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Supernova

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26. Kapitel - (Rope of sand)

Anmerkung: Hallo! Auch wenn ich mich anhöre wie eine Wiederholungsschleife: Es tut mir Leid >.< und es geht auf jeden Fall weiter! Hatte nur eine üble Schreibkrise... Kapitel 27 und 28 sind schon fertig und folgen im Laufe des WE bzw spätestens danach! Ich hoffe es wird nicht zu verwirrend, da sich langsam einiges aufdeckt. Viel Spaß!
 

____________________________________
 

„When everything is a rope of sand

We should be learning to let it go"
 

- Jamie Lidell
 

An jenem Ort gab es so etwas 'Schnee' nicht. Schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Und dennoch begleitete das Rauschen des Schnees jeden hier wie sein eigener Schatten. Nur wenn man die Augen schloss konnte man ihn nicht sehen, doch dann war alles dunkel, alles voll von einem einzigen Schatten. Weiß/Schwarz.
 

Nur wenn man sich die Ohren zu hielt, konnte man das Rauschen des Schnees nicht hören, doch dann rauschte alles, das eigene Blut in den Ohren, der Atem klingt direkt hinter der Stirn wieder. Draußen/Drinnen.
 

Schnee war kalt, Schnee war fern, Schnee war das einzige aus seiner Vergangenheit, von dem er noch genau wusste, wie es sich anfühlte, wie es schmeckte, welche Gefühle von Melancholie, Einsamkeit und Weite es besaß. Das Rauschen des Schnees hatte er in seinem weißen Gefängnis über all die Jahre nicht hören können, nur das Rauschen seines Atems und das Pochen seines Herzens, über Lautsprecher übertragen. Hätte er jetzt Sehnsucht nach all diesen Geräuschen, müsste er nur die Hände auf die Ohren legen, sein Gesicht in das weiche, weiße Kissen pressen und lauschen, lauschen, lauschen. Zu dem Ort flüchten, an dem er gefangen, aber sicher war.
 

Doch nach stundenlangem Herumliegen, erschöpft, schwindelig – es war so ungewohnt zu liegen, es war so fremd, nicht die dickflüssige, warme Substanz um sich herum zu spüren, nicht zu schweben - , taten dem blonden Mann in dem großen, weißen Himmelbett nicht nur die Hände weh, sondern hatten seine Sinne auch das schon längst entbehrte Rauschen der Schneestürme, jenseits der Grenzen von Omehlas, bemerkt.
 

Fasziniert lauschte Fye, hielt seinen Atem flach, um jedes einzige Geräusch des Sturmes zu vernehmen. Rauschen. Es schwoll an, ebbte ab, manchmal war es kaum zu vernehmen, manchmal so klar und stetig, dass er es schon gar nicht mehr hörte, weil es sich in seinen nun so leisen Rhythmus aus Atemzügen und Herzschlagen vollkommen eingefügt hatte. Das Knarzen der Holzmöbel, ferne Schritte von angeblichen Maschinen, das Summen der Apparate, das er wie wenige andere aus allen anderen Geräusche heraushörte, egal wie gut sie getarnt waren.
 

All das war um ihn herum, all das umgab ihn, genau so grell und fremd und verunsichernd wie die Farben. Alte Erinnerungen, die auf einmal wieder real waren, keine Träume mehr, keine unklaren Umrisse, er war an einem Ort und konnte zu keinem anderen. Es gab wieder die Zeit, die nicht aus seinen Herzschlägen und Ashuras Besuchen zusammen gesetzt war, sondern aus Ungewissheit, aus verwirrenden Ungewissheiten, die sein Herz schneller schlagen ließen und die Zeit damit nur noch mehr aus ihren Fugen hob.
 

Angespannt und mit leichten Kopfschmerzen ließ Fye seinen angehaltenen Atem austreten, schloss die Augen vor dem halbdunklen Licht der Sonne. Irgendjemand hatte ihn hier her getragen und die Vorhänge geöffnet. Als er das erste Mal erwacht war schien der Vollmond, nun glimmte das erste Licht der Morgensonne herein. Ob man den Mond immer noch sehen konnte?
 

Er richtete sich auf, tastete mit seinen Füßen nach dem unsagbar rauen Teppich, der sich anfühlte wie Schniegelpapier auf empfindlicher, nackter Haut und ging zum Fenster. All seine Bewegungen waren unsagbar langsam und verloren nur allmählich an Ungeschicktheit. Der Gefangene seufzte als er am Fenster ankam und in den farbigen Himmel schaute. Ihm wurde für einen Moment schwindelig und er hasste dieses Blau beinahe. Die Wolken überwältigten ihn mit ihren Formen, seine Sinne kamen kaum hinterher, zu lange hatten sie nur Weiß gesehen, nur Herzschläge gehört und nur mit Ashura geredet und nur geträumt und nur erinnert und nun ließen ihn all diese aufgegebenen Farben neidisch werden. Neidisch auf ihre Freiheit und Schönheit, auf die Formen der Wolken, auf ihre bloße Existenz, die nur für sich selbst existierten, sonst für niemanden.
 

Als seine Augen nicht mehr so geblendet waren suchte der blonde Mann den Mond am Morgenhimmel. Und er fand ihn, weiß und beinahe verblasst hing er links vom Fenster zwischen ein paar Wolken. Fye lächelte. Er liebte den Mond.
 

„Heute Abend ist Vollmond“, unterbrach eine tiefere, doch weiche Stimme das Schneesturmrauschen. Langsam drehte er sich um. Ihm war bewusst, dass er hier nicht mehr sicher war, nicht mehr hinter Glas. Doch Ashura berührte ihn nicht, kam zwar auf ihn zu, doch ging genügend Abstand an ihm vorbei zum Fenster, sah seinerseits zum Mond hinauf, während Fye ihm beobachtend ins Gesicht blickte.
 

„Du fühlt dich jetzt sicher noch etwas schwach, aber du wirst dich Stück für Stück daran gewöhnen. Je mehr der Mond abnimmt, desto schwächer wirst du werden, wenn er voller wird, gewinnst du auch an Kraft. Nur zu Neumond und die Tage davor und danach musst du wieder zurück.“
 

„Zurück... in mein Gefängnis?“
 

„So nennst du das? Ich nenne das Krankenzimmer.“
 

„Es ist kein Krankenzimmer. Es ist ein Gefängnis, das mich zufällig am Leben erhält.“
 

Ashura schwieg, nur ein schweres Seufzen verließ beinahe lautlos seine Lunge, doch Fye hörte es so oder so.
 

„Ich möchte Kleider, mir ist kalt.“
 

„Aber sicher wirst du welche tragen.“
 

Ashura riss sich vom Anblick des Mondes los und lächelte den kleineren Mann sanft an, dann ging er an ihm vorbei und öffnete einen hölzernen, fein verzierten Kleiderschrank, auf den der Schreiner wohl sehr viel Mühe verwendet hatte. Heraus befördert wurden zwei weiße Kleidungsstücke, Handschuhe und Pantoffeln. Nun doch ein wenig neugierig, nicht desto trotz kritisch, kam Fye näher. Die weiße Farbe war angenehm schlicht, obwohl die Kleidung blassblaue, dezente Verzierungen am Kragen und den Ärmel aufwies, und undurchsichtig, selbst wenn es nass werden würde, was ihn beruhigte. Er griff nach der Hose und fuhr zurück als Ashura plötzlich von ihm wich. Doch augenblicklich erschien das ruhige Lächeln wieder auf dem von schwarzen Haar umrahmten, schönen Gesicht und Fye sah auf die Hose, blickte wieder zum Bett und entdeckte sogar Unterwäsche.
 

Ashura beobachtete ihn während er sich anzog, doch diese Vertrautheit war noch zwischen ihnen, so dass keinem einfiel aus dem Raum zu gehen oder sich zu verbergen.
 

„Möchtest du mehr sehen? Nicht nur dieses Zimmer?“
 

„Ich kenne diesen Ort.“
 

„Er hat sich über die Jahre sehr verändert. Vor allem die Küche.“ Fügte der größere Mann mit einem leichten Schmunzeln hinzu und erreichte damit, was er bezweckt hatte. Der Gefangene zeigte tatsächlich ein wenig Interesse, indem er von seinen Kleidern zu ihm aufsah.
 

