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Shard

von

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Die nächsten Wochen gestalteten sich erstaunlich angenehm für Kizu. In der Schule stand er seinen Problemen nicht mehr alleine gegenüber, er hatte zu ersten Mal in seinem Leben eine vernünftige Arbeit und mit Sakito lief alles bestens. Also fast. Nichtsdestotrotz: Zufriedener konnte er eigentlich gar nicht sein. Er verbrachte so gut wie jeden Tag mit Naoru. Oft trafen sie sich um einfach gemeinsam irgendwo rumzuhängen, manchmal aber auch um zusammen zu lernen. Kizu bekam neuerdings genug Schlaf und der Wandel, der sich in seinem Leben vollzogen hatte, spiegelte sich auch in seinen schulischen Leistungen wieder. Selbst den voreingenommensten Lehrern war inzwischen aufgefallen, dass Kizu sich neuerdings wirklich bemühte. Demnächst standen ihnen die ersten Prüfungen bevor und er hatte ein wirklich gutes Gefühl bei der Sache. Er hatte zwar immer noch viel nachzuholen, doch Naoru, der ihn inzwischen in seinen Problemfächern tatkräftig mit Nachhilfestunden unterstützte, hatte ihm versichert, dass er die Prüfungen problemlos bestehen würde, wenn er sich nur etwas Mühe gab.

Meistens trafen sie sich bei Naoru zu Hause, da Kizu Sakito nicht mit seiner ständigen Anwesenheit auf die Nerven gehen wollte und, weil ihm, wenn er ganz ehrlich zu sich war, seine Wohnung im Vergleich zu Naorus irgendwie peinlich war. Sie beide trennten schließlich Welten! Umso mehr schätzte er die Nachmittage in der Gegenwart des Älteren. Häufig passten sie zusammen auf Chitori auf oder lümmelten einfach nur faul vorm Fernseher herum. An einem Tag war Kizu sogar der Mutter der beiden begegnet. Sie waren gerade alle drei in der Küche versammelt und bereiteten das Abendessen. Das ganze war für Kizu schon zu einer bekannten Prozedur geworden und er half Naoru, der wie sich herausstellte ein wahres Genie in der Küche war, so gut es ging, während Chitori unter den Anweisungen ihres Bruders wie immer ein privates Chaos auf ihrem Teil der Arbeitsfläche verbreitete. Naoru erklärte ihr gerade, wie sie die Möhren, die in den Eintopf kamen, den sie zubereiteten, am Besten schneiden sollte, da war aus dem Flur das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Türschloss drehte, zu hören. Naoru verstummte kurz um zu lauschen und fuhr schließlich fort mit seiner Erklärung an Chitori. Naorus Mutter betrat wenig später den Raum, sagte allerdings nichts und blickte sich lediglich forschend um. Ihr Blick verweilte ein wenig länger auf Kizu als auf dem Rest, dann nickte sie und verließ das Zimmer auch schon wieder. Sie wirkte irgendwie zerstreut und apathisch, doch Kizu entschloss, dass es besser war nichts zu der ganzen Sache zu sagen, da auch Naoru und Chitori zu dem Thema schwiegen und den Vorfall ignorierten.
 

