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Divine Justice

Göttliche Gerechtigkeit
von

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Kapitel 17 - Abschied

Sorry für die unendlich lange Wartezeit!! Und Danke für die Unterstützung meiner Reviewer und Leser, Sarai-san, Carcajou und Takeru Takaishi. Ihr wisst gar nicht, wie sehr ihr mich motiviert und wie viel mir eure Kommentare bedeuten!Weitere Anmerkungen am Ende ^^
 

Yoshida wurde von Kenshin aus den Fängen der Feinde gerettet und die Verräter erhielten als Strafe den Tod. Eine grauenvolle Nacht geht zu Ende - doch nicht ohne Konsequenzen. Denn auch für Yoshida wird es nun Zeit...
 


 

Kapitel 17 - Abschied
 

„Ganz schön kurzfristig, die Versammlung und früh noch dazu,“ murrte einer der Ishin Shishi Kommandanten und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Die gähnenden Männer, die rings um ihn am Boden des Versammlungsraumes im Kohagiya hockten, nickten zustimmend. „Es muss etwas Wichtiges sein, wenn uns Izuka schon bei Sonnenaufgang aus den Betten holt.“
 

„In der Tat,“ ertönte es von der Tür her. Izuka trat als letzter ein und schaute mit ernster Miene in die fragenden Gesichter seiner Männer. Dann schloss er langsam die Tür wieder hinter sich. Die Soldaten sahen sich vielsagend an.

„Also stimmen die Gerüchte über einen Verräter in den engsten Kreisen?“ flüsterte ein dicklicher Samurai zu dem Mann neben ihm.

Als Antwort trat Izuka zwischen die Beiden und zwirbelte seinen Schnurrbart. In der linken Hand hielt er einen Eilbrief, den er gerade eben von einem Boten erhalten hatte.
 

„Ich habe hier Anweisungen von Katsura Kogoro persönlich,“ verkündete Izuka und hob die Hand mit dem Brief, so dass alle das Siegel sehen konnten. Mit diesem Brief war Katsuras Mann für die Geheimoperationen bemächtigt, auch über all die Anführer der anderen Einheiten der Ishin Shishi zu kommandieren – die Anführer des Nachrichten-Dienstes, des Personenschutzes, das Sabotagekommando, sogar über die Einheiten, die noch nicht abgetaucht waren und im politischen Dienst des Bakufu waren, Spitzel und Diplomaten.
 

Katsura hatte die Nachricht über den Verrat dreier Samurai aus einer ihm persönlich unterstellten Einheit per Eilkurier empfangen und die Maßnahmen, die Izuka nun als Reaktion für nötig hielt, abgesegnet. Zufrieden faltete der schnurrbärtige Mann nun das Dokument zusammen und steckte es in seinen Ärmel.

Mit ernster Miene begann er dann, die Männer einem nach dem anderen zu mustern. Jegliche Müdigkeit war von all den Anwesenden abgefallen.
 

„In unserer Einheit hier im Kohagiya haben sich drei Verräter befunden, die jedoch ausfindig gemacht werden konnten.“ Izukas Stimme hallte durch den nun totenstillen Saal.
 

Nach einigen Schrecksekunden setzte sofort entsetztes Stimmengemurmel ein, das Izuka jedoch mit einer ungewohnt zackigen Handbewegung zum Schweigen brachte.

„Katsura-san persönlich hat mich bevollmächtigt, nötige Maßnahmen einzuleiten, um solche Vorkommnisse in Zukunft vermeiden zu können.“
 

Er holte tief Luft und begann, die neuen Regelungen zu verkünden.
 

„Jeder von euch hier steht im Rang eines Kommandeurs und jedem untersteht eine spezielle Einheit mit einem speziellen Aufgabenfeld. Bisher war unser Aufteilungsverbund eher locker, aber das wird sich ändern. Katsura wird sich in Zukunft nur noch mit uns Anführern treffen und nur noch zu besonderen Gelegenheiten bei vollen Versammlungen anwesend sein. Ihr werdet nur ihm Gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, könnt also selber wie bisher relativ unabhängig und eigenverantwortlich über die euch unterstellten Einheiten verfügen. Jeder von euch soll aus seiner Einheit den ihm loyalsten Soldaten zum Co-Kommandeur erheben. Dieser wird zusammen mit der Einheit in einem getarnten Stützpunkt untergebracht und hat euch jederzeit über die Vorgänge innerhalb der Gruppe zu berichten.“
 

Erneut begannen die Männer untereinander zu reden. „Heißt das,“ fragte einer der Samurai nach, „dass wir nicht länger bei den uns unterstehenden Einheiten untergebracht sind?“
 

„Genau,“ bestätigte Izuka. „Alle Kommandeure werden von nun an im Kohagiya wohnen, wobei wir immer zufällig und kurzfristig einen Teil der Führungsebene in einem anderen Geheimversteck unterbringen werden. Das Kohagiya bleibt aber unser Haupttreffpunkt.“

Die Männer stöhnten. „Also müssen wir permanent umziehbereit sein?“

„Zu eurer eigenen Sicherheit, ja,“ lächelte Izuka schräg wie immer.

„Aber,“ warf ein weiterer Samurai ein, „wenn die Verräter hier aus der Einheit kamen, dann ist es doch nicht länger sicher, sich im Kohagiya zu treffen!“ Die Männer nickten zustimmend.

Izuka schenkte ihnen nur ein schiefes Lächeln. „Die Verräter haben bisher unser Hauptversteck hier aus Sorge um ihre eigene Sicherheit nicht verraten. Und sie werden es auch in Zukunft nicht mehr können.“
 

„Trotzdem ist es riskant, so viele der Führungsebene in einem Haus unterzubringen.“

„Riskant, aber besser koordinierbar,“ korrigierte Izuka.

