Reine Nervensache
Schönen guten Tag, ihr Lieben!
Ich trete mit dem neuen Kapitel diesmal mitten in der Woche an euch heran – und das aus dem simplen Grund, dass ich es gestern fertig bekommen habe. So. Soviel dazu.
Ich sollte euch vielleicht auch gleich darüber informieren, dass ich mir vorgenommen habe, in der nächsten Zeit wieder mehr Unsinn zu machen, und das Drama ein wenig auf Abstand zu halten. Ich hab im Moment keine Lust auf Drama. Das Wetter ist zu schlecht.
Ganz liebe Grüße sende ich an Lindi75, die mir einen ganz fabelhaft lobhudelnden Kommentar geschrieben hat! Ich heiße dich ganz herzlich willkommen und danke vielmals für das großartige Feedback!
Viele Leute regen sich eher darüber auf, dass ich Sam und Dean jedes Mal erst entbrüdere, bevor ich sie zusammenschreibe, da freu ich mich doch, in dir eine Gleichgesinnte gefunden zu haben! Cocktails für alle!
LG
moko-chan
Ethel schob Leia eine dampfende Tasse schwarzen Tees über den Tresen ihres Diners hinweg zu und lächelte, während sie mit den Augen zu Chad hinüber deutete. „Dein Freund?“
Leia unterdrückte ein Schmunzeln. „Mein Chad. Ich warte noch auf sein abschließendes Urteil, ob er selbst eine platonische Beziehung beibehalten will. Er hat gerade Onkel James kennen gelernt.“
Ethel nickte verständnisvoll. Sie war mit beinahe sämtlichen Ausläufern des Masters’schen Stammbaumes bestens bekannt – immerhin befand sich ihr Diner exakt auf der gegenüberliegenden Straßenseite des familieneigenen Motels – und sie wusste, wie strapaziös Leias weitläufige Verwandtschaft sein konnte. Ganz besonders Onkel James. Wahrscheinlich hatte er den armen Jungen endlosen Verhören bezüglich seiner Meinung zur neuen Kawasaki Ninja unterzogen. Inklusive der übelsten Fangfragen. James hielt nicht viel von Kawasakis.
„Ich nehme mal an, der Tee ist für Chad?“ fragte Ethel mitfühlend.
Leia grinste. „Nein, der ist für mich. Chad hat nach einer Fünfundvierziger verlangt, damit er sich auf der Stelle erschießen kann. Ich glaube, was er wirklich braucht, ist eine Heiße Schokolade.“
Ethel warf einen Blick auf das unfreundliche Nieselwetter draußen vor der Tür und stimmte Leia im Stillen zu. Dann drehte sie sich um und begann, einen gefühlten Liter Heiße Schokolade für Chad anzusetzen.
Leia balancierte derweil ihre Tasse Tee durch den Diner und zurück an den Tisch, an dem Chad auf sie wartete.
„Deine Fünfundvierziger kommt sofort. Ethel holt sie nur eben aus ihrem Versteck“, setzte sie ihn sanft in Kenntnis, und er schenkte ihr einen schiefen Blick. „Wunderbar. Hasst dein Onkel eigentlich nur mich, oder jeden blonden Kerl mit Hund, der ihm zufällig über den Weg läuft?“
„Och …“ Leia zuckte andeutungsweise mit den Schultern. „Du stellst eben eine Gefahr für meine jungfräuliche Unantastbarkeit dar.“
Chad glotzte sie an. „Echt?!“
„Quatsch.“ Leia rührte mit einem Teelöffel in dem entsprechenden Getränk herum. „Er hält sich für meinen Vaterersatz, nehme ich mal an. Wenn wir wirklich miteinander ausgehen würden, hätte er dich sicherlich äußerst subtil darüber in Kenntnis gesetzt, wie viele Polizisten zu seinem engsten Freundeskreis gehören, und dass er ganz genau weiß, wo Ethel ihre Fünfundvierziger versteckt.“
Chad deutete mit dem Kinn auf Ethel, die hinterm Dinertresen unschuldig damit beschäftigt war, Milch für seine Heiße Schokolade aufzuschäumen. „Und wo versteckt sie sie?“
„In ihrem Nachttisch.“ Leia atmete tief durch. „Es tut mir wirklich leid, falls Onkel James dir zu nahe getreten sein sollte. Ich hoffe sehr, dass er sich ab jetzt benimmt.“
Chad musterte sie perplex. „Ich dachte, es hätte dir Spaß gemacht, dabei zuzusehen, wie ich mich winde!“
Leia konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Hat es auch.“
Chad versetzte ihr unter dem Tisch einen sanften Tritt und hätte um ein Haar Diefenbaker erwischt, der zu den Füßen seines Herrn lag und das absolut vorbildliche Benehmen eines Hundes in einem öffentlichen Lokal zur Schau stellte. Diefenbaker grunzte anklagend. Leia holte aus und schlug Chad auf den Unterarm, der in einladender Reichweite auf dem Tisch zwischen ihnen lag.
