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Die Sünden eines Engels

von

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Kapitel 1: Vom Tode auserwählt (Ryous Sicht)

Kapitel 1: Vom Tode auserwählt
 

Es war Dezember – eine klare, kalte Nacht, der Schnee lag knöcheltief. Die Straßen waren leer, lediglich ein paar späte Nachzügler streiften über den großen Kirchenplatz. Ihr Atem dampfte geisterhaft in der Luft. Wahrscheinlich drehte sich in ihren Köpfen alles um noch zu besorgende Weihnachtsgeschenke. Sorgen, die ich selbst gerne hätte.

Wie jeden Abend, oder besser gesagt, wie jede Nacht, saß ich auf dem Kirchendach und starrte auf den schneebedeckten Erdboden hunderte von Metern unter mir. Von hier oben wirkten die Menschen wie Punkte auf einem Papier. Doch wenigstens lenkte mich der Anblick des Schnees ein wenig von meinen Sorgen ab, auch wenn es bitterkalt war. Ja, auch wir Engel spüren die Kälte, und sie kann auch für uns mörderisch sein. Mit dem Unterschied, dass wir nicht mehr sterben konnten. Ein Zustand, denn ich bereits oft genug bedauert hatte. Geistesabwesend starrte ich die niederfallenden Schneeflocken an, als mich eine Stimme aus meiner Trance riss.

„Dachte ich’s mir doch, dass du hier bist“, ertönte eine mir nur allzu gut bekannt Stimme hinter mir. „Wir haben dich die ganze Zeit gesucht, wir haben und Sorgen gemacht.“

„Wieso Sorgen? Was soll mir denn schon passieren?“ murmelte ich gerade noch hörbar und sah über meine Schulter hinweg meinen Freund Marik an, der mit langsamen Schritten über das Kirchendach lief und auf mich zu kam. Er schüttelte den Kopf.

„Also wirklich, was machst du auch für Sachen?“ meinte er schließlich, als er bei mir angekommen war und setzte sich im Schneidersitz neben mich. „Ryo, Ryo…“

Leicht genervt zog ich eine Augenbraue hoch. „Was hab ich denn gemacht?“

„Du lieferst eine Seele ab, verschwindest mir nichts dir nichts, meldest dich stundenlang nicht und wunderst dich, wenn ich mir Sorgen mache?“

Ich gab einen langen Seufzer von mir. „Du weist genau, dass ich jeden Abend hier bin, also!“

Ich rutschte ein paar Zentimeter von ihm weg und starrte wieder auf den Kirchenplatz, in der Hoffnung, Marik würde verstehen, dass ich im Moment keine Lust auf Konversation hatte. Doch dem war nicht so.

„Trotzdem! Du benimmst dich immer merkwürdiger, was zum Teufel ist denn mit dir los?“ bohrte Marik nach und musterte mich so durchdringend, dass ich das Gefühl hatte, er wolle meine Gedanken lesen. Ein Glück, dass dies nicht möglich war.

„Hör auf mich anzustarren!“ murrte ich noch genervter. Verdammt, Marik wusste genau, dass ich es hasste, über meine Gefühle zu reden, und dennoch bohrte er immer nach ihnen. Ohne auch nur die geringste Notiz von meinen worten zu nehmen starrte er mich weiter an.

„Nun sag schon!“

„Was?“ stellte ich mich doof. „Was willst du denn hören?“

„Na Beispielsweise die Wahrheit!“ schlug Marik vor und wandte seinen Blick nun endlich von mir ab. Mir entwich ein drittes Seufzen.

„Ach Marik, das Übliche. Ich habe keine Ahnung, wie oft du das noch hören willst!“

Marik lehnte sich nachdenklich zurück und schaute in den Wolkenbedeckten Himmel. „Ach Ryo, daran gewöhnst du dich wohl nie…“

„Hmmm…“ gab ich leise als Antwort und hob meinen Blick ebenfalls in den Himmel. „erklär mir mal, wie man sich daran gewöhnen soll? Jeden Tag das Gleiche, ich bin dafür einfach nicht geschaffen, Marik. Mir geht das noch immer so nach wie am ersten Tag…“

Mein Freund antwortete nicht. Er starrte schweigend in den Himmel. Ich wusste, dass auch er nicht wirklich von unserem „Job“, wenn man es denn so nennen konnte, angetan war, doch er konnte es wenigstens verstecken. Eine Eigenschaft, die ich an mir selbst schmerzlich vermisste. Zu meinen Lebzeiten hatte meine Großmutter mich oft ihr „Offenes Buch“ genannt, denn egal was mir durch den Kopf ging, es war mir immer sofort anzusehen. Und es ist unnötig zu erwähnen, dass es sehr lästig war, wenn man mit einem Problembeladenen Kopf nach Hause kam und ständig dazu aufgefordert wurde, seine Probleme preiszugeben. Rein gar nichts konnte ich verbergen. Und eben diese Eigenschaft war mir letztendlich zum Verhängnis geworden und hatte mir schließlich sogar das Leben gekostes…