Uchida, einer der Kommandanten, lachte. „Wahrscheinlich sind wir hier sicherer als in den anderen Verstecken. Immerhin haben wir Battousai.“
 

Fragend sahen ihn die anderen Kommandanten an.

„Der neue Hitokiri, von dem euch Katsura-san gestern morgen unterrichtet hat,“ erklärte er daraufhin kopfschüttelnd.

„Und der wird hier bei uns wohnen?“ fragte einer der Männer zweifelnd. „Ich weiß nicht, ob ich das sonderlich beruhigend finde.

„Battousai?“ lachte ein Anderer. „Was ist denn das für ein Name...“ Er schnaufte verächtlich und murmelte, „ganz schön arrogant.“

Uchida schüttelte den Kopf. „Die Wahrheit. Ich hab ihn trainieren gesehen. Glaub mir, so ein Battou-jutsu ist nicht normal... ich weiß nicht mal, ob es menschlich ist.“
 

„Izuka-san,“ sprach ein anderer der Samurai mit ernster Miene, „wer waren die Verräter und was ist mit ihnen passiert?“

„Ihre Namen tun nichts zur Sache, sie werden sowieso bald vergessen sein. Nun, einer von ihnen hat sich uns ergeben und gestanden. Er hat ohne Sekundanten heute im ersten Licht des Morgens Seppuku begangen.“

Die Männer nickten schweigend. „Und die anderen?“

Izuka zwirbelte erneut seinen Schnurrbart. „Um die kümmert sich Himura gerade...oder, wie man ihn anscheinend seit heute nennt, Hitokiri Battousai.“
 

Dieser unheilverheißende Name blieb einem Damokles-Schwert gleich einen Moment in der Luft hängen, bevor die Männer wieder das Schweigen brachen.
 

„Ob er so gut ist, wie man sich erzählt, würde ich gerne mal sehen,“ meinte einer der Männer. Ein anderer antwortete, „das wirst du früh genug. Immerhin sind wir ja jetzt in der selben Herberge untergebracht. Da werdet wir ihm wohl noch öfters über den Weg laufen.“

Uchida schnaufte. „Ich würde ihn besser nicht provozieren, so wie es Onaka im Dojo versucht hat.“

Ein anderer Samurai nickte bekräftigend. „Wenn man einen Hitokiri provoziert, spielt man mit seinem Leben. Vor allem bei diesem Hitokiri. Habt ihr seine Augen gesehen?“
 

„Das Treffen ist beendet!“ unterbrach Izuka das Getuschel. „Ab sofort habt ihr die Anweisungen Katsuras auszuführen!“

„Hai!“ antwortete ihm ein Chor von Männerstimmen.
 

--
 

Yoshida hatte unangenehme Träume.

Alles um ihn herum war rotgefärbt, er sah schrecklich aufgerissene Augen in fratzenartigen Gesichtern an sich vorüberziehen. Die geisterartigen Gestalten kamen, umkreisten ihn und schwebten immer näher an ihn heran, er versuchte, davonzurennen und kam nicht von der Stelle, und dann packte ihn eine kalte Hand an der Schulter-
 

Er schreckte hoch und blickte in ein Paar tiefer, dunkelblauer Augen.

„Yohida,“ sprach Kenshin leise mit weicher Stimme, „wach auf. Wir müssen zurück.“
 

Der braunhaarige Mann blinzelte verwirrt, bevor er sich aufrappelte. Er spürte immer noch die Wurzeln, auf denen er eingeschlafen war, in seinem Rücken.

Wie hatte er überhaupt jemals einschlafen können? So viele, schreckliche Dinge waren doch erst vor wenigen Stunden passiert.
 

Kenshin hatte sich schon umgedreht und war losgelaufen.

„Wir müssen uns beeilen,“ meinte er ohne nach hinten zu sehen, seine Stimme plötzlich wieder kalt. Yoshida bemerkte die Sonne, die gerade dabei war, über den Bergesrand zu klettern und in ihrem verräterischen Licht jeden Blutspritzer auf seiner Kleidung enthüllte - geschweige denn auf Kenshins hellen Hakama.

Es war offensichtlich, dass sie so schnell wie möglich zurück ins Kohagiya mussten, bevor sich die Gassen mit Frühaufstehern zu füllen begannen, die bei ihrem verdächtigen Anblick sofort die Bakufu-Wachen alarmieren würden.
 

Mit unheimlichen Tempo lief Kenshin voraus den Berghang zur Stadt hinab und Yoshida stolperte hinterher, das Wakizashi immer noch in den Händen.

„Was, wenn man Kenshin jetzt entdeckt, am helllichten Tag, nur wegen mir? Ich bin sicher, ohne mich wäre er schneller,“ überlegte Yoshida. Er beschleunigte seine Schritte, versuchte, Kenshin einzuholen, doch der rothaarige Junge war immer schneller.

Es schien ihn gar nicht zu kümmern, ob Yoshida noch hinter ihm war oder nicht, er wirkte kalt und konzentriert.
 

„Und ich habe dazu beigetragen, dass er noch verschlossener als vorher geworden ist,“ dachte Yoshida reumütig, schluckte aber schnell die bitteren Gedanken hinunter.

Das Schicksal seines besten Freundes lag nun nicht länger in seiner Hand. Er musste sich jetzt zuerst einmal um sein eigenes Schicksal kümmern – immerhin stand er noch auf der schwarzen Liste, auf Kenshins schwarzer Liste. Man hielt ihn für einen Verräter.
 

„Dabei bin ich nur ein Versager,“ murmelte er traurig. „Ich habe geglaubt, dass man auch in einem Krieg auf Werte wie Freundschaft und Vertrauen setzen kann. Ich war wirklich naiv.“ Mit gesenktem Kopf stolperte er weiter.
 

