückkommt.“
 

Inzwischen wurde es langsam Abend.

Casey lief am äußeren Gleis entlang bis zu dem blauen Gebäude. Hier klopfte er an.

„Hallo, darf ich reinkommen?“

Krokodil schob ein wenig das große blaue Tor auf.

„Ach, Du bist der hilfsbereite Junge von heute Nachmittag.“ erkannte die Lok Ihn wieder. „Wie war doch gleich nochmal dein Name?“

„Casey Jones.“

Der Junge trat ein und sah sich um. Im Großen und Ganzen sah es hier so aus wie bei Rusty und Pop, nur war das Gebäude und seine Inneneinrichtung in moderneren und besserem Zustand. Und es gab mehr Stellboxen.

Bella saß auf einem Hocker und versuchte, Ihre Schrammen wegzubekommen.

„Hallo, Casey. Nett, das Du hereinschaust.“

„Ich hoffe, es hat dich nicht zu arg erwischt. Das sah ja echt gefährlich aus, wie Ihr in den Stapel da gerauscht seid!“

„Mach Dir keine Sorgen. Wir halten ein wenig mehr aus als Menschen.“ lächelte das Waggonmädchen.

„Ich hätte euch gerne als Sieger gesehen! Zu blöd, dass dieses verdammte Geschoss dein Visier treffen mußte!“ ärgerte sich Casey.

„Ist nicht schlimm. Wir haben noch weitere Möglichkeiten, Plaketten zu gewinnen. Greaseball war auch ein etwas zu starker Gegner für uns. Wir müssen noch mehr trainieren, bevor wir gegen eine Superior A-Lok eine Chance haben. Mir tut jetzt noch die Schulter weh von seiner Chromfaust! Das ist eine sehr wirksame Attake! Damit hat er schon manchen Gegner aus den Gleisen geworfen, habe ich gehört.“ erzählte Krokodil.

„Wo ist denn Loisel?“

„Der ist nur etwas Proviant besorgen gegangen. Wir wollen morgen sehr früh weiter.“

„Verstehe. -Ah, da kommt er ja.“

Gerade betrat der Lokführerlehrling die Halle, in der Hand hielt er eine volle Einkaufstasche.

„Hallo, Casey.“

„Hallo. Ich wollte sehen, wie´s euch geht.“

„Krokodil und Bella haben sich bereits wieder gut erholt. Bleibst Du zum Essen? Ich werde uns etwas kochen.“

„Gerne.“
 

Wenig später saßen die beiden Jungen am Tisch in Loisels Quartier über der Lokhalle. Es war mit dem notwendigsten ausgestattet. Eine Liege, eine Kochnische und Tisch und Stühlen. Ein Gemeinschaftsbadezimmer befand sich nebenan, insgesammt gab es vier solcher Quartiere hier für durchreisende Lokführer und Ihre Züge.

„Loisel, ich möchte dich etwas fragen. Wie bist Du Lokführer-Lehrling geworden?“

„Nun, ich musste zuerst einen Lehrgang absolvieren und eine Prüfung bestehen. Das gleiche mußte übrigends auch Krokodil. Das muss jede Lok, für die ein Lehrling vorgesehen ist, damit jeder seine Pflichten kennt. Jeden Abend muss ich mein Ausbildungstagebuch führen, also notieren, was ich getan habe. Oder ein Meister trägt das ein, was er mir beigebracht hat.“

„Bei uns müssen die Lehrlinge auch so ein Berichtsheft führen.“

„Nach jedem Jahr steht eine Zwischenprüfung an, die anhand meiner Lehrberichte erstellt wird. Ich bin jetzt im zweiten Lehrjahr, das nächsten Monat zu Ende geht. Dann muß ich nach Emmenthal zurück und die zweite Zwischenprüfung ablegen. Wenn ich dann meine Lehre erfolgreich beendet habe, erhalte ich mein Diplom und bin dann ein richtiger Lokführer. Ich kann dann entscheiden, ob ich weiterhin Krokodil als Partner möchte oder ob ich auf einer anderen Lok Dienst tun möchte. Dann würde Krokodil einen neuen Lehrling bekommen. Und dieser geht mit Ihm wieder auf Reisen oder lernt vor Ort. Es gibt Loks, die bisher nur von Lehrlingen betreut wurden.“

