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Der Suizidmord

Ein märchenhafter Krimi
von

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Computermäuse

Eine alte Tür. Eine alte vermoserte Tür.

Wir standen da vor einer Tür, die bestimmt seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurde.

„Meine Liebe, sind Sie sich sicher, dass wir hier richtig sind?“

„Völlig, mein Lieber. Völlig!“
 

Fr. Dr. Brosi klopfte an, doch ihr Klopfen wurde ganz vom Moos geschluckt.

„Lassen Sie mich das machen, meine Liebe. Jannes, holen Sie ein Metallrohr und schlagen Sie damit gegen die Tür! Ich stelle derweil meinen Arm Dr. Brosi zur Verfügung, sollte sie sich festhalten wollen.“

Jannes kräuselte sauer die Nase. Na klar, der Alte ließ ihn mal wieder die Drecksarbeit machen. Er suchte sich ein Metallroh, was es hier zu genüge gab, da wir uns am Monrepos Schloss befanden. Ein ohrenbetäubender Schlag erdonnerte und Jannes lag bewusstlos am Boden.
 

„Mit soviel Kraft hätte er nun auch nicht zuschlagen müssen.“

„Der arme Junge, aber man hat uns sicher gehört.“

Eine Zeit lang passierte einfach nichts und wir standen da, wie bestellt und nicht abgeholt. Doch plötzlich begann die Tür unter Knarren sich langsam zu öffnen und ein alter Mäuserich mit weißem Bart kam zum Vorschein. Dr. Brosi trat vor.
 

„Guten Abend. Wohnt hier ein Herr ‚Alteweber’?“

„Ja, aber der ist nicht mehr im Geschäft, sollten sie dafür gekommen sein.“ Der alte Mäuserich schaute uns finster an, doch Fr. Brosi ließ sich nicht beirren und fragte tapfer weiter:

„Können wir nicht persönlich mit ihm sprechen?“

„Nein, er ist gerade beschäftigt mit ein paar Mäusen, die ihn einfach belästigen.“

„Bitte, er kann sich doch sicherlich zehn Minuten für uns Zeit nehmen.“

„Tut mir Leid, aber nein. Kommen Sie einfach nie wieder. Guten Abend!“

Der kauzige Alte war schon im Begriff die Tür unter großem Kraftaufwand zu schließen, als Jannes Stimme ertönte:

„Bitte Herr Weber. Sie müssen uns helfen. Es geht hier um ein junges, unschuldiges Mädchen. Bitte, wir brauchen Ihre Hilfe!“

„Hm, nun gut. Kommen Sie rein, und kleiner Mäuserich! Du kannst mich einfach den alten Weber nennen.“
 

Der alte Weber wohnte unter dem Monrepos Schloss in den Fundamenten. Unsere Mäusescharr musste sich durch Wurzeln und Erde kämpfen, die sich über die Jahrhunderte ihren Weg hier runter gebahnt hatten. Schließlich erreichten wir die warme Wohnstube. Großartiges gab es hier nichts zu sehen. Der Boden war mit alten grünen Teppichen ausgelegt – einer hässlicher als der andere. An den Wänden hingen alte Sepiabilder und Zeitungsartikel. An einer Ecke war ein offener Kamin eingebaut, zu dem passend zwei Sessel standen und ein kleiner runder Tisch. Mehr gab es in diesem schmuddeligen Raum nicht.
 

„Setzen Sie sich!“, bot bzw. befahl uns der alte Weber. Er selbst wählte einen Platz in einem der Sessel. Rutschte seinen Hintern in die richtige Position und schaute wartend zu, wie wir anderen das Platzproblem lösten.

Fr. Dr. Brosi bekam als Dame natürlich den Platz im zweiten Sessel. Kommissar Wendelborn setzte sich auf den kleinen Tisch und Jannes dürfte als Assistent sich mit dem Boden lieb nehmen.
 

