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Zigarettenrauch

Zorn
von

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Schmerz

Gerade wollte Daniel den Hinterhof verlassen und sich auf den Heimweg machen, als er noch einmal zurückgerufen wurde: „Daniel? Warte mal.“

Diese Stimme gehörte Marie, er hatte es sofort erkannt. So wandte er sich widerwillig zu ihr um; er wünschte sich Zeit für sich allein, wie er es jeden Tag nach der Arbeit tat, obwohl er es noch jedes Mal bereut hatte. Gerade heute würde er das, denn in seiner Wohnung erwarteten ihn nur Stille und Scherben, doch daran dachte er in diesem Moment nicht.

„Wir wollen noch etwas trinken gehen“, fuhr Marie also fort und lächelte auf eine einladende Art und Weise, welche nicht mehr als subtil bezeichnet werden konnte.

Daniel öffnete den Mund, um abzusagen, doch Laines, der soeben an Maries Seite getreten war, unterbrach ihn: „Komm schon, du gehst sonst auch nie mit. Als kleine Entschädigung für die unterbrochene Probe.“

Bereits bevor sich Daniel geschlagenen geben konnte, blitze ein triumphierendes Grinsen auf Laines Gesicht auf, was Daniel wiederum erzürnte.

Was bildete sich dieser Neunmal klug eigentlich ein?

Fast von allein zogen sich seine Augenbrauen Zusammen und eine erloschen geglaubte Flamme erwachte in seiner Brust zu neuem Leben, um Hitze in ihm zu verströmen.

Glaubte Laines wirklich, er könnte ihn durchschauen, wüsste, was in ihm vorging?

Beinah hätte Daniel abgesagt, nur um dieses Grinsen verblassen zu sehen, doch Laines hatte bereits beschwichtigend die Hände erhoben: „Du musst ja nicht, wenn du nicht willst.“

„Es würde dir aber sicher gefallen“, ergänzte Marie fröhlich. „'Die Schenke' ist ein kleines Gasthaus, rustikal eingerichtet, vielleicht ein wenig düster. Naja, auf jeden Fall schenken sie hauseigenen Wein aus und gute Musik gibt es auch.“

Schließlich entschied sich Daniel nur eine gleichgültige Geste mit der linken Hand zu vollführen, um dann die Arme vor der Brust zu verschränken, worauf hin eine kurze Pause entstand. Es schien, als wüssten Marie und Laines nicht recht, wie sie diese Gesten deuten sollten, bis Laines endlich meinte: „Gut, dann gehen wir. Wir wollten sowieso nicht lang da bleiben, schließlich geht’s morgen wieder an die Arbeit.“
 

„Mit wem habe ich das Vergnügen?“, war Daniels erster und durchaus missgelaunter Satz, als er neben Laines und gegenüber zwei jungen Damen Platz genommen hatte.

Bei einer von ihnen handelte es sich zweifellos um Marie, doch die Schwarzhaarige an ihrer Seite war Daniel völlig unbekannt. Nur eine auffällige Ähnlichkeit in Statur und Gesichtszügen der Beiden sprang ihm ins Auge.

„Das ist Luisa, sie spielt Sarah im Tanz Ensemble. Du solltest eigentlich schon wissen, mit wem du auf der Bühne stehst“, antwortete Marie für ihre Freundin, die Arme vor der Brust verschränkt.

Es war unschwer zu erkennen, dass sie Daniels Verhalten als als grob und unhöflich erachtete, doch das kümmerte ihn selbst wenig.

„Wenn du sagst, sie tanzt im Ensemble, stehe ich nie zeitgleich mit ihr auf der Bühne“, verteidigte er sich daher kühl und ließ den Blick umherschweifen.

Das kleine Gasthaus schien wahrhaftig fast aus Maries vorhergegangenen Beschreibung entsprungen: Es war dunkel möbliert und schwere Vorhänge hingen vor den Fenstern. Daniel vermutete, dass sie selbst bei Tag keinem einzigen Lichtstrahlen Durchlass gewähren würden und so sollten die kleinen mit bunten Frühlingsblumen bestückten Vasen auf den Tischen der einzige helle Schein bleiben.

Ein leises Lachen drängte sich in Daniels Gedankenbahn und hintergründig nahm er Luisas Stimme wahr: „Und den habe ich heute Mittag verteidigt, wirklich unglaublich.“

Das Einzige, was dieser Kneipe zu fehlen schien, um ihr Ambiente zu vervollkommnen, war der schwere Rauch, der wider Erwarten nicht in der Luft hing.

