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Das Schwarze Schwert

von

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ZWEITES KAPITEL

Kapitel 2
 

Die Küche.

Es war eine ganz normale Küche am Nachmittag. Genauer gesagt eine grau geflieste Einbauküche aus dem 21. Jahrhundert, denn im Moment befanden wir uns nicht mehr in irgendeiner mittelalterlichen, von Magie geprägten Unterwelt sondern in der modernen Menschenwelt. Die Küche zeichnete sich durch helles Holz, graue Fliesen und einer kleine Abtrennung zur Vorratskammer aus. Irgendwo auf dem Fliesenboden standen zwei Näpfe, einer mit Wasser, einer mit Trockenfutter, beide trugen die Aufschrift „Schnuffi“.

Und Etienne war gerade dabei sich eben hinter jener bereits erwähnten, hübschen, hellen Abtrennung zu verstecken und zwischen den Spalten der Holzverkleidung hindurch zu lugen.

Er versteckte sich vor Schnuffi.

Etienne war sechzehn Jahre alt, hellblond und hatte blaue Kulleraugen – sehr zu seinem Leidwesen. Ausserdem war er eher klein und trug eine Brille. Er hatte eine Vorliebe für japanische Horrorfilme, besonders widerlichen Krimskrams wie Totenköpfe, Gummispinnen und synthetisches Blut, mit dem er sein Zimmer auszustaffieren pflegte. Und er mochte Mathe.

Aber dazu später mehr.
 

Schnuffi schnurrte aggressiv und setzte die dicken, übergewichtigen Pfoten auf die Fliesen. Etienne konnte seine Krallen auf den Stein ticken hören. Hinter ihm stapelten sich Erdnussbutter, Marmeladen- und Honiggläser sowie der Brotkorb und andere Konserven. Er hielt den Atem an und lauschte. Keine Katzengeräusche aus der Küche mehr. Sein Herzschlag beruhigte sich. Konnte er es wagen?

Er schob die Tür einen klitzekleinen Spalt auf.

„MIIAAAUUURRRRR!“ Mit einem alptraumhaften Kampfgebrüll fuhren die Pfoten der Katze durch den Spalt und krallten sich in seine Jeans, raspelten Löcher hinein. Währenddessen versuchte Schnuffi seinen dicken, orangenen Kopf durch den Spalt zu zwängen.

Etienne entschied sich zu schreien.

„WAAAAH!“ Mit der Kraft des Schreckens knallte er den Spalt wieder zu – Schnuffi zog erst im allerletzten Moment seine Körperteile aus dem Spalt und tigerte nun vor dem Vorratsschrank auf und ab.

Etienne seufzte, für´s erste gerettet, und drehte sich um.

„Du versteckst dich vor einer Katze?“, fragte Elster, die hinter ihm stand. Sie hatte, ihm mit großem Interesse zusehend, ein Marmeladenglas aufgemacht und bediente sich nun daran. Etienne kam zu dem Schluss, dass ein zweiter Schrei angebracht war.

„WAAAAH!“ Etiennes Rücken prallte gegen die Abtrennung. „Wie sind SIE HIER REINGEKOMMEN?!“ Elster tunkte eine Brotkante in die Marmelade. Etienne, der natürlich nicht wusste, dass es sich dabei um Elster handelte, die Liebste des Herrschers der Unterwelt, sah nur eine recht junge Frau mit schwarzen, recht kurzen, nach hinten gekämmten Haaren und hellblauen Augen, die ihn ansah, als wäre sie wirklich überrascht über seine Frage.

„Ich? Na durch´s Fenster!“ Etienne blickte nach oben. Die Vorratskammer hatte natürlich ein Fenster, allerdings war es eher zum Druckausgleich der Luft gedacht und dementsprechend ungefähr nur so groß wie ein Blatt Papier. Selbst diese bemerkenswert kleine und filigrane Frau hätte wohl kaum dadurch gepasst. Dazu musste er nicht einmal ein Lineal holen.

„Das kann nicht sein.“ Elster winkte ab.

„Ach, ich hatte ganz vergessen...“ Sie beendete den Satz nicht, stattdessen lutschte sie die Marmeladen von der Brotkruste, blickte nach oben und seufzte. „...Nun, das macht die ganze Sache natürlich schwieriger. Sag mal, wie heißt du denn?“
 

Etienne hatte den Kopf schief gelegt und blickte misstrauisch, er schob die Brille auf seiner Nase hin und her, dann antwortete er.

„Etienne.“

„Etienne, wirklich? Seltsam, warum hat man dir einen Mädchennamen gegeben?“ Er blickte finster – zumindest versucht er es. Mit babyblauen Augen ging das schwer. „Oh, entschuldige. Ich bin Elster.“

„Du heißt wie ein Vogel.“ Sie lächelte und dippte wieder in die Marmelade.

