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Fliegen wie ein Stein

Klack machte es.

Sie waren weg. Die Eltern waren außer Haus.

Jimmy war nun ganz allein daheim. Seine Eltern würden zum Banhof fahren und die Oma abholen. Wacklig erhob sich Jimmy vom Boden und tapste vom Flur ins Wohnzimmer. Im Türrahmen blieb er stehen und sah zum Tisch.

Dort stand die Flasche und drei Gläser bereit. Immer wenn die Oma kam gab es für die Erwachsenen dieses Getränk. Papa sagte dazu immer "Sektempfang" Jimmy bekam dann immer ein Glas süßen Saft oder Wasser. Nicht das er sich darüber beschwert hätte. Aber was war eigentlich so besonderes an diesem Getränk?

Vorsichtig löste er sich vom Türrahmen und stolperte über den Teppich auf den Tisch zu. Wenn er direkt davorstand konnte er die Flasche nicht mehr sehen. Er musste sich ganz arg strecken, damit er mit seiner Hand auf den Tisch fassen und nach der Flasche tasten konnte. Endlich erwischte er sie.

Sie fiel um und rollte über den Tisch. Erschrocken zog Jimmy seine Hände zurück. Die Flasche rollte genau auf ihn zu!

Plumps machte es, da saß er schon auf dem Boden, die Flasche in seinem Schoß. Aber er hatte etwas vergessen. Noch einmal musste er sich strecken und über den Tisch tasten. Endlich spürte er es. Kalt lag es in seiner Hand, als er es zu sich herunter zog.

Das lustige Eisenmännchen mit den langen Armen und ohne Füße. Papa benutze es immer, um den Korken aus der Flasche zu ziehen. Jetzt stecke Jimmy das Männchen auf die Flasche, wie er es immer beobachtet hatte, schraubte so lange am Kopf, bis er nicht mehr konnte und drückte die Arme herunter.

Mit einem leisen "Plopp" sprang der Korken aus dem Flaschenhals. Weißer Nebel stieg aus dem Flaschenhals. Jimmy legte das Eisenmännchen mit dem Korken im Rumpf beiseite, um mit dem herausquellenden Dampf zu spielen, doch der war schneller weg als er ihn zu fassen bekam.

Wenig enttäuscht hielt Jimmy seine Nase über die Flaschenöffnung.

Es roch ganz seltsam. Irgendwie wie Mamas Parfüm und trotzdem ganz anders. Nicht so süß, aber gleichwohl in der Nase stechend. Nur das hier schien noch zu prickeln.

Ganz vorsichtig stülpte Jimmy seine Lippen über die Öffnung und hob die Flasche langsam an. Da kam schon der erste Schluck. Schnell setzte Jimmy die Flasche wieder ab und musste sich erst mal schütteln.

Das Getränk biss auf der Zunge und prickelte bis hoch in die Nase! Jimmy fühlte sich, als hätte er sich am Brausepulver verschluckt. Trotzdem wollte er es noch einmal probieren. Die Erwachsenen tranken das immer ohne mit der Wimper zu zucken. Jimmy wollte das auch können.

Also setzte er noch mal seine Lippen auf den Flaschenhals und hob die Flasche an. Diesmal war er vorbereitet. Langsam lies er die ersten Tropfen des Getränks in seinen Mund rinnen und schluckte sie nacheinander.

Aber irgendwann musste er wieder die Flasche absetzen und kräftig husten. So ging das auch nicht. Nach einer Weile biß das Getränk nicht nur in die Zunge, sondern brannte auch in dem Hals.

Trotzdem, Jimmy gab nicht auf!

Vielleicht musste man auch ganz furchtlos einen großen Schluck nehmen? Seine Oma schluckte das immer runter wie er sein Glas Wasser, vielleicht musste er es ja so anstellen.

Wieder legte er seine Lippen über den Flaschenhals und hob die Flasche an. Diesmal so weit, bis ihm ein kräftiger Schluck in den Mund spülte. Jimmy verschluckte sich, stellte schnell die Flasche ab und hustete. Er würgte, doch behielt alles bei sich.

Was war das? Seine Finger schienen zu zittern. Aber das kam sicher von der schweren Flasche. Wenn er sie besser heben wollte musste er sie leichter machen. Am besten indem er noch etwas heraustrank.

Vorsichtig nahm er noch einen Schluck. Sein Mund und sein Rachen waren langsam so wund, das er kaum noch etwas spürte. Also nahm er noch ein paar kleine Schlücke, stellte die Flasche ab und wartete.

Langsam wurde es ihm anders.

Wenn er ganz ruhig war und sich auf seinen Körper konzentrierte, dann spürte er, dass sich etwas änderte. Ihm war ganz leicht zu Mute, so als könne er schweben. Aber gleichzeitig war er erfüllt von einer inneren Schwere, wie ein Stein.

Die nächsten paar Schlücke änderten nichts an diesem Gefühl. Dafür spürte Jimmy noch ganz andere Sachen. Seine kleinen Finger zitterten noch ein kleines bischen mehr und seine Haut prickelte, so als fielen ganz kleine Regentropfen darauf.

Jimmy trank noch mehr aus der Flasche.

Langsam wurde ihm auch im Kopf ganz anders. Wenn er ihn schnell bewegte, um dann plötzlich zu stoppen bekam er ein komisches Gefühl. So wie bei den Boxautos, wenn zwei Autos zusammenstießen. Nur ein bisschen anders...

Jimmy fand das Gefühl lustig. Wenn er noch mehr trank, bekam er dann ein Gefühl wie in der Achterbahn? Er wollte es ausprobieren, also trank er noch mehr. Mittlerweile war die Flasche ein gutes Stück leerer. Und sein Bauch ein gutes Stück voller.

Immer öfter musste er rülpsen, oder bekam Schluckauf. Das machte Jimmy wirklich Spaß, also trank er immer mehr, bis sogar das Zimmer mitschwankte.
 

Die Fahrt hatte kaum länger gedauert als sonst. Die Mutter schloß die Türe auf, legte ihre Schlüßel und ihre Jacke ab und hielt sie dann für ihre Schwiegermutter offen und für ihren Mann, der ihrer Schwiegermutter aus der Jacke half.

"Wir sind wieder da, Schatz.", rief sie. "Jimmy?", rief sie noch mal als keine Antwort kam. Suchend ging sie durch den Flur. "Jimmy? Wo steckst du, Kleiner?" Ihre Schwiegermutter und ihr Mann kamen ihr hinterher ins Wohnzimmer.

Und da war er.

Jimmy lag neben dem Esszimmertisch auf dem Rücken. Neben ihm der benutzte Korkenzieher und in seinen Händen die große, verdunkelte Sektflasche. Kein Tropfen war mehr darin. Und kein Laut kam von Jimmy, der sich schon lange nicht mehr bewegte... atmete... trank... lachte... sein Herz schlug nicht mehr.



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