„Nun denn, komm mit.“
 

Sie verließen den Raum und gingen einen langen Gang mit weichen, weißen Teppich entlang, Fackeln hingen verloschen in ihren Halterungen, die elektrischen Lampen waren eingeschaltet worden und aus den vielen offen stehenden Türen drang Morgenlicht. Fye ging langsam, einmal weil sein Körper das Laufen nicht gewohnt war, zum anderen, weil er erst recht nicht mehr gewohnt war dies in Schuhen zu tun.
 

Es kam ihm immer noch fremd und seltsam vor, doch gleichzeitig auch wie die Erinnerung an einen Traum, sicher und fern von dem was Wirklichkeit war. Und in diesem Traum konnte er auch ein wenig schneller gehen und Ashura vorsichtig am Ärmel packen. Der größere Mann blieb völlig verdutzt stehen und sah den Gefangenen an, doch dieser setzte nur ein leichtes Lächeln auf. Und obwohl er es wusste, obwohl Ashura wusste, dass dieses Lächeln nur Maskerade war, schlug sein Herz schneller und er sehnte sich nach dem Gefühl von Seide auf seiner Haut und der Tiefe des Schlafes, in der alles geschehen konnte, was möglich und unmöglich war.
 

„Du darfst niemanden berühren und niemand darf dich anfassen. Der Schutz um dich bewahrt dich vor der Außenwelt, vor der Berührung mit anorganischen Dingen, doch Tiere und Menschen sind tabu, du würdest sofort zusammen brechen.“
 

„Deswegen die Handschuhe?“
 

„Ja, die häufigste Berührungsstelle zwischen zwei Menschen sind die Hände.“
 

Fye schwieg eine Weile. „Warum tust du das, Ashura?“
 

„Weil es nun möglich ist.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Ich sehe gar keine Bediensteten, sollten wir Ashura-san nicht Bescheid sagen, dass wir zurück sind?“, wand die Prinzessin ein und Shaolan konnte ihr nur zustimmen.
 

Sie waren zwar hier aufgenommen worden, dennoch war es alles andere als höflich in den Häusern anderer Leute unangemeldet herum zu laufen. Ein Gang nach dem anderen erstreckte sich schon gut eine Stunde vor ihnen und alle sahen irgendwie gleich aus. Shaolan seufze leise, er musste zugeben, er hatte völlig die Orientierung verloren. Was für eine Schande... sein frisch ernannter Lehrmeister würde ihn sicher verachten, wenn er wüsste, dass er sich ausgerechnet in einem Haus verlaufen hatte, in dem er sich schon knapp einen Monat befand. Wieder ein neuer, völlig unbekannter Gang. In diesem Abschnitt der Villa war es völlig ruhig, keine Bediensteten, kaum Geräusche. Ob der Bereich wohl völlig leer war? Bis auf die Bediensteten und Ashura-san schien in der Villa auch niemand zu wohnen. Doch wenn Ashura-san bei ihnen war, konnten sie nicht nach der Feder suchen, eigentlich hätten sie den Ostflügel, in dem ihr Zimmer sich befand, gar nicht verlassen dürften.
 

„Haben wir uns verlaufen, Shaolan-kun?“
 

„Ich fürchte ja,“, gab der Junge schamvoll errötend zu. Doch Sakura lächelte nur und griff nach seiner Hand. „Keine Sorge, wir finden sicher zurück. So groß kann dieses Haus ja nicht sein und irgendwann treffen wir schon auf jemanden.“ Sowieso schon verlegen nickte er und sah zu dem weißen Wesen, das auf seiner Schulter saß. „Mokona, kannst du dich vielleicht an den Rückweg erinnern?“
 

„Mokona weiß nicht wo wir sind.... hier sieht alles gleich aus...“, jammerte das Wesen niedergeschlagen darüber seinen Freunden nicht helfen zu können. Doch dann stellten sich seine Ohren urplötzlich nervös auf und die großen Augen wurden noch größere und glubschiger.“Meikyo! Eine Feder! Ich spüre sie ganz deutlich! Eine Feder! Dort!“
 

Aufgeregt liefen die Kinder zu der Tür, auf die das weiße Wesen gedeutet hatte. Sie unterschied sich äußerlich kaum von den zig anderen dunkelhölzernen Türen, an denen sie vorbei gekommen waren. Doch dahinter befand sich nicht etwa ein weiteres Zimmer, sondern eine in Schatten liegende Treppe, die tief nach unten führte.
 

„Sakura-hime, bleib besser hier oben.“
 

Diese wollte zunächst protestieren, sah aber dann ein, dass sie Shaolan im Ernstfall nur im Weg stehen würde. Manchmal betrübte sie wirklich, so wenig für ihre Freunde tun zu können, die sich doch so für sie aufopferten. Shaolan brachte mit all seiner Kraft ihre verlorenen Erinnerungen zurück, Fye kümmerte sich so lieb um sie und selbst Kurogane-san, der eigentlich gar nicht auf diese Reise gehen wollte, half mit in den neuen Welten Geld zu verdienen, beschützte sie und war nun auch noch Shaolans Lehrmeister. Dabei wäre der Magier in Ôto beinahe gestorben, wenn es nicht nur eine Illusionswelt gewesen wäre... Trotz dieser trüben Gedanken zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, nickte zustimmend und beobachtete wie Shaolan mit Mokona auf der Schulter die Treppe hinunter lief, im Dunkeln immer undeutlicher wurde und letztendlich von den Schatten verschluckt wurde. Sakuras Herz wurde ganz schwer.
 

„Shaolan-kun!“, rief sie als er nicht mehr zu sehen war und in ihrer Brust klopfte es ganz schwer und schnell, voller Angst, dass der Junge jetzt vollkommen verschwunden war und nie wieder aus dieser Dunkelheit auftauchte. Doch wenige Sekunden später sah sie Shaolan atemlos die Treppe rauf sprinten. „Sakura-hime! Was ist passiert?!“ So schnell er konnte war Shaolan zurück gesprintet und sah sich nun kampfbereit und entschlossen nach möglichen Gefahren um. Doch das einzige, das sich im Gang befand war seine heftige errötenden Prinzessin. „E-entschuldigung... ich wollte nur sagen... pass bitte auf dich auf... ich glaube, es ist dort unten gefährlich...“
 

„Keine Sorge, Prinzessin. Ich werde auf mich acht geben!“
 

„Mokona passt auch auf!“
 

Ein erleichtertes Lächeln spielte über Sakuras Lippen und sie streichelte dem weißen Tier über den Kopf. „Vielen Dank ihr beiden... vielen Dank, dass ihr mir helft meine Federn zurück zu gewinnen.“
 

Als Shaolan mit Mokona ein weiteres Mal in den Treppenschatten verschwand, stand das Mädchen ein wenig verloren in dem hellen Gang herum. Neben ihr befand sich ein wertvoll aussehender Spiegel und eine hölzerne Kommode mit Holzkäfig darauf, in dem sich ein hübscher ausgestopfter Stoffvogel befand. Sie beugte sich mehr zum Käfig, um den Vogel besser sehen zu können. Der Vogel war grau-weiß mit einem dunkelgrünen Streifen auf dem Rücken und einen roten Fleck am Hals. Die Federn sahen ganz weich aus und wirkten völlig echt. Nur da sich der Vogel überhaupt nicht bewegte ließ überhaupt darauf schließen, dass er nicht lebendig sein könnte. Selbst die schwarzen Augen der Vogelattrappe wirkten so tief und klar, dass Sakura fast meinte, sie würden sie anschauen. Warum stand so etwas hübsches in so einem einsamen Gang herum? Es würde viel besser in ein schönes Zimmer voller Sonnenlicht passen, in dem es dem Hausherren Freude machen konnte.
 

Plötzlich griff ein Arm an ihr vorbei, öffnete den Käfig und nahm den ausgestopften Vogel vorsichtig in die Hand. Völlig erschrocken zuckte das Mädchen zusammen, sie hatte überhaupt niemanden gehört! Doch als sie aufsah, bekam sie einen zweiten Schreck. Die Person, die dort stand, kam ihr unsagbar bekannt vor. „Fye-san!“
 

Der blauäugige Mann lächelte sanft, aber etwas verwundert zu ihr herunter. „Hallo Kleine.“ Völlig aufgeregt strahlte Sakura ihren Freund an. „Shaolan, Moko-chan und ich haben so nach dir und Kurogane-san gesucht! Ist er auch hier? Huch! Was ist mit deinem Auge passiert?“
 

„Ach, das war nur ein kleiner Unfall! Mach dir keine Gedanken, es ist auch schon sehr lange her.“
 

„Aber... letztens als wir uns sahen, war das doch noch nicht...“, sagte das Mädchen verwirrt und der blonde Mann lächelte nur. „Du bist also das süße Mädchen, von dem Ashura sprach. Ich freue mich sehr dich kennen zu lernen.“
 

Endlich fiel bei Sakura der Groschen. Das war gar nicht der Fye, der mit ihnen reiste, sondern seine Ebenbild aus dieser Welt! Sie sahen sich aber auch wirklich ähnlich! Ohne die weiße Augenklappe hätte sie die beiden sicherlich nicht einmal unterscheiden können, wenn sie nebeneinander ständen!
 

