Plan B
Deanstag!
Zuckerkoma, ich komme!
Ja, ich bin zum Schreiben gekommen und ja, es wird immer schlimmer, und ich verursache mir so langsam selber Zahnschmerzen.
Dauert auch noch ein wenig, bis wir den Zucker verdaut haben – nach dem Kapitel Zähneputzen nicht vergessen!
moko-chan
Der Plan war einfach.
Der Plan sah vor, dass Leia sich gegen zwei Uhr nachmittags von ihrer Großmutter zu den Lawlesses fahren ließ, um sich mit Sam zu treffen, damit sie sich gemeinsam auf den Weg in die Stadt und zum Ringe-Aussuchen machen konnten.
Dean war um eins mit Matt in der Bar verabredet und somit – ähem – aus dem Weg, und Sam war frohen Mutes, dass er seinen Plan würde ausführen können, ohne dass seine bessere Hälfte je davon erfahren würde.
Aber dann kam natürlich alles ganz anders.
Dean war noch immer um eins mit Matt in der Bar verabredet, machte sich auch rechtzeitig auf den und war somit aus dem Weg, aber dann trat plötzlich ein überraschendes Hindernis auf: Chad.
Völlig unerwartet und noch dazu aus dem Hinterhalt fiel er über Sam her, parkte an der gegenüberliegenden Straßenseite und kam auf das Haus zu, gerade in dem Moment, in dem Leia und Sam selbiges verließen – und Sam mochte sich in einer außergewöhnlich guten Stimmung befinden, aber diese Entwicklung konnte er nur mit Argwohn betrachten.
„Hallöchen!“, wurde er jedoch von Chad äußerst fröhlich begrüßt, während Leia gekonnt links liegen gelassen wurde – so langsam fand selbst Sam Vergnügen daran, die Zwei bei ihren Scharmützeln zu beobachten – da musste dann also zunächst mal ein fester Händedruck ausgetauscht werden, bevor Sam Chad höflich darauf aufmerksam machen konnte, dass im Moment keine Zeit für ihn da war.
Chad machte ein langes Gesicht.
„Ist nicht dein Ernst, oder? Sean und Danny sind heute in einer derartig widerlichen romantischen Stimmung, dass ich nur die Flucht ergreifen konnte – und jetzt wirfst du mich auch noch raus?“
Sam stellte geduldig klar, dass von Rauswerfen keine Rede sein konnte, da sie sich noch außerhalb des Hauses befanden, aber das war nicht das, was Chad hören wollte, also ging er auch gar nicht darauf ein.
„Wo wollt ihr denn hin?“, fragte er hoffnungsvoll, nahm endlich auch von Leia Notiz und blickte sie aufmerksam an, während sie die Gänseblümchen im Vorgarten bewunderte, da sie das zwingende Gefühl hatte, sich für etwas rächen zu müssen.
„Och, kommt schon“, maulte Chad flehentlich. „Nehmt mich mit! Mir ist langweilig allein! Ich bin auch ganz ruhig und -“
Chad unterbrach sich, als mit einem Mal eine etwas hektisch wirkende Jane in der Haustür auftauchte.
„Ach, Gott sei Dank, ihr seid noch da!“, japste sie erleichtert. „Liz und ich wollen in die Stadt fahren und shoppen gehen – ihr währt nicht zufällig so nett, Hannah mitzunehmen?“
Sam und Leia tauschten einen flüchtigen Blick, Jane entdeckte Chad und begrüßte ihn erfreut, und dieser bot sich etwas unerwartet als Babysitter an.
„Ich kann mit ihr zum Internationalen Haus der Waffel gehen“, schlug er gutmütig vor, und Hannah, die fraglos hinter der Tür gelauscht hatte, kam um die Ecke gezischt und kletterte begeistert an ihm hoch.
„Da war ich schon ewig nicht mehr!“, verkündete sie, während sie ihn enthusiastisch würgte, und Jane warf Sam und Leia einen flehenden Blick zu.
Chad war zweifellos ein lieber Junge, aber in ihren Augen nicht ganz so gut geeignet, unbeaufsichtigt ihre Tochter zu beaufsichtigen.
„Dann begleitet uns doch in die Stadt – dann machen wir erst unsere Besorgungen und gehen danach alle zusammen Waffeln essen“, schlug Sam also gottergeben vor – so schrecklich würde das schon nicht werden – und Chad grinste von einem Ohr zum anderen.
„Großartige Idee.“
Auch Hannah begrüßte diese Variante.
