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¡Un caso criminal que pone todo de cabeza!

The Human Weapon [ZoSa]
von

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The Time-Bombed Skyscraper – Ten Seconds

The Time-Bombed Skyscraper – Ten Seconds
 


 

Laut hallte der Schuss an den Wänden wider und der leise Aufprall der Hülse war zu hören. Ohne einen Aufschrei stolperte McKenna zurück, fiel gegen den Pfeiler und rutschte an ihm hinab. Eine rote Blutspur zog sich als senkrechte Linie über den Beton hinweg, bis er auf dem Boden saß. Er streckte den Kopf in die Höhe und Zoro konnte sehen, wie der Coroner die Zähne aufeinander biss, dennoch war kein Laut der Qual zu vernehmen.

Zoros Blick wanderte zu Jefferson, der keuchend die Waffe in der Hand hielt. Er hatte die Augen weit aufgerissen und sah ungläubig zu dem Coroner. Langsam ließ er die Arme wieder sinken und setzte einen Schritt zurück. Er schüttelte lediglich leicht den Kopf und bewegte stumm die Lippen.

Mit einem abwesenden Blick starrte Zoro zurück zu dem Blonden, der sich die Hand auf den Bauch presste. Zwischen seinen Fingern quoll eine rote Flüssigkeit hindurch und verlief sich auf seiner Hand oder fraß sich in den blauen Stoff des Overalls. Er verfärbte sich an dieser Stelle zu einem dunklen Violett, welches sich in den Fasern wie eine rote Pfütze ausbreitete, die von dem Regen gesättigt wurde und begann daraufhin zu wachsen. Das flüssige Blut auf dem Overall glänzte in dem mäßigen Sonnenlicht wie Lack.

Das Blut, welches sich munter über McKennas Handrücken und Finger schlängelte und verästelte, tropfte auf den, bis dahin sauberen Stoff, wie Regentropfen und verwickelte das Blau in ein weiteres Farbenspiel, welches dieser Aufforderung nachkam und das Rot gierig aufsog.

Langsam wandte sich Zoro wieder Jefferson zu, der begann zittrig zu lächeln und zu kichern. Es war kein ungläubiges und fassungsloses Kichern, sondern ein genießerisches, sadistisches und psychopathisches Glucksen, welches mit Blutlust geschwängert war und an einen Mörder erinnerte, der seine Opfer vor der Schlachtung leiden ließ und dies in vollen Zügen genoss.

Während seiner jahrelangen Arbeit beim FBI war Zoro eines klar geworden: Der Mensch war kein Tier. Er war schlimmer.

Die meisten Mörder, die er verhaften ließ, hatten ihre Opfer gequält, hingerichtet und die Leichen in irgendeiner Form weiter verwendet. Er hatte vieles gesehen, was ihm den Atem stocken, aber nicht an seiner Berufswahl zweifeln ließ. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich bestätigt.

Was er zu Gesicht bekam, hätte jeden anderen in den Wahnsinn getrieben, er jedoch hatte gelernt, damit zu leben.

Zumeist waren es die Täter an sich, die ihn entsetzten. Verheiratete Familienväter, die einen angesehenen und gutbezahlten Beruf ausübten und mit beiden Beinen fest im Leben standen, waren nicht anders als alkoholabhängige Männer, die von der Gesellschaft abgeschrieben waren und soziale und psychische Probleme hatten. Sie unterschieden sich in keinster Weise.

Bis jetzt hatte er noch niemanden angeklagt, der nicht in die Psychiatrie eingeliefert oder mit einem lebenslangen Zuchthausaufenthalt bis hin zur Elektrokution oder Giftspritze bestraft wurde. Allerdings wurden die Urteile nur in den beiden Fällen vollstreckt, die ihn emotional auch am meisten ergriffen hatten.

Zoros Atem stockte, als er wieder zu Jefferson sah. Der Wahn, gepaart mit Genuss, spiegelte sich in dessen Augen wider und das Kichern und Lachen wurde lauter. Er umklammerte das Griffstück der Pistole mit beiden Händen und legte einen Finger um den Abzug, hatte die Waffe immer noch gen Boden gerichtet.

Niemand sagte etwas, sondern blickte stumm umher und versuchte es zu vermeiden einen Laut zu erzeugen. Nur als McKenna die Luft zwischen den Zähnen hindurch presste, wurde die Stille unterbrochen.

Schnell fiel Zoros Blick auf den verletzten Coroner. Schweißperlen hatten sich auf dessen Stirn gebildet und er hatte das Gesicht schmerzlich verzogen.

Zoro wäre auf den blonden Mann zugelaufen, wenn Jefferson ihn nicht mit einem apathischen Blick gemustert hätte.

Er schluckte kurz und spürte, wie seine Kehle schmerzte und brannte. Es fiel ihm schwer, die Situation objektiv zu betrachten und seine Ansichten auszublenden.

Er sah zu Nami, in deren Gesicht eine Angst stand. Nicht aber die Angst um sich selbst, sondern um McKenna. Sie setzte bereits zu einem Eingriff an, bis ihr Blick auf Zoro fiel, der stumm den Kopf schüttelte.

Er war nicht bereit, auch noch sie in Gefahr zu bringen, wenn er Jefferson bei der passenden Gelegenheit versuchte zu entwaffnen.

Besagter hob wieder die Hand und hielt sich die Waffe vor die Augen. Während er sie betrachtete drehte er sein Handgelenk, um die Pistole von allen Seiten begutachten zu können. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er sah wieder zu McKenna, der ihm keuchend entgegensah.

Jefferson ging auf den Blonden zu und streckte den Arm aus.

Zoro riss entsetzt die Augen auf und seine Finger wurden taub. In seinem Kopf überschlugen sich die Bilder. Bilder, die er selten hatte. Eigentlich nie. Panik stieg in ihm auf und er verachtete dieses Gefühl. Mit seinen Augen folgte er Jeffersons Gang.

Bei jedem Schritt hallte eine Art Schall durch den Raum. Es klang, als ob Metall auf Metall schlug, welches jedoch von irgendetwas gedämpft wurde. Je näher er dem Blonden und somit dem breiten Betonpfeiler kam, desto lauter wurde das Geräusch. Es hallte an ihm wider und verlieh dem Raum eine eigenartige Atmosphäre.