„Entschuldigung, ich muss Sie wohl verwechselt haben!“, versuchte Sakura errötend ihren Fehler wieder gut zu machen. Außerdem musste sie von der leicht offen stehenden Tür ablenken. Sie wusste nicht wer dieser Fye in dieser Welt war, aber sicherlich war es nicht erlaubt dort unten runter zu gehen... vor allem da sich ja dort eine Feder befand und diese waren in jeder Welt sehr gut verborgen und begehrt. In dem Moment allerdings fiel der Blick des Erwachsenen auf eben diese Tür. „Ist dein Freund dort unten?“
 

„Ne-nein!“, rief die Prinzessin etwas zu heftig und scholt sich schon innerlich. Was, wenn Shaolan jetzt Ärger bekam? Das war dann alles ihre Schuld! Doch dieser Fye schien sich nicht weiter groß darum zu kümmern, sondern streichelte den Vogel in seiner Hand. Er trug Handschuhe. „Ah so~ Hast du schon einmal einen Vogel in den Händen gehabt?“, fragte er ein wenig gedankenversunken.
 

„Nein... dort wo ich herkomme gibt es nicht so viele Vögel und wenn sind sie sehr scheu... und die Babyvögel darf man nicht anfassen, weil sie sonst nicht zurück ins Nest können.“
 

„Dann öffne mal deine Hand!“
 

Verwundert folgte die Prinzessin der Anweisung, obwohl das doch ein Stoffvogel war, doch sie wollte erst einmal abwarten. Steif und mit unsagbar weichen Federn lag der Vogelkörper in ihrer Hand. „Die Federn sind wirklich wunderbar weich...“
 

„Das ist ein Vogel der früher einmal in diesem Land gelebt hat“, erklärte das Ebenbild des Magiers ihr.
 

Sie hatte hier noch nicht viele Tiere gesehen. „Hier gibt es nicht mehr viele Tiere, oder?“
 

„Doch, sicher. Schau doch in deine Hand!“, erwiderte der blonde Mann breit lächelnd und tatsächlich, auf einmal wurde die Vogelattrappe in ihrer Hand ganz warm, pulsierte und dann bewegte sich zerbrechlich und klein etwas zwischen ihren Fingern. Ein überraschtes Keuchen von sich gebend öffnete die Prinzessin ihre Hand etwas und ein kleiner Vogel sah sie aus klaren, pechschwarzen Augen an, hielt den Kopf schief und plusterte sich. Der Vogel war lebendig geworden!
 

„Er ist noch ganz klein, versprich mir auf ihn aufzupassen.“
 

Noch völlig baff über dieses kleine Wunder, sah Sakura zu Fyes Ebenbild auf und lächelte. „Sehr gerne! Das ist wirklich eine wunderbare Gabe, die Sie haben!“
 

Das Lachen klang weich und warm, genau so wie das des Fyes, den sie kannte. Nur etwas belegter, aber genau so leicht aufgedreht und nun legte sich auch sein typisches, breites Lächeln auf sein ganzes Gesicht. Mit halb niedergeschlagenen Lidern beugte er sich zu ihr herunter und strich dem kleinen Vogel ganz sachte mit einem behandschuhten Zeigefinger über den Kopf. „Du brauchst nicht so höflich sein, Sakura-chan. Wir kennen uns zwar nicht, aber ich merke, du bist ein liebes Mädchen und ich bin niemand dem du viel Respekt entgegen bringen müsstest.“
 

„Aber man muss doch jedem Respekt entgegen bringen!“, entgegnete Sakura.
 

„Nun denn, dann keinen unnötigen Respekt.“
 

„In Ordnung, Fye-san.“
 

Ohne sich darum zu kümmern woher sie seinen Namen kannte, nickte der fremde Mann mit dem vertrauten Gesicht und beobachtete das Mädchen, wie sie den kleinen Vogel etwas in die Höhe hob. „Ich nenne dich Kotori! 'Kleiner Vogel'. Das passt gut zum großen und dem kleinen Hündchen, und dem großen und dem kleinen Kätzchen!“
 

Fye lachte wieder und stützte sich etwas an der Kommode ab, als wäre ihm schwindelig. „Das hört sich ja nach einem Zirkus an!“
 

Sakura lachte fröhlich. Sie spürte, dass dieser Mann nicht böse war. Sie fühlte sich in seiner Nähe ähnlich wohl, wie in der von Fye-san. Was wohl daran lag, dass sie das selbe Herz besaßen und dass dort unten jemand war, wusste er eh und er hatte nichts getan. „Das sagt Kurogane-san auch immer! Das wir ein Zirkus seien! Oder dass wir nicht so einen Zirkus machen sollen...? Ich weiß es nicht...“, überlegte sie und fügte dann entschuldigend hinzu. „Ich vergesse immer so viel.“
 

„Ich kenne das. Kurogane-san? Ist das nicht der, den ihr sucht?“
 

„Genau! Woher weißt du davon?“
 

„Ich weiß es von Ashura.“
 

„Ah so, also bist du ein Freund von ihm? Er ist wirklich sehr nett, er hat uns hier wohnen lassen und hilft uns unsere Reisekameraden zu finden!“
 

„Das habe ich schon von Ashura gehört~“
 

„Wohnst du auch hier?“
 

„Hm... ich bin eher ein... sagen wir mal, ich gehöre zum Inventar dieser Räumlichkeiten. Ich verlasse dieses Gebäude so gut wie nie~.“
 

Mitfühlend sah Sakura den blonden Mann an. Das unverdeckte blaue Auge lag sanft und klar auf ihr, war aber von der selben, tiefen Traurigkeit erfüllt, die auch ihr Reisekamerad ausstrahlte. „Warum denn? Bist du krank?“ Der Vogel in ihrer Hand zwitscherte aufgeregt und flatterte ein wenig mit den Flügel, doch sie hielt ihn vorsichtig fest, damit er nicht zu Boden fiel.
 

„Ja.“, antwortete der blonde Mann, das breite Lächeln unverändert auf seinen Lippen und mit einem dramatischen, tiefen Seufzen erklärte er es ihr. „Mein Immunsystem ist zu schwach. Verließe ich dieses Gebäude würde ich sterben und wenn ich ohne Handschuhe etwas Lebendiges berühre, werde ich sehr krank. SCID X [1] nennt man diese Krankheit. Aber keine Sorge, sie ist nicht ansteckend und Ashura kümmert sich gut um mich. Dank ihm kann ich mich hier sogar frei bewegen.“
 

Völlig geschockt sah ihn das Mädchen an. Das musste ja schrecklich sein! „Aber... dann... dann kann dich ja niemand in den Arm nehmen! Dich kannst gar nicht draußen spazieren gehen, oder... kannst gar nicht fühlen wie ein anderer Mensch sich anfühlt!“
 

Ihre Sicht war ganz verschwommen, obwohl sie nicht weinen wollte. Wie würde sich dieser Fye denn fühlen, wenn sie jetzt um ihn weinte? Er war sicher schon so traurig genug darüber. Der Blonde, der mit so einer heftigen Reaktion scheinbar nicht gerechnet hatte, strich ihr mit behandschuhten Fingern sanft über die Wange. „Pscht meine Kleine... nicht weinen... ich wollte dich nicht traurig machen... und es ist auch gar nicht schlimm. Ein Blinder weint ja auch nicht um die Farben. Noch dazu leistet Ashura mir doch Gesellschaft und ich bin nicht allein! Ich wollte dich wirklich nicht traurig machen... manchmal weiß ich wirklich nicht was ich sage...“
 

Sakura versuchte sich zusammen zu reißen, aber immer mehr Tränen kamen. Doch Träne für Träne wurde sanft Fye weggewischt, der seidene Stoff der Handschuhe fühlte sich angenehm kühl an. Nach dem, was ihr selbst wie eine kleine Ewigkeit schien, konnte sich die Wüstenprinzessin des Königreiches CLOW endlich beruhigen und sah beschämt auf die kleine, wild zwitschernde Kotori.
 