Einige Tage danach fand Kizu, als er am Nachmittag Naoru zu Hause besuchen kam, diesen die Zeitung lesend in der Küche vor. Er setzte sich zu ihm und versuchte über den Rand des Papiers hinweg zu sehen um seine Aufmerksamkeit zu erregen. „Was genau liest du denn da?“, erkundigte er sich schließlich neugierig und ließ sich zurück in seinen Stuhl sinken. „Wohnungsanzeigen.“, brummte Naoru konzentriert und öffnete mit den Zähnen die Kappe des Stiftes in seiner Hand. „Wozu das denn?“, wollte Kizu erstaunt wissen. „Bin auf der Suche nach ner Wohnung.“, murmelte Naoru lediglich die logische Antwort auf diese Frage und runzelte ein wenig die Stirn, ehe er mit einem Textmarker eine der vielen Anzeigen markierte. „Du willst ausziehen? Ist irgendwas passiert?“, fragte Kizu sofort, doch Naoru schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, nein. Alles in Ordnung, aber ich plan’ schon seit einer ganzen Weile endlich mal auszuziehen. Mutter wurde befördert und wir kommen jetzt auch ohne meine Nebenjobs ganz gut mit dem Geld aus. Und ich mein es wird langsam mal Zeit für mich selbst was in die Hände zu nehmen. Ich meine…ich mach meiner Mutter ja auch nur zusätzlichen Stress, wenn ich hier bleibe und ich sollte mich langsam auch mal selbstständig machen und so…“, murmelte Naoru, den Blick immer noch auf die Zeitung gerichtet. Kizu schwieg dazu, aber er konnte die Begründung des Älteren nicht so recht nachvollziehen. Er hatte schließlich selten jemanden gesehen, der selbstständiger als Naoru war. Er stützte seine Arme auf dem Esstisch ab und legte sein Kinn in seine Hände, so dass er den Älteren in aller Ruhe beobachten konnte. Dieser blickte nach einer Weile des Lesens über seine Zeitung hinweg zu Kizu, direkt in seine blauen Augen, die ihn scheinbar den Entschluss fassen ließen, dass der Kleine gerade wichtiger als eine neue Wohnung war, woraufhin er den Anzeiger beiseite legte. „Was machst du heute noch?“, fragte er und legte seinen Kopf nun ebenfalls in seine Hand, so dass auch er bequem sein Gegenüber betrachten konnte. „Hab heute Abend Schicht im Modoki.“, erklärte der Kleinere schmunzelnd. „Und du?“ „Hmpf. Nichts Besonderes. Hab heute meinen freien Tag.“, erklärte Naoru mit den Schultern zuckend. Kizu ließ sich nachdenklich dreinblickend zurück in seinen Stuhl fallen. Naoru nahm dies zur Kenntnis und stellte fest, dass Kizu wieder einmal begonnen hatte nervös an seinen Armbändern herumzuspielen. „Hör auf damit.“, erklärte er dem Kleineren, der nicht sofort verstand worauf er hinaus wollte und ihn fragend anblickte. „Du fummelst schon wieder an deinem Handgelenk herum.“, erläuterte Naoru ihm seine Aussage. Kizu, der dies gar nicht bemerkt hatte, wurde rot. „Tut mir Leid. Ist ne schlechte Angewohnheit von mir…“, murmelte er kleinlaut und verstaute seine Hände in den Hosentaschen. „Schlechte Angewohnheit…meinst du das Fummeln an dem Handgelenk oder das Ritzen selbst?“, fragte Naoru mit hochgezogener Augenbraue und musterte Kizu kritisch, welcher mit jedem Moment röter wurde. „Hast du in letzter Zeit…?“, wollte Naoru, dem diese Art der Selbstverstümmlung immer noch sehr missfiel, nachhaken, doch er brach ab, als Kizu heftig den Kopf schüttelte. „In letzter Zeit gar nicht.“, murmelte er und klang fast ein bisschen stolz. Naoru lehnte sich zurück. „Gut. Ich versteh sowieso nicht, warum du das tust…“, seufzte er und fuhr sich irritiert durchs schwarze Haar. Kizu schwieg einen Moment und fixierte den Boden vor seinen Füßen. „…Weißt du…Machmal ist es einfacher einen Schmerz durch einen andern zu ersetzen…“, sagte er schließlich, jedoch so leise, dass Naoru die Ohren spitzen musste um ihn zu verstehen. Der Anblick des Kleineren versetzte ihm einen Stich. Er hatte nicht beabsichtigt ihn so traurig zu machen… Um ihn aufzuheitern raffte er sich leicht auf und streichelte ihm durchs weiche Haar, woraufhin er seinen Blick wieder hob. „Wenn du ein Problem hast, kannst du immer zu mir kommen. Ich bin weitaus verlässlicher als irgendein falscher Trost, das kann ich dir versprechen!“, lächelte er ihm aufmunternd zu. Kizu musterte ihn erst etwas verwundert, dann lächelte auch er. „Danke…“, hauchte er kaum hörbar. Einen Moment herrschte Stille. Dann meldete Kizu sich wieder zu Wort, diesmal allerdings etwas lauter. „Naoru…“, begann er zögerlich. „Kannst…kannst du nicht vielleicht mitkommen, wenn du doch heute sowieso nichts mehr vorhast?“, bat er schließlich nach einer Weile des nervösen Herumzappelns und Hin-und-her-rutschens auf seinem Stuhl. Naoru betrachtete ihn skeptisch. „Soll ich heute Abend denn mitkommen?“, fragte er verwirrt, da diese Art Bitte von Kizus Seite her ihm neu war. „Naja~, wenn du doch eh nichts zu tun hast?“, druckste der schwarzhaarige Wuschelkopf herum und blickte schüchtern zu Naoru auf. Seinen Augen war deutlich abzulesen, dass er ihn gerne dabei hätte. „Stimmt irgendwas nicht?“, fragte Naoru schließlich, nachdem er den Kleineren ausgiebig betrachtet hatte. Kizu wurde sofort eine Spur röter und schüttelte zögerlich den Kopf. „N-nein. Alles ok.“, murmelte er kleinlaut und hielt sich nur mit Anstrengung zurück um nicht wieder an seinem Handgelenk herumzuspielen. Er lernte wirklich nicht dazu. Naoru runzelte ein wenig die Stirn, nickte aber schließlich. „Natürlich kann ich mitkommen, wenn dir was daran liegt.“. Kizus Blick hellte sich augenblicklich auf. „Danke, Naoru!“, strahlte er und fiel dem Andern um den Hals, wie er es zu tun pflegte, wenn er sich besonders freute. Den Älteren brachte dies jedes Mal aufs Neue zum Schmunzeln und er wuschelte dem Schwarzhaarigen liebevoll durchs lange Haar.