Ohne, dass Yoshida es merkte, passte Kenshin auf, dass er hinterherkam, nahm anstatt den schnellen Weg über die Dächer den Weg durch verwinkelte, abgelegene Gassen, blieb ab und zu stehen und horchte, ob Gefahr drohte . Schließlich schob er den total verblüfften und verwirrten Yoshida durch einen Hintereingang, von dessen Existenz er nicht einmal geahnt hatte, ins Kohagiya.
 

--
 

Gähnend schlufte Izuka über die blankgeputzten Holzdielen vom Versammlungsraum zu seinem Zimmer. Er hatte die Nacht fast nichts geschlafen, da er ständig mit der Rückkehr Himuras gerechnet hatte. Doch der Hitokiri war bis zur morgendlichen Eilversammlung noch nicht erschienen.
 

Blinzelnd schob Izuka langsam die Tür zu seinem Zimmer auf, trat ein, schob sie wieder zu und fuhr sich mit der Hand über die schmerzenden Augen. Ein dezentes Räuspern in seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Er war nicht allein im Raum.
 

„Verdammt, Himura!“ rief der schnurrbärtige Mann wütend aus. „Musst du dich hier so hereinschleichen?“ Er legte seine Hand theatralisch auf die Brust und lächelte gequält. „Das hat mich zehn Jahre meines Lebens gekostet.“
 

Unbewegt schaute ihn Kenshin mit kalten, blauen Augen an. Izuka seufzte. Dann verhärtete sich sein Gesicht, als er den braunhaarigen, jungen Mann neben dem Hitokiri ansah.
 

„Was macht der denn hier?“ fragte er und deutete abfällig auf Yoshida, während er den Raum durchquerte. „Warum hast du ihn mit her gebracht? Du hättest ihn doch gleich töten können, dann hätten wir uns diesen ganzen Seppuku-Schwachsinn gespart.“
 

Yoshida schluckte und krampfte seine Hände fester um das Wakizashi, das er noch immer in den Händen hielt, seit Kenshin es ihm gegeben hatte. „Ich...“, stammelte er, „nicht...“
 

„Und?“ Izuka blickte seinen Hitokiri abwartend an, von Yoshidas Gestammel keinerlei Notiz nehmend. Kenshin hielt seinem schiefen Blick stand.

„Yoshida ist kein Verräter,“ sagte er leise, aber entschlossen.

Izuka zog eine Augenbraue hoch. „So? Und warum nicht?“

Nach einem Moment unangenehmer Stille erzählte Kenshin schließlich von all den Vorkommnissen der Nacht. Interessiert hörte Izuka zu, sein schiefes Lächeln verrutschte nicht einmal. Auch Yoshida lauschte und es schien ihm, als ob er einer erfundenen Gruselgeschichte zuhören würde. Er konnte es gar nicht fassen, dass er selbst Teil, wenn nicht sogar Auslöser der ganzen Sache gewesen war.
 

Als Kenshin damit endete, wie er Daisuke getötet hatte und mit Yoshida zurück zum Kohagiya geeilt war, holte Izuka tief und geräuschvoll Luft.

„Gut,“ meinte er schließlich und klatschte in die Hände, als ob damit die ganze Sache abgeschlossen wäre.

„Natürlich darf so etwas nicht noch einmal passieren. Yoshida wird sofort versetzt. Die Männer hier würden ihm ohnehin nur misstrauen, nach diesem Vorfall jetzt...“
 

Yoshidas Augen weiteten sich angstvoll. Weg aus Kyoto? Aber hier waren die einzigen Menschen, die er kannte. Seine Freunde.

Und Kenshin, dem er doch eigentlich beistehen wollte, aber was jetzt wohl unmöglich geworden war.
 

Izuka kratzte sich am Kinn. Kenshin starrte immer noch auf den Fußboden, als er plötzlich fragte, „und Buntaro?“
 

„Buntaro?“ Izuka sah Yoshida an. „Aufgrund der Schande, die er seinem Clan bereitet hat, beging er heute morgen Seppuku.“

„Er hat sich gestellt?“ fragte Yoshida atemlos, für den diese Nachricht neu war. Izuka beachtete ihn nicht. Statt dessen sprach er wieder zu Himura und tat, als ob Yoshida nicht im Raum vorhanden wäre. Immerhin tat er gut daran, von Buntaro abzulenken – Buntaros Geständnis hatte nämlich auch die Unschuld Yoshidas bestätigt. Izuka hatte dies einfach ignoriert so wie er auch Buntaros letzten Willen den Flammen übergeben hatte.
 

„Du weißt, warum es so gekommen ist.“
 

Der rothaarige Junge sagte nichts.

„Wie ich dir gesagt habe,“ fuhr Izuka fort, „dein Job hier ist das Töten und du hast ein unglaubliches Talent dafür. Du selbst hast dich Katsura doch als Waffe angeboten. Heute Nacht wäre beinahe alles schiefgegangen. Du weißt jetzt, wo deine Schwächen liegen.“

Langsam nickte Kenshin. Sein Gesichtsausdruck war nicht entschlüsselbar.

„Gut,“ schloss Izuka, wieder mit gewohnt schiefem Lächeln. „Deine Loyalität gilt mir, Katagai und natürlich Katsura. Du kannst jetzt gehen. Aber halte dich bereit für neue Aufträge.“
 

„Hai,“ antwortete Kenshin tonlos, während er sich von seinem Kissen auf dem Boden erhob. Er sah zu Yoshida, der ängstlich und hilfesuchend zu ihm empor blickte.

„Kenshin, bleib...“ begann er, aber der Angesprochene unterbrach ihm, in dem er ihm sein Schwert vor die Nase hielt.

„Hier.“ Seine Stimme war ausdruckslos.

Mit bebender Hand nahm Yoshida sein eigenes Katana entgegen. „Ken-...“, begann er erneut, doch Kenshin drehte sich einfach um und verließ den Raum.
 