Bei diesem Gedanken griff Daniel in seine Hosentasche, um die angebrochene Packung Zigaretten hervorzuziehen und ließ im Anschluss den Blick suchend über den Tisch wandern: Doch kein Aschenbecher weit und breit.

„Denk nicht mal dran, seit einigen Monaten herrscht in öffentlichen Gebäuden absolutes Rauchverbot. Also auch hier“, unterbrach Laines ihn mit einem Grinsen auf den Lippen, welches Daniel Stimmung nicht zu heben vermochte.

Schon wieder hatte er ihn durchschaut, diese scheinbare Überlegenheit erzürnte Daniel, sodass er kurz darüber nachdachte, mit welchen Worten er dieses süffisante Grinsen auslöschen konnte, doch in diesem Moment trat die Bedienung an den Tisch.

„Was möchten Sie trinken?“, fragte der junge Mann, Routine schwang in seiner Stimme mit.

Laines räusperte sich, um klarzustellen, dass er als erster bestellen würde: „Zwei Gläser Rotwein, für mich und die Dame.“

Hierbei machte er eine kleine Geste in Richtung Luisa, welche Augenblicklich auf die selbe Weise auflachte, wie sie es kurz zuvor bei dem Gedanken an Daniels prüde Art getan hatte und widersprach: „Charmeur. Aber für mich soll es nur ein Wasser sein.“

„Wildfang“, raunte Laines zurück und strich sich das Blondhaar, welches ihm in die Stirn gefallen war, hinter das linke Ohr zurück.

„Nein, Sie müssen den Wein nicht streichen“, lächelte Marie den Kellner freundlich an, „Den zweiten übernehme ich gerne.“

Etwas in den vergangenen Sekunden hatte Daniels Herzen einen Stich versetzt, es schmerzte ihn, doch er wusste nicht, was es gewesen sein konnte. Es schien, als würde er innerlich Bluten und mit dem Blut überschwemmte ihn eine Welle aus Zorn, Hass, den Schmerz zu verscheuchen, Hitzewellen, die ihn übermannten.

Es mussten bereits einige Sekunden vergangen sein, denn nun fragte Marie: „Daniel? Was möchtest du denn trinken?“

Doch es drang nicht bis in sein Bewusstsein vor, er war bereits zu tief im Strom seiner Gefühle gefangen, die ihn immer Tiefer ins Nichts zu reißen schienen. Ein Wechsel von Schmerz und Hass, Hass und Schmerz.

Wie von selbst prallte seine geballte Faust auf der Tischplatte auf und brachte die kleine Vase zum Klirren.

Erschrockene Blicke wandten sich ihm zu, nur Laines' Augen waren leicht verengt, als ahnte er, was in seinem Freund vorging.

„Was möchtest du bestellen?“, fragte er noch einmal schlicht, als wäre nichts geschehen.

Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, bis dieser Satz in Daniels Kopf angekommen war, der sich jedoch ewig in die Länge zu ziehen schien, bis er schließlich antwortete: „Eine kleine Cola für mich.“

Das Zittern hatte er fast zur Gänze aus seiner Stimme verbannt.

Raschen Schrittes entfernte sich der Kellner, um die Getränke zu holen, doch auch das registrierte Daniel bereits nicht mehr, sein Blick ruhte auf dem Blumenschmuck des Tisches. Er hatte seine Wut zurückgedrängt, sie für den Moment besiegt, doch der Schmerz war geblieben und machte ihm diesen Augenblick unerträglich, veranlasste ihn zu dem Gedanken, dieser Weg wäre der schwerere.

Er wollte nicht mehr daran denken, doch es fiel ihm unsagbar schwer, da ihn selbst nicht bewusst war, was diesen überwältigenden Schmerz in seinem Herzen ausgelöst hatte. So zwang er sich, weiterhin die Blumen zu betrachten. Nur noch sie sollten sein Denken erfüllen, das gesamte Sein.

Langsam, ganz allmählich, ließ der Schmerz nach.

„Ist das ein neuer Nagellack?“, schien Maries Stimme aus dem Nichts in Daniels Welt einzudringen.

Offensichtlich hatten seine Begleiter schon längst ein neues Gespräch begonnen und über sein, für sie wohl unverständliches, Verhalten hinweg gesehen.

„Du hast wirklich ein gutes Auge dafür. Aber ich habe auch erwartet, dass es dir auffällt. Der war nicht billig“, lachte Luisa, worauf hin sich auch Laines' Stimme einmischte: „Habt ihr Frauen denn nichts Anderes im Sinn?“

Ein Lachen der beiden Damen war die Antwort, welche Luisa sogleich erläuterte: „Ich denke nicht, dass wir uns das von einem Mann mit langen Haaren sagen lassen müssen.“

Doch es war ihr deutlich anzuhören, dass sie nur scherzte.