An diesem Abend war im Modoki nicht soviel wie sonst los, doch der Laden war dennoch gut gefüllt, so dass Kizu genug zu tun hatte. Naoru hatte es sich wie immer an der Bar gemütlich gemacht und trank einen Cocktail nach dem andern, da Kizu, wenn er zwischen zwei Bestellungen Zeit fand mit den verschiedenen Getränken experimentierte um die vielen Rezepte alle auswendig zu lernen. Naoru fiel nach einer Weile auf, dass der Kleine neuerdings dazu neigte, sich nervös umzublicken und sich nah bei ihm hielt. Als Kizu bereits zum fünften Mal an diesem Abend erschrocken zusammen zuckte, als irgendjemand ihn von hinten ansprach, reichte es Naoru langsam. Er beugte sich herüber zu ihm, packte ihn am Kinn und zog ihn nah an sein Gesicht, so dass er ihn praktisch zwang ihm in die Augen zu sehen. „Was.ist.los?“, fragte er deutlich und blickte ernst in die kristallblauen Augen. „W-was?“, stotterte Kizu nur und tat ziemlich erfolglos, als hätte er keine Ahnung, wovon Naoru sprach. „Du weißt genau, was ich meine.“, erklärte dieser daher ohne Umschweife. Kizu blickte einen Moment lang starr in die Augen des Anderen, dann wand er seinen Blick so gut es ging ab und fixierte irgendeinen Punkt rechts neben ihn. Er spürte förmlich wie ihm das Blut in die Wangen schoss. „Es ist…Naja…ich hab doch früher oft hier…nun gearbeitet und… letztens hab ich halt diesen…diesen fiesen Typen wieder getroffen…und er…er wollte halt…“, stammelte Kizu sich zusammen und wurde knallrot. Naorus Augen weiteten sich. Kizu bemerkte dies und fügte eilig an „I-ich hab ihn natürlich abgewimmelt!“. „Es ist nur…naja…einfach unangenehm, weißt du?“, erklärte er schließlich bedrückt. Naoru setzte sich wieder hin und betrachtete Kizu nachdenklich. „Tut mir Leid. Das ist mein Fehler. Ich hätte mir ja denken können, dass ein Job ausgerechnet in diesem Club etwas problematisch für dich wird…“, formulierte er entschuldigend, woraufhin Kizu energisch abwinkte. „Nein, nein! Das ist ja nicht deine Schuld! Es ist halt nur…, dass ich mich eben ….naja…irgendwie sicherer fühle, wenn du bei mir bist. Deswegen hab ich dich heute mitgeschleift…tut mir Leid.“, murmelte Kizu verlegen. So unangenehm die ganze Situation auch war, Naoru konnte nicht unterdrücken, dass sein Herz einen kleinen Hüpfer machte, als er hörte, dass Kizu sich bei ihm sicher fühlte. Er drängte dieses Gefühl jedoch schnell wieder beiseite und erklärte Kizu, dass das schon in Ordnung ginge und er auch gerne öfters mitkommen könnte, wenn er Zeit hatte. Kizu formte daraufhin ein Lächeln und flüsterte „Danke nochmal…“, ehe er sich zu Naoru herüber beugte und ihm einen kleinen Kuss auf die Wange gab und sich dann wieder mit einem leichten Rotschimmer im Gesicht seinen Getränken zuwand. Naoru war so verblüfft von dieser kleinen Geste, dass er mit der Hand über die Stelle an der Kizus Lippen seine Haut berührt hatten fuhr und ins Leere starrte. Er riss sich jedoch bald wieder zusammen und gewann seine Fassung zurück. Das war nur eine gutgemeinte Geste. Nur eine Geste. Nicht mehr, sagte er sich immer wieder gedanklich und versuchte sein Herz, welches plötzlich nahezu raste, zu beruhigen.
 