„Ich werde morgen mit dem Stationsvorsteher sprechen, damit er mich für den Lehrgang anmeldet.“

„Und hast Du schon eine Lok, die Du betreuen willst?“

„Klar, Rusty.“

„Die kleine Dampflok? Er ist ein netter, hilfsbereiter Kerl, aber bei Ihm müsste einiges Instandgesetzt werden. Er scheint ziemlich vernachlässigt worden zu sein. Und die Betreuung ist umfangreich und schwer! Denk nur, an die Mengen von Kohle, die Du schippen musst! Denn einen Heizer kriegst Du nicht zur Hilfe.“

„Das weiß ich. Aber ich hatte schon bei mir zuhause mit Dampfloks zu tun. Ich und Rusty gehören zusammen. Das Schicksal hat es so bestimmt! - Aber eine Frage brennt mir noch auf der Zunge.“

„Lass hören.“

„Woher bekommst Du das nötige Geld zum Leben, wenn Du auf Reisen bist?“

„Nun, in jedem größeren Bahnhof oder Betriebswerk ist für Lokführer und Lehrlinge die Kost in der Kantine oder dem Restaurant frei. Das bedeutet, dort ist immer eine Mahlzeit für dich sicher. Du brauchst nur deinen Lehrausweis vorzuzeigen oder deinen Arbeitsausweis als fertig ausgebildeter Lokführer. Das sichert Dir auf jedem Bahnhof auf dem Kontinent ein Anrecht auf freie Verpflegung. Für dich und deine Lok. Und jeder große Bahnhof hat auch eine Unterkunft für reisende Lehrlinge und Ihre Züge, die einem zur freien Verfügung stehen, so wie hier in Kommoran. Alles was Du sonst noch brauchst ist ein Schlafsack oder ein Kissen und eine Decke. Denn oft übernachten wir auch im Freien, wenn kein größerer Bahnhof in Sicht ist. Auf den kleineren Stationen bekommen wir auch oft einen Schlafplatz in Haus des Stationsvorstehers. Oder ich schlafe in einen von Bellas Abteilen, sie braucht ja nur zu transformieren. Außerdem wurde verfügt, das jeder Lehrling ein pauschales Lehrgeld ausgezahlt bekommt, wenn er sich in einem Hauptbahnhof beimVorsteher meldet. Das habe ich hier getan und bei Mr. Corell den Empfang quittiert. Jedes Lehrjahr ists ein bischen mehr. Und diese Summe muß man sich bis zum nächsten Hauptbahnhof einteilen. So lernst Du auch mit Geld umzugehen. Na ja-und wenn Du Glück hast, gibt’s manchmal auch ein kleines Taschengeld von einem Meister, wenn er zufrieden mit Dir ist. Oder ich verdiene mir ein Zubrot mit der Beförderung von Fahrgästen oder anderen Arbeiten, die ich und Krokodil mit Bella ausführen können.“

„Starke Sache. So lernt man wirklich eine Menge! Das wird aufregend, wenn ich erst mit Rusty unterwegs bin!-Was ist aber, wenn ich Hilfe brauche, falls meine Lok oder der Waggon eine größere Reparatur braucht?“

„Keine Sorge. Unsere Eisenbahnerkollegen auf dem ganzen Kontinent sind in solchen Fällen immer mit Rat und Tat hilfsbereit. Kein Lehrling wird in so einem Fall im Stich gelassen. Siehst Du die neuen Schuhe da neben dem Bett? Die habe von Mr. Loghead geschenkt bekommen. Du bist also als Lehrling nie alleine. Einer ist immer da, sei es nun ein Kollege oder deine Zugpartner.“

„Danke, das Du mir alles so toll erklärt hast, Loisel. Für mich wird es jetzt Zeit zu Rusty zurückzukehren. Und Du mußt sicher auch noch einiges für Morgen früh vorbereiten.“

„Ich wünsche Dir alles Gute, Casey. Vielleicht treffen wir uns einmal unterwegs.“