„Jaja, ich weiß.“ meinte sie und fügte dann freundlich an: „Willst du mich nicht noch etwas fragen?“ Etienne runzelte die Stirn.

„Wer...?“ Elster hob den Finger.

„Ah-ah, falsche Frage.“

„Und woher...?“ Er stockte erneut.

Als er sprach, war seine Stimme zu einem Flüstern gepresst. „Was willst du?“ Elsters Lächeln entsprach dem blinkenden Lämpchen beim einarmigen Banditen. Jackpot.

Elster machte einen kleinen Hüpfer und stellte das Marmeladenglas – in dem noch immer die Brotkruste aufrecht stak – wieder ins Regal und näherte sich ihm, hob die Arme, als wolle sie ihn umarmen. Etienne wich zurück, leider war noch immer die Schiebetür der Vorratskammer im Weg. Sie beide waren genau gleich groß, weshalb er freien Ausblick auf ihr freudiges Gesicht hatte.

„Ich bin deine Mama!“
 

Ein kurzer Moment verwirrter Stille, dann stieß Etienne ein kaltes Lachen aus und würgte ein:

„Na, das wüsste ich aber!“, heraus. Elster ließ ihre Arme enttäuscht an ihre Seiten klatschen.

„Erkennst du mich denn nicht?“

„Woher denn? Ich habe Sie noch nie gesehen! Außerdem habe ich schon eine Mutter!“ Etienne plante sich nach draußen zu schleichen... um irgendwie Hilfe zu holen, vielleicht kam er ja bis zum Telefon um die Polizei zu rufen.

„Du hast also schon eine Mutter, hm? Aha, soso...“ Sie wirkte beinahe eifersüchtig und schmollte. „Wie heißt sie denn? Wie sieht sie aus? Wie ist sie denn so, deine Mutter?“ Etiennes Hand schlich zum Türgriff, er war sich allerdings bewusst, dass seine Geste zu offensichtlich war. Außerdem, ging ihm auf und er ließ die Hand wieder sinken, war Schnuffi sicher noch draußen. Blieb also nichts übrig als die direkte Konfrontation mit dieser seltsamen Frau.

„Das geht sie gar nichts an! Was wollen sie überhaupt von mir?“, knurrte er, was Elster offenbar ganz entzückend fand.

„Nein, wie süß! Du hast ja so viel von deinem Vater!

Oh ja... – Weshalb ich hier bin?“ Etienne fand ihren Gesichtsausdruck ziemlich hinterhältig, so wie sie im Halblicht der Speisekammer lächelte. „Dazu muss ich wohl etwas weiter ausholen. Aber nunja, es scheint ja so, als hättest du ohnehin nichts besseres zu tun.“ Etienne wägte nochmals mit gewisser Verzweiflung ab, ob er sich in die Küche trauen könnte und warf einen Blick zum Spalt der Trennwand.

„Nein... hab ich nicht.“, seufzte er ergeben. Elster hob ihre Hand zu einer beginnenden Geste.

„Also... zuerst einmal musst du wissen, dass deine... Mutter nicht wirklich deine Mutter ist. Das bin nämlich ich.“, begann sie und drückte sich zur Unterstreichung mit der flachen Hand auf ihre Brust. „Mein Name ist, wie ich bereits erwähnt habe, Elster. Elster, Gemahlin von Lord Adrrian Drachenkopf dem Dritten, dem Herrscher der Unterwelt. Herzlichen Glückwunsch, mein süßer Etienne: Du hast königliches Blut in dir!“

Etienne hob lasch eine Braue. „Du könntest ruhig mehr Begeisterung zeigen.“, schmollte Elster. „Wie auch immer. Ich dachte mir einfach... es wird Zeit, dass ich meinen geliebten Sohn zu uns nach Hause hole!“

Etienne begann fieberhaft nachzudenken.
 

Okay... ich bin mit einer Irren in einem Vorratsschrank eingesperrt. Irgendwie hat sie vor mich zu entführen und irgendwie bin ich mit nicht sicher, ob sie das nicht hinbekommt... sie guckt so... ach ich weiß nicht.

Außerdem könnte sie Kumpanen dabei haben, wie sollte sie sonst ins Haus gekommen sein?

Ich brauch einen Fluchtplan...

Gehe ich also davon aus, dass sie sich innerhalb der nächsten halben Minute nicht bewegt und sich Schnuffi entweder direkt vor der Tür zur Vorratskammer oder zumindest in unmittelbarer Nähe befindet. D.h. maximale Entfernung zwischen Elster und Schnuffi sind 3 Meter. Schnuffi wiegt ca. 10 kg, nach dem Gesetz der Trägheit erreicht er seine Höchstgeschwindigkeit in Anbetracht der fehlenden Bodenhaftung (glatte Fliesen) und mit Addition der Reaktionszeit von Schnuffi, sowie der maximalen Newtonanzahl, die sein Beine nach 5 Jahren ohne jegliche Diät aufbringen können, nach ca. 5 Sekunden, wobei er eine Strecke von ca. 10 Metern zurücklegt, zurückgerechnet auf 3 meter also...