Als Kizu endlich seine Schicht beenden konnte und sich müde die Jacke überzog, so dass Naoru und er endlich nach Hause gehen konnten, machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Er erstickte mit der Hand ein Gähnen, als sie beide in die kühle Abendluft hinaustraten und streckte sich ausgiebig. „Kizu?“, hörte er Naoru neben sich sagen und blickte den Anderen interessiert an, da dieser ziemlich nachdenklich klang. „Sag, hättest du vielleicht noch etwas Zeit?“, fragte der Schwarzhaarige ihn. Kizu konnte sich nicht vorstellen, was sie beide um diese Uhrzeit noch unternehmen könnten, aber Sakito wartete sowieso nicht auf ihn, daher nickte er bedenkenlos und blickte sein Gegenüber neugierig an.

Sie fanden sich in einer vollkommen leeren U-Bahn Richtung Stadtrand wieder, in der sie schweigend nebeneinander saßen und in das Fenster ihnen gegenüber blickten, das ihre Gesichter wegen der draußen herrschenden Dunkelheit vollständig widerspiegelten. Kizu war immer noch nicht klüger als zuvor, was das Ziel dieser Fahrt betraf und warf gelegentlich verwirrte Blicke zu Naoru, der mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen dasaß. Die Müdigkeit saß Kizu tief in den Knochen und er spürte, wie ihm langsam die Augen zu zufallen drohten. Naoru, der dies bemerkte, schmunzelte und zog ihn näher an sich ran, so dass er, überrascht durch diese unerwartete Handlung seitens Naorus, plötzlich an dessen Schulter lehnte. Zuerst blinzelte er überrascht, dann jedoch stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen und auch er schloss entspannt die Augen um ein wenig an Naorus Seite zu dösen.