„Das hoffe ich, Loisel. Und wir bleiben Freunde. Und irgendwann einmal laufen wir mit unseren Zügen ein Rennen!“

“Das werden wir. Vielleicht gewinnt Ihr sogar unsere Plakette.-Zur Zeit ist „Alligator“ unsere A-Liga Lok. Ein braunes Krokodil. Er ist der Favorit von Emmenthal und Rätina.“

„Wenn Rusty das richtige Level erreicht hat, fordere ich Aligator heraus! Und das wird er, dafür sorge ich schon.“

Der Junge aus Emmenthal nickte und die beiden reichten sich die Hände. Dann begleitete er Casey hinunter.

„Alles Gute, Krokodil. Und hoffentlich schaffst Du es beim nächsten Rennen.“

„Das werde ich. Und wenn ich die A-Liga erreicht habe und mein Leistungslevel hoch genug ist, werde ich von Greaseball Revanche fordern!“

„Genau! Und dann zeigst Du diesem Angeber nur noch deine Rücklichter!“

Beide legten Ihre linken Handflächen aneinander, es war der typische Gruß zwischen Lok und Lokführer, hatte Casey von Rusty erfahren.

„Auch Dir alles Gute, Bella.“

„Danke Casey. Du wirst sicher ein prima Lokführer werden.“
 

Draußen war es bereits Nacht geworden, als Casey zum alten Lokschuppen zurückkehrte. Überall brannten Laternen, die ein warmes helles Licht verbreiteten, im Gegensatz zu der kalten Neon-Beleuchtung auf den Bahnhöfen bei Casey zuhause. Und auch jetzt waren auf den Bahnsteigen immer noch Leute unterwegs.

Als er neben dem alten Gleis entlangspazierte, hörte er aus der Ferne Musik. Jemand spielte auf einer Mundharmonika. Zuerst vernahm er nur Bruchstücke der Melodie, aber je näher er dem alten Lokschuppen kam, desto deutlicher wurde sie. Und dann entdeckte er die Quelle der Musik.

Unter einer Lampe seitlich am Schuppen lehnte Dustin, der Tenderwaggon an der Wand und spielte auf seiner Mundharmonika. Rusty hockte Ihm gegenüber auf einer alten Stahltonne und lauschte schweigend. Es war eine fast romantische Szene. Die großen alten Bäume und über Ihnen und dem Gebäude der sternenklare Himmel. Das Wetter war warm und Casey lief noch immer barfüßig herum. Und die Melodie, die Dustin spielte, kam dem Jungen bekannt vor! Sehr bekannt sogar. Und zu seiner Überraschung begann Rusty plötzlich leise zu singen:
 

Wird es um mich dunkel

wird es in mir still

seh ich ein Licht leuchten in der Ferne

höre ich den Nachtzug,

der mich holen will,

dann folge auch ich dem Zug der Sterne
 

Starlight Express, Starlight Expess

wo bist Du? Sag es mir

Starlight Express, ich brauche dich jetzt

und wünsch mir, du wärst hier.
 

Nimm mich mit und zeig mir

was ich noch nie sah

bring mich zurück, ich will dort nicht bleiben

und wenn ich erwache, weiß ich, Du warst da

ich gehe mit Dir durch die Nacht

Komm wieder, ehe der Tag erwacht
 

Starlight Express, Starlight Expess

wo bist Du? Sag es mir

Starlight Express, ich brauche dich jetzt

und wünsch mir, du wärst hier.
 

Wenn es dich gibt, dann zeige mir

den Weg damit ich nicht verlier
 

Starlight Express, Starlight Express

wo bist Du? Hörst Du mich

Starlight Express, Starlight Express

Du weißt ich brauche dich

Starlight Express, Starlight Express

Ich bitt dich, komm zu mir.
 

Ab dem dritten Vers kam Casey hinzu und begann mitzusingen! Rusty und Dustin warfen sich erstaunte Blicke zu und starrten dann den Jungen an.

„Du kennst dieses Lied?“ fragte die Dampflok, als sie geendet hatten.