Zahlen, ein Dreisatz und einige ballistische Diagramme später, dachte Etienne dann:

Wenn ich, nachdem ich die Türe aufgezogen habe noch maximal 2 Sekunden stehen bleibe, müsste Schnuffi mich also bemerken und innerhalb jener Strecke (Küche zu Vorratskammer) und der genannten Zeit genug Beschleunigung in meine Richtung erreicht haben um...
 

Elster hatte in der Zwischenzeit genug Zeit gehabt um zu Blinzeln und

„Was...“ von ´Was hälst du davon?´ zu sagen.

Etienne zog mit einer halben Pirouette die Vorratskammertür auf. Sie knallte dumpf und Etienne warf einen Blick über die Schulter. Schnuffi hatte prompt den Kopf erhoben, buchstäblich die Kurve gekratzt und stürmte mit zwei Kilo Kampfgewicht und wachsender Geschwindigkeit auf die Vorratskammer zu. Ein kurzer Augenblick verging, in dem Elster fragend den Mund öffnete – bevor sich Etienne zur Seite fallen ließ. Schnuffi setzte zeitgleich zum Sprung an und nach kurzem, ungraziösen Flug über Etienne hinweg krachte er gegen Elster und riss sie nach hinten in ein Regal voller Konserven.

Es schepperte ohrenbetäubend und die nachfolgende von Schreien und Fauchen durchzogenen Geräuschkulisse war auch nicht schöner anzuhören.

Aber da hatte er sich schon aufgerappelt, nahm die Beine in die Hand und stürmte mit quietschenden Turnschuhen über den Marmorboden und auf die Terassentür zu.

Elster rief etwas, aber er verstand es nicht.

Und er hatte keinen Bedarf daran, es herauszufinden.
 

Er sauste durch die Küche und kickte aus Versehen Schnuffis Futterschüssel weg. Trockenfutterkrümel durchzischten die Luft. Er machte eine enge Kurve um das Wohnzimmersofa, die schon fast eckig war. Doch mitten im Sprint bewegte er seine Beine plötzlich rückwärts und ruderte mit den Armen um mit panischem Gesichtsausdruck abzubremsen.

„Was...?“, presste er hervor. Etwas, das aussah wie eine schleimige, weiße, mannsgroße Made versperrte die Tür. Vier dünne, unförmige Fangarme sprossen aus ihrer Seite und waberten entlang des Türrahmens hin und her. Der Hinterkörper schleifte auf dem Boden, das Maul war ein Ring aus Zähnen, kreisförmig im Schlund angeordnet. Solch ein Monster erwartete man in irgendwelchen dunklen, feuchten Höhlen oder in der Kanalisation! Nicht in einem Wohnzimmer, das wie eine Seite aus einer Möbelzeitschrift aussah!

Etienne schaffte es zu allem Überfluss auch nicht mehr seine Geschwindigkeit weit genug herabzudrosseln um zum Stehen zu kommen, landete mit dem Schuh auf dem lockeren Wohnzimmerteppich, rutschte darauf auf Kollisionskurs auf die Made zu.

Sie gurgelte angesichts des sich rasch nähernden Etienne noch:

„Höh?“

WAMM

Schwärze auf beiden Seiten



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  la_estrella
2008-08-05T22:03:03+00:00 06.08.2008 00:03
Erstmal ein dickes SORRY!!!

Oha, es tut mir sooo Leid, dass ich mich nicht hab blicken lassen. Irgendwie scheint dein damaliger GB-Eintrag bei mir untergegangen zu sein.
Und mir - Doofi - ist so eine geile und lustige Fortsetzung entgangen.
Der arme Etienne hats aber auch wirklich nicht leicht, aber seine blauen Babyaugen stell ich mir schon süß vor :-)
Du hast die Szene zwischen ihm und Elster wirklich gut rübergebracht.
Bin wirklich gespannt wie Elster ihren Sohn in die Unterwelt - nach Hause- verschleppen will und vor allem wie Etienne sich der Situation anpassen wird. Er ist mir ja wirklich sympathisch, aber seine Neigung zu Mathe... O.O Oh Gott. Ich musste fast die Zeilen, in der er gerechnet hat, dreimal lesen *hust*... Sag mal, du bist nicht auch zufällig ein kleiner Mathefanatiker? *lach*
Ja ja ja. Los gibs zu! Oute dich! :P

Nee..wirklich lustige aber auch ernste und tolle Story!
Die Made tut mir übrigens auch Leid :-D Die scheint wohl Matsche zu sein - im wahrsten Sinne des Wortes :-)

Söööö auf zum nächsten Kapitel. Freu mich richtig!!

Und noch mal ein dickes Sorry!!

Liebe Grüße
*


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