Yoshida starrte auf die Schiebetür, bis seine Augen brannten.

Am liebsten hätte er geschrien, geweint, getobt und geflucht - doch er blieb still, wollte sich keine Blöße vor Izuka geben, der ihn mit stechendem Blick genau beobachtete. Vor diesem Mann, mit einem Lächeln so schmierig wie frischer Schneckenschleim, wollte er sich nicht noch weiter demütigen. Sich vorzustellen, dass das nun die einzigste Bezugsperson von Kenshin war – es machte Yoshida nur noch wütender.

Izuka machte keinen Hehl daraus, dass er in dem Jungen nur eine willenlose Waffe sah und sonst nichts. Doch was noch viel schlimmer war: Kenshin schien das auch nichts mehr auszumachen.
 

„So,“ zischte Izuka und Yoshida zuckte zusammen.

„Ich hoffe, du hast ebenfalls deine Lektion gelernt.“

Yoshida verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. Überraschender Weise lachte Izuka laut über diese Reaktion.

„Gut, dass ich dich jetzt versetzte,“ sagte er, immer noch glucksend, während er einige Papiere auf dem Schreibtisch zusammensuchte. Yoshida funkelte ihn wütend an.

„Du solltest mir danken,“ meinte Izuka fröhlich, während er an seinem Schreibtisch ein Siegel auf eines der Papiere drückte.

„Warum?“

„Nun, du und Himura seid euch in gewisser Weise sehr ähnlich. Zu ähnlich.“ Izuka sah von seinem Schreibtisch auf. Sein Gesicht war wieder ernst. „Ihr beide seid naive Idealisten.“
 

Yoshidas Mund schnappte empört auf und zu. Als er die Beleidigung seiner eigenen Person heruntergeschluckt hatte, bemerkte er erst den viel tieferen, ironischeren Sinn des Satzes.

„Und ihr trennt uns, damit ihr zumindest einen von uns zum Mörder machen könnt? Damit ich nicht im Weg bin, wenn ihr den Rest von Idealismus und Naivität aus Kenshin herausschlachtet? Damit ich nicht die Gefühle, die noch in ihm existieren, lebendig halten kann?“
 

Izukas Augen wurden kalt.

„Seit seinem ersten Auftrag ist Himura schon kein Naivling mehr. Idealistisch ist er dennoch, und das macht ihn so wertvoll für uns – er kämpft bedingungslos für unseren Traum.“

„Bedingungslos!“ Yoshida musste sich beherrschen, nicht laut zu schreien und seine Stimme bebte vor Wut. „Ihr zerstört seine Seele! Die Seele eines Jungen, der noch nicht mal richtig erwachsen ist!“
 

„Nein,“ lächelte Izuka unheimlich, während er mit einigen Papieren in der Hand auf Yoshida zutrat. „Das tut er selbst. Freiwillig.“

Voller Verachtung riss Yoshida die ihm hingehaltenen Dokumente an sich. „Er weiß nicht, was er tut. Er weiß nicht, wohin ihn der Pfad führen wird. Aber ihr wisst es ganz genau!“
 

Izuka sah Yoshida hinterher, der wütend aus dem Zimmer rauschte und die Tür hinter sich zudonnerte. Dann war es still, gefolgt vom Geräusch raschelnder Papiere und einem lauten Fluchen.
 

„Dieser Scheißkerl! Er schickt mich nach Choshuu zu der Kihei-tai?!“
 

Lächelnd zwirbelte Izuka seinen Schnurrbart. Das Leben war doch ein sonderbares Spiel. Wie schnell man verlieren konnte, wenn man unvorsichtig war wie Daisuke und Buntaro. Wie viel Glück man hatte, wenn man ein Narr war wie Yoshida. Und wie mächtig man war, wenn man eine Waffe hatte wie Himura Battousai.
 

Man musste eben immer genau wissen, wo man lang zu gehen hatte. Und Yoshida hatte recht: Er selbst wusste ganz genau, wohin der Pfad Himuras führen würde.

In den Abgrund.
 

„Das ist doch der einzige Ort, an dem Mörder wie er existieren können,“ sinnierte er und schaute müßig aus dem Fenster, an dem schon wieder Schneeflocken in der Morgenluft vorbeiwirbelten. „Im Abgrund von Kyoto, wo das Schwert die Strasse regiert und jeder Tag ein neuer Kampf auf Leben und Tod ist.“
 

Izuka wusste, dass auch sein Pfad an der Grenze von Leben und Tod entlang führte. Das Spiel, was er spielte, war weitaus gefährlicher wie das von Buntaro oder Daisuke. Es beinhaltete einen höheren Einsatz – doch auch der Gewinn würde unvergleichbar höher sein. Sein Spiel würde weitaus mehr Leben kosten, als Himura Battousai heute Nacht gefordert hatte.
 

Es war eine schmale Grenze, der ihm vom Sturz in den Abgrund trennte. Er durfte sie nicht überschreiten. Alles hing davon ab, wie gut er die Waffe kontrollieren konnte, die er die letzten Wochen im Namen von Katsura Kogoro geschaffen hatte.
 

Mit einem letzten Seufzen ließ sich Izuka hinter seinen Schreibtisch fallen und nahm den Pinsel zur Hand. Neben seinem Tuscheglas wartete ein Stapel nachtschwarzer Umschläge.
 

--
 

Yoshida brauchte eine ganze Weile, bevor er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Unsägliche Wut über Izukas gewissenloses Verhalten, seine eigene Ohnmächtigkeit und nun auch noch die Versetzung weg von Kyoto hatte seinen Verstand in Aufruhr versetzt.
 