„Wollen wir uns in das Zimmer dort setzten und eine Tasse Tee trinken, Sakura-chan?“, schlug der blonde Mann nach einer Weile vor, „Das beruhigt dich sicher.“ So sanft, so sanft und traurig, dass sie beinahe wieder angefangen hätte zu weinen. So viel erinnerte sie an ihm an den Fye, den sie kannte, die Art zu gehen, sich zu bewegen, zu sprechen und der sanfte Blick, der sowohl besorgt, amüsiert, beschützend und unsagbar traurig wirkte. Sie machte sich solche Sorgen um die Erwachsenen... hoffentlich war ihnen nichts passiert, hoffentlich ging es ihnen gut! Ashura hatte ihnen erzählt, dass es in dieser Welt Rebellen geben sollte, die im Untergrund lebten und oftmals Leute entführten...
 

Die Tür knarrte leise als Fye sie öffnete, aber dahinter war ein schöner, sauberer Raum. Doch sie musste doch auf Shaolan warten, was wenn er zurück kam und sie war nicht mehr da? Zögernd stand Sakura mit Kotori in der Hand zwischen Kommode und der Tür, in deren Rahmen der blonde Mann stand, lächelte und mit einer einlandenden Handbewegung nach innen deutete.
 

„Wir lassen einfach die Tür offen, dann merkst du, wenn dein Freund wieder nach oben kommt. Es dauert sicher noch etwas länger und die ganze Zeit hier rumstehen ist doch anstrengend, oder?“
 