Als nun alle ihren mehr oder weniger behaglichen Sitzplatz hatten, begann der alte Mäuserich zu fragen:

„Also, fangen sie an. Weswegen rauben Sie mir meine Zeit?“

Dr. Brosi rutschte etwas in ihrem Sessel vor und begann zu erzählen: „Wir untersuchen einen Selbstmordfall und haben beim Opfer Indizien gefunden, denen wir nun versuchen nachzugehen-“

„Sie wollen also herausfinden, warum das Opfer sich selbst umgebracht hat? Schon über Depressionen nachgedacht? Die meisten beenden deswegen ihr Leben“, unterbrach sie der alte Weber unhöflich.

„Sie wurde laut Zeugenaussagen in den Selbstmord getrieben beziehungsweise dazu gezwungen“, antwortete Kommissar Wendelborn an Stelle von Dr. Brosi und war sichtlich angesäuert: „Wir müssen nun den Täter finden, der höchst wahrscheinlich mit dem Opfer verwandt war.“
 

„Sehen Sie, Herr Weber. Wir haben hier eine Nummer einer Behandlung von vor fünfzehn Jahren. Es war eine künstliche Befruchtung der Mutter des Opfers, allerdings kann es sein, dass Mutter oder Vater davor anderswo bereits mal ein Kind hatten. Leider wissen wir nicht, was mit diesem Kind geschehen ist, wie es heißt und wo wir es finden. Deswegen brauchen wir Sie. Es heißt Sie seien einer der kompetentesten Computerexperten hier im Landkreis und wir müssen an Informationen kommen, die selbst mit einem Durchsuchungsbefehl verborgen bleiben. Bitte, helfen Sie uns.“
 

Fr. Dr. Brosi hatte sich richtig in Rage geredet und schaute nun den alten Weber flehend an. Dieser konnte wohl den braunen, großen, leicht tränenden Kulleraugen von Fr. Dr. Brosi nicht wiederstehen und kräuselte nachdenklich die Nase.

„Nun, ich würde Ihnen wirklich sehr gerne helfen, aber das Problem ist, dass ich nicht mal einen Computer anschalten kann.“

„Was?!“ Fr. Dr. Brosi war erstaunt aufgesprungen.

„Aber laut Polizeiakte von Major Strolch, haben Sie der Polizei schon öfters geholfen.“
 

„Nun, das nicht direkt ich, aber ich bin der Ansprechpartner vom Werner Strolch. Kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen den kleinen Hacker.“

Der alte Weber erhob sich nun mühselig aus seinem Sessel, streckte seinen alten Knochen und begann an der Pathologin und dem Rest von uns vorbei zu schlurfen. Er verschwand in einem anderen dunklen Tunnel. Uns blieb nichts weiteres übrig als ihm zu folgen. Der Tunnel – miefend und stinkend – endete in einem großen Raum in dem – man glaube es kaum – ein Laptop stand.

Auf der Tastertur des Laptops sprang eine kleine Maus hin und her , während sich auf dem Bildschirm zwei Ninjas bekämpften.
 

„Ja! Komm‘ her du. Ich hab‘ dich gleich, jetzt mach‘ ich dich fertig.“

Der alte Weber räusperte sich kurz und sagte:

„Andrea, wo ist dein Bruder?“

Die kleine Maus erschrak, verhakte sich mit einem Füßchen an einer Taste und stürzte kullernd auf uns zu.

„Hallo Opa“, sie schaute kurz fragend zu uns, dann wieder zum alten Weber, „ähm, der Andi, der ‘isch geraaaade… auf dem Klo. Du weißt schon, dass da hinten, unter den Kabeln und Lehrbücher über EDV und so.“

Sie schaute während sie das sagte überall hin, nur nicht zu uns.

„Schon gut, Andrea. Das sind Kunden für euch. Hol‘ bitte deinen Bruder.“

Die kleine Maus musterte uns nochmal kritisch und rannte davon.
 

Wenige Minuten später rannte sie wieder her, aber diesmal im Schlepptau mit einer zweiten Maus, die genauso aussah wie sie. Bloß irgendwie männlich.

„Nun gut“, grummelte der alte Weber, „das sind meine beiden Enkel Andrea-“ das Mädchen machte einen Knicks „-und Andreas.“ Der Junge hob einfach die Pfote leicht zurBegrüßung und ließ sie dann wieder cool in der Hosentasche verschwinden. Er hatte eine dieser neumodischen Hip Hopper Hosen an, die erst unterm Hintern begannen.