„Wie ein altes Ehepaar.“ Dean schob sich neben Leia auf die Sitzbank, so dass Sam nichts anderes übrig blieb und er sich zu Chad setzen musste. Die Herren Winchester brachten klamme Feuchtigkeit und Kälte von draußen mit rein, und Leia legte ihre Hände ganz automatisch um ihre Teetasse, um sich aufzuwärmen.
„Habt ihr euch erholt?“ erkundigte sie sich wie nebenbei, und Dean gähnte genüsslich. „Einigermaßen, danke der Nachfrage. Wie hast du es geschafft, uns deine Anverwandtschaft so lange vom Hals zu halten?“
Leia deutete mit einem Kopfnicken auf Chad. „Ich habe ihn geopfert.“
„Ich fange an, es für eine gute Idee zu halten, dass wir ihn mitgenommen haben“, stellte Dean fest. Chad beäugte ihn frostig. „Lange spiel ich nicht mehr den Schlagbaum für euch! Liz ist gemeingefährlich, wenn sie sich auf einen konzentriert, und Onkel James … mag mich nicht.“
Dean heuchelte Unglauben. „Er mag dich nicht? Ist sowas überhaupt möglich?“
„Offensichtlich schon“, antwortete Chad lahm. Er wirkte tatsächlich ein wenig niedergeschlagen. Ethel bewies unnachahmliches Timing, indem sie genau diese Sekunde wählte, um eine anmutig bauchige Tasse Heißer Schokolade vor ihm abzustellen. Chad blickte anbetend zu ihr auf. „Wollen Sie mich heiraten?“
Ethel grinste und tätschelte ihm das Haupt. „Jederzeit.“
„Ich“, machte Dean sich bemerkbar, „möchte auch eine Heiße Schokolade. Und Sam auch.“
Sam ließ es sich gefallen, dass Dean derartige Behauptungen aufstellte, und Ethel machte sich auf, um die Bestellung auszuführen. Sam stand auf, um ihr tragen zu helfen. Er hatte das untrügliche Gefühl, Dean ein paar Muffins kaufen zu müssen.
Dean, allein mit Leia und Chad am Tisch zurückgelassen, blickte abwartend von einem zum anderen. „Und was macht ihr hier in dieser verdächtig trauten Zweisamkeit?“
Chad deutete unter den Tisch. „Wir haben eine Anstandsdame!“
Diefenbaker gähnte gelangweilt.
Leia ignorierte diesen Austausch und fasste Dean ein wenig strenger als nötig ins Auge. „Ist mit Sam alles in Ordnung?“
Das leichte Unbehagen, von dem Dean sich erfasst fühlte, wusste er nur unzureichend zu überspielen. „So weit ja“, sagte er mit ein wenig unausgeglichener Stimme. Was stimmte. Mit Sam war im Prinzip nicht mehr verkehrt als sonst auch. Nur, dass sie jetzt versuchten, etwas dagegen zu unternehmen und in der Konsequenz ein wenig aus dem Takt waren. Nichts, worüber man sich aufregen musste.