Kurze Zeit später wurde Kizu von ihm jedoch leicht angestupst, denn Naoru versuchte ihn wieder sanft zu wecken, da sie aussteigen mussten. Der Jüngere folgte ihm ein wenig verschlafen aus der U-Bahn-Station, die Treppe hinauf und hinaus auf die leergefegte Straße. Kizu erkannte die Gegend wage. Er war nicht oft am Flussufer. Sich umblickend lief er Naoru hinterher und hatte dabei leichte Schwierigkeiten Schritt zu halten, da die Uferwiesen an der Stelle, zur der der Ältere ihn führte, ein wenig steil waren. Einmal stolperte er fast und wäre gestürzt, wenn Naoru ihn nicht aufgefangen hätte. Von da an hielt der Ältere seine Hand um sicher zu gehen, das Kizu nicht noch einmal fiel. Er nahm dies mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen zur Kenntnis. In letzter Zeit neigte er irgendwie dazu in Naorus Gegenwart rot anzulaufen. Schon seltsam… Er war gerne mit ihm zusammen, kaum ein Tag verging an dem sie sich nicht sahen und dennoch schaffte er es immer wieder ihn aus der Fassung zu bringen. Als sie den Ort erreicht hatten, den Naoru gesucht hatte, ließen sie sich im Gras, welches in der Dunkelheit vollkommen schwarz wirkte, nieder. Ein leichter Windhauch zerzauste ihnen die Haare, während sie so dasaßen. Kizu blickte sich verwundert um und spähte dann herüber zu Naoru. „Wo sind wir hier?“, fragte er ihn neugierig, um subtil den Grund für ihr Hiersein herauszufinden. Naoru lehnte sich leicht zurück und genoss die Ruhe und die kühle Luft. „Hier komme ich immer hin um nachzudenken oder einfach mal abzuschalten…“, erklärte Naoru langsam. Kizu beäugte ihn nachdenklich. „Und… warum…?“, begann er immer noch verwirrt, doch Naoru unterbrach ihn unbeirrt mit den Worten „Ich wollte dir das hier einfach nur mal zeigen. Das ist alles.“. Kizu erwiderte nichts, stattdessen sah er sich näher um. Von hier aus konnte man ungehindert auf den Fluss blicken, welcher von fernen Lichtern auf dem anderen Ufer und dem Mondlicht so beschienen wurde, dass das Wasser flimmerte und funkelte. Selbst dort, wo die Brandung auf Felsen schlug und zerschellte Flaschen und Scherben aus buntem Glas anspülte, wirkte das Szenario beruhigend, da die vielen Splitter in dem Licht ebenso schön glitzerten wie die Sterne. Zudem waren sie an dieser Stelle der Uferwiesen umgeben von Kornblumen verschiedenster Art, die sich sanft in der Brise wogen. „…Es ist wunderschön…“, murmelte er leise. „Ja…wunderschön.“, flüsterte Naoru, allerdings galt sein Augenmerk Kizu und nicht dem Ausblick. Wie in Trance betrachtete er das Glitzern, das sich in seinen kristallenen Augen widerspiegelte, die sich nun ihm zuwanden und ihn fragend anblickten. „Naoru…?“, fragte er verwirrt. Er war ihm plötzlich so nah… Ehe er es so recht registrieren konnte, lag Naorus Hand in seinem Nacken und zog ihn dichter an sich. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander getrennt und Kizu glühte förmlich, so heiß war ihm plötzlich. Er war sich vollkommen im Klaren darüber, dass er gerade im Begriff war von Naoru geküsst zu werden. Was ihm nicht ganz so klar war, war die Frage, ob er einfach zu müde war um zu begreifen, dass hier gerade was falsch lief oder ob es ihn schlicht nicht kümmerte. Naoru betrachtete ihn ernst. Sein inneres Chaos war ihm nicht im Geringsten anzusehen. Während er den Kleineren, dessen Augen ihm neblig entgegenstarrten und dessen Mund leicht geöffnet war, anblickte, kämpfte er innerlich einen erbitterten Kampf gegen sich selbst. Wenn er Kizu jetzt küssen würde, würde er ihn lediglich verwirren. Es war ihm in den letzten Wochen immer schwerer gefallen sich ihm gegenüber zurück zu halten. Kizu schien ganz glücklich mit der gegebenen Lage gewesen zu sein. Er zweifelte keine Minute daran, dass der Kleine nichts weiter als einen Freund in ihm sah. Dennoch wollte er mehr… Es war ihm egal, dass sie das gleiche Geschlecht hatten, es war ihm sogar egal, dass Kizu im Moment in einer festen Beziehung war! Allerdings war es wahrscheinlich, dass er schlicht und einfach alles zwischen ihnen ruinieren würde, wenn er jetzt damit anfing zu seinen Gefühlen zu stehen. Er würde alles nur schwerer für sie beide machen…