Das Grinsen in Jeffersons Gesicht wurde breiter und furchteinflößender. Es stand nicht mehr auf der Kippe zum Wahnsinn, sondern hatte diese Grenze bereits überschritten. Als der Lauf, welcher im Sonnenlicht glänzte, die Stirn des Coroners berührte, kam dieser vor ihm zum Stillstand.

McKenna blickte emotionslos auf und presste die Hand stärker auf die Wunde. Keine einzige Regung zierte das Gesicht des Blonden, der lediglich keuchte und die Luft scharf einsog. Sein Gegenüber legte den Kopf schräg und kicherte leise.

Zoros Sicht verschwamm plötzlich und er kniff die Augen zusammen für einen kurzen Augenblick. Die Dunkelheit war angenehm und drohte ihn wieder mitzureißen. Er hätte sich ihr hingegeben, wenn er sich nicht in dieser Situation befunden hätte. Als er seine Augen wieder öffnete, sah er zuerst zu McKenna hinüber.

Sein Blick war erhaben.

„Knall mich doch ab, wenn du den Mumm dazu hast“, sagte McKenna mit erstickter Stimme und lächelte höhnisch.

Es war keine leere Aufforderung, das wusste Zoro. McKenna war kein Mensch, der so etwas befahl, obwohl er es nicht so meinte und das weckte irgendein seltsames Gefühl in Zoro.

„Was ist?“, fragte der Coroner und seine Stimme wurde kratzig. „Fehlten Ihnen doch der Mut?“

Jefferson schnaubte und drehte die Waffe in eine Schräge, ohne dass der Lauf den Kontakt zu McKennas Stirn unterbrach. „Sie sind lebensmüde, was?“

„Nein. Sagen wir, ich sehne mich nach dem Tod!“

Was?!

Der Blick, mit dem Jefferson den Blonden fixierte war skeptisch geworden. Anscheinend hatte er mit so einer Antwort nicht gerechnet, sondern wollte eine Bestätigung, die aus Angst entstand und das Gegenteil meinte, oder eben eine Verneinung hören, aber nichts der Gleichen wurde erfüllt. McKenna meinte es ernst.

„Also, ist es Ihnen gleich, ob ich sie verschone oder das Hirn wegpuste?“, Jeffersons Stimme war angespannt und brüchig. Er war verunsichert, was sich auch durch das starke Zittern der Arme und Lippen zeigte. Mit der leeren Hand ballte er eine Faust.

Wütend und nervös.

Eine wirklich bedenkliche Konstellation. Jemand, der unsicher war und eine Waffe besaß, reagierte schnell über und griff alles an, was sich nur irgendwie bewegte und jemand der wütend war, hatte auch keine Skrupel, der Zielscheibe das Leben auszuhauchen. Wie gesagt: Eine ganz schlechte Mischung.

McKennas Überheblichkeit machte ihn wütend und seine fehlende Bereitschaft um sein Leben zu kämpfen nervös.

Wäre keine schlechte Strategie, wenn neben uns keine Bombe ticken würde...

„Sie können mich auch mit einer Kettensäge in Streifen schneiden“, antwortete McKenna und lächelte kurz. „Was sollte ich dagegen haben?“

Jeffersons Augen wurden größer und sie suchten schnell den Raum ab.

„Sie könnten mich natürlich auch aus dem Fenster schmeißen, dann sparen Sie sich die Kugel.“

„Schnauze!“ Die Knöchel der Hand, die die Waffe hielt, wurden weiß. „Halten Sie die Schnauze, verdammt!“

Die andere Hand entspannte sich, löste die Faust und er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Einige Schweißperlen rollten bereits an seinen Wangen hinunter oder tropften von seiner kantigen Nase. Das Zittern der Unterlippe versuchte er zu unterbinden, indem er sich auf die Lippe biss, was jedoch nur mäßig gelang, denn sein gesamter Unterkiefer zitterte und war trotzdem angespannt. Sicherlich waren die Muskeln schon zu steif, dass sie als Reaktion darauf leicht bebten.

Er hatte Angst.

Angst war sogar noch unvorteilhafter, als Nervosität, zumindest für die anderen. Wenn er Jefferson nicht in den nächsten Sekunden entwaffnen würde, käme es sicher zu einem unkontrollierten Amoklauf und den konnten sie in dieser Situation nicht gebrauchen.

„Jefferson, legen Sie den Revolver auf den Boden“, rief Zoro in einem ruhigen, ungewohnt angenehmen Ton. „Hören Sie auf!“

Beschwichtigend hob er die Arme, außerdem zeigte er dadurch, dass er unbewaffnet war. Er stellte also keine Gefahr dar.

„Maul halten!“, brüllte Jefferson, senkte trotzdem die Waffe und trat einen Schritt nach hinten. Dennoch lockerte er nicht den Griff um das Geschoss.

„Ich weiß, Sie wollen hier raus, aber wenn Sie wahllos jemanden erschießen, können Sie das vergessen“, sagte Zoro und ging ein Stück auf den Bewaffneten zu, der erschöpft die Augen schloss, den Kopf hin- und herwiegte und die Lippen bewegte. Offensichtlich äffte er Zoro nach.

Plötzlich riss Jefferson wieder die Augen auf und zielte erneut auf McKenna. „Sie wissen gar nichts!“

Abgrundtiefer Hass in der Stimme, Unsicherheit in den Gelenken und Muskeln und Angst in den Augen. Er war unberechenbar. Zoro wusste nicht, wann und ob Jefferson schießen würde, aber er wusste, dass sich sein Zorn über McKenna entladen würde.

„Legen Sie die Waffe hin!“

„Ja, hören Sie auf den Mann, der hat immerhin Ahnung“, mischte sich der Coroner grinsend ein.

Fassungslos starrte Zoro den Blonden an. Wieso musste er jetzt etwas sagen? Wenn er Glück hatte, schoss ihm der monströse Mann gleich das Gehirn aus dem Schädel und nicht erneut in den Bauch, aber Jeffersons Fähigkeiten mit einer Feuerfaustwaffe umzugehen waren augenscheinlich nicht die besten.