„Also, wenn ich das richtig deute, geht dir mal wieder einer deiner Aufträge durch den Kopf, nicht wahr?“ unterbrach Marik schließlich das Schweigen und blickte mich dabei wieder an. „Ist es das Mädchen?“

Schwermütig nickte ich. „Sie war noch so klein und unschuldig. Ein wirklich süßes Mädchen. Ich frage mich, warum gerade ich sie aus dem Leben reißen musste…“

„Du hast sie nicht aus dem Leben gerissen!“ widersprach Marik mir sofort und funkelte mich dabei ernst an. „Du hast lediglich ihre Seele erlöst, sonst nichts!“Doch diese Worte beruhigten mich nur wenig. Sicher, ich war nicht derjenige gewesen, der Schuld an ihrer Krankheit war, doch im Grunde hatte ich zu ihr gesagt, sie solle mit mir kommen. Und genau dadurch war sie ja nun tot.

„Marik, sag mir, hast du nicht auch oft das Gefühl, dass das, was wir tun, überhaupt nicht sein müsste? Wie kommt man dazu zu entscheiden, wer das Recht auf weiterleben hat, und wer nicht? Wieso muss ein Kind mit 7 Jahren sterben und dabei auch noch so lange leiden? Wieso?“

Wieder schwieg Marik. Ich konnte nicht sagen, ob es ein nachdenkliches oder ein ratloses Schweigen war. Nach wenigen Sekunden sagte er:“ Das kann ich dir nicht beantworten Ryou. Aber um etwas klar zu stellen: Dich trifft keine Schuld! Du tust nur das, was dir aufgetragen wird, genau wie wir anderen auch.“

Dieses mal schwieg ich. Möglich, dass Marik recht hatte, doch besser fühlte ich mich noch immer nicht. Im Gegenteil. Je mehr ich darüber nachdachte, desto schuldiger fühlte ich mich. Ist es verwerflich, eine Seele in das Jenseits zu bringen, wenn es für den Körper an der Zeit ist, zu sterben, obwohl man es verhindern kann? Wie oft ich mir diese Frage schon gestellt hatte konnte ich nicht sagen. Doch sie fühlte sich mit jedem mal quälender an. Und noch quälender war für mich die Tatsache, dass niemand darauf eine Antwort kannte.

Gerade wollte Maik etwas sagen, als ihm eine andere Stimme zuvor kam.

„Hey ihr zwei, ihr werdet gebraucht!“

Wir wirbelten umher. Plötzlich erschien hinter und eine attraktive, junge Frau mit blonden Haaren. Mai. Ich schreckte zusammen. Ihr Auftauchen bedeutete in der regel nichts Gutes. Sie war sozusagen die Botin meiner Chefin, der Todesgöttin. Wann immer verstand, welche Seele in das Jenseits gebracht werden sollte, tauchte Mai auf, um den Engel zu benachrichtigen, der dafür zuständig war. Und dass sie bei uns auftauchte, bedeutete, dass entweder Marik oder ich gehen musste. Oder aber auch wir beide. Und so war es auch.

„Mai?“ fragte Marik und stand auf. „Was gibt’s?“

Mai sah uns, und ganz besonders mich, wehmütig an. „Dasselbe wie immer, wenn ich euch besuchen komme, einen Auftrag.“

Erneut schreckte ich zusammen, obwohl ich damit gerechnet hatte. Ich hatte gehofft, heute Nacht nicht noch einmal losziehen zu müssen.

„Die Herrin verlangt sofort nach euch!“ drängte Mai und warf mir einen Blick zu, den ich nicht zu deuten vermochte. „Es geht um einen wirklich wichtigen Auftrag.“

Marik stupste mich mit seinem Fuß an, als wolle er sagen „Kopf hoch“ und verschwand schließlich im nichts. Mai nickte mir zustimmend und mit unglaublich ernster Mine zu, dann verschwand auch sie. Nun saß ich wieder alleine auf dem Kirchendach, doch ich musste gehen. Die Herrin würde es nicht dulden, wenn ich fern blieb. Schwer seufzend und mit leicht wässrigen Augen stand ich auf und schloss die Augen. Als ich sie zwei Sekunden später öffnete stand ich in einem großen, dunklen Raum, der lediglich von schwachen Kerzenlichtern erhellt wurde.

„Da seid ihr ja, es wurde Zeit!“ erhob sich eine ungeduldig klingende und furchtbar erhabene Stimme.

„Verzeiht Herrin, ich hatte Schwierigkeiten, die beiden zu finden!“ entschuldigte sich Mai und kniete vor einem riesigen Thron am Ende des Raumes nieder, der vollkommen in der Dunkelheit lag und den Blick auf die Person darauf nicht freigab. Auch Marik sank auf die Knie und blickte ehrfürchtig zu Boden. Mit langsamen Schritten näherte ich mich dem Thron und sank schweigend neben Marik auf die Knie, ebenfalls zu Boden blickend. Wie sehr ich es hier doch hasste. Dieser dunkle Raum machte mir irgendwie Angst.