„Das ist bestimmt viel lustiger als allein mit Chad“, vertraute sie Sam und Leia wohlwollend an, und Chad zog eine beleidigte Schnute.
„Früher“, behauptete er mit Überzeugung, „war sie nicht so gemein.“
Er blickte Leia an, als sei das ihre Schuld, und Hannah kicherte leise, während Leia bloß amüsiert grinste.
„Wollen wir dann los?“
Sie wollten, also wurde sich auf den Weg gemacht – zu Fuß, denn es war ein sonniger Frühlingstag, und Hannah bestand darauf, zwischen Chad und Leia zu gehen und von Beiden an den Händen gehalten zu werden.
„Na toll“, beschwerte Chad sich auch prompt. „So geh ich ja nie als allein erziehender Vater durch. Dabei hatte ich gehofft, Hannah als Flirthilfe benutzen zu können!“
„Du“, erwiderte Leia gelassen, „würdest nichtmal in Kleinstaaten ohne Recht und Ordnung als allein erziehender Vater durchgehen.“
Chad überdachte das einen Moment.
„Wahrscheinlich hast du Recht. Aber ich kümmere mich ganz ausgezeichnet um meinen Hund!“
„Ach so?“ Leia blickte ihn vielsagend an. „Und wo genau befindet sich dieser Hund im Augenblick.“
Chad warf sich in die Brust.
„Bei meinen Eltern.“
„Das“, schlussfolgerte Leia trocken, „sagt jawohl alles.“
Sam, der diesen Austausch mit leichtem Grinsen mitverfolgt hatte, tauschte einen kurzen Blick mit Hannah, und diese zuckte hilflos mit den Schultern.
„Vielleicht“, überlegte sie laut, „hilft es, wenn ich bei Sam an der Hand gehe … und ihr … ähm … haltet Händchen?“
Man konnte schlecht sagen, wer empörter dreinblickte, Leia oder Chad, und Hannah kicherte.
„Gut, vielleicht doch lieber nicht.“
Chads Blick traf über Hannahs Kopf hinweg auf Leias, und für einen winzigen Augenblick lächelten sie sich zu, dann verlangte Hannah Engelchen flieg zu spielen, und zwar so lange, bis der Juwelier erreicht war, den Sam am Tag zuvor im Internet ausgesucht hatte, und Chad jammerte, dass er sich ganz bestimmt die Schulter ausgekugelt habe.
Dann sah er, vor welchem Geschäft sie Halt gemacht hatten, und seine Augen wurden kugelrund – genau wie Hannahs.
„Wahnsinn!“
Chad hüpfte von Auslage zu Auslage, Hannah immer im Gefolge und beugte sich über die ausgeleuchteten Vitrinen.
„Wie viel Geld man für diesen Mist ausgeben kann!“, brüllte er durch den ganzen Laden, und Sam sandte den Verkäuferinnen rundum entschuldigende Blicke zu.
Die Damen waren aber scheinbar an Kunden gewöhnt, die von ihrem Angebot ein wenig überwältigt waren und lächelten duldsam – bis Chad mit dem Zeigefinger auf ein ganz bestimmtes Exemplar in einer der Vitrinen deutete, und feststellte, er habe noch nie eine so dermaßen hässliche Kette gesehen.
Leia schritt ein und zog ihn am Ohr von der betreffenden Vitrine weg, und gab dann Hannah den Auftrag, ein Auge auf ihn zu haben und dafür zu sorgen, dass sie nicht rausgeworfen wurden, bevor Sam sich für ein Paar Ringe entschieden hatte.
Hannah erstrahlte sofort im Glanz ihrer wichtigen Aufgabe, und Chad fügte sich erstaunlich duldsam in sein Schicksal, eine Siebenjährige als Aufpasserin zugeteilt bekommen zu haben – das mochte allerdings daran liegen, dass ihm das Ohr wehtat und er Angst davor hatte, welchen Schaden Leia anderen Teilen seiner Anatomie zufügen könnte.
„Also?“, fragte Leia leise, während sie wieder an Sams Seite trat. „Hast du schon Favoriten?“
Sam stand mitten im Raum und blickte sich hilflos um, anstatt eine Antwort abzugeben, und Leia lächelte verständnisvoll.
„Es ist einfach so … die Auswahl ist so …“
„Überwältigend“, beendete sie seinen Satz, und Sam nickte.
„Was hast du dir denn vorgestellt? Schlicht nehme ich an, richtig? Kein unnötiger Schnickschnack, schließlich seid ihr echte Kerle, und Dean hat ja seine dusselige Männlichkeitsskala, an die er sich halten muss …“
Leia packte Sam am Handgelenk und zog ihn dichter an eine der beleuchteten Vitrinen.