„Aber natürlich! Meine Mutter hat es mir früher immer vor dem Schlafengehen vorgesungen. Leider ist sie nicht mehr am Leben, seitdem singe ich es selbst oft Abends vor dem Einschlafen. Oder mein Dad. Es macht mir Mut und gibt mir Hoffnung!“

„Du kennst nicht nur die Geschichten vom großen Sternenzug, sondern auch dieses Lied? Dann verbindet uns wirklich mehr, als ich dachte!“

„In der Tat!“ ertönte plötzlich die sonore Baßstimme des alten Pop. Er war ebenfalls nach draußen getreten. „Diesen mutigen und gutherzigen Jungen hat Dir der Starlight-Express geschickt, da bin ich sicher! Du siehst, deine Bitte an den großen Sternenzug wurde erhört. Weil Ihr einander braucht! Er wird Dir helfen, dein Selbstvertrauen zu finden und deine wahre Stärke! Ihr werdet diesen Weg gemeinsam beschreiten, das ist euch vorbestimmt.“

„Meinst Du?“

„Na klar! Und deshalb habe ich beschlossen, Lokführer-Lehrling zu werden! Und Du wirst mein Partner, Rusty!“ erklärte Casey. „Wir werden von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof reisen und Du wirst gegen andere Loks antreten und Ihnen zeigen, das eine Dampflok noch nicht zum alten Eisen gehört!“

„WAS? Ich soll eine Lehrlokomotive werden? Aber das habe ich noch nie gemacht! Ich weiß gar nicht, ob ich das kann! Und das mit dem Herumreisen und den Rennen meinst Du doch nicht ernst?“

„O doch! Du weißt schon so gut über die Regeln und Bestimmungen Bescheid! Ich weiß doch, das Du insgeheim schon immer mitmachen wolltest, habe ich recht?“

„Na ja, würden schon, aber sieh mich doch an! Mit den Rostflecken mache ich mich doch zum Gespött aller Lokomotiven!“

„Ich werde auf unserer Reise dafür sorgen, das der Rost verschwindet. Stück für Stück. Und gleichzeitig bekommst Du einen neuen Anstrich, das habe ich Dir doch schon versprochen! Ich werde mich von nun an um dich kümmern! Außerdem zählt nicht das Äußere, sondern das, was in Dir steckt!“

„Aber Casey! Weißt Du, was da auf dich zukommt, wenn Du auf einer Dampflok lernen willst? Es ist eine schwere und schmutzige Arbeit!“

„Ich weiß.“

„Du mußt Tonnen von Kohle in meine Feuerbüchse schaufeln!“

Casey nickte.

„Und dann die ganzen Vorbereitungen, bis ich endlich abfahrbereit bin! Abölen, Putzen, Entschlacken, Kessel reinigen, Asche ausleeren....“

„Hey, sag mal, willst Du mich nicht als Lehrling?“ fragte der Junge verärgert.

„Doch, ich will dich, aber ich muß Dir doch sagen, was dich alles erwartet, nicht damit Du es nachher nicht schaffst und die Lust verlierst! Wenn Du erst merkst, was für eine heiden Arbeit ich mache, ist der Dampf schnell raus!“

„Rusty! Ich habe zuhause auch eine Dampflok, an der ich mit meinem Vater arbeite! Und ich habe schon genug Kohle geschaufelt! Ich kenne die Arbeit, die hinter dem Betrieb einer Dampflokomotive steckt und ich habe genug Kraft und Elan, die Ausbildung auch durchzustehen und zu beenden! Mein Wunsch ist es, Lokführer zu werden und später kann ich immer noch auf einer Diesel-oder E-Lok lernen! Das ich dabei schmutzig werde, ist mir wurscht! Schmutz kann man abwaschen!“

„Der Junge hat recht! Und das mit der Lehrlingszusammenarbeit wirst Du in einem Lehrgang alles beigebracht kriegen! So schwer ist das nicht, mein Sohn! Bei meiner Pfeife, ich freu mich so für dich! Endlich hast Du eine richtige Aufgabe!“ lachte der alte Pop und hieb Rusty freundschaftlich auf die Schulter, das es schepperte. Gleichzeitig fiel eine Mutter klirrend auf das Gleis.

