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Sangre

The Stories of a very different Cocktailbar
von

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Stories of a Barkeeper - Alejandro

Mein Name ist Alejandro Diego Garcia, oder einfach nur Al. Ich bin mittlerweile 46 und meine Haare werden langsam vollständig grau. Ich bin keiner dieser jungen Schönlinge, und gegen die Fältchen in meiner Haut helfen wohl bald keine Antifaltencremen mehr, doch ich habe auch so meine Vorzüge. Zum einen bin ich ein genialer Barkeeper und Besitzer der wohl besten bar überhaupt, und zum anderen bin ich Vater zweier wundervoller Töchter, die mir mein Leben bedeuten. Außerdem habe ich eine Geschichte zu erzählen, eine, die es wert ist zu hören. Sie ist verzwickt und dreht sich um viele Menschen in meiner Umgebung, um Freunde und Verwandte aber auch um eine Bar, in der letztendlich jede Geschichte ihr Happy End findet.
 

Chile – 38 Jahre zuvor
 

Ein kleiner schwarzhaariger Junge saß in der prallen Mittagshitze auf den breiten, steinernen Stiegen vor einem wichtigen Regierungsgebäude. Niemand bemerkte ihn, denn er war von oben bis unten mit Dreck verschmiert und wirkte einfach nur wie ein armer Bettler der, wie tausende andere, um sein tägliches Brot kämpfte. Dieser Junge war jedoch anders. Sein Name war Alejandro, und in seinen dunkelbraunen, fast schwarzen Augen spiegelte sich eine bittere Entschlossenheit wieder.

Vor zwei Wochen waren seine Eltern plötzlich verschwunden, als er abends vom Spielen mit anderen Kindern nach Hause kam. Es war keine Seltenheit, dass Menschen verschwanden, doch der kleine Alejandro hätte nie erwartet, dass irgendwann auch seine Familie abgeholt werden würde. Er wusste jedoch, dass Menschen, die einmal verschwanden, auch weg blieben. Teilweise holten SIE ganze Familien, welche dann nie wieder gesehen wurden. Wer SIE waren, dass hatte man ihm noch nicht erklärt, doch er wusste, dass SIE irgendetwas mit der Regierung zu tun hatten.

Nun saß er also hier, einsam, aber mit einem Plan. Er würde einen dieser feinen Männer ausfragen und dann seine Eltern suchen und zurückholen, sollten diese noch leben.

Von irgendwo hörte er Stimmen. Sie klangen ausländisch und sehr fremd. Zwei Männer mit weißen Hüten und Kameras gingen an ihm vorbei, warfen ihm ein paar Münzen zu, machten Fotos und gingen fröhlich schwatzend weiter. Alejandro war verwirrt. In seinem Heimatdorf sah man nie Touristen wie diese, doch was ihn noch mehr verwunderte, war dieses ausländische Geld. Seltsame Zeichen und Muster waren eingraviert. Weder Englisch noch Spanisch oder irgendeine andere ihm bekannte Sprache. Trotz allem zuckte er nur die Schultern und steckte die Münzen in seine linke Hosentasche. Die Einzige, die noch nicht durchlöchert war. Nun sah er einen der feinen Herren, die ihm helfen sollten seine Eltern zu finden. Er war sichtlich nicht von hier. Seine Haare waren blond, seine Haut hell und seine zähne blitzten im Sonnenlicht wenn er grinste. Alejandro rannte auf ihn zu. „Señor! Warten Sie! Ich habe eine Frage!“, rief der Junge ihm aufgeregt in seinem besten Englisch zu. Der feine Mann drehte sich zu ihm um und betrachtete ihn abschätzend, während er eine Sonnenbrille aus einem Etui fischte und sich aufsetzte. Er schien Anfang 30 zu sein, und er gehörte definitiv zu den Männern, für die manche Frauen hier alles tun würden.

„Was willst du Kleiner? Brauchst du Geld?“, fragte der Schönling, der offensichtlich an Bettler gewohnt war. „Nein, Señor, ich habe eine Frage, wenn Sie erlauben!“, antwortete Alejandro, dessen schwarzbraune Augen so erwachsen und reif wirkten, dass sie nicht auf ein so junges Gesicht zu passen schienen. Der Blonde sah kurz Auf seine goldglänzende Armbanduhr und seufzte leise. Mit einem gutmütigen, wenn auch leicht genervten Gesichtsausdruck sah er sein junges gegenüber an, und sagte: „Junge, hör mal, ich habe nicht viel Zeit. Ich bin ein viel beschäftigter Mann und ich möchte einfach nur noch nach Hause zu meiner Frau und meiner Tochter. Aber weil es dir so wichtig scheint, erlaube ich dir genau eine Frage. Nur eine!