Langsam nickte Sakura und sah noch einmal zur Tür, hinter der ihr Freund und Beschützer verschwunden war. „In Ordnung...“
 

~~~~~~~~~~~
 

Es war völlig dunkel hier unten und es schien immer dunkler zu werden, je weiter er die Treppe hinunter stieg. Es war nicht nur so, dass kein Licht vorhanden wäre, nein die Dunkelheit hier schien wie Wasser. Je tiefer man tauchte, um so mehr drückte sie auf die Ohren, auf die Brust, je mehr wurde aus dem nachgiebigen Element etwas hartes und tödliches wie Stein. Shaolan atmete tief durch und versuchte sich zu konzentrieren. Er konnte die Wände erspüren, die Treppe, er roch Wasser und kühle, sehr, sehr alter Luft.
 

„Mokona, spürst du die Feder immer noch?“
 

„Ja. Sie ist ganz in der Nähe!“ Selbst der aufgedrehte Ton des weißen Wesen wirkt etwas gepresst.
 

Sie kamen am Ende der Treppe an. Als Shaolans Stiefel den Grund berührten, klang das Geräusch anders als auf den Steintreppen. Immer noch mit geschlossenen Augen ging er in die Hocke, fühlte über den glatten, kühlen Stein.
 

„Das fühlt sich an wie Marmor...“, flüsterte der Junge leise und zuckte zusammen als seine Stimme dennoch weitergetragen, verstärkt und dann plötzlich verschluckt wurde. Sie mussten sich in einer wirklich großen Halle befinden. So groß, dass er nicht einmal das Ende der Wände spüren konnte. Er hatte aber auch Probleme sich zu konzentrieren, die Dunkelheit drückte auf seine Schläfen und er wollte nichts lieber tun als wieder die Treppe herauf zu rennen, so schnell wie möglich. Dieser Dunkelheit entfliehen, diesen Druck entfliehen, der schwer wie bleib auf seiner Brust lag und sein Herz schneller schlagen ließ.
 

„Dieser Ort ist so.... seltsam...“, murmelte Mokona ängstlich.
 

„Dann sollten wir uns beeilen“, erwiderte Shaolan und zog Hien, ihr Licht würde die Dunkelheit vertreiben. Die Flammen zischten und auf seiner Schulter gab Mokona ein unwillkürliches. „Oooooh!“ von sich. Das Feuer flackerte um die Klinge, riss tänzelnde Helligkeit ins Dunkle und offenbarte eine riesige Halle, die funkelte wie aus Perlmutt, einer einzigen großen Muschel, gemacht. Gold und Silber, Edelstein und Kristall, Spiegel und Symbole zierten die Wände, der Boden war aus gleißend weißen Marmor. Die Schriftzeichen kamen dem jungen Archäologen bekannt vor, aber er konnte sich wirklich nicht erklären, wo er diese Schrift schon einmal gesehen hatte. Über ihnen bog sich eine durchsichtige Kuppel, durchbrochen mit unzähligen Facetten, die den Raum in tausendfacher Weise spiegelten und Shaolan fallen ließen, fallen in dieses verspielte, magische Puzzle aus Licht und Schatten und Farben.
 

Mit größter Anstrengung riss er sich von dem Anblick los, nur um von etwas neuen gefangen genommen zu werden. An der Wand standen viele mysteriöse Geräte oder Zeremoniengegenstände! Nun konnte er sich wirklich nicht mehr zusammen reißen, sah sich noch einmal nach möglichen Gefahren oder Fallen um und schritt zu darauf zu. Nicht nur Geräte, Waagen und wunderschön geformte Schalen und Steine, Krüge mit abgestandenen, silbern glitzernden Wasser, auch reichlich verzierte Glasbehälter mit farbigen Flüssigkeiten, vertrockneten Kräutern und Farbkrügen. Alles in diesem gebrochenen Glas, das sich dennoch ganz glatt unter seinen Fingern anfühlte, die Sinne betörte und dem Jungen ein seltsam leichtes Gefühl gab, wenn er nur darauf sah. Zaghaft strich er über ein langes, dunkelblaues Stoffband mit schwarzen Anhängern. Es fühlte sich unsagbar weich an, obwohl es keine Seide war. „Was ist das hier... ? Es wirkt, als wäre es hier willkürlich hingestellt worden... alles scheint völlig durcheinander...“
 

„So eine Flasche hat Yuuko auch in ihrem Laden...“, stellte Mokona fest und hoppelte auf eines der Fläschchen zu und öffnete den Verschluss. „Nicht!“, rief Shaolan, doch es war schon zu spät. Roter Dampf stieg daraus auf und schwebte direkt zur Decke. Mokona sah staunend hinauf, Shaolan eher besorgt. Wer wusste, wem das hier gehörte oder was es ausrichten konnte... „Oh! Ein Kuchen!“, rief das weiße Wesen plötzlich und deutete auf die roten Dampf, der sich zu einer Wolke geformt hatte. Verwirrt versuchte Shaolan zu erkennen, wo da ein Kuchen sein sollte, doch er sah nur roten Dampf.
 

„Wo..?“ - „Na da!“ - „Ich sehe nichts...“ - „Aber da! Oh! Jetzt sieht es aus wie Yuuko! Schau doch! Sogar mit Pfeife!“
 

Shaolan sah noch angestrengter hin. Souhis flackerndes Feuer wurde unregelmäßig von der facettenreichen Kuppel gebrochen und machte es nur noch um so schwerer klar zu sehen. Aber sie hatten keine Zeit für so etwas! Er musste die Feder finden und sie Sakura zurück bringen! Dieser Gedanken war noch nicht einmal völlig zu Ende gedacht, da erschien auf einmal Sakuras Gesicht über ihm, und zwar so echt, dass er schon ansetzte hinzulaufen, um sie aufzufangen, falls sie von der Wolke fallen würde. Dann verschwand es wieder und der Junge blieb stehen. Der Dampf verflüchtigte sich und nichts war mehr zu sehen.
 

„Shaolan, Vorsicht!“, rief Mokona und Shaolan sah endlich wieder vor sich. Ein weiterer Schritt und er wäre in ein großes Wasserbecken gefallen. Mit wild klopfenden Herzen sah er in die Tiefe, in der es farbig schimmerte. Oder war das nur das Facettenlicht der Kuppel? Alles spiegelte sich tausendfach, so dass er nicht einmal hätte sagen können, ob er auf Wasser oder auf die Kuppel sah, wenn er nicht seinen Kopf gesenkt hätte.

Die Kopfschmerzen wurden noch etwas schlimmer und sein Herz klopfte heftig, obwohl die Dunkelheit weg war, wirkte hier immer noch alles unsagbar bedrückend. Dort wo Souhis Licht nicht hinreichte, glitzerte es, doch gleichzeitig waren die Schatten dahinter so tief und lang wie Monstren. Auf Rand des Beckens waren ein paar Wasserpfützen und Tropfen, die aussahen wie Tränen. Der Junge schüttelt den Kopf und sah wieder in das Becken. Mokona war mittlerweile auf ihn zu gehoppelt. „Ich spüre die Feder... “
 

„Im Wasser?“
 

„Ja, schau doch.“
 

Shaolan sah genauer hin und tatsächlich, dort befand sich etwas. Entschlossen zog er seine Schuhe und seinen Mantel aus. „Ich werde die Feder holen.“
 

„Sei vorsichtig... Shaolan....“
 

„Ja.“
 

„Nicht!“ Shaolan, der gerade zum Springen angesetzt hatte, hielte inne, versuchte sein Gleichgewicht zu halten, nachdem die Mädchenstimme erklungen war und kurz darauf tauchte auch schon die ihm bekannte Besitzerin der Stimme auf.
 

„Tomoyo!“, quietschte Mokona erfreut, doch der Junge blieb ernst. „Guten Morgen. Es tut mir Leid, ich wollte nicht unerlaubt hier eindringen.“
 

„Bist du aber“, erwiderte das dunkelhaarige Mädchen, das sicher nicht älter als 12 war. Sie war auch nicht allein, wie die tiefen Schatten ihnen zunächst hatten weis machen wollen. Ein ihm ebenfalls aus anderen Welten bekanntes älteres Mädchen und ein Hund hatten sich zu ihr gesellt und fixierten die Eindringlinge. Sie hatten beide schon einmal im Kirschblütenland gesehen, doch Shaolan war sich bewusst, dass die selben Personen in verschiedenen Dimensionen nicht unbedingt die selben Absichten haben mussten.
 

„Hier gibt es etwas, was ich brauche. Etwas, das einer Freundin gehört.“
 

„Ach so, dann solltest du es dir holen“, erwiderte Tomoyo mit einem Lächeln und Shaolan sah recht verwundert drein.
 

„Du willst mich nicht aufhalten?“
 

„Ich bin hier selbst unerlaubt eingedrungen. Belassen wir es doch dabei, dass wir gegenseitig nichts voneinander bemerkt haben. Ich fürchtete nur, du seist ein Dieb. Aber wenn das dort unten dir gehört, dann geht auch keine Gefahr davon aus.“
 

Shaolan lächelte erleichtert. „Gut.“
 

Nun da die Angespanntheit von ihnen allein abgefallen war, löste sich auch Yuzuriha aus ihrer ernsten Starre und sah sich staunend um. „WOW! Das ist so WOW! Ich wusste gar nicht, dass die Alte Kultur so prächtig war! Es ist ja phänomenal! Tomoyo, wenn du das sehen könntest! Alles funkelt und glitzert! Und der See! Er ist voller Essenz, der ganze Grund ist bedeckt!“
 

Der fremde Junge sah sie verwirrt an und fragte „Alte Kultur?“
 

„Ja, das ist eine Beschwörungshalle! Ich glaub sogar DIE Beschwörungshalle, in der zur Sommersonnenwende aus den großen Magiequellen geschöpft wurde und das ganze Land dadurch erblühte! So konnten auch im Winter alle Planzen wachsen und die Menschen von Niaolli hatten stets warme Häuser!“
 

„Magie scheint ansonsten hier ja sehr verpönt zu sein...“, überlegte Shaolan.
 

Tomoyo, die durch ihre Blindheit nicht von dem Prunk mitbekam und daher auch nicht so aus dem Häuschen geraten war wie ihre Freundin, erklärte: „Was uns früher geschützt und genutzt hat, ist nun unser Feind. Niemand weiß wieso, aber eines Tages saugte die Magie den Menschen die Lebenskraft aus. An Orten, wo die Magie besonders stark ist, kann kein Mensch leben und zu Sommersonnenwende werden Magiebegabte schwer krank, viele sterben dann auch. Früher wuchsen auch die Pflanzen bei Vollmond gut, heute verdorren sie, wenn wir sie nicht mit technischen Mitteln schützen. All die Zeremonien wurden vergessen, weil sie gehasst wurden und keinen Sinn mehr hatten, daher wurde auch alles von früher vergessen und sich auf das Jetzt konzentriert. Auf die Zeit, in der wir in hohen Häusern leben, in vollen Städten, fern von der Welt, die uns so feindlich gegenüber steht. Obwohl es nicht einmal 50 Jahre her ist, wird die Zeit und alles was zu ihr gehört 'Alte Kultur' genannt. Aber das was sie war, das wurde vergessen.“
 