„Ach, ich wollte dir ja noch was zeigen!“ schaltete Chad sich an dieser Stelle in das Gespräch ein und zog sein Handy aus der Hosentasche. Er schob es auf, drückte ein paar Knöpfe und hielt es dann Leia vor die Nase. „Guck dir das an!“
Leia betrachtete den Bildschirm des Mobiltelefons und weitete in komischer Bestürzung die Augen. „Sind das Eisbären?“
Chad nickte. „Und du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer die Viecher sind!“
Dean linste unaufgefordert ebenfalls auf den Handybildschirm und plusterte die Wangen auf. „Du hast heimlich Sam fotografiert? Was soll das denn?“
„Alter, du hast doch gesagt, du willst ein Foto davon!“ Chad musterte ihn anklagend. „Oder soll ich es löschen?“
Dean hatte erklärlicher Weise Probleme, auf diese Frage angemessen zu antworten, ohne seine Männlichkeitsskala in Gefahr zu bringen. Sam unterbrach seinen inneren Kampf, indem er an den Tisch zurückkam und ihm einen Schokoladenmuffin von enormer Größe vorsetzte. „Bitteschön.“
Um Beschwerden vorzubeugen, hatte Sam für Chad und Leia auch gleich noch Muffins mitgebracht, aber selbstverständlich waren die nicht einmal ansatzweise so groß wie Deans. Sam wusste schließlich, was sich gehörte. Ethel folgte ihm auf dem Fuße, um die Heiße Schokolade abzuliefern, die bestellt worden war, und zog sich dann diskret hinter ihren Tresen zurück. Von dort aus konnte sie zwar nicht ganz so gut lauschen, hatte aber dennoch einen ganz fabelhaften Überblick. Leia verdiente eindeutig so etwas wie einen Orden dafür, dass sie so viele hübsche Männer um sich geschart hatte.
Sam ließ sich erneut neben Chad auf der Sitzbank nieder, zog seine Heiße Schokolade an sich heran und legte seine großen Hände um die bauchige Tasse. Er sah schon viel besser aus als bei seiner Ankunft, aber eben noch nicht so gut, wie er aussehen könnte. Leia verbot sich jedoch ein Stirnrunzeln und konzentrierte sich lieber darauf, ihren Muffin auseinander zu pflücken.
„Ähm“, machte Sam. Leia wandte ihm abwartend den Blick zu. „Wie ist der Plan?“
Leia blinzelte verdutzt. „Plan?“
„Naja …“ Sam zog leicht die Schultern hoch. „Wie sollte ich deinem Onkel am besten gegenüber treten, damit mich nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Chad, und er mich nicht leiden kann?“
„Ach …“ Leia winkte ab. „Unsinn. Dir droht überhaupt keine Gefahr. Erstens bist du mindestens doppelt so groß wie Onkel James und zweitens gehörst du zur Familie. Außerdem kann Dean ihn ablenken, indem er mit ihm über den Impala diskutiert. Alles im Grünen Bereich.“
Sam atmete erleichtert aus und trank einen Schluck Heiße Schokolade.
„Du bist also der berühmte Sam Winchester, ja? Freut mich, dich endlich kennen zu lernen. Ich hab schon viel von dir gehört.“
James streckte Sam die Hand entgegen, drückte sie und blickte forschend zu Sam auf. Sam erwiderte seinen Blick so gelassen wie nur möglich, obwohl er sich unangenehm durchleuchtet fühlte. James hatte die Fähigkeit, einen anzusehen, als ob er einem direkt hinter die Stirn gucken konnte. Für gewöhnlich wurde Sam nur von Bobby so angesehen, und da er Bobby voll und ganz vertraute, gab es keinen Grund, nervöser als üblich zu werden, wenn Bobby ihn so ansah.
„Es freut mich ebenfalls“, antwortete Sam höflich, und James wandte sich Dean zu. „Von dir hab ich nicht ganz so viel gehört, aber das soll keinen Schatten über unser Kennenlernen werfen“, erklärte er grinsend, und Dean erwiderte den herzlichen Händedruck mit einem gewissen Maß an Verdrossenheit. Liz, die daneben stand und ihren Sohn beobachtete, grinste verstohlen. Heather verdrehte über ihren Bruder die Augen, wie es sich für eine anständige große Schwester gehörte. „Wenn du damit fertig bist, den Jungs Angst einzujagen, können wir dann endlich essen?“
Was Dean betraf, so mochte er Heather eindeutig lieber als ihren Bruder. Er hatte Hunger.
„Ihr wisst, dass diese Beiden Dämonen und Geister und den ganzen anderen Unsinn jagen, oder?“ fragte James dann, und Deans Gesicht unternahm den interessanten Versuch, gleichzeitig völlig unschuldig und grenzenlos überrascht auszusehen. Liz blinzelte ihren Sohn fasziniert an, Heather stand der Mund offen. „Was?“
Die selbstgefällige Aura, die ihr Bruder ausstrahlte, schien sie im Moment eher weniger zu stören.