„Zu den Kihei-Tai schickt er mich,“ grübelte er düster, während über den Innenhof auf und ab schritt und die Männer, die schon wegen der frühen Versammlung alle wach waren und hier und dort einzelne Befehle gaben, gar nicht wahrnahm. „Hauptsache weg von Himura! Ich stehe Izuka wohl im Weg. Ich stehe im Weg, wenn es darum geht, Himura zu einer willenlosen Waffe zu machen!“
 

Erst nach einer Weile Vor-sich-hin-grummelns bemerkte er, wie einer der Soldaten ihn mit erschrockenen Augen ansah. Yoshida folgte seinem Blick und entdeckte voller Entsetzen, dass er ja immer noch die Blutverschmierten Klamotten anhatte. Noch dazu kündete ein plötzliches Brennen auf seiner Stirn von der Platzwunde, die er noch nicht versorgt hatte. Schnellen Schrittes schleifte Yoshida seine vor Müdigkeit schweren Glieder aus dem Innenhof fort in Richtung Küche. Seine Stirn brannte wie Feuer – er musste dringend seine Wunde von Okami verarzten lassen, bevor sie sich entzündete.
 

Im Küchenraum herrschte trotz der frühen Stunden schon hektische Betriebsamkeit. Das Frühstück wurde gerade vorbereitet, denn es waren viele Männer im Haus, deren Mäuler gestopft werden mussten. Okami wuselte hierhin und dorthin und warf ihren Mädchen knappe Befehle zu.

„Sumimasen,“ sagte Yoshida leise, doch keiner hörte ihn.

Er räusperte sich und probierte es noch einmal lauter. „Sumimasen! Okami-san, Entschuldigung, habt ihr kurz Zeit?“
 

Okami fuhr herum, ein Messer vom Gemüse-schneiden noch in ihrer Hand. Als sie sah, wer ihre organisierten Frühstücksvorbereitungen störte, verrutschte ihr Lächeln etwas.

„Yoshida-san, nicht wahr?“ sagte sie, legte des Messer beiseite und wischte ihre Hände an der Schürze ab. „Ich dachte schon, Himura-san wäre endlich mal wieder gekommen um mir zu helfen.“
 

Unangenehm berührt trat Yoshida auf der Stelle. Okami blinzelte ihn an.

„Du bist doch sein Freund, oder?“ fragte sie.

„Hm, ja,“ antwortete Yoshida vorsichtig. „Wenn man das so nennen kann...“

Fragend zog Okami eine Augenbraue hoch, doch als sie sah, wie Yoshida beschämt nach unten blickte, verdüsterte sich ihr Gesicht sofort wieder.
 

„Das es so kommt, hab ich früher oder später befürchtet,“ murmelte sie. „Komm mit ins Hinterzimmer. Dort habe ich Verbandszeug.“

Yoshida war dankbar, dass Okami endlich seine schmerzende Wunde bemerkt zu haben schien. Er war allein durch ihren zweifelnden Blick schon viel zu eingeschüchtert gewesen, um sie noch darauf hinzuweisen.
 

Schweigend setzte sich der junge Samurai zu Boden und erduldete Okamis Verarztung, tief in Gedanken versunken. Nur als sie Alkohol auf die offene Wunde tröpfelte, zuckte er zusammen.
 

„Du siehst ganz schön ramponiert aus, mein Junge,“ brach Okami schließlich das Schweigen, während sie die Wunde desinfizierte.

„Hm,“ murmelte Yoshida nur deprimiert.

Wieder Stille.. Okami kramte nun im Regal nach Pflastern

„Wie geht es Himura-san... damit?“ fragte sie unvermittelt, den Rücken zu ihm gewandt.

Yoshida blinzelte. „Womit?“

Okami drehte sich über die Schulter um und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

„Ah.“ Yoshida sah erneut zu Boden. „Damit.“

Sein Blick wanderte zu seinen Händen, die untätig in seinem Schoß lagen. Es klebte noch Blut unter den Fingernägeln.
 

„Ich habe ihn gesehen, im Badehaus,“ sagte Okami. „Er wäscht sich wie ein Besessener. Er hat nicht einmal bemerkt, dass ich seine Kleidung mitgenommen habe. Seit seinem ersten Auftrag ist das die einzige sichtbare Reaktion, dass ein Teil von ihm mit dem, was von ihm verlangt wird, nicht zurecht kommt.“
 

Sie fixierte Yoshida, der darauf nichts antwortete, sich nicht einmal bewegte. Er wusste auch nicht, was er jetzt hätte sagen oder tun sollen. Wieder überrannte ihn die lähmende Hilflosigkeit, die er schon zuvor verspürt hatte.
 

„Er denkt,“ brach Okami das abermals entstandene Schweigen, „dass er es tun muss. Für die göttliche Gerechtigkeit. Das er sich dafür aufgeben muss.“

Okami kehrte mit einem passenden Pflaster zurück und drückte es Yoshida vorsichtig auf die Stirn. „Er brauch jemanden, der ihm beisteht,“ sprach sie weiter, ihre Stimme ernst. „Jemanden, der ihm hilft, all das durchzustehen.“
 

„Ich weiß,“ flüsterte Yoshida.

Okami sah ihn streng an. „Gerade nach den jüngsten Vorkommnissen brauch Kenshin jemand, der ihm beweist, dass Werte wie Freundschaft und Vertrauen noch einen Bedeutung haben. Er wird sich sonst zur seelenlosen Waffe machen, für den Schatten von Katsuras göttlicher Gerechtigkeit. Er wird sich aufgeben.“
 

Yoshida drückte seine Augen zu, versuchte, das Brennen in ihnen zu ignorieren und die Verzweiflung angesichts seiner Machtlosigkeit. „Ich...“
 

„Hast du ihn auch schon aufgegeben?“ schnitt ihm Okami das Wort ab.

Mit aufgerissenen Augen starrte Yoshida sie an.