„Bitte, ich halte mich schon raus“, gab Laines gespielt beleidigt zurück, konnte sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen.

Als er bemerkte, wie ausgelassen seine Freunde schienen, hob Daniel interessiert, fast neugierig, den Kopf. Er wollte ihre Gesichter sehen, nicht oft zeigten die Menschen in seiner Gegenwart eine solche Ausgelassenheit und Freude.

In diesem Moment kam die Bedienung mit den bestellten Getränken zurück an den Tisch: Zwei Gläser Wein, ein Wasser und eine Cola reichte er den Gästen.

„Vielen Dank“, lächelte Marie ihn an, worauf hin er jedoch nur nickte und sich sogleich eiligen Schrittes entfernte.

Die folgenden Gespräche schienen an Daniel vorbeizuziehen, ohne, dass er sie richtig wahrnahm, hier und da warf er einen Satz ein, doch im Großen und Ganzen weckte keine Thematik sein Interesse. Doch vielleicht war es auch sein Herz, das nun flau und schlaff in seinem Brustkorb zu verweilen schien, welches ihn daran hinderte, sich einzubringen.

So war es bereits nach zehn, als ein Gespräch zwischen Laines und Luisa seine volle Aufmerksamkeit auf sich zog: „Die Musik ist gut, was hältst du von einem kleinen Tanz?“

„Red keinen Unsinn“, war Luisas zunächst kühle Antwort, „Niemand hier tanzt, wie sieht das denn aus?“

„Dann sind wir eben die ersten.“

Als gehörte sein Körper nicht mehr ihm selbst, spürte Daniel jäh, dass er stand. Nur das knarzende Geräusch, welches der Stuhl verursacht hatte, als er über den Holzboden geschoben wurde, dröhnte in seinem Kopf, dazu dieser Satz: „Was hältst du von einem kleinen Tanz?“

Immer wieder schien er sich zu wiederholen, sich in sein Gehirn zu brennen, sein Herz zu erwecken, es erneut in Flammen zu stecken.

Seine Faust hatte sich bereits wie von selbst geballt, um Vergeltung für den Schmerz in seinem Herzen zu suchen, doch etwas hielt ihn davon ab, nach Laines zu schlagen. Er konnte es nicht beschreiben, nicht verstehen, doch jäh schienen alle seine Gedanken zu Enden, in einem endlosen Nichts zu versinken und keine seiner Absichten blieb zurück.

Nur er selbst, allein.

Und als er nun dastand, im Nichts, ohne zu wissen, wie er handeln oder sich verhalten sollte, entschied sich sein Inneres fast gänzlich ohne sein Zutun für die Flucht, welche ihm vertraut schien. Die Flucht vor einer Aussprache, die Flucht vor sich selbst.

Mit einem leisen Klicken fiel die Tür des Gasthauses hinter ihm ins Schloss.
 

Er war zu weit gegangen.

Einige Sekunden lang hatte er schon einen Schmerz im Gesicht erahnt, doch er war ausgeblieben, stattdessen hatte Daniel das Gasthaus rasch und wortlos verlassen.

Er selbst hatte sich noch die Zeit genommen, um den Marie und Luisa zu erklären, dass sie nicht auf ihn warten sollten und ihnen einen Schein für die Getränke gereicht, bevor auch er in die Nacht hinaus getreten war. Leider so verzögert, dass er Daniel schon nicht mehr hatte ausmachen können, doch es gab eigentlich nur einen Ort, an den er sich zurückziehen konnte – und das war seine Wohnung, nicht weit von hier. Und genau zu dieser eilte Laines nun, um seinen Freund noch einzuholen.

Schon nach wenigen Minuten kam die hölzerne Tür des Mehrfamilienhauses, in dem sich Daniel eingemietet hatte, in Sicht, welche gerade von einem dunkelhaarigen Mann aufgeschlossen wurde. Es konnte sich nur um Daniel selbst handeln.

Die letzten Meter rannte Laines zur Tür, um zu verhindern, dass sein Freund hinter ihr verschwinden und sie nicht für ihn öffnen würde.

„Daniel!“, rief er, um auf sich aufmerksam zu machen, doch der Angesprochene schien es nicht gehört zu haben – oder es nicht hören zu wollen. Zumindest machte er Anstalten, die Haustür teilnahmslos zu schließen, als Laines seinen Fuß in den Türspalt schob.