„Du!“, zischte der Riese. „Ich baller' dir dein beschissenes Grinsen auf der Visage!“

Mit diesen Worten streckte er den Arm explosionsartig aus, zielte auf den Kopf von McKenna und drückte ab.

„Nein!“, schrie Nami in diesem Moment, als jemand von hinten auf Jefferson zu sprang und nach hinten zog. Der Schuss ging an die Decke und die Patrone bohrte sich in den Beton. Ein wenig Putz bröckelte von oben herab.

Jefferson stolperte nach hinten und verlor das Gleichgewicht. Er stürzte auf den Boden und der Revolver flog aus seiner Hand, drehte beim Wegrutschen Kreise und blieb ein kleines Stück vor Zoros Füßen liegen.

Schnell bückte Zoro sich und hob ihn auf. Bevor er ihn zurück in den Halfter steckte, sicherte er ihn und stellte fest, dass das Metall komplett zerkratzt war.

Überrascht starrte er zu den beiden Leuten, die auf dem Boden lagen. Jefferson wollte sich gerade erheben, als er von einem anderen Mann einen Schlag ins Gesicht verpasst bekam.

„Sie knallen meinen Bruder nicht ab!“, schrie der Junge laut und seine dunklen Augen glänzten.

Fernando?!

Von seinem Gegenüber kam kein Wort, sondern nur Schweigen.

Fernandos Blick war glasig und zornig zugleich. „Sie verdammtes Schwein!“

Als er dieses Mal auch wieder keine Antwort oder eine Rechtfertigung erhielt schüttelte er fassungslos den Kopf. „Verrecken Sie doch!“

Zoro beobachtete sie noch einen Moment und sah, dass Fernandos Augen sich mit Wasser füllten. Mit einem kräftigen Schniefen versuchte er offensichtlich zu verhindern, dass andere sahen, wie traurig und wütend er war.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Zoro, wie Nami hinter ihm vorbei auf den Coroner zurannte.

„O Sanji“, schluchzte sie und ging vor ihm auf die Knie. „Hast du starke Schmerzen?“

McKenna schüttelte den Kopf, aber Zoro konnte ihn schwer und laut atmen hören. Des Weiteren sprach sein Gesicht Bände. Es war nass und glänzte matt.

„Es geht“, antwortete er knapp.

Mit schnellen Schritten ging Zoro auf den Blonden zu, kniete sich ebenfalls vor ihm hin und packte ihn an den Schultern. „Erzählen Sie nicht so eine Scheiße! Sie hatten verdammt viel Glück.“

„Finden Sie?“, fragte der junge Mann mit einer unterschwelligen Aggressivität in der Stimme.

„Ja, sonst hatte man Ihr Hirn vom Beton abkratzen können!“

McKenna schwieg und sah ihn nachdenklich an.

Zoro ließ ihn wieder los und griff nach dem Schieber des Reißverschlusses des Overalls und zog ihn nach unten.

„Was machen Sie da?“, fragte McKenna schnell und riss die Augen auf.

„Sehen, wie durchlöchert Sie sind“, sagte Zoro knapp und ließ den sonst so eloquenten Coroner verstummen. „Also, Klappe jetzt!“

Je weiter sich die Krampen öffneten und die nackte Haut darunter freigaben, umso mehr Rot kam zum Vorscheinen. McKenna trug wirklich kein Shirt.

Als er den Reißverschluss bis zum Lendenbereich geöffnet hatte, starrte er direkt in eine rote Lache, die sich durch sämtliche Rottöne zog. Dort, wo eigentlich die Ausbuchtung des Magens nach links war, befand sich jetzt ein dunkles Loch.

Während Zoro sich auf die Unterlippe biss, nahm er seine Hand und griff um den Blonden rum. Vorsichtig legte er sie auf den Rücken, auf die gegenüberliegende Seite des Einschusses. Er fühlte, dass der Overall dort ebenfalls nass war und zog seine Hand zurück. Noch hatte er ein wenig Hoffnung, dass es Schweiß oder ähnliches war, als er sie jedoch vor sein Gesicht hielt, starb diese in einem Sekundenbruchteil. Seine Hand war blutbeschmiert.

Durchschuss!

Hätte er auch wissen müssen, da an dem Pfeiler, an dem der Coroner hinabgerutscht war, eine rote Blutlinie prangte.

„Scheiße!“, fluchte er laut und sah in McKennas Gesicht, der ihm emotionslos entgegenblickte, ehe er begann zu lächeln.

„Tja, dann sterbe ich hier vielleicht, bevor die Bombe detoniert!“

Zoro musste sich zusammenreißen, um dem Blonden nicht mit einer Ohrfeige zur Räson zu bringen. „Halten Sie endlich mal die Fresse! Ist Ihnen Ihr Leben denn gar nicht wert?“

„Soll ich jetzt die Fresse halten oder antworten?“

Der Kerl verlangte quasi danach, dass Zoro ihm den Arm oder sonst etwas brach. Vielleicht den Kiefer?

„Hören Sie damit auf!“, schrie er den Verletzten zornig an. „Lassen Sie das sein!“

McKenna sah ihn aus kalten Augen an. Die Kälte war furchterregend. Sie fesselte ihn und schnürte ihm die Luft ab. Ließ ihn an der Menschlichkeit und dem Überlebenswillen McKennas zweifeln.

„Sie werden hier nicht draufgehen“, sagte er bestimmt und er war sich sicher, dass er für einen kleinen Moment, einen Sekundenbruchteil, Fassungslosigkeit und zugleich eine Art Freude in den Augen des jungen Mannes erkennen konnte.

„Ach ja?“, fragte der Coroner in seiner gewohnten Art und von dem kurzen, kaum sichtbaren Emotionswechsel war nichts mehr zu sehen. „Wie wollen Sie denn die Tür aufmachen?“

Betreten und nachdenklich blickte Zoro gen Boden und versuchte eine Lösung zu finden, bis er zwei Gestalten sah, die sich aufrichteten. Alison und Jermaine.

Er drehte seinen Kopf und starrte in ihre Richtung. Sein Sohn stützte das Mädchen, das bleich und kraftlos in seinen Armen hing. Seine Tochter sah aus, als hätte man sie versucht zu ersticken oder zu ertränken. Obwohl bei dem Anblick, der sich ihm bot, dass zweite wahrscheinlicher gewesen wäre.

