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Die Geburt

"So eine rote Samtauskleidung bekomme ich nie wieder!"
von

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Teil 1

Nun war es also so weit; Meine Frau, Sarah, sollte nun endlich ihr Kind gebären…

Moment mal, bitte was?

Mir war just in dem Augenblick, in dem mein Sohn Herbert es mir mitgeteilt hatte, also dass Sarah ihre Wehen bekommen hatte, der Gedanke gekommen, dass ich Sarah besser nie kennen gelernt hätte.

Wieso? Nun, wirklich, ich liebe Sarah sehr, doch ich habe schon die Erziehung eines anderen Kindes hinter mir und muss sagen, dass ich mir das ehrlich gesagt nicht noch einmal antun möchte. Zwar sagen einige meiner Verwandten, dass mein Sohn, wenn ich ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte und ihn nicht immer gleich zu seiner Mutter geschickt hätte, mit Sicherheit nicht schwul geworden wäre. Aber daran kann ich nun auch nichts mehr ändern.

Also scheinen einige in meinem Umfeld zu denken, ich sei ein schlechter Vater. Noch ein Grund, besser keine (weiteren) Kinder mit Sarah gezeugt haben zu sollen. Aber was passiert ist, ist passiert. Und sollte es ein Junge werden, werde ich mich halt verdammt noch mal um den Balg kümmern, damit ich mir nicht noch mehr Vorwürfe anhören muss. Mir wäre es auch egal, wenn das Kind wieder schwul würde. Das scheint wohl in der Familie zu liegen. Mein Cousin dreizehnten Grades ist auch schwul. Das kann also gar nicht an mir liegen, schließlich gibt es noch andere Schwule in der Familie, mit denen ich ja gar nichts zu tun habe… hoffe ich zumindest.

Die Leute, die mir sagen, ich habe mich nicht genug um meinen Sohn gekümmert, tun so, als sei schwul sein eine lästige Krankheit, so was wie Windpocken…

Außerdem ist die Diskriminierung von Homosexuellen verboten. Ich selbst habe nichts gegen Schwule, gehe ihnen aber weitestgehend aus dem Weg…
 

Wo war ich stehen geblieben? Oh, richtig. Also, Sarah hatte nun endlich ihre Wehen bekommen. Ich überlegte einen Augenblick, ob ich wirklich mit zu der Geburt wollte. Herbert hatte mich schon am Arm gepackt und zerrte mich in Richtung der Gruft. Gruft!? Sarah würde ihre… also meine… also unsere Kinder, ähm… ich meine natürlich unser Kind in der Gruft gebären? Bitte nicht! Und wenn es sein musste, dann doch bitte nicht auf meinem schönen Eichensarg mit der teuren, wertvollen, beinahe unbezahlbaren, roten Samtauskleidung. Bitte nicht! Die ist ein Unikat, die habe ich schon seit über dreihundert Jahren, das konnte Sarah mir doch nicht antun. Sie wusste, wie viel mir an meinem Sarg liegt!

Das mag jetzt egoistisch und ignorant klingen. Ist es auch. Schließlich würde ich so eine rote Samtausstattung nie wieder bekommen. Kinder gibt es wie Sand am Meer, die kann man kaufen oder auch selbst machen. Liebe Leser, versuchen Sie mal, eine Auskleidung für einen Sarg zu machen, als Laien! Das geht ganz schön ins Geld und in die Zeit. Dann kaufen Sie sich die doch lieber… Und für den Preis können Sie sich auch irgendwo zehn Kinder aus einer verarmten Gegend holen!
 

Aber zurück zum Thema. Ich erspare Ihnen hier an dieser Stelle die Beschreibung des Weges nach unten. Mir war zu übel, als dass ich mich an irgendetwas erinnern könnte. Außer ein paar Worten, die ich hier nicht einmal für die Volljährigen unter Ihnen, liebe Leser, auflisten möchte.

Von oben her hatte ich schon die Schmerzensschreie Sarahs gehört. Nun wusste ich nicht mehr, wer mir mehr Leid tat. Sarah oder ich? Nun, einige von Ihnen werden sicher empört darüber sein, wie ich, der ich ja der Vater des Kindes bin und keine Schmerzen zu ertragen habe, mein Leiden mit dem meiner hochschwangeren, gebärenden Frau vergleichen könnte.

Ganz einfach: Mir war übel, ich konnte nicht mehr grade stehen, ich hatte Herzrasen, mir war unglaublich heiß, ich schwitzte. Meine Frau schrie, als würde sie ein Kind aus sich herauspressen müssen. Oh Moment mal, das musste sie auch… Die Laute, die sie von sich gab, waren meinem Empfinden nach eine Vergewaltigung des Gehörgangs. Zwei Jahre ohne Bewährung wären meiner Meinung nach angemessen gewesen. Außerdem machte ich mir Sorgen um die Auskleidung meines Sarges.
 

Eigentlich ging mir das Kind jetzt schon gehörig auf den Sack.
 

Nun stand ich also neben Sarah. Und zugleich neben meinem Sarg. Was konnte schlimmer als eine mit allen möglichen Körperflüssigkeiten überschwemmte, rote Sargauskleidung aus Samt sein? Richtig, ein Kind…

Sarahs Gesicht war schmerzverzerrt, dicke Schweißperlen liefen über ihr Gesicht und sie weinte. Ich stand beinahe vor einem Nervenzusammenbruch. Da fragte mich Sarah doch tatsächlich aus ihren Schreien heraus: „Breda, was wünschst du dir? Ein Mädchen oder einen Jungen?“

Ich hätte ihr am liebsten eine Gegenfrage gestellt: ‚Pest oder Cholera?’

Das habe ich dann aber doch gelassen. Es war besser so. Sarah hatte sich sowieso mit ihren äußerst scharfen Fingernägeln in meinen Arm gekrallt, wenn ich nun etwas Falsches gesagt hätte, hätte ich nur noch einen Arm. Also ignorierte ich einfach, was meine Frau mich gefragt hatte und sah Herbert weiter zu, wie er die Hebamme spielte.

„Ich sehe schon den Kopf!“, rief er begeistert und hantierte bei meiner Frau da unten rum.

Da sah ich, dass auch Koukol anwesend war und Sarah permanent zwischen die Beine starrte. „He Koukol!“, fuhr ich den Buckligen an. „Starren Sie da unten gefälligst nicht hin!“

Blitzschnell hatte Koukol seinen Kopf weggedreht. Nachdem ich es ihm kurze Zeit später befohlen hatte, war er nach oben in die Eingangshalle des Schlosses gerauscht.

Derweil war das Kind schon halb draußen. Sarah kratzte mir gerade zentimetertiefe Schlitze in meinen Unterarm. Doch die Schmerzen bemerkte ich gar nicht. Der Gedanke, an ein plärrendes Balg war tausendmal schlimmer als alles, was um mich herum passierte. Abgesehen von der Geburt des Kindes. Die war das Allerschlimmste, schon allein, weil ich dabei sein musste!
 

„Es ist draußen!“, kreischte mein Sohn und hatte mit einem Mal ein kleines Kind auf dem Arm.

Der Anblick war für mich unerträglich. Das Kind war überströmt mit allerhand ekelerregend aussehenden Flüssigkeiten, strampelte vor sich hin, schlug um sich und kreischte so laut, dass man es bis nach Afrika gehört haben könnte.

Herbert begutachtete das kleine Knäuel in seinem Arm; „Es ist ein Mädchen!“, frohlockte er.

Mir wurde schwarz vor Augen…



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