„Aber...“, Shaolan schmerze es, dass ein Zeit, in der es solche kunstvollen Hallen gab wie hier, eine magische Religion und scheinbar auch eine ganz andere Lebensweise, so schnell vergessen werden sollte. Seine Vergangenheit und Geschichte konnte man doch nicht einfach so verdrängen, nur weil man nicht mehr zu ihr zurück konnte! „Das ist doch erst 50 Jahre her. Es muss doch noch Leute geben, die sich an jene Zeit erinnern! Das ist doch ein Teil ihres Lebens gewesen, warum bewahren sie es nicht und tragen es weiter? Warum sind solche Stätten wie diese hier so verborgen?!“
 

„Ist dir nie aufgefallen, dass es in diesem Land kaum alte Leute gibt?“
 

Nachdenklich sah sie Shaolan an, doch dann schüttelte er den Kopf. Er hatte wirklich niemanden gesehen.
 

„Als die Magie uns verließ zerbrach gleichzeitig die Macht des Königshauses, das dieses Land eins regiert hatte. Manche sagen auch, das war auch der Grund warum sie so feindlich wurde. Folge waren jahrelange Bürgerkriege und Chaos. Alle Pflanzen starben aus und auch viele Tiere. Die meisten Menschen, die nicht an der Magie starben, starben in den zahlreichen Kriegen und den aus ihnen folgenden Seuchen und Hungersnöten. Bis sich eine organisierte Gruppe hervor tat, 'die Industriellen'. Sie entwickelten riesige Städte, die uns vor dem feindlichen Einfluss bewahrten. Die Familie EX beendete die Konflikte und sammelte alle Menschen unter sich, um gemeinsam einen neuen Anfang ohne Magie und gegen sie zu beginnen. Du befindest dich grade im Haus des Oberhauptes von EX, Ashura.“
 

Staunend hatten Shaolan und Mokona zugehört. Ob die Feder wohl etwas damit zu tun hatte, oder war das einfach nur die Geschichte dieses Landes? „Vielen Dank, dass du mir das erzählt hast.“
 

„Gerne. Mein Name ist Tomoyo.“
 

„Mein Name ist Shaolan Li. Und das hier ist Mokona."
 

"Du bist auch von außerhalb, nicht wahr?“
 

„Ja.“
 

„Freut mich dich kennen zu lernen. Aber du wolltest etwas zurück holen. Wer weiß, wann wir entdeckt werden. Yuzuriha, kommst du? Es ist draußen schon hell.“
 

Erschrocken riss sich Yuzuriha von den Geräten los. „Oh nein! Bald wird Kusanagi aufwachen und wir müssen noch die Stände am See aufbauen! Komm Inuki!“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Von den Geschehnissen im Keller völlig unwissend, saßen der blonde Mann und das braunhaarige Mädchen einige Etagen höher an einem kleinen Tisch und beobachteten wie der heiße Tee vor sich hin dampfte. Sakura erzählte munter von Shaolan, wie er sie immer beschützte und auch von ihren Reisekameraden, die sie suchten. Sie erklärte dem Fye dieser Welt, was es mit dem ganzen Tiernamen auf sich hatte und wie sie Ashura kennen gelernt hatten.
 

Das war nämlich ganz schön gefährlich gewesen! Sie waren mitten auf seinem Anwesen gelandet und waren sofort von irgendwelchen Tieren aus Metall angegriffen worden! Shaolan hätte zwar fast alle mit seinen Schwert niederschlagen können, aber es kamen immer und immer mehr, bis der Hausheer selbst eingeschritten war und sie aufgenommen hatte.
 

Fye hörte sich das ganze schweigend an und lächelte nur leicht. „Und nun seid ihr beide schon einen ganzen Monat hier?“
 

„Ja, aber wir haben immer noch keine Spur von Kurogane-san und Fye-san... Einer meiner Reisekameraden heißt nämlich genau wie du und sieht dir auch recht ähnlich! Nur trägt er keine Augenklappe.“
 

Einen Moment sah sie ihr Gegenüber verwirrt an, doch dann nickte er und nahm seinen Tee in beide Hände, pustete vorsichtig. „Meinst du, sie sind wirklich in diesem Land...?“, fragte er nachdenklich, „Wenn euch der mächtigste Mann dieses Landes seit einem Monat beim Suchen hilft und ihr habt sie nicht gefunden, bedeutet dies, sie sind nicht hier.“
 

„Aber... sie müssen hier sein...“ Sie konnten ohne Mokona doch gar nicht in eine andere Dimension! Doch das konnte sie diesem Fye nicht sagen.
 

„Dann hat jemand dafür gesorgt, dass ihr sie nicht findet.“
 

Grüne Augen weiteten sich ungläubig. „Willst du sagen, Ashura-san hätte uns belogen...?“
 

„Glaubst du denn, er ist ein ehrlicher Mann?“
 

„Er hat ein gutes Herz! Das spüre ich... aber er ist schon irgendwie... bedrohlich.“
 

Nur aus den Augenwinkeln sah sie wie Fye sich hart auf die Lippen biss und schnell an seinen Tee nippte. Doch der war noch viel zu heiß, weswegen er sich heftig verbrannte. „Vorsicht!“
 

„Autsch!“ Das nächste passierte viel zu schnell. Die Tasse glitt aus Fyes Fingern und der ganze heiße Tee verteilte sich auf seinen Schoß, die Tasse fiel klirrend zu Boden, zersprang. Doch das nahm Sakura gar nicht richtig wahr, sofort war sie aufgesprungen, um dem blonden Mann zu Hilfe zu eilen und mit ihrem Kleid den heißen Tee wegzutupfen. „Das ganze heiße Wasser! Zieh das am besten aus und kühl die Stelle!“, rief sie und nahm eiligst die Blumen aus einer Vase, um das kalte Wasser zum Kühlen zu benutzen. Doch als sie mit dem durchtränkten Stoff ihres Kleides die Stelle kühlen wollte ließ sie ein lautes „ Fass ihn nicht an!!“ in der Bewegung erstarren.
 

An der Tür stand Ashura-san und sah sie so wütend und bedrohlich an, dass sie sich unwillkürlich vor ihrem neuen Freund aufbaute, als müsste sie ihn beschützen. Doch ihr Gastgeber beachtete sich gar nicht, schritt eilig an ihr vorbei und beugte sich zu dem Blonden, der heftig angefangen hatte zu husten.
 

„BIST DU WAHNSINNIG?!“, schrie er ihn an, das Gesicht vor Wut und Sorge verzerrt, doch sein Gegenüber hustete einfach nur. „Er hat sich verbrannt...“, startete Sakura einen Erklärungsversuch, doch das schien Ashura nur noch rasender zu machen. Doch obwohl er so außer sich war, fasst er Fye nicht an, schlug ihm nicht einmal auf dem Rücken, wie man es sonst bei einem Hustenanfall tat. „Zum Glück! Du hättest sterben können! Wie kommst du darauf Tee zu trinken!? Willst du dich vergiften?“
 

Endlich hatte sich Fyes Ebenbild beruhigt, doch er antwortet dem anderen Mann nicht, nur ein leichtes Lächeln umspielte wieder seine Lippen. Ashura starrte ihn an, Sakura schwieg bedrückt. Sie alle schwiegen auch noch als Ashura den Tee und die Scherben wegräumte, die Tischdecke und das Geschirr auf ein Tablett stellte, das von einer plötzlich aufgetauchten Bediensteten weggeräumt wurde, die kurz darauf genau so schnell wieder verschwand.
 

„Es... es tut mir Leid... das wusste ich nicht...“ Sakura hatte den Drang sich zu entschuldigen, obwohl sie wirklich nichts dafür konnte. Aber irgendwie war die Situation gerade beängstigend, Ashura war wütend so angsteinflößend und die Reaktion ihres neuen Freundes war auch komisch gewesen.
 

Urplötzlich war Ashura wie ausgewechselt und lächelte sie leicht an. „Es ist nicht deine Schuld, bitte verzeih, dass ich dich angeschrien habe. Aber warum bist du denn hier? Ich dachte du wolltest mit Shaolan-kun die anderen Familien nach euren Reisekameraden fragen.“
 

„Ja... aber... Shaolan-kun hatte seinen Sonnenuhr vergessen, deswegen sind wir zurück gekommen... und dann haben wir uns verlaufen....“, log sie. Eigentlich hatten sie nur so getan, als ob sie das Haus verließen, um in der Villa nach ihrer Feder zu suchen. Sie konnte nicht vergessen, worauf Fye gerade angespielt hatte, dass Ashura sie vielleicht anlog. Denn die Feder befand sich ja wirklich hier, in seinem Haus. Hatte er wirklich nichts davon gewusst?
 

„Und wo ist Shaolan jetzt?“
 

„Ich weiß es nicht... wir haben uns verloren.“
 

Ashura seufze und sah zu Fye, der eingesunken in seinem Lehnstuhl saß, weder ihn noch Sakura ansah. Der Vogel saß verstört auf der Tischkante und sein Kopf zuckte in alle Richtungen.
 

„Dann werde ich dich erst mal zurück zu deinem Zimmer bringen.“
 

„Ja...“, Sakura ging zum Tisch und nahm Kotori wieder an sich. Fye sah sie immer noch nicht an, das Gesicht gesenkt und verborgen unter den blonden Haarsträhnen. „Es... es hat mich sehr gefreut mit dir Tee zu trinken... vielleicht können wir das noch einmal wiederholen... aber dann mit etwas, was du verträgst...“
 

„Mal sehen“, antwortete der Hausherr an seiner statt und Sakura bemerkte, wie der ihr neuer Freund zusammen zuckte. Sie wollt etwas sagen - wusste aber nicht was, denn sie wusste gar nicht so genau was hier vor ging und wie sie all das verstehen sollte - als auch schon ein greller Alarm losging.
 

„Huch! Was ist das?!“
 

Ashuras Gesicht verfinsterte sich wieder und mit einer Handbewegung seinerseits verklang das grelle Heulen der Sirenen. „Nichts, ein Vogel ist durch die Absperrung geflogen. Ich bringe dich jetzt zu deinem Zimmer.“ Mit sanfter Gewalt schob sie der große Mann aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sakura meinte, dass sein Blick ganz kurz auf die offenen Geheimgangtür fiel, aber sie musste sich geirrt haben, da er sie danach ruhig und sicher die Gänge bis zu ihrem Zimmer begleitete. „Ich habe noch zu tun, aber ich werde den Bediensteten Bescheid geben, dass sie nach deinem Freund suchen sollen.“
 

„Da-danke...“
 

Mit einem unguten Gefühl im Bauch beobachtete Sakura, wie der dunkelhaarige Mann den Gang entlang schritt und dann hinter einer Abbiegung verschwand.
 