Ihr Gesicht glänzte wie das McKennas in der Sonne, aber sicher nicht nur vor Schweiß, sondern überwiegend vor Tränen. Ihre Haare waren nass und klebten an der Haut.

Jermaine hingegen versuchte scheinbar stark zu bleiben und streichelte ihr beruhigend über den Kopf.

„Nun?“, fragt McKenna und musterte seinen Gegenüber. „Keine Antwort ist auch eine Antwort.“

„Hier geht keiner drauf“, antwortete Zoro nachdem er von Jermaine ein kurzes aufbauendes Lächeln erhielt. „Kapiert?“

„Nein“, begann der Blonde, musste aber eine kurze Pause einlegen, um zischend die Luft zwischen die Zähne zu ziehen. „Wie wollen Sie uns hier rausbringen?“

„Meinetwegen schlage ich die Wand ein!“

„Das Gebäude ist sehr instabil“, konterte McKenna und ließ ihn ins Leere laufen. „Eine fehlende Wand ... eine Stütze, könnte erhebliche Folgen haben.“

„Sanji?“, rief Fernando unsicher und stürzte auf seinen Bruder zu. „¡Por favor!

Zoro war irritiert. Der Junge bittet ihn um etwas?

¡Quite!“, zischte der Blonde und presste sich die Hand stärker auf den Bauch. Er rutschte etwas mit dem Oberkörper am Pfeiler nach links und der geöffnete Overall gab seine rechte Schulter frei. Die Schulter, die vor einer Woche bei ihrer Jagd über den Asphalt mit dem Scharfschützengewehr durchschossen wurde. Um die Schulter war ein weißer Verband gebunden und eine darüber liegende Stützvorrichtung schränkte die Bewegungsfreiheit stark ein, weil die über die Schulter hinaus die Hälfte des Oberarmes schonte. Die Stütze bestand aus zwei grauen Platten, eine lag vorne auf der Vorderseite, die andere sicher hinten und beide waren mit Klettverschlüssen verbunden und aneinander befestigt. Sie Platten waren stärker, nicht aus Plastik oder etwas anderem, leicht zerstörbarem Material, sondern deutlich massiver. Unter den Stützen konnte Zoro ebenfalls stützenden Stoff erkennen, wie eine Art Polster das nur unter den Platten war, um sie nicht direkte auf die Haut zu pressen. Um den Oberarm befand sich allerdings eine Manschette, eine andere als die, die er kannte. Sie war dicker, stabiler und war ebenfalls mit den Platten durch Klettverschlüsse verbunden.

„Sie waren beim Arzt?“, fragte Zoro und deutete auf die Schulter. Mit einem Nicken wurde seine Frage beantwortet.

„Ich will noch nicht sterben, ¡por favor!“, sagte der Junge ruhig, während sein Gesicht verzweifelte Züge annahm und die Tränen unterdrücken musste. „Nicht jetzt! Nicht nach einem so langen Kampf. No podís morir. No después...“

Er brach plötzlich ab und sah entsetzt zu Zoro hinüber, der ihn verwirrt ansah. Er verstand nichts. Überhaupt nichts und der Junge wollte es offensichtlich auch dabei belassen. Außerdem hatte er vergessen die Sprache komplett zu wechseln. Was geht hier eigentlich vor?

Der Junge schien verwirrt und der fehlende Wechsel ließ darauf schließen, dass er zweisprachig erzogen war.

„Sanji?“, fragte er noch einmal und bettete seine Hand an McKennas rußigen Wangen, zwang ihn so ihn anzusehen. Ihr Blickkontakt hielt nur wenige Sekunden, bevor der Coroner die Hand wegschlug.

McKenna sah sofort zur Seite und biss sich auf die Unterlippe, er schien nachzudenken, ehe er Fernando mitleidig ansah und zu dem jungen Mädchen blickte, das immernoch auf dem Boden lag. Der Junge schien es zu bemerken und drehte seinen Kopf ebenfalls in ihre Richtung.

„Bitte“, sagte Fernando brüchiger Stimme.

In diesem Moment fragte Zoro sich wirklich, in welcher Verbindung sie standen. Immerhin wohnten sie gemeinsam in einer Villa, schienen aber nicht verwandt zu sein. McKenna war hellhäutig, eigentlich weiß und hatte blondes, wirklich blondes Haar und die anderen Beiden waren dunkelhäutig, wirkten eher wie sonnengebräunte Menschen, die in Miami lebten. Nicht wie Afro-Amerikaner, dazu waren sie noch zu hell, eher wie Hispanisier.

„Bitte!“ Die Stimme des Jungen nahm an Kraft und Aggressivität zu. „Bitte!“

Der Blonde fuhr sich mit der blutbeschmierten Hand durch die Haare, dessen Strähnen sich sofort rot färbten. „Ist doch eh egal, ob jetzt oder nachher... sterben werde ich sowieso!“

„Nein!“, brüllte der Junge sofort zurück und ballte die Hand zu einer Faust. „Ich lass dich nicht draufgehen! Das habe ich dir schon mal gesagt!“

„Halt den Mund!“, zischte der Coroner mit seiner rauen, angeschlagenen Stimme leise. Obwohl ihr die Kraft und die Lautstärke fehlte, die Fernandos umso mehr hatte, schien sie ihn einzuschüchtern und ließ ihn verstummen.

McKennas Blick wurde wieder kalt und stechend, durchbohrend. Er wirkte wie der einer Person, die bereits getötet hatte und vor einem weiteren Mord nicht zurückschrecken würde.

Zoro wusste einfach nicht, was er von dem Coroner halten sollte. In den letzten Tagen hatten sich die Ereignisse überschlagen und er war sich sicher, dass sie alle dasselbe Ziel verfolgten. Er wusste nicht genau, ob sie, er und die anderen, oder nur McKenna das Angriffsziel waren. Er wusste auch nicht, wo er den Blonden einordnen sollte.

Verdammte Scheiße!