„Aufgeben?“ wisperte er, dann wurde seine Stimme lauter „Nein, ich wurde versetzt, ich muss gehen, man hat mich gegen ihn benutzt! Ich wollte ihn nicht aufgeben!“

Okami sah den verzweifelt wirkenden jungen Mann an. Sie hatte schon von der Geschichte mit Daisuke und Buntaro gehört. Doch diese zwei Männer waren anders wie Yoshida. Okami hatte gehofft, dass dieser etwas trottelige Mann Kenshin dort beistehen konnte, wo es ihr nicht möglich war: Sie konnte vielleicht seine mütterliche Bezugsperson sein, aber ein Kampfgefährte und Freund nicht.
 

Enttäuscht schaute sie aus dem Fenster.

Hinter ihr hörte sie es plötzlich schluchzen.

Yoshida wollte es nicht, er schämte sich, aber er konnte die Tränen einfach nicht mehr länger zurückhalten.
 

Bestürzt eilte Okami an seine Seite und nahm ihn in den Arm. Wie ein kleines Kind schmiegte er sich an sie, drückte seinen Kopf an ihre Brust.

„Verzeih meine harten Worte,“ flüsterte sie und strich ihm über die Haare. „Ich weiß, wie schwierig diese Aufgabe ist. Jemandem beistehen, der keinen Beistand will. Ein Freund und damit eine Schwachstelle zu sein. Eine Freundschaft zu verlieren.“

„Ich...hätte es getan,“ schluchzte Yoshida in ihren Kimono. „Ich wäre bei ihm geblieben!“

„Psst,“ flüsterte Okami beruhigend. „Es ist gut. Du hast alles getan, was du kannst. Er hat beschlossen, Gefühle nicht länger in sein Herz zu lassen. Wir können ihm nur unbemerkt so viel Unterstützung geben, wie wir können.“

„Aber ich...“ murmelte Yoshida mit erstickter Stimme in den weichen Stoff, sein Gesicht nass vor Tränen. „Ich muss gehen... muss ihn alleine lassen...“ Langsam hob er die vom Weinen roten Augen und sah sie direkt an. Der Blick eines Kindes.

„Ich wollte doch sein Freund sein.“
 

Okami wusste nicht mehr, was sie darauf noch antworten sollte. Und wieder einmal war es ihr, als ob sie ein Stückchen ihres Herzens an diesen gottverlassenen, herzlosen Krieg verlöre.
 

„Kenshin ist stark,“ murmelte sie schließlich und sah in die Ferne. „Er tut, was er tut nicht aus böser Absicht. Er tut es reinen Gewissens, weil er denkt, damit einer neuen Generation zu helfen.

Wenn er sein Herz jetzt verschließt... dann hilft es ihm vielleicht, zu überleben und es vor dem Zerbrechen zu bewahren.“
 

„Aber sein Herz wird vom vielen Töten kalt. So kalt...“ Yoshida befreite sich aus ihrer Umarmung, stand auf und strich sich die letzten Tränen aus den Augen. „Wenn ich gehe, wen hat er denn noch, der sich wirklich für ihn interessiert?“
 

„Er hat Katsura-san und mich,“ meinte Okami sanft. „Und vielleicht wird eines Tages jemand kommen, der besser wie wir wieder sein Herz zum Schlagen bringen kann.“

Yoshida sah die ältere Frau einen Moment lang an. Dann nickte er widerwillig, als ob er selbst nicht wirklich daran glauben konnte. Mit einem Dankeschön verbeugte er sich und ging. Okami sah ihm hinterher.
 

„Ich hoffe es jedenfalls,“ dachte sie und krallte die Hände in ihren Kimono. „Vielleicht kommt jemand, der es schafft, wieder Wärme in Himuras eisblaue Augen zu zaubern.“
 

Das Geschirrklappern aus der Küche holte sie wieder ein und sie hatte keine Zeit für weitere Gedanken. Doch auch als sie schon wieder inmitten von dampfenden Kochtöpfen und schnatternden Mädchen stand, begleitete sie ein Wunsch tief in ihrem Herzen: Dass dieser Jemand schnell kommen sollte, bevor es zu spät war.
 

--
 

Yoshida betrat sein und Kenshins Zimmer, doch es war, wie zu erwarten, leer. Kenshin war noch immer im Badehaus. Schnell zog sich auch Yoshida um und wusch sich so gut es ging mit einer Schüssel Wasser und einem Lappen. Dann, er fühlte sich immer noch eklig und stinkend, ging er zum Frühstück.
 

Mit weichen Knien schob er die Schiebetür auf und erwartete, dass ihn alle Männer, die schon da waren mit verachtungsvollem Blick anstarren würden. Doch alle waren in aufgeregte Unterhaltungen vertieft und schienen keinerlei Notiz von ihm zu nehmen.

Mit gesenktem Blick setzte sich Yoshida alleine an einen Tisch. Anscheinend wusste keiner, dass auch er in die Verräter-Geschichte mit verwickelt gewesen war.
 

Kenshin erschien nicht zum Frühstück und auch später, als Yoshida wieder in seinem Zimmer saß und nichts anderes tun konnte, als auf den Fußboden zu starren, tauchte der rothaarige Junge nicht auf.

Seufzend nahm Yoshida schließlich wieder die Papiere zur Hand, die Izuka ihm ausgehändigt hatte. Er las alles noch einmal durch und verstand erst jetzt, dass sein Aufbruch in die Provinz Choshuu schon heute Nachmittag zusammen mit einer Gruppe Berichterstatter stattfinden sollte. Es traf ihn wie ein Blitz, dass seine Zeit hier in Kyoto, im hohen Dienste Katsura Kogoros in ein paar Stunden vorbei sein würde. Es war nicht einmal genug Zeit, um sich von all den Leuten in der Stadt, die ihm etwas bedeuteten oder die er kannte, zu verabschieden.
 

Was würde jetzt mit ihm passieren?
 