Alejandro wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht wie viel Glück er hatte dem blonden Mann begegnet zu sein und nicht sonst jemanden. Jeder Andere hätte ihn wohl einfach ignoriert. Angespornt durch die Freundlichkeit des Regierungsmannes, fackelte er nicht lange. „Señor, vor zwei Wochen sind meine Eltern verschwunden. Ich will wissen wo sie sind. Ich will zu ihnen!“

Der Blonde wurde bleich. Ohne zu Antworten zog er den Jungen weg von der großen Treppe an den Rand, wo weniger Leute standen. „Wenn deine Eltern verschwunden sind, dann kommen sie nie wieder. Such nicht nach ihnen! Erwähne nie ihre Namen! Nenne auch niemandem den Namen deiner Familie! Wenn du leben willst, dann verschwinde von hier und komm nie wieder zurück!“

Diese Worte trafen Alejandro wie ein Blitzschlag. Laut diesem Mann gab es keine Hoffnung mehr, doch er verstand nicht warum. Was passierte nur mit all denen, die nie wiederkehrten? Ob man sie getötet hatte? Und wenn ja, warum? Und warum musste auch er von hier weg? Er hatte nie jemandem etwas Böses getan.

Seine Gedanken wurden je unterbrochen. Eine schrille Sirene ertönte, und ließ jeden Menschen von seiner Tätigkeit inne halten und sich umsehen. Schüsse ertönten, und Alejandro konnte gerade noch sehen wie ein Jeep um eine Kurve raste, auf dem Männer mit Pistolen und Jagdgewehren auf Menschen schossen, ehe der blonde Mann ihn mit sich zu Boden zog. Mit vor Schrecken geweiteten Augen sah der Junge wie ein paar bewaffnete Männer ein junges Straßenmädchen schnappten und sie wegzerrten. Die anderen prügelten und schossen sich durch die Menschen, die teils am Boden liegend, teils vor Schock erstarrt, immer noch auf den Straßen waren. Sie stürmten in das Regierungsgebäude, und immer wieder hörte man Schreie und weitere Schüsse.

Alles ging so erstaunlich schnell, dass Alejandro die unzähligen Eindrücke kaum verarbeiten konnte. Und wieder spürte er, wie er weggezogen wurde. Der Blonde schleifte ihn weg vom Gebäude und immer weiter, bis in eine abgelegene, verschmutzte Hinterstraße, in der sich Katzen mit riesigen Ratten um halb verdorrte Abfälle stritten, die ihr Überleben bedeuten könnten. „Ich denke, du solltest jetzt noch schneller weg von hier. Diese Stadt ist kein guter Ort zum Aufwachsen, doch kann ich dir leider nicht helfen. Ich bin selbst nur ein normaler Mann, und ich muss mich um meine eigene Familie kümmern. Dennoch…ich kenne jemanden, der dir weiterhelfen könnte. Sein Name ist Ignatio Garcia, er ist Barkeeper im Süden dieser Stadt. Sag ihm, du bist ein Freund von Tom Goodchild und brauchst Hilfe. Ich denke er wird schon wissen was zu tun ist.“, erklärte der Mann eilig, dafür aber mit durchdringender Stimme. Er wusste nicht, warum er diesem Jungen half, doch er handelte nach seinen Instinkten, die ihn bis jetzt nie enttäuscht hatten. Es war wohl einer dieser glücklichen, unerwarteten Zufälle, die man sich nicht erklären konnte, die aber etwas in Gang setzten, etwas Großes, dass die Welt verändern konnte. In diesem Fall änderte es das Leben eines Kindes und das, zahlreicher anderer Menschen die durch ihn die Chance bekamen etwas zu verändern.

„Ignatio garcia…Tom Goodchild…verstanden!“, war Alejandros kurz abgehackte Antwort. Sein gegenüber nickte, klopfte ihm auf die Schultern und ging die Straße entlang seines Weges. „Die Bar heißt „Salvation“! Vergiss das nicht!“, rief er Alejandro noch zu, ehe er in einer weiteren Seitengasse verschwand.

Nun lag es an Alejandro sein leben selbst in die Hand zu nehmen.

Er wusste noch nicht, dass er Tom Goodchild wieder begegnen würde, und auch nicht, welchen entscheidenden Wechsel seines Lebens er herbeigeführt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-08-19T16:18:54+00:00 19.08.2007 18:18
also ich muss schon sagen Süße, extrem gut geschrieben.
Die Zeit und die Location wurden sehr gut getroffen und auch lebendig beschrieben. Man konnte sich richtig in die Story hineinversetzen.
Ich hoffe mal, dass das nächste Kappi bald folgt ^^


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