Fernando erhob sich kopfschüttelnd, nach Fassung ringend. „Also gibst du auf?“

„Was heißt 'aufgeben'?“, stellte der Ältere als Gegenfrage. „Das 'kämpfen' hätte ich gleich sein lassen sollen.“

Was zur Hölle? Der Staatsanwalt war überfordert. Zwar sprachen sie Englisch, aber es machte keinen Unterschied. Er verstand nichts. Außerdem wusste er nicht einmal, ob diese Tatsachen die Situation noch zusätzlich verschärften.

Fernandos Gesicht wurde rot und er riss die Augen auf, scheinbar um zu verhindern, dass ihm Tränen über die Wangen rollte. Schnell beugte er sich vor, während die Arme nach vorne schossen und seine Hände den Kragen des Overalls packten. Mit einem wütenden Schrei riss er den Blonden nach oben. Durch diese Bewegung der Hände, die eng aneinander standen, wurde der offene Stoff scheinbar geschlossen. Es sah so aus, als wäre der Reißverschluss nie geöffnet worden.

Kraftvoll donnerte er den Verletzten gegen den Pfeiler. McKenna zischte schmerzhaft und Fernando presste seinen Oberkörper gegen den des Coroners.

Der Junge war ein kleines Stück größer. Vielleicht eins achtzig.

„Sag das noch einmal!“, bellte der Dunkelhäutige zornig und er schlug den Älteren erneut mit dem Rücken gegen den Beton. „Sag es!“

Zoro sprang sofort auf und wollte gerade dazwischen gehen, als er ein Lächeln seitens McKenna vernahm.

„Natürlich“, sprach der Blonde ruhig und wirkte deutlich überlegen. „Was sie nicht schaffen, das schaffst du! Mach so weiter und sie werden ihren Willen bekommen...“

Schlagartig ließ der Junge sein Gegenüber los, der wieder kraftlos zu Boden sank. Rasch schlug er sich die Hände vor das Gesicht, stolperte rückwärts und fiel nach hinten über. Unsanft landete er auf seinen Hintern und Zoro konnte hören, wie er schniefte und schluchzte. Er weinte.

¡Lo siento muchísimo!“, brachte er unter Tränen hervor und Zoro fühlte sich mittlerweile wie in einem Irrenhaus. Die Gefühle sämtlicher Beteiligten liefen Amok. Jefferson eröffnete dieses Spektakel eindrucksvoll und nun führte Fernando den ersten Akt auf. Er hatte wenig Lust zu wissen, wen es danach treffen würde, aber eines hatte diese Situation bewiesen: Menschen waren in ihren letzten Minuten – vorausgesetzt sie wissen, dass es die letzten sind – am emotionalsten. Es war beängstigend und es wäre ein Wunder, wenn sie durch die Explosion sterben würden und sich nicht vorher umbrächten.

„Zweiundsiebzig Minuten und dreiundvierzig Sekunden“, murmelte Nami und sah ihre Armbanduhr flehend an, als wollte sie versuchen die Zeiger rückwärts laufen zu lassen. Es war eigentlich nur eine Feststellung, aber diese lenkte die Aufmerksamkeit entscheidend auf dieses Thema.

„Die Tür kriegen wir nicht auf?“, fragte Alison nach und erhielt sofort ein gemurmeltes 'Nein' als Antwort.

„Dad“, platzte Jermaine heraus und zerschnitt die unangenehme Stille. „Ich habe keinen Bock zu verrecken! Das ist nicht korrekt, Digga!“

Zoros Nerven fuhren Achterbahn. „Kannst du nicht wie ein normaler Mensch reden?!“

„Willst du mir in meinen letzten Minuten noch sagen, wie ich mich zu benehmen habe?“

„Möglicherweise“, bestätigte Zoro die Frage gereizt. „Jetzt halt den Mund! Wir werden sowieso nicht sterben!“

„Ihr Wort in Gottes Ohr“, raunte Jefferson, der sich ächzend den Staub von seinem Jackett klopfte und dabei hoffnungslos lachte. „Wenn Sie uns hier rausholen, baue ich Ihnen ein Denkmal aus Gold!“

„Silber reicht, danke“, gab Zoro zurück und sah wieder zu McKenna. „Ziehen Sie den Overall aus!“

„Was?!“ McKenna zog die Augenbrauen skeptisch in die Höhe. „Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt!“

„Ach, Quatsch!“, rief der Staatsanwalt empört. „Ich brauche Stoff, um Ihre Blutungen zu stillen!“

„Reicht da nicht ein Ärmel aus?“, fragte der Blonde nach und seine Wangen nahmen einen rosigen Farbton an. „Ich muss doch nicht gleich nackt sein, oder?“

Gequält verzog Zoro das Gesicht. Sicherlich reichte das, aber er war nervös und dies bedeutete, dass sein Mundwerk schneller als sein Gehirn war. „Natürlich. Entschuldigung!“

Peinlich berührt griff er nach dem linken Arm des Jüngeren und streckte ihn aus. Mit aufeinander gepressten Lippen besah er sich die Länge des Ärmels und seufzte anschließend enttäuscht.

„Das wird nicht ausreichen“, murmelte Zoro und dachte in diesem Moment fieberhaft und panisch über den Verbleib seines Jacketts nach. Wo zur Hölle ist das Teil?

„Ich brauche etwas anderes,... längeres“, fügte er hinzu und rieb sich nachdenklich die Stirn. „Fuck!“

Schulterzuckend wischte sich der Blonde mit einer blutbeschmierten Hand über die Wange und färbte sie in ein sattes, kräftiges Rot. „Verlieren Sie besser nicht zu viel Zeit.“

Ungläubig und entsetzt starrte Zoro sein Gegenüber an und ihm entglitten die Gesichtszüge.

Er wusste nicht, warum McKenna sich so gab. Möglicherweise versuchte er seine Angst zu überspielen oder er war wirklich emotionslos, bereit für den Tod oder des Lebens müde.

„Halten Sie endlich die Fresse!“, keifte Zoro und suchte sich hektisch um, bis er schließlich aufsprang und begann sein Hemd aufzuknöpfen, was schwieriger war, als anfangs gedacht. Seine Hände zitterten und ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus.

Er machte sich Sorgen. Weniger um die Bombe, die munter ihre verbliebene Zeit zählte, sondern um den durchlöcherten Coroner, dessen Blut sich freudig aus dem Körper schlängelte.