„Pop, Du sollst das doch nicht machen! Du siehst doch, was dann jedesmal passiert!“ maulte die kleine Dampflok, hob die Mutter auf und schraubte sie wieder an Ihren angestammten Platz an seiner Schulter.

„Keine Sorge. Morgen fahren wir beide in das Betriebs- und Ausbersserungswerk am Ostbahnhof zu einem großen Check-up, damit fit für deine neue Aufgabe bist!“

„Also gut. Wir können es ja mal versuchen. Auf jedenfall wär ich dann diesen miesen Greaseball los!“

„Bravo, mein Sohn! Das wollte ich hören!“ rief der alte Pop begeistert.

„So Casey. Und jetzt wollen wir mal oben nach einem Schlafplatz für dich suchen.“ sprach Digger. „Es ist schon spät und Du bist sicher müde.“

„Oh ja! War ein aufregender Tag heute!“ nickte der Junge und gähnte.

„Dann komm mit mir.“

„Gute Nacht, Rusty! Gute Nacht, Pop und Dustin! Bis morgen!“

„Bis morgen, mein Junge! Und schlaf schön!“ wünschte der Oldtimer. Auch Dustin entschloß sich, seinen Schlafplatz aufzusuchen. Das war ein überdachtes Stück Gleis auf der anderen Seite des Lokschuppens. Hier ließ er sich einfach ins Gras nieder, den Rücken an die Gebäudewand gelehnt und schloß die Augen.

Die beiden Dampfloks blieben alleine zurück. Pop ließ sich neben Rusty auf einer anderen Stahltonne nieder.

„Na, haben dich heute deine Diesel-Brüder wieder geärgert?“

„Das sind nicht meine Brüder, Pop! Ich habe nichts mit denen gemeinsam!“

„O doch! Sie sind alle Loks, wie Du und ich. Nur fahren sie mit Diesel und wir mit Kohle. Genauso wie es dunkelhäutige und hellhäutige Menschen gibt. Aber sie gehören alle zur gleichen biologischen Familie.“

„Die Dieselloks sind hochmütig und gemein! Am schlimmsten ist Greaseball! Er macht mir das Leben zur Hölle! Wäre Casey nicht gewesen, hätte er mir heute vielleicht den Kopf abgerissen!“

„Nun übertreibe mal nicht, mein Sohn. Außerdem wird jetzt alles anders, jetzt wo der Junge da ist! Er wird Dir den Weg zeigen, den Ihr gemeinsam beschreiten werdet. Du wirst sehen, Ihr werdet auf eurer Reise eine Menge lernen. Die beste Schule ist immer noch das Leben selbst.“

„Ich hoffe, Du hast recht, alter Freund. Ich werde mich nun ebenfalls zurückziehen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, mein Sohn.“

Als Rusty im Lokschuppen verschwunden war, starrte Pop noch eine ganze Weile in den sternenklaren Himmel.

„Danke, Starlight Express, das Du Rusty einen Freund geschickt hast.“ murmelte er und lächelte.
 

Fortsetzung folgt….



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Venka
2011-11-23T19:04:22+00:00 23.11.2011 20:04
Puh, wo fang ich an...

Also... - Ich bekomme schon wieder diese Greaseballaversion, die ich im Musical jedes Mal bekomme und die ich schon beim ersten mal lesen der FF hatte...

^^() Ehrlich ich mag ihn nicht.

Aber es stimmt du kriegst die Charas richtig genial rüber, man kann einfach nicht anders als weiterlesen.

Das Kapitel ist vielleicht ein bisschen lang, was einerseits gut ist, andererseits habe ich nach dem Lesen wieder die Hälfte vergessen was ich in den Kommi schreiben wollte. Das nächste Mal mach ich mir Notizen.

...wenn ichs nicht wieder vergess, weils so mitreißend ist. :)
Von:  Narrenkaiserin
2008-02-12T08:22:12+00:00 12.02.2008 09:22
Ich bin schlicht weg begeistert, genauso würde ich mir die Charaktere in real vorstellen!!!
Du kannst wirklich gut beschreiben!!!
Ich mach mich direkt auf zum nächsten Kapitel!



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