„Naja“, sagte James mit geheuchelter Bescheidenheit, „Sam und Dean hier sind kleine Berühmtheiten in der Jäger Gemeinschaft, und …“
„Nein, das meine ich nicht“, fuhr Heather ihm dazwischen. „Woher weißt du das?!“
Jetzt war es an James, überfordert aus der Wäsche zu gucken. „Was?“
Sam und Dean kamen sich vor, als seien sie in der Twilight Zone gelandet. Dabei waren sie hauptberufliche Geisterjäger. Da sollte ihnen eigentlich schon Merkwürdigeres zugestoßen sein.
„Du weißt über Jäger Bescheid?“ bohrte Heather derweil bei ihrem Bruder nach, und er starrte sie an. „Du weißt über Jäger Bescheid?“
Heather deutete auf ihre Tochter. „Was glaubst du, wo sie herkommt?“
„Hey!“ machte Leia empört, aber niemand (mit Ausnahme von Chad) schenkte ihr sonderliche Aufmerksamkeit.
„Stimmt“, sagte James versonnen. „Sie muss ja das Produkt von John Winchester sein. Daran hab ich gar nicht gedacht, als ihr erzählt habt, Sam Winchester sei ihr Bruder … na sowas.“
Heather verspürte das unwiderstehliche Bedürfnis, ihren Bruder an den Ohren zu ziehen.
„Warum hast du nie gesagt, dass du über die Jäger Bescheid weißt?“
„Na, du hast doch auch nie was gesagt!“ rechtfertigte James sich. „Außerdem weiß ich nicht nur über die Jäger Bescheid – ich bin einer. Wollte ich bloß richtig gestellt haben.“
Liz grinste verzückt. „Ich wusste doch, aus dir wird mal was …“
James deutete eine Verneigung in ihre Richtung an. „Danke, Mutter.“
Sie tätschelte seine Schulter.
„Essen?“ versuchte Dean es tapfer. Niemand achtete auf ihn.
„Wie lange“, wollte Heather wissen, „verschweigst du uns das schon? Ich meine – das du Jäger bist?!“
„Nicht so lange, wie du mir verschweigst, dass meine Nichte Jägernachwuchs ist!“ schoss James zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Chad nutzte diesen Moment, um unbemerkt an Leias Seite zu treten. „Alles in Ordnung mit dir?“ flüsterte er vorsichtig. Leia musterte ihn verdutzt. „Ja, wieso denn nicht?“
„Dein gebrochenes Bein!“ zischte Heather jetzt. „War das wirklich ein Motorradunfall, oder bist du -“
„Nein, da bin ich wirklich vom Motorrad gefallen!“ stellte James klar. „Dumme Sache. Außerdem brechen Vampire einem für gewöhnlich nicht die Beide, wenn sie einen erwischen.“
„Was haben denn Vampire damit zu tun?“
„Naja, die jage ich hauptsächlich.“
„Wieso? Haben die dir irgendwas getan?“ Heather schaffte es, diese Frage absolut aufgebracht und zynisch und ohne auch nur einen Funken Besorgnis in der Stimme zu äußern. Dean betrachtete sie beeindruckt.
„Naja, mir nicht unbedingt, aber da war dieses Mädchen …“ James runzelte die Stirn, und seine Mutter zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wieso kenne ich sie nicht? Ich finde, ich sollte das Mädchen kennen, das meinen Sohn dazu verleitet, Vampire zu jagen.“
„Ich habe aber keinen Kontakt mehr zu ihr“, erklärte James ihr ein wenig erbost. „Also wirst du auf eine Vorstellung wohl verzichten müssen.“
„Mh-hm“, machte Liz und nickte weise. „Sie hat Schluss gemacht.“
„Wir waren nie richtig zusammen“, berichtigte James sie. „Komplizierte Angelegenheit. Sie ist übrigens auch ziemlich berühmt … hauptsächlich für ihren lächerlichen Vornamen. Wie dem auch sei … ich dachte, es sei an der Zeit, euch zu sagen, womit ich mir die Langeweile vertreibe.“
„Fabelhaft“, sagte Liz. „Danke dafür. Und jetzt lasst uns endlich essen, bevor Dean uns hier in Ohnmacht fällt.“