„Hier!“, rief ihm plötzlich jemand zu und hielt ihm eine graue Stoffjacke unter das Gesicht, die von Schmutz und Dreck beinahe schwarz war. Perplex sah er in die Richtung, aus der der Arm kam und erkannte seinen Sohn, der ihm sein Kleidungsstück anbot. „Von Innen ist sie weitestgehend sauber.“

Nickend nahm er die Jacke entgegen und kniete sich wieder vor den Blonden. „Wenn Sie jetzt schreien, brech' ich Ihnen den Kiefer!“

Dies sagte er nicht nur, um zu verhindern, dass ein schmerzhafter Schrei die Umstehenden in Panik versetzen würde, sondern auch weil ihm McKennas Art gehörig missfiel und er war sich sicher, dass er absichtlich kreischen würde, nur um ihm zu beweisen, dass er sich keine Befehle erteilen ließ.

„Uh, ich zittere“, zischte der Coroner, der gespielt die Hände hob und diese bewegte, als würden sie vibrieren. „Sie machen mir richtig Angst.“

„Sagen Sie“, begann Zoro zähneknirschend, als er den Schieber des Reißverschlusses des Overalls nach oben, bis zum Brustbein schob. „Müssen Sie irgendetwas kaschieren?“

„Ihr Naivität entzü-“, zischte der Coroner schmerzlich, während Zoro die Jacke fest um McKennas Bauch band, etwas unterhalb der Brust.

Er konnte das Lächeln nicht unterdrücken, welches Zoro über die Lippen schlich, als er McKennas schmerzhaftes Keuchen vernahm. Das Gesicht zeigte zwar nicht zwingend den Schmerz, aber es befriedigte ihn dennoch.

Er ist doch noch menschlich!

Bedeutete dies auch, dass der Blonde schwach war und Angst hatte?

Sein gehässiges Lächeln wechselte zu einem zufriedenen und merkte, wie seine Gesichtszüge sich entspannten und er die derzeitige Situation versuchte zu ignorieren. McKenna einmal daran zu hindern, ihm Widerworte zu geben, war ein elektrisierendes Gefühl.

„Was grinsen Sie denn so dämlich?“, presste der Coroner zwischen den Zähnen hervor und zog einen Moment später scharf die Luft ein, als Zoro die Jacke fester anzog.

Möglicherweise habe ich mich geirrt…? Der Teufel ist nicht annähernd human. Immerhin spielt er um die Seele seines Gegners und dies nicht mit fairen Mitteln.

McKenna mit Satan zu vergleichen erschien ihm nicht allzu befremdlich, wie zuvor gedacht, sondern spiegelte auf skurrile Weise seinen Charakter wider. Ihm erschienen einige Züge McKennas mit der Erkenntnis der neuen Tatsache durchaus plausibel.

Der Coroner war überaus hübsch und wirkte vom Körperbau her schlank, aber sportlich. Die Haut war rein und weiß, die Haare platinblond - unbefleckt – und die Augen waren anziehend und strahlten eine Wärme aus. So sehr McKenna wie ein Himmelswesen wirkte, umso mehr zeugte der Charakter von Kälte, Hass und Überlegenheit. Er entsprach dem Bild eines Teufels. So liebreizend das äußere Erscheinungsbild wirkte, umso mehr war das innere Wesen verkommen.

„Sie haben etwas für mich übrig, oder?“, zischte der Blonde argwöhnisch und starrte Zoro mit hochgezogener Augenbraue an.

Aus den Gedanken gerissen und mit dem Gefühl, dass er überführt wurde, blickte er dem Coroner das erste Mal nach seiner geistigen Abwesenheit bewusst entgegen. „Was meinen Sie?“

Er musste sich wirklich beherrschen, um seiner Stimme die gewohnte Ruhe zu verleihen und zu verhindern, dass diese sich überschlug und verriet, dass McKenna mit seiner Vermutung Recht behielt. Schnell zog er den Knoten enger zusammen und hörte, wie McKennas Atmung kurz aussetzte und sah, wie die Hände vor Anstrengung zitterten und die Knochen und Adern hervortraten.

„Sie starren mich an, als wäre ich eine Geburtstagstorte“, stöhnte der Coroner gequält und griff mit einer Hand nach der Zoros. „Nicht so fest!“

Der Staatsanwalt stoppte seine Unternehmungen und fixierte sein Gegenüber. Mit den Augen malte er die Kanten des Gesichtes des Jüngeren nach und sog die Wärme der Haut in sich auf. „Sie können sich glücklich schätzen, dass wir hier nicht in Hungernöte geraten werden.“

„Jetzt wo Sie es sagen: Ich habe Hunger.“

„Wir haben nicht mal mehr fünfundsiebzig Minuten und Sie machen noch Witze?!“, platzte es aus Zoro heraus. „Ich hasse Ihren Humor!“

McKenna beäugte ihn skeptisch. „Aber Ihrer ist in dieser Situation angebracht, oder wie?“

Plötzlich herrschte Stille und Zoro hatte das Gefühl, dass er die Sekunden verstreichen hören konnte. Das lautlose Piepen hallte an den Wänden wider und brannte sich in dem Beton fest. Es hing in der Luft fest, schürte die Angst und Verzweiflung und ließ die Hoffnung schwinden. Das Leben wurde pro Sekunde weiter aus seinem Körper gesogen.

Das Rot der Abendsonne, welches sich den beschwerlichen Weg durch die verriegelten Fenster erkämpfte, ließ den Innenraum brennen. Das Feuer zeigte ihm ihre ausweglose Situation. Sie waren von den Flammen eingeschlossen, die sich sekündlich enger um sie schlossen und sie drohten zu verbrennen.

„Schade, dass der Irre nicht getroffen hat“, murmelte Zoro kaum hörbar und zog den Knoten um McKennas Taille einige Zentimeter enger. Anschließend band er einen weiteren Knoten fest, hielt aber noch einen Moment inne.

Er hatte das Gefühl, dass ihm erst jetzt bewusst wurde, dass dies seine und ihre letzten Minuten waren. Sie werden sterben.