Aber sie hatte sich den Weg gut gemerkt! So schnell sie konnte machte sie sich auf den Rückweg, sie musste Shaolan warnen!
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Die Sirenen waren plötzlich losgeheult und genau so plötzlich wieder verklungen. Angespannt schielte Kurogane durch den Türspalt auf den völlig leeren Gang. Keine Gefahr. Noch einen Moment.... nichts. Lautlos glitt Souhi zurück in ihre Schwertscheide.
 

„Oi!“, rief er in Richtung der entgegen über liegende Tür. „Ich glaube es ist sicher.“ Doch der verdammte Magier antwortete ihm nicht. Also trat der Krieger auf den Gang hinaus und öffnete die Tür. Doch der Raum dahinter war leer. Auch die Räume daneben. Kurogane versuchte seine Aura zu fühlen. Nichts.
 

„Verdammt, Fye!“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Plötzlich gingen die Sirenen an. Man hörte sie hier unten nur leise und fern, aber das Echo wurde von den hohen Wänden eingefangen und verstärkt, bis es wie ein helles Dröhnen klang. „Was ist das?!“, kreischte Mokona erschrocken und drückte sich mehr gegen Shaoalans Schulter. „Wir wurden sicher bemerkt!“, stellte Shaolan fest, setzte Mokona auf den Boden und sprang ins Wasser, um schnell die Feder zu holen.
 

Kurz darauf hingen die Sirenen wieder aus und nur noch das leise Echo klang nach. Immer leiser und leiser.
 

Die beiden Mädchen hingegen sahen sich alarmiert an und zuckten heftig zusammen als auch schon Schritte die Treppe hinunter bretterten. Yuzuriha hatte keine Ahnung wo es hier rausging und Tomoyo musste es erst erfühlen. Sie waren nie hier raus bis die Wachen da waren! Also zog das ältere Mädchen ihre blinde Freundin zu einem Haufen Geräte und Gewänder und versteckte sich mit ihr und Inuki darunter. Nicht zu früh, denn im den Moment betrat schon der Hausherr den Saal. Yuzuriha beobachtete es durch eine halbdurchsichtigen Ärmel eines Gewandes und ihr Herz schlug bis zum Hals. Ashura! Das Oberhaupt von EX! Wenn er sie hier entdeckte, dann waren sie geliefert! Der arme Junge!
 

Shaolan bemerkte nichts von Ashuras Ankunft, sondern tauchte. Doch er konnte die Feder nirgendwo sehen... statt dessen erkannte er nun deutlicher, was sich unter der Wasseroberfläche befunden hatte. Souhis Licht vom Beckenrand reichte kaum bis hier runter. Plötzlich drückte etwas großes und schwarzes seinen Körper zu Boden und ließ ihn hart am Grund aufschlagen. Alle Luft entwich seine Lungen, sein Kopf prallte gegen einen Haufen Steine und alles um ihn herum wurde schwarz.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Kurogane stampfte durch die Gänge. Das gab es doch nicht! Wo war dieser hirnlose, blonde Idiot denn nur? Er hatte sich sicher verlaufen! Das würde er ihm noch zutrauen! Aber warum verließ er dann auch sein Versteck?! Die Sirenen hatten gellend los gejault und sie hatten beide in verschiedenen Zimmern Schutz gesucht. Nicht einmal zwei Minuten hatte er ihn aus den Augen gelassen und nun war Fye weg. Nirgendwo zu finden. Kurogane schnaubte. Dabei hatte er ihm eingebläut in seiner Nähe zu bleiben! Ob etwas passiert war? Von diesem neuen Gedanken beflügelt startete er einen leichten Laufschritt. Verdammt! Verdammt!
 

Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit von einem Schatten am Gangende eingenommen. Augenblicklich blieb er stehen und suchte Deckung, fasste nach seinem Schwert. Der Schatten wurde rasch größer und er konnte Schritte hören, bis die Gestalt um die Ecke gebogen kam, atemlos stehen blieb und dann weiter rannte. Doch sie kam nicht weit, mitten im Lauf wurde sie am Arm gepackt und in einen Raum gezogen. Sakura kreischte und versuchte sich los zu reißen, doch Kurogane hielt ihr den Mund zu.
 

„Hey, beruhig dich!“ Nun erkannte auch die Prinzessin ihren Reisekamerad und dieser zog seine Hand von ihrem Mund.
 

„Kurogane-san!“
 

„Ah. Endlich haben wir dich gefunden. Wo ist der Bengel?“
 

„Shaolan! Ich muss zu ihm! Er hat einen Geheimgang gefunden und ist hinunter gegangen, um die Feder zu suchen, dann ging der Alarm an und Ashura-san kam. Dann ging der Alarm wieder aus und Ashura-san hat mich zu meinem Zimmer gebracht, aber er will Shaolan suchen! Ich glaube es wird etwas Schlimmes geschehen, wenn er ihn findet!“
 

Schwer seufze Kurogane und hielt sie fest, als sie schon zur Tür hinaus sprinten wollte. „Nicht so schnell. Du meinst die völlig dunkle Treppe nach unten?“
 

„Ja!“
 

„Da bin ich her gekommen. Die liegt in einer ganz anderen Richtung.“
 

Sakura sah bedrückt zu Boden, nichts konnte sie richtig machen.... „Bitte, Kurogane-san! Ich muss da hin!“
 

„Ah, gut. Vielleicht ist dort auch dieser verdammte Magier...“
 

„Fye-san... er ist auch hier? Zumindest ist sein Ebenbild dort...“
 

Der Krieger nickte stumm und machte sich dann mit der Prinzessin zum geheimen Gang auf.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Du hast mich also die ganze Zeit gerufen?“ Ein wenig unsicher stand der blonde Mann im Raum, sein Gegenüber sah ihn mit einem leichten Lächeln an. Dieser hingegen hatte gerade scheinbar keine Nerven zu lächeln, zu seltsam muss es sein plötzlich seinem eigenen Spiegelbild in die Augen zu sehen.
 

„Ja, aber das darfst du auf keinen Fall Kurogane sagen. Er darf überhaupt nicht wissen, dass es mich gibt.“
 

Sein Spiegelbild fühlte sich sichtbar unwohl und Fye lächelte nur, sah auf seine behandschuhten Hände. Er war hier. „Fye“ war hier und er konnte mit ihm reden. Von seinem Gefängnis aus hatte er kaum Einfluss auf ihn, aber jetzt standen sie sich gegenüber und Ashura war nicht hier, konnte nichts verhindern. Nur einmal hatte er eingreifen können, als dieser Mann beinahe von von den 'Phagen' getötet worden war.
 

„Dein Auge...“, klang so seine Stimme? In seinem Kopf klang sie ganz anders.
 

„Ist ebenfalls erblindet... so wie deines. Aber wahrscheinlich musste das so geschehen...“
 

„Wie meinst du das...?“
 

„Nicht so wichtig.“
 

„Doch, das ist sehr wichtig!“ Der blonde Mann schritt auf den Sitzenden zu und ein blaues Auge sah genau in sein Gegenpart, als gehörten sie eigentlich in ein einziges Gesicht. „Für mich ist das wichtig! Wer bist du? Warum siehst du aus wie ich? Bist du meine Ebenbild? Mein Bruder? Wer bin ich? Warum redest du solche Sachen?“
 

„Das spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt nur, was DU tun musst, um bei Kurogane und den Kindern bleiben zu können.“ Seine Lippen brannten immer noch taub, seine Lungen fühlten sich an wie mit Blei gefüllt, doch er zwang seinen Körper weiter, das hier war wichtig! Und er würde nur diese Chance bekommen...
 

„Was...?“
 

„Du musst ihn und die Kinder so schnell wie möglich von hier weg bringen. Es ist FALSCH, dass er hier ist, er bringt alles durcheinander! Noch dazu ist es gefährlich, aber Kuro-wuff ist ja immer so unglaublich sturr.... Es gibt hier nur die Feder im Keller und die wird Shaolan schon gefunden haben. Daher, wenn ihr zusammentrefft, lasst euch von Mokona so schnell wie möglich in eine andere Welt bringen.“
 

„Ich verstehe nicht... kennen wir uns-“
 

„Du brauchst nichts verstehen, tu es einfach und du kannst glücklich werden“, unterbrach der sitzende Mann ihn und es tat ihm ein wenig weh zu sehen, wie er sein Ebenbild beinahe zum Weinen brachte.
 

„Aber...“
 

„Du tust was ich sage, gegen Kuroganes Leben. Er wird sonst sterben.“
 

„Er stirbt...?“
 

„Er stirbt, wenn du ihn hier nicht bald wegbringst. Aus dieser Welt. Und auf keinen Fall darfst du ihm sagen, dass du mit mir gesprochen hast.“
 

„Aber...“
 

„Und nun raus!“
 

„Wer bist du...?“
 

„Raus.“
 

„Bitte sag mir wenigstens wie du heißt!“
 

„Fye.“
 

„Und wie heiße ich? Heiße ich, auch 'Fye'?“
 

„Nein, aber ab jetzt heißt du so. Kümmere dich um nichts, verschwinde einfach von hier und du kannst mein Leben leben. Hauptsache du bringst sie hier weg. Sei egoistisch und beschütz die Menschen, die du liebst. Lüge. Das kannst du gut, glaub mir.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Auf halben Weg kam ihnen Yuzuriha und der Köter entgegen gelaufen. „Kurogane! Wir müssen hier weg.“
 

„Verdammt, was macht ihr denn noch hier?“, fuhr sie Kurogane an. Sie hatten die beiden Mädchen doch gerade erst zum Gang gebracht! Sie sollten schon längst fort sein und nun rannte dieses Gör durch die Gänge, wie auch schon die Prinzessin und wahrscheinlich auch der Magier, irgendwo! In diesem riesigen Anwesen, wo sie sicher schon gesucht wurden! „Wo ist Tomoyo? Ist dieser blonde Idiot bei ihr?“
 

„Nein, ist er nicht bei dir? Der stille Alarm wurde ausgelöst, in ein paar Minuten wird das ganze Anwesen voll Phagen sein, ihr müsst hier weg!“
 

Bang blickte Sakura von Yuzuriha zu Kurogane. „Wo ist Shaolan! Wir müssen Shaolan suchen!“
 

„Ashura hat ihn unten in der Zeremonienhalle erwischt...“, erschrocken schlug sich Sakura die Hand vor dem Mund. Ser Vogel in ihrer Tasche piepste und zappelte wie wild, und sie steckte eine Hand in ihre Kleidtasche, um ihn zu beruhigen.
 

Der Krieger sagte nichts, packte die Prinzessin nur am Arm und rannte mit Yuzuriha weiter, hin zum Geheimgang. Verdammt, jetzt war auch noch der Bengel in Schwierigkeiten!
 