„Schon gut!“ kam es nun vom Thron und ein Schatten erhob sich von ihm. Die Person kam näher und trat schließlich aus der Dunkelheit. Es war unsere Herrin Ker, die Todesgöttin, von der wir sämtliche Aufträge bekamen. Sie war Diejenige, die die Seelen auswählte, die in das Jenseits gebracht werden sollten. Und sie wählte auch Diejenigen aus, die diese Aufgabe erfüllen sollten. Es mag hart klingen, doch dafür hasste ich sie. Ich hasste diese Person. Doch Glück für mich, dass sie dies nicht wusste, sonst würde ich sicherlich nicht mehr unter den Engeln weilen, sondern im Fegefeuer schmoren. Und das war der Albtraum jeden Engels.

„Ich habe euch rufen lassen, weil ich eine Aufgabe für euch habe!“ erklärte Ker und schritt dabei erhaben von links nach rechts, als wären wir Hunde, die den Bewegungen ihrer Herrin mit den Augen folgen sollten. Dann, ganz plötzlich, lief sie an uns vorbei zu der Wand, die gegenüber ihres Thrones lag. Vor einem großen, goldenen Spiegel blieb sie stehen. Ich schauderte, wie jedes mal, wenn ich dieses Ding sah. In diesem Spiegel zeigte sie uns immer die Person, deren Seele wir als nächstens in das Jenseits bringen sollten. Und da sie sowohl Marik, als auch mich gerufen hatte, waren es mindestens zwei Menschen, die wir diese Nacht in den Tod geleiten sollten. Nun gut, vielleicht auch drei, Mai war schließlich auch noch da.

Ker drehte sich um und zu uns. „Kommt her!“ befahl sie. „Ich werde euch nun offenbaren, welche Seelen ihr in das Jenseits geleiten werdet!“

Gleichzeitig standen wir drei auf und liefen wie befohlen zu ihr. Mit strenger Mine musterte sie jeden einzelnen von uns. Möglich, dass ich es mir nur eingebildet habe, doch ich hatte das Gefühl, als würde sie mich ganz besonders durchdringend mustern. Spürte sie etwas meine Zweifel, oder vielleicht sogar die Abneigung, die ich ihr gegenüber empfand? Ich wusste es nicht, jedenfalls fuhr sie wenige Sekunden später fort.

„Dieses mal werden es drei Seelen sein, die sterben, und jeder von euch wird eine davon übernehmen!“ Erklärte sie, als wären wir Anfänger, die zum ersten mal jemanden sterben sahen. „Ihr wisst, dass ich Tränenreiche Lieferungen nicht mag, also reißt euch zusammen!“

Leise knurrte ich und ballte meine Hände zu Fäusten. Lieferungen? Sie redete von Seelen ja gerade zu so, als wären sie Pakete, die man abgibt und die dann für einen aus der Welt geschafft und vergessen sind. Doch Seelen sollten nicht einfach so aus der Welt geschafft werden. Und erst recht sollten sie nicht in Vergessenheit geraten!

Ker drehte uns den Rücken zu und wandte sich ihrem Spiegel zu, ohne auf mein Knurren zu Reagieren. Ich bezweifelte, dass sie es überhört hatte, denn sie hatte wahnsinnig gute Ohren. Andererseits konnte es mir nur recht sein, wenn sie mir jetzt keine Standpauke hielt.

„Ryou!“ donnerte sie und riss mich so aus meinen Gedanken. „Diese Person werde ich dir übergeben, also sieh sie dir gut an!“

Mein Blick wanderte sofort zum goldenen Spiegel. Das Spiegelbild meiner Herrin verschwand in einem Wirbel von Farben, eher eine andere Person auf dem Spiegel erschien. Ich blickte auf die glatte Oberfläche des Spiegels.

Mich traf der Schlag. Das Bild zeigte einen weißhaarigen Mann, den ich Anfang zwanzig schätzte, mit rehbraunen Augen und entschlossenem Blick. Ich weis nicht warum, doch sein Blick fesselte mich. Mein Herz fing an mit jedem Schlag zu rasen, mir wurde furchtbar heiß, sodass ich das Gefühl hatte, zu glühen. Dieser Mann faszinierte mich abgöttisch…
 

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So ich weis, das Kapitel ist lang, Gomen!!!! >.<

Ich hoffe, es gefällt euch, obwohl ich ehrlich gesagt mit dem Schluss net ganz so zufrieden bin. Werde es vielleicht nochmal etwas überarbeiten…

Also dann, vielen Dank fürs lesen und über Kommis würde ich mich sehr freuen, auch über kreative Kritik. Das nächste Kapitel folgt so schnell wie möglich.

Bis dahin, Sayonara

Shandia_Thalia



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-09-04T14:36:06+00:00 04.09.2007 16:36
hi.
also:
mir hat das kapitel super gefallen.
ich fand den schluss gut, weis garnicht was du hast.
und die länge ist perfekt.
kann auch gerne was länger sien, stört mich nicht.
*grins*
hast du auf jedenfall super gemacht.
hoffe das es schnell weitergeht.
~bakuras_sakura~


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