Plötzlich verlangsamte sich sein Puls und er sah sich langsam um. Sein Gegenüber und die umstehenden Personen bewegten sich langsam und Zoro konnte jeden Augenaufschlag genau verfolgen. Den Fall der Tränen seiner Tochter konnte er mit den Augen nachvollziehen und wie der Tropfen beim Aufprall auf den Boden in mehrere kleine wässrige Kugeln zersprang und einige wenige Zentimeter in die Luft geschleudert wurden. Auch ein Seufzen Namis beobachtete er genau und war überrascht, wie stark sich ihre Lippen bewegten und ein hoffnungsloses Lächeln andeutete.

Er wusste nicht, warum er all dies verlangsamt wahrnahm. Möglicherweise spiegelte dies seine eigene Resignation wider und zeigte ihm dies verdeutlicht vor Augen.

Für wenige Minuten schloss er die Augen und atmete tief durch. Langsam erhob er sich und schaute dabei auf den Blonden herab. „Sie bleiben da sitzen, verstanden?“

McKenna nickte lediglich und legte den Kopf in den Nacken.

Nachdenklich biss Zoro sich auf die Unterlippe. Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis McKennas Blut dessen Speiseröhre hinaufschießen und in die Lungen fließen würde. Sobald der Blonde rote Flüssigkeit spucken und sie an seinem Kinn hinunterlaufen würde, hätte er nur noch wenige Minuten.

Dann nur noch dreißig Minuten... maximal!

Wahrscheinlich würde er noch vor der Detonation sterben, wenn sie keinen Ausweg finden sollten.

Zoro konnte sich glücklich schätzen, dass er starke Nerven besaß und einen kühlen Kopf bewahren konnte. Diese Eigenschaft war in diesem Moment die einzige Möglichkeit, dass er nicht völlig in Hoffnungslosigkeit versank. Jemand musste schließlich das Kommando übernehmen.

Zwar hätte er McKenna bis vor ein paar Tagen als den rationalsten Menschen unter ihnen bezeichnet, jedoch machte dieser seit geraumer Zeit nicht mehr diesen Anschein, was folglich zu einer Revision dieser Entscheidung führte. Zudem beeinflusste McKennas momentaner Zustand sein Denkvermögen ungemein.

„Jefferson?“, brüllte Zoro und funkelte den großen Mann wütend an. „Haben Sie sich eingekriegt?“

Besagter nickte nur und vermied jeden Blickkontakt. Schuldbewusst richtete er sein Augenmahl gen Boden und schien den Staub mit großem Interesse zu beobachten. „Wenn Sie das noch einmal machen, dann brech‘ ich Ihnen den Arm!“

„Wozu drohen Sie mir noch?“, fragte sein Gegenüber schulterzuckend und mit erstickter Stimme. Seine Augen glänzten und waren glasig, während er sich die zittrige Hand vor den Mund hielt. „Wir verrecken hier, verdammt!“

Zoro war es leid, jedes Mal aufs Neue zu behaupten, dass sie eine Chance hätten zu überleben. Als er vorhin seine Tochter gesehen hatte, die ihm zeigte, dass sie aufgegeben hatte, war seine Fassade vollständig eingestürzt, die er nur aufrecht erhielt, um eine Panik zu vermeiden und bis zur letzten Sekunde zu kämpfen, aber dazu hatte er auch keine Motivation mehr. Nicht einmal mehr zu lügen. Immerhin hatte er selbst seiner Lüge für wenige Minuten Glauben geschenkt.

Möglicherweise wäre es doch besser gewesen, wenn Jefferson McKenna erschossen hätte?

„Und?“, begann Nami plötzlich. „Was machen wir jetzt?“

Sie trat einen Schritt vor und gestikulierte wild mit den Händen. In ihrem Gesicht spiegelte sich Erwartung wider und Anzeichen geringer Hoffnung. Die Augen glänzten und Zoro konnte einen kleinen Teil Lebensfreude erkennen, der mit Tränen vermischt war.

Warten!, wäre zumindest Zoros Antwort gewesen, die er allerdings für sich behielt.

Plötzlich holte sie ein Schweigen ein und verschluckte sie. Im Inneren des Monstrums herrschte Stille, nur ein leises, unterschwelliges Brummen war zu vernehmen, das der Umgebung eine eigenartige Atmosphäre gab, welche durch die verstummte Geräuschkulisse betont wurde. Wieder hatte Zoro das Gefühl, dass er nicht Herr seiner Sinne war und ein Bestandteil einer surrealen Fantasie war. Umso verstörender wirkte es auf ihn, wenn jemand die Lippen bewegte und kein Laut diesen entwich. Alle äußeren Einflüsse, die die Akustik betrafen waren ausgeblendet.

Das Brummen wurde lauter und ein anderes Geräusch untermalte dieses mit einem hellen Ton. Die beiden Extreme, die aufeinander trafen, schienen sich näherzukommen und bei ihm zu kollidieren. Während sich das Dröhnen verdunkelte, nahm der helle Ton ein Pfeifen an und gellte in seinen Ohren wider. Die Tonarten distanzierten sich fortwährend voneinander und gewannen an Lautstärke, dass Zoro glaubte, sich Halt zu suchen.

Seine Sicht verschwamm und seine Augen schmerzten vor Anstrengung, die darauf mit Ermüdung und Reizungen reagierten. Der Schwindel nahm zu, indessen er seinen Herzschlag in den Ohren schlagen hören und das Pulsieren spüren konnte. Die Erschöpfung breitete sich in seinem Körper aus, welche dieser versuchte zu bekämpfen. Da dieses Unterfangen sich jedoch zunehmend von seiner Energie ernährte, wuchs die Ermüdung binnen weniger Sekunden an.

Schweißperlen rollen über sein Gesicht, die kenntlich machten, wie anstrengend der Kampf in seinem Inneren war. Hitzewallungen stiegen in ihm auf, die von kalten Schauern gefolgt wurden. Mit einem tauben Gefühl in der Magengegend kralle er sich mit den Fingern in seinem Hemd fest.

Sauer schoss eine Flüssigkeit seine Speiseröhre hinauf und sammelte sich in seiner Mundhöhle. Diese Tatsache brachte ihn zum Schwanken und er stützte sich an der Wand ab. Keuchend öffnete er den Mund und die warme, saure Flüssigkeit verließ seinen Mund. Die Reste lief kurvig über sein Kinn und tropfte aus den Boden.