„Diese hier sind recht hübsch – und bezahlbar.“
Sam warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, als könne er diese unromantische Haltung nur beklagenswert finden, und Leia zuckte mit den Schultern.
„Du kannst romantisch sein, ich übernehme die Vernunft. Und jetzt guck dir die Ringe an.“
Sam kam ihrem Befehl gehorsam nach, starrte konzentriert auf die Auslage und ließ sich nicht einmal davon ablenken, als Hannah an seiner Rückseite hochkletterte, ihre Arme um seinen Hals schlang und über seine Schulter hinweg mitguckte.
„Die da find ich hübsch!“, verkündete sie nach einer Weile und deutete auf ein Paar Ringe aus Rotgold, und weder Sam noch Leia gaben dazu einen Kommentar ab.
„Nein, Hannah“, sagte stattdessen Chad, der an Sams linke Seite getreten war, während Leia zu seiner Rechten stand, „Rotgold geht ja mal so gar nicht. Weißgold oder Platin. Alles andere ist viel zu weibisch!“
Hannah schmollte, widersprach jedoch nicht, und Chad murmelte in seinen Bart, dass das aber eigentlich überhaupt keine Rolle spielte, da der simple Fakt, das Sam überhaupt erst Ringe kaufen wollte, schon weibisch genug für ein ganzes Schlauchboot voller Schönheitsköniginnen sei.
„Wolltest du nicht still sein?“, fragte Leia ungeduldig nach, und Chad grinste sie über Sams Rücken hinweg breit an.
„Das war, bevor ich wusste, zu was ihr mich mitschleppt!“
„Du kannst gerne gehen“, bot Sam geistesabwesend an, und Chad zog eine empörte Grimasse.
„Als ob ich mir das entgehen lassen würde!“
„Chad ist nämlich selbst total romantisch!“, verkündete Hannah laut und ohne auch nur eine Spur von Unbehagen, und Chad starrte sie entgeistert an.
„Bin ich nicht!“
„Bist du wohl!“
„Kinder …“ Sam klang noch immer so geistesabwesend wie zuvor, aber da war ein leichtes Grinsen in seiner Stimme. „Seid mal eben still, Vati ist beschäftigt.“
Leia wandte sich diskret ab und tat, als habe sie mit der Truppe nicht das Geringste zu tun.
„Gott, war das anstrengend …“
Chad bestäubte seine Waffel großzügig mit Puderzucker, bot Hannah an, für sie selbiges zu erledigen und bat Leia, ihm Kaffee nachzuschenken, was die Gute auch tatsächlich tat.
„So schlimm war es nun auch nicht“, relativierte sie, während sie Chads Tasse auffüllte.
„Außerdem warst du nicht besonders hilfreich.“
„Ich war sogar sehr hilfreich“, widersprach Chad würdevoll.
„Ich habe Sam verboten, Ringe mit Glitzerklunkern zu kaufen!“
Sam grollte leise. „Das hatte ich doch überhaupt nicht vor!“
Chad zeigte sich unbeeindruckt. „Das behauptest du!“
Sam verdrehte die Augen und sagte nichts dazu, und Hannah drückte mit einer halben Waffel im Mund ihr Unverständnis darüber aus, was an Ringen mit Glitzerklunkern so fürchterlich sei – ihr hätten die gefallen.
Das Mädchen verbrachte eindeutig zu viel Zeit mit Dean.
Der Gedanke an seinen Liebsten entlockte Sam ein warmes Lächeln, und er befühlte unwillkürlich die kleine Schachtel in seiner Hosentasche.
Die Chef-Verkäuferin im Juwelier hatte ihn ein wenig schief angesehen, als er angegeben hatte, beide Ringe in der selben Weite kaufen zu wollen, aber dann hatte Chad sich unerwartet neben ihm aufgebaut und mit seinem arrogantesten Tonfall nachgefragt, ob das etwa ein Problem sein würde, und die Verkäuferin hatte hastig verneint und Sams Wunsch pflichtbewusst ausgeführt.
Wenn Sam jetzt genauer darüber nachdachte, dann war Chad in der Tat sehr hilfreich gewesen.
Sam gab einen Extraschubs Milch in seine Tasse, ließ sich das Ganze von Leia mit Kaffee auffüllen und ließ dann ein zufriedenes Seufzen hören.
Jetzt, da die erste Hürde genommen war, galt es, den großen Graben zu bezwingen.