~~~~~~~~~~~~~~~
 

Der Gefangene hörte Schritte. Ashura war zurück. Er stand auf und kämpfte den heftigen Schwindel nieder. Er musste die Vorhänge.... die Welt drehte sich und er sank zu Boden, der Teppich war so hart, seine Lungen brannten, die Welt war so dunkel. Die Zeit, sie tickte. Atem. Herzschlag, viel zu schnell... Ashuras Schritte kamen näher. Er musste...
 

Andere Schritte kamen zögernd auf ihn zu und seine Ebenbild kniete sich zu ihm.

„Geht es dir nicht gut...?“
 

„Die Vorhänge...“, bracht er hervor und 'Fye' schien zu verstehen, stand auf und schloss sie, schnitt den Raum von jeglicher Helligkeit ab. Vom Boden aus beobachtete der Gefangene das Ganze und auf einmal konnte er nicht anders als fast brüderliche Liebe für diesen anderen Mann zu empfinden. Es musste gelingen.... er musste Kurogane von diesem Ort und sich selbst fern halten... so fern wie möglich... wie auch immer er es geschafft hatte diesmal zurück zu kommen. „Versteck dich...“
 

Ein wenig unsicher sah ihm sein Gegenüber an, dann nickte er und verbarg sich hinter einem Schrank. Gerade rechtzeitig, die Tür wurde im selben Augenblick geöffnet und Ashura trat mit dem bewusstlosen Jungen auf den Armen ein. Das Flurlicht erleuchtete den Raum, dessen Boden immer noch voll Tee war. Er hätte die Zeit nutzen können etwas vom Boden aufzulecken, aber wahrscheinlich wäre auch das nicht gelungen. Ashura ließ ihn nicht sterben, die Lektion hätte ihm eigentlich schon längst ins Blut übergehen müssen. Aber es war getan, was er tun wollte. Er hatte Sakura-chan gesehen und mit 'Fye' geredet. Jetzt würde alles gut gehen, alles musste nach Plan gehen. Müde sah er zu dem bewusstlosen Jungen, dann zu Ashura. Goldene Augen lagen besorgt und schweigend auf ihm. Fye versuchte sich aufzurappeln, sank aber wieder zu Boden. Ashura beobachtete ihn nur.
 

„Du hast mein Vertrauen missbraucht. Ich habe dir erlaubt dich frei in der Villa zu bewegen und mit den Kindern zu sprechen. Du weißt hoffentlich, dass du diese Privilegien nun verspielt hast.“
 

Der blonde Mann lächelte nur schief, blieb einfach auf dem Boden sitzen. „Ich wusste doch nicht, dass Tee mich umbringen kann~“
 

„Ich habe dir erklärt, dass du nichts essen und nichts trinken kannst. Es ist für deinen Körper schon eine Belastung irgendetwas zu berühren, dann kannst du es auch nicht schlucken.“
 

„Na, schade für dich, ne, Ashura-ou?“
 

Zornesröte stieg dem König ins Gesicht, doch er riss sich zusammen. „Komm mit, wir müssen zurück ins Krankenzimmer.“
 

Zurück zu den Herzschlägen? Atem? Licht? Nur mit Ashura–Farben? Hart schluckte der blonde Mann und versuchte ruhig zu atmen. Denn Ashura bemerkte alles. Hörte sein Weinen, seinen schnellen Atem, sein schmerzvoll schlagendes Herz.
 

Wenn Kurogane hier war, dann waren die Gänge doch voll von ihm.... die Kinder waren auch voll von seiner Aura.... der blonde Mann, der sich gerade hinter einem Schrank versteckte, war regelrecht getaucht in die Aura des Kriegers, stellte Fye mit schmerzendem, eifersüchtigen Herzen fest. Aber er hatte sich entschieden, er musste weiter machen. Es gab kein Zurück. Es durfte kein Zurück geben! Nicht mal ein Zurück in diese vertrauten Gänge mit dieser noch viel vertrauteren Aura, die hier aber einfach nicht her gehörte.
 

Hart biss er sich auf die Zunge, täuschte einen Hustenanfall vor und spuckte das Blut auf den Teppich. Es war ein Fake. Bedauerlicherweise war sein Körper schon so geschwächt, dass er dennoch fast ohnmächtig wurde.
 

Doch es erfüllte seine gewünschte Wirkung. Voller Sorge legte Ashura den bewusstlosen Jungen auf den Boden und beugte sich über den Blonden, besann sich dann aber mitten in der Bewegung und ließ einen Bediensteten kommen. Leblos, nur eine Maschine, wie beinahe alles hier, wurde der Gefangene wurde hochgehoben. Hinter der Wand ratterten die Mechanismen, Ashura musste sich nicht mehr darum kümmern. Fye hatte jetzt oberste Priorität. Keine Zeit für irgendwelche Spielchen und den Jungen konnte er auch später abholen, denn der würde erst noch mal eine Weile schlafen.
 

Shaolans Körper blieb auf dem Boden liegen, wo Ashura in abgelegt hatte und hinter den Wänden ratterte es. Der blonde Mann hinter den Schrank schloss die Augen und fragte sich, warum sein Herz nur so panisch schlug. Goldene Augen. In dieser Welt hatte er noch niemand mit so einer außergewöhnlichen, vertrauten Farbe gesehen. Außer die von Kurogane. Mit einem leisen Schluchzen, dessen Grund er selbst nicht ganz kannte, ließ er seinen Kopf gegen die Wand sinken. Dahinter ratterte es, es ratterte und ratterte. Er hörte es nicht. Der Gefangene hätte es ganz sicher gehört.
 

~ kapitel 26 ende~~
 

Anmerkung:
 

1. Die Krankheit gibt es wirklich. Sie ist ein genetischer Defekt, durch den sich das Immunsystem nicht entwickelt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lady_Ocean
2009-03-22T12:31:42+00:00 22.03.2009 13:31
Boah, du bist echt fies! Da denkt man, man hat wenigstens eine deiner Andeutungen verstanden und schon wird wieder alles über den Haufen geworfen. Aber das ist gut so. Geschichten sind immer dann am besten, wenn man sie nicht vorhersehen kann =).
Aber es war echt spannend, dass die beiden Fyes jetzt aufeinander getroffen sind. Und so langsam merkt man, dass sich da ein Bogen zum Prolog spannt. Inzwischen kommt es mir fast so vor, als hätte Fyes Bitte an Yuuko im Prolog auch eine Zeitreise oder ähnliches beinhaltet. Ich mein, dieser Fye aus Ashuras "Zelle" scheint alles zu wissen, was es mit Kurogane, Sakura und Shaolan auf sich hat, er weiß von den Dimensionen und alles. Er MUSS also - zumindest irgendwann mal - ein Reisegefährte der drei gewesen sein. Meine neue These daher: Fye & Co. waren schon einmal in dieser Welt, wahrscheinlich sogar in eben diesem Anwesen und alles, und dabei ist etwas passiert, wobei Kurogane ums Leben gekommen ist. Vielleicht auch die Kinder. Und um das irgendwie rückgängig zu machen, hat er sein eigenes Glück, seine Gesundheit, sein Leben zum Tausch bei Yuuko angeboten, um vor allem Kurogane eine Chance zum Überleben zu geben. Irgendwas in der Richtung vielleicht. *hach* Aber ich hab ja gleich noch ein Kappi zum Weiterlesen *freusel* ^^.
Von:  CptJH
2009-02-27T21:31:58+00:00 27.02.2009 22:31
Spannendes Kapitel, wirklich rasant!
Mir gefällt es und eeeendlich ich habe total lange drauf gewartet!
Armer Fye.... T_T
Weiter!!
*fähnchen schwenk*


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