Kyoto war ein heißes Pflaster, sicher. Tag und Nacht rollten Köpfte auf beiden Seiten, man lebte in ständiger Gefahr, entdeckt und ausgeliefert zu werden. Doch Kyoto war auch ein Ort voller Menschen aus ganz Japan, voller Lebensfreude, voller Macht.

In Choshuu war er im Zentrum der Revolution, im reichen Süden des Landes. Dort war die Gefahr, die vom Shogunat und von Edo ausging, weit weg. Choshuu war seine Heimat, die Provinz in der er aufgewachsen war. Doch dort hatte er keine Freunde, dort war er ein Ronin gewesen, dort hatte er nichts verändern können.

Und doch... wenn er jetzt ein Soldat der Kihei-Tai werden würde, dann könnte er vielleicht mehr verändern als in Kyoto. Als Samurai könnte er eine Einheit von Männern in den Krieg führen. Das Schlachtfeld war ihm früher oder später sicher.

Yoshida wusste nicht, wie er sich fühlen sollte.
 

Um sich abzulenken, packte er mechanisch all seinen wenigen Besitz zusammen, zog sich seine Reisekleidung an und schrieb Briefe an die Personen, die er jetzt nicht – und vielleicht auch nie wieder in der Zukunft – treffen konnte. Dann trat er mit seinem Bündel an Habseeligkeiten in die große Halle und beauftragte eines der Mädchen von Okami mit einem kleinen Trinkgeld dazu, seine Briefe zu überbringen – denn die Mädchen waren ihm eindeutig vertrauenserweckender wie einer von Izukas Männern.

Die Zeit verstrich schnell und ehe Yoshida sich von all seinen Mitkämpfern der Ishin Shishi mit irgendwelchen vorgetäuschten Gründen hatte verabschieden können, hörte er schon Izukas Stimme, die ihn zum Aufbrechen drängte.
 

Verzweifelt folgte Yoshida und ging zu den anderen Reisenden zum Hinterausgang des Kohagiya. Immer wieder sah er sich um und hoffe, wenigstens ein Zeichen von Kenshin zu entdecken. Doch sein ehemaliger Zimmergenosse war immer noch nicht in der Herberge erschienen, wo auch immer er inzwischen sein mochte.

Yoshida brach der Schweiß aus. So konnte er jetzt nicht gehen. Nicht nach einer Nacht wie dieser, nicht ohne... einen vernünftigen Abschied!
 

Instinktiv schlug er sich plötzlich mit einem lauten Stöhnen gegen die Stirn.

„Jetzt hab ich doch glatt meine Reisepapiere im Zimmer liegen gelassen!“ rief er aus. Die anderen Männer der Gruppe rollten die Augen, während Yoshida mit entschuldigenden Verbeugungen davoneilte.

„Wie hat er überhaupt jemals nach Kyoto kommen dürfen?“, fragte einer der Reisenden kopfschüttelnd. „Er ist doch noch viel zu jung für diese Stadt und viel zu schusselig.“

„Vielleicht ist es gut, dass er jetzt wieder zurück in seine Heimat nach Choshuu kommt,“ meinte ein Anderer.
 

Yoshida hastete atemlos zu seinem Zimmer. Mit zitternden Händen riss er die Tür auf – doch der Raum war leer wie zuvor. Kein Zeichen, dass Kenshin überhaupt heute schon einmal dort gewesen war. Yoshidas Hand rutschte vom Türgriff und er verlor seinen Mut. Mit hängendem Kopf ging er zurück zu den wartenden Männern und verließ ohne einen Blick zurück die Herberge Kohagiya.
 

Das war also sein Abschied. Resignation und Lüge – denn keiner der Männer wusste, warum er wirklich abreisen musste. Nur Kenshin, und der war nicht erschienen.
 

Bitter heftete Yoshida seine Augen auf den Straßenbelag. Er hatte nur eine so kurze Zeit mit Kenshin verbracht und noch kürzer war die Zeit, die sie gemeinsam unbeschwert hatten verbringen können.

Und doch hatte diese kurze Zeitspanne gereicht, um ihm zu zeigen, dass Kenshin ein ganz besonderer Mensch war. Jemand, dem er blind sein Leben anvertrauen würde. Jemand, dessen Herz rein und gut war.

Die Zeit, bevor Yoshida wusste, warum Kenshin nach Kyoto gekommen war und bevor Kenshin spürte, was diese Aufgabe wirklich von ihm fordern würde.
 

Die Zeit der Illusionen war nun endgültig vorbei.

Yoshida und Kenshin waren im wirklichen Leben angekommen. Und sie würden von nun an getrennte Wege gehen.
 

Yoshida nahm die Menschen um sich herum gar nicht war. Er drängelte sich einfach hinter seinen Mitreisenden durch das Gewusel, war taub für die Rufe der Marktfrauen oder die Schreie spielender Kinder, das Rattern von Wagenrädern und das Hämmern in Schreinereien. Er roch nicht den Essensduft, der aus zahlreichen Garküchen strömte und verspürte auch keinen Appetit. Er spürte überhaupt nichts mehr. Es war, als ob er einen Teil von sich in dem albtraumhaften Kellerraum zurückgelassen hatte – in dem Moment, in dem er mit eigenen Augen gesehen hatte, was der Krieg aus einem unschuldigen, idealistischen Jungen gemacht hatte.
 

Jemand drängelte sich an ihm vorbei und stieß ihm schmerzhaft mit dem Ellebogen gegen die Rippen. Yoshida sah nicht einmal auf. Wozu sich über ein Stechen in der Seite beschweren, wenn ihm ganz andere Sachen viel größeren Schmerz bereiteten?
 

Dann hörte er plötzlich eine leise, sanfte Stimme irgendwo neben sich.
 