Der richtige Moment zur Übergabe musste gefunden werden, die richtige Atmosphäre hergestellt – und das so schnell wie möglich, denn wenn er erst Zeit hatte in Panik zu geraten und seinen Entschluss in Frage zu stellen, dann würde das vermutlich nie was werden mit dem Antrag.
„Wann willst du ihn fragen?“, erkundigte Leia sich leise bei ihm, als habe sie seine Gedanken gelesen, und Sam zog nervös die Oberlippe in die Höhe.
„Ich weiß es noch nicht.“
Leia nickte langsam.
„Verstehe. Es ist vielleicht auch besser, wenn du … naja … das nicht im Haus deiner Schwiegereltern machst.“
Sam runzelte die Stirn.
„William und Jane sind nicht meine Schwiegereltern.“
Leia seufzte ungeduldig. „Aber sie sind so nahe dran, wie’s nur geht, und ihr Haus ist kaum der richtige Austragungsort für sowas – denn ein solches Ereignis muss ja entsprechend gefeiert werden, und so, wie ich Dean kenne -“
Chad hielt Hannah die Ohren zu, und Leia blickte ihn irritiert an, während Hannah in größter Seelenruhe ihre dritte Waffel hinunter schlang.
„Was tust du?“
Chad setzte einen strengen Blick auf.
„Ich schütze die Ohren dieses unschuldigen Kindes vor den Unflätigkeiten, die zweifellos gleich aus deinem Mund strömen werden!“
Leia war eben dabei gewesen einen Schluck Kaffee zu nehmen und spuckte ihn jetzt beinahe zurück in die Tasse.
„Schütz lieber deine eigenen Ohren – Hannah kann mit sowas umgehen!“
Die beiden Frauen tauschten einen verständnisinnigen Blick und Hannah nahm einen Schluck Kakao, bevor sie sich Chad zuwandte.
„Ich mag dich“, verkündete sie ernsthaft, „aber ich verstehe nicht, wo dein Problem liegt. Sam und Dean sind doch toll zusammen – aber du guckst immer ganz komisch, wenn sie lieb zueinander sind!“
Diesmal prustete Leia wirklich in ihren Kaffee, und Chad bekam rote Ohren – ganz genau wie Sam.
„Tut er das, ja?“, fragte Leia mit dem unschuldigsten Augenaufschlag der Welt, und Hannah wandte sich ihr enthusiastisch zu.
„Ja! Auch bei Sean und Danny! Sean meint, Chad sei verklemmt – aber das ist er ja gar nicht! Er sagt ständig schlimme Sachen und böse Wörter und flucht ganz schrecklich – aber wenn Sean mit Danny schmust, dann … also … da wird er immer ganz komisch und guckt schnell woanders hin!“
Chad begann sich auf seinem Sessel zu winden.
„Das kann Leia doch kaum interessieren, Hannah.“
Leia blinzelte boshaft.
„Ganz im Gegenteil! Ich finde das höchstgradig interessant!“
Und an Hannah gewandt sagte sie: „Vielleicht mag er einfach nur nicht zugucken, wenn zwei Männer miteinander kuscheln …?“
Hannah schüttelte den Kopf.
„Nein, so doof ist er nicht. Bei Tine und Mo macht er das auch – ich hab’s gesehen, als sie zu Besuch waren. Und bei Isabel und Matt ist er auch so komisch. Und bei Rina und Brian und Kinka und Ryan, und …“
„Kurzum, bei allen“, unterbrach Leia diese Aufzählung und schluckte heldenhaft ein Lachen hinunter.
Chad funkelte sie rachelüstern an. „Das ist nicht lustig!“
„Ist es wirklich nicht!“, stimmte sie ihm heiter zu. „Das ist sogar ganz außergewöhnlich traurig! Ich werde meiner Großmutter davon erzählen müssen …“
Chad erbleichte. „Nein!“
„Och, doch!“ Leia grinste ein wenig. „In ihrer grenzenlosen Weisheit wird Liz bestimmt eine Lösung für dein Problem finden …“
Sam, der sich vergnüglich Chads sicheren Untergang in einem solchen Fall ausmalte, lehnte sich auf dem Sofa zurück, auf dem er neben Hannah saß, hob seine Kaffeetasse an seine Lippen, und stellte fest, dass, was immer auch geschah, Dean ihm so etwas ganz sicher niemals antun würde.
Dann legte Sam den Kopf schief und grinste ein wenig kläglich.
Nun ja, vermutlich doch.
Vielleicht war wirklich was dran an dieser Sache zwischen Leia und Chad.