„Fr. Dr. Brosi wird euch gleich die Einzelheiten erklären. Ich mach‘ währenddessen ein Nickerchen.“
 

Er drehte sich zu Fr. Dr. Brosi um und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung der Zwillinge an, ruhig sich den beiden anzuvertrauen.

Jannes hingegen beugte sich zu Kommissar Wendelborn und fragte ihn flüsternd: „Warum wohl die beiden so ähnliche Namen haben?“

„Weil ich sie manchmal nicht auseinander halten kann“, rief der alte Weber bereits aus dem Tunnel: „da nenn‘ ich sie einfach beide Andi und warte welche Stimme weiblich ist und welche männlich.“

Er verschwand in der Dunkelheit. Selbst sein Schlurfen wurde von ihr geschluckt.

Jannes blickte nun zum Laptop, auf dessen Tastatur nun die beiden jungen Mäuse bereits saßen und zeitweise etwas eintippten.

„Nun Fr. Brosi. Was sollen wir für die rausfinden?“, fragte Andreas, ohne dabei seinen Blick vom Bildschirm zu lassen.
 

„Erstmal, ob der Vater oder die Mutter noch ein weiteres Kind haben. Möglichweise vor der Zeit der Ehe.“

„Also die Eintragungen im Stadtarchiv sowie Rathaus und Kinderheime zeigen nichts. Auch nichts auf den früheren Nachnamen von Fr. Prächtinger.

Andrea kicherte leise: „Sie hieß Schlüpfer mit Nachname und mit Vorname Rosa. Da hätte ich aber auch so schnell wie möglich geheiratet.“

„Sucht bitte weiter“, sie drehte sich zu uns anderen um und fragte nun nachträglich:

„Was wissen wir denn eigentlich über diesen mysteriösen Bruder? Er soll südländischer Abstammung sein, über dreißig Jahre alt und unehelich.“

„Wenn er etwas mit dem gestreckten Kokain zu tun hat, dann könnte er aus dem Balkangebiet stammen“, bemerkte Kommissar Wendelborn.

„Andis, könntet ihr bitte nach früheren Reisen von vor ca. dreißig Jahren schauen bei beiden Eltern?“, wandte sich Jannes an die Zwillinge.

„Wird gemacht“, kam im Chor.
 

„Der Vater-“

„er heißt Hans Dieter-“

„hatte vor seinem Studium als Ingenieur erstmal ein Jahr lang in Europa herumgereist.“

„Mit verschiedenen Organisationen wie Brot für die Welt und so.“ Hat in ärmeren Ländern mitgeholfen.“

„Er war auch im Balkangebiet zur Krisenzeit-“

„Genauer gesagt im heutigen Kroatien.“

„Kann sein-“

„Dass er dort eine Affäre hatte-“

„Mit einer Einheimischen.“
 

„Denken Sie, Fr. Brosi, dass Herr Prächtinger von dem Kind wusste?“

„Eventuell. Aber als Jugendlicher ist man sehr leichtsinnig. Es könnte sein, dass es nur Liebe für eine Nacht war. Da merkt man die Konsequenzen nicht so leicht.“

„Vielleicht doch. Wir könnten schauen, ob er vielleicht Geldsummen ins Ausland überwiesen hat oder Briefkontakt mit der Einheimischen hielt“, Jannes überlegte schon fieberhaft wie man an diese Informationen kommen könnte.

„Jannes, nehmen Sie bitte Kontakt mit Fräulein Gebur auf und sagen Sie ihr, dass sie nochmal die Wohnung nach Briefen, die aus Kroatien bzw. Balkangebiet kommen, durchsuchen lassen soll.“

„Der Vater hat auch ein Ingenieursbüro in Möglingen“, rief Andrea uns zu.

„Das Ingenieursbüro auch. Es könnte sein, dass er seiner Familie nichts von dem eventuellen Kind gesagt hatte.“

„Und Jannes! Fräulein Gebur soll bitte doch auch das Tagebuch, den Kalender, das Hausaufgabenheft und das Notizbuch von Nina besorgen, sollte irgendetwas von diesen Dingen existieren“, meldete sich Fr. Dr. Brosi noch zu Wort.



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