„Was soll das?“, fuhr der Dunkelhaarige ihn an; seine Stimme schwankte, doch ob aus Trauer oder Zorn konnte Laines nicht ausmachen.

Nach einer kurzen Pause, in der er sich ernsthaft fragte, was er damit eigentlich bezweckte, antwortete er: „Ich glaube wir sollten reden.“

„Worüber?“, kam die abweisende Rückfrage von hinter der Tür.

„Worüber?“, es klang ungläubig, fast, als dachte Laines, Daniel würde sich über ihn lustig machen. „Was glaubst du wohl? Vielleicht darüber, was heute Morgen bei der Probe los war. Oder vielleicht darüber, wieso du dich gerade grußlos aus dem Staub gemacht hast!“

„Nimm den Fuß aus der Tür.“

Dieser Satz ließ Laines einen kalten Schauder über der den Rücken laufen: Er hatte völlig ruhig geklungen, beinahe beängstigend ruhig.

Als er nicht antwortete, setzte Daniel noch einmal an, dieses Mal bebend vor Zorn: „Ich habe gesagt du sollst verschwinden!“

Ein unsanfter Tritt beförderte Laines' Fuß aus dem Türspalt, woraufhin sich dieser mit einem lauten Knall schloss.

Einige Sekunden lang geschah nichts, in Laines schien es völlig still geworden zu sein. Daniels Verhalten verletzte ihn tief, doch hatte er es selbst verschuldet, darüber war er sich im Klaren. Doch...

Noch ehe er darüber nachdenken konnte, wie er weiter vorgehen sollte, spürte er seine Fäuste auf Holz schlagen: „Daniel, mach die Tür auf!“

Als keine Reaktion erfolgte, umfing ihn erneut diese Leere, die ihn zu peinigen schien, ihn besiegen wollte, doch eben so rasch, wie sie aufgetreten war, verschwand sie auch wieder. Schmerz nahm ihren Platz ein, erfüllte Laines' Herz.

Langsam, sehr langsam, wandte er sich um und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür, blickte in den dunklen Himmel empor, der nur durch eine nahe Straßenlaterne erleuchtet schien.

„Du bist still geworden“, sagte er schließlich langsam und in normaler Lautstärke. Es war ihm völlig gleich, ob Daniel ihn hören konnte, oder nicht. Vielleicht hatte er sich längst in seine Wohnung begeben und ins Bett gelegt.

„Immer stiller, in den letzten Monaten. Ich habe Angst. Angst, du könntest eines Tages ganz verstummen.“

Dann Stille.

Wieso hatte er sich von der Gelegenheit hinreißen lassen? War es ihm so wichtig gewesen, zu wissen, wie viel er für den Vampir hinter der Tür wert war, so wichtig, dass er selbst ihm gleichgültig geworden war?

Nun war es gleich, zu spät. Und die Antwort auf diese verfluchte Frage hatte er dennoch nicht erhalten; selbst, wenn er es hätte: Er hätte in jedem Fall mehr verloren, als er gewonnen hätte. Doch das wurde ihm erst jetzt klar.

Jäh geschah etwas Seltsames: Die Tür in Laines' Rücken gab nach, sodass er beinahe rittlings in den Hausflur gestürzt wäre.

Verwundert blickte er sich um, doch von Daniel war keine Spur. Die Tür zu seiner Wohnung allerdings stand einen Spalt breit offen, als wollte sie ihn einladen, einzutreten.

Eben dies tat Laines dann auch, jedoch vorsichtig, nicht sicher, welches Ziel Daniel verfolgte, doch als er die Wohnung betrat und noch immer keine Spur von seinem Freund entdecken konnte, war er sich völlig sicher: Er hatte ihm einen Freibrief erteilt, ihm gestattet, in seiner Wohnung zu gehen, wohin er wollte, zu sehen, was immer er gedachte sehen zu müssen und somit auch einen Schlüssel zu seinem Herzen, welches niemand zuvor zu ergründen vermochte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Caro-kun
2008-09-21T15:37:00+00:00 21.09.2008 17:37
Wie du Daniels Gefühle immer beschrieben hast, dass war klasse. Diese Hitzewellen und dieser Hass immer. Echt genial ^^

Und ich fand es toll, dass Laines so versucht ihm zu helfen. Dadurch wird klar, dass er ihm wirklich viel bedeutet ^^

Von: abgemeldet
2007-09-25T19:07:22+00:00 25.09.2007 21:07
Ich mag dieses FF!
Ich weiß zwar nicht wie ich es erklären soll, aber es ist einfach toll.
Mehr kann ich nicht sagen.
Dickes Lob an dich!^^

<Mach weiter so,

h2o/toastviech


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