„Ich werde unsere gemeinsame Zeit für immer in guter Erinnerung behalten.“
 

Erschrocken sah Yoshida zur Seite. Neben ihm lief Kenshin, den Hut tief ins Gesicht gezogen, sein rotes Haar verdeckt.
 

„Himura,“ flüsterte Yoshida aufgeregt. „Du bist gekommen...“
 

Kenshin hob den Blick und sah Yoshida tief in die braunen Augen.

„Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast. Du hast mich akzeptiert, wie ich bin und was ich tue. Egal was ich gesagt habe, in meinem Herzen werde auch ich immer dein Freund sein. Auch wenn ich dich vielleicht heute Abend schon wieder vergessen muss, um hier in Kyoto zu überleben. Es tut mir leid.“
 

„Kenshin, ich-...“ begann Yoshida und wollte seinen Freund an der Schulter fassen. Doch seine Hand griff ins Leere. Der rothaarige Mann neben ihm war von einer auf die andere Sekunde verschwunden.
 

Yoshida blinzelte ungläubig und fragte sich, ob er nicht alles nur geträumt hatte.

Unfreundliche Schimpfworte von weiter vorne ließen ihn schließlich wieder weiterlaufen und seine Kameraden einholen.
 

„Ich wusste doch, dass ich mich in Himura nicht getäuscht hatte,“ überlegte er und neues Selbstbewusstsein kehrte zu ihm zurück. Kenshins Augen gerade eben waren klar und blau gewesen, so wie am Anfang ihrer Begegnung.

„Da ist ein Funke Menschlichkeit in Kenshin, der nicht so leicht erlöschen wird. Ich hoffe nur, dass irgendjemand nach mir kommt und ihn neu entfacht, bevor es zu spät ist.“
 

Yoshida hob seinen Kopf und blickte gen Süden, Richtung Choshuu. Irgendwie waren seine Schritte plötzlich ein bisschen leichter geworden.
 

--
 

Tut mir Leid, dass es mit dem Kapitel so lange gedauert hat... ich werde mich um mehr Schnelligkeit bemühen, kann aber nichts versprechen ^^°
 

Diesmal keine Action, eher Gefühle! Und ein fast schon positives Ende, wer hätte das gedacht ^^'... Ihr kennt mich - im nächsten Kapitel werde ich jeden Optimismus wieder gnadenlos zerschlagen.

Und entschuldigt das Fachgesimpel über Führungsstrukturen der Patrioten am Anfang des Kapitels... ich hatte überlegt, es rauszunehmen, aber dann war's doch für spätere Kapitel wichtig.
 

Einige Anspielungen in diesem Kapitel... Izuka und eine unbekannte Person, die vielleicht Kenshins Herz auftauen kann, werden noch eine wichtige Rolle spielen (wer Kenshin gelesen bzw. den ersten OVA gesehen hat, weiß, worauf ich anspiele...)

Und alle Yoshida-Fans kann ich trösten, auch er wird noch einmal vor dem Ende der Geschichte vorkommen.
 

Geplant sind übrigens 20 Kapitel (mit Epilog), Also nähern wir uns dem Abschluss!!

^_^ Danke fürs Lesen und für Kommentare!!!
 

Worterklärungen:
 

Ishin Shishi – Patrioten, die gegen die Regierung Japans, das Shogunat, kämpften

Kohagiya – Herberge in Kyoto, gleichzeitig Geheimversteck der Spitze der Choshuu Ishin Shishi

Katsura Kogoro – Anführer der Choshuu Ishin Shishi

Bakufu – Militärregierung des Shogunats

Seppuku – ritueller Selbstmord

Kihei-Tai – Armee, die Choshuu unter der Führung von Takasugi Shinsaku zusammenstellte. Sie bestand vorwiegend aus Männern, die nicht der Samurai-Schicht entstammten.

Wakizashi und Katana – Kurz- und Langschwert eines Samurais (daisho)

Sumimasen – Verzeihung, Entschuldigung

Edo – ehemaliger Name von Tokyo während der Shogunats-Zeit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2008-12-02T00:21:41+00:00 02.12.2008 01:21
Wirklich sehr gefühlcoll, irgendwie wurde es mir ganz klamm, als Yoshida geweint hat ;__; ich weiss echt nicht wer mir mehr leid tun soll, die Leute um Kenshin herum oder Kenshin selber...
hach... tragisch, tragisch...
naja, die OVA hab ich nich gesehen, hab wie gesagt nur den Manga zuhause...
aber wenn ich nach dem gehe, dann wirds wohl Tomoe sein, oder? ^^
lg X3
Von:  Sarai-san
2008-07-20T13:26:29+00:00 20.07.2008 15:26
Ich melde mich mal rückwirkend, damit ich wieder reinkomme ;-)
Jetzt lässt Kenshin wirklich keinen mehr an sich ran. Da das ja eine "Schwäche" ist.
Ich finde es erstaunlich, wie weit Yoshida Kenshin versteht. Er kann sich gut in ihn rein versetzen. Es ist richtig schön, wie anhänglich er geworden ist, eben ein wahrer Freund.
Seine Trauer und Verzweiflung über den Abschied kommen gut rüber. Ich kann mich gut in ihn versetzen.
Kommt Tomoe schon bald? Oder muss Kenshin erst noch tiefer sinken?
Also auf zum nächsten Kap.

VG
Sarai
Von:  LICRM
2008-07-01T16:48:18+00:00 01.07.2008 18:48
huhuuuu ^^
ich finde deine ff voll schön ^^
schade das yoshida gehen muss *hatte den knuffigen kerl gerne * hehe
ich finde es schön das du es so gfut becshreiben kannst ^^
es ist düster und leicht traurig aber ich mag es sehr ^^
ich finde es wirklich tollo
udn nun wo yoshida weg ist kommt sicher bald tomoe ^^
okay
lg
ino55


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