Kizus heißer Atem auf seiner Haut rief ihn zurück in die Wirklichkeit der Situation. Als er in diese verhangenen blauen Augen blickte, war sein Entschluss gefasst. Naoru würde seine Prinzipien wohl einfach über den Haufen werfen müssen. Er beugte sich vor, um die Entfernung zwischen ihnen zu überwinden und endlich zu tun, was er sich schon so lange in den Kopf gesetzt hatte. Just in dem Moment, in dem ihre Lippen sich seicht berührten, wurden sie beide unerwartet durch das geräuschvolle und unverkennbare Klingeln eines Handys aus der Stille und der seltsamen Lage, in der sie sich befanden, gerissen. Beide wurden sich durch den plötzlichen Schreck der Situation bewusst und liefen gleichermaßen rot an. Kizu wand sich augenblicklich ab, fummelte in einer seiner hinteren Hosentaschen herum, herhob sich und klappte das Handy auf um den störenden Anruf entgegen zu nehmen. Naoru saß immer noch wie vom Donner gerührt da und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sich ein Loch im Boden auftat um ihn zu verschlingen. Er blickte hinauf zu Kizu, welcher ihm den Rücken zuwand, was Naoru jedoch nicht daran hinderte zu sehen, dass selbst seine Ohrenspitzen inzwischen rot angelaufen waren. „Oh, du bist’s, Sakito…“, erwiderte der Kleinere an sein Telefon gewandt. Irgendetwas in seiner Stimme wies deutlich daraufhin, dass Kizu einen gewaltigen Kloß im Hals hatte. Als er diese Worte sprach, drehte er sich gedankenvoll zu Naoru um und betrachtete ihn einen Moment lang. Dann wand er sich wieder um und führte das Telefonat fort. Nach ein paar nichtssagenden Phrasen und vielen ‚Ja, ist in Ordnung’s verabschiedete er sich mit den Worten „Ja… ich dich auch.“. Er legte auf und atmete zu erst einmal tief durch, ehe er sich auf der Stelle, wo er stand, zu Boden fallen ließ. Naorus Kopf schmerzte plötzlich ganz fürchterlich. „Kizu…hör mal … “, begann er zögerlich, doch er wurde jäh unterbrochen. „Sakito fragt sich schon, wo ich bleibe. Ich glaube, ich geh besser…“, erklärte er hastig und mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Ich bringe dich…“, bot Naoru an, doch sogleich winkte Kizu hektisch ab. „I-ist schon gut! Ich komm schon klar.“, sagte er laut und deutlich und erhob sich geschwind. Er drehte sich nur noch ein letztes Mal um, um ein vages „…bis dann…“ zu murmeln, ehe er vollständig in der Dunkelheit verschwand und eilig den Hügel erklomm. Naoru sank zurück ins Gras und ließ seinen Kopf, der auf einmal unendlich schwer schien, in seine Hände sinken.

‚Idiot‘, dachte er und biss sich auf die Lippe bis er Blut schmeckte. ‚Ich Idiot‘



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