Seine Augen begannen zu tränen, als er sich übergab und in seinem Körper stieg eine Welle aus Hitze auf, die diesen von innen heraus versengte. Von seiner Nase tropften Schweißperlen gen Boden und landeten auf dem Erbrochenen, in dem er einige Essensreste zwischen dem grünen und gelben Schleim, der mit Wasser, Gallenflüssigkeit und Speichel eine abartige Mischung ergab, erkennen konnte.

Sein Herz raste und er warf rasselnd den heißen Atem aus. Es war eine körperliche Anstrengung, die ihm in dieser Situation zusätzliche Kräfte raubte. „Fuck!“

Seine Stimme war erstickt und es schien auch niemand zu hören. Die absolute Stille, die hie und da von einem Wimmern unterbrochen wurde, war weitaus unbehaglicher als das Wissen zu sterben.

„Was ist das für eine Bombe?“, durchbrach Fernandos Stimme die Stille. Dass er damit Zoro aus seiner Melancholie und der daraus resultierenden Hoffnungslosigkeit riss, war diesem sicherlich nicht bewusst.

Zoro richtete sich auf, soweit es ihm möglich war und sah den Jungen an, ebenso wie die anderen, abgesehen von McKenna, dessen Kopf bereits auf seiner Schulter ruhte. Die schmutzigen blonden Haare fielen ihm ins Gesicht und wurden bei dem kräftigen Ausatmen beiseite geblasen. Die gesamte Haut schimmerte aufgrund des Schweißes. Leichte Zuckungen waren zu erkennen, die auf den Blutverlust schlossen. Sein Körper zitterte.

In Zoro wuchs der Selbsthass. „Hä?“

Ihm war nicht klar, was der Junge meinte, noch hatte er große Lust sich mit dieser Frage zu beschäftigen. In diesem Moment hatten sie eigentlich andere Sorgen. Ihn interessierte auch eher weniger, was der junge Mann zu sagen hatte, da er einfach kein Ohr dafür hatte.

„Wie sieht sie aus?“, wiederholte der junge Mann energischer und seine Augen funkelten Zoro wütend und panisch entgegen. Sie glänzten im matten Licht und die Panik war klar aus ihnen zun lesen. Die arrogante Art war verflogen.

Nicht wissend weshalb, rollte eine weitere Welle durch Zoros Adern. Es waren wieder diese Resignation und die Erkenntnis, dass sie kurz vor ihrem Ende standen. Nun zeigten die Menschen, wer sie wirklich waren und sämtliche Fassaden stürzten ein, nicht bloß seine.

„Wie ein Kasten…“, beschrieb er sie unsicher und nicht sonderlich professionell. „…bestand aus Stahl und hatte viele Kabel und Drähte.“

Während seiner mäßig erfolgreichen Beschreibung, zog er die Augenbraue mit jedem Wort, das er aussprach höher und stellte am Ende fest, dass er nicht wusste, was er überhaupt gesagt hatte. Er konnte sich nicht an den Anfang seines Satzes erinnern und fragte sich ernsthaft, was er zuvor gesagt hatte. Inständig hoffte er, dass es sich auch auf das Aussehen der Bombe bezogen hatte.

„Alter Typ…“, sagte Fernando trocken als wäre dies eine einfache Feststellung und kratzte sich am Kinn. Er hatte den Mund leicht geöffnet und wirkte abwesend. In seinem Blick war die Entschlossenheit und der Ernst abzulesen und das gesamte Gesicht verzog sich zu einer ersten Miene, die von einem starken Blick geprägt war und aus diesem Grund recht erwachsen wirkte.

„Hä?“ Fragend gewannen Zoro Augen an Größe und er sah den Jungen irritiert an, aber diese schien sich nicht weiter für den Staatsanwalt zu interessieren.

„Sanji?“, fragte Fernando, als er sich an den Coroner wandte, der ihn nur aus verklärten Augen ansah. Ihnen fehlte der Glanz und die Kraft. „Eigentlich ist es doch kein Pro-.“

„Was?“ McKenna reagierte mit einer atemlosen Antwort und keuchte angestrengt. Die Zähne fest aufeinander gepresst atmete er zischend zwischen diesen hindurch und ein wenig angenehmes Zischen entstand, das mit einem leisen, unterschwelligen Blubbern gepaart war. Zoro war sich sicher, dass es sich dabei um Speichel und Blut in der Mundhöhle handelte. „Hast du einen Laptop? Nein!“

Fernando schwieg einen Moment und scharrte mit dem Fuß auf dem Boden. Nachdenklich runzelte er die Stirn und kaute angestrengt auf seiner Unterlippe herum und riss sich langsam und gedankenverloren mit den Fingern die Nägel der anderen Hand ab. Von der leichten Motivation und der aufkeimenden Entschlossenheit war in diesen Sekunden nicht mehr viel zu erkennen und er erinnerte Zoro an einen kleinen Jungen, ehe sich ein kleines, hoffnungsvolles Lächeln auf die schmales Lippen schlich. „Braucht man dafür denn einen?“

„¡Yo que sé!“, fluchte der blonde Coroner und fletschte die Zähne, als er die Antwort in einem aggressiven Ton beinahe ausspuckte. Der müde Blick war mittlerweile mit latenter Wut geschwängert und durchbohrte den Jungen förmlich.

„¡Ten que saber!“, platzte es entsetzt aus ihm heraus. Er trat einen Schritt auf den Blonden zu und baute sich vor diesem auf.

Ihre Blicke trafen sich, die beide ihre Wut und Verzweiflung nach außen trugen, dennoch unterschieden sie sich grundlegend. Während Fernandos entschlossen und zielgerichtet war, war McKennas kalt, durchdringend und überlegen. Trotz der Müdigkeit, der Kraftlosigkeit und den Verletzungen war sein Blick der erhabenere. Im Gegensatz zu dem Latino musste der Coroner nicht reden um zu beweisen, dass er der Stärkere und Mächtigere war. Aber Zoro konnte nicht genau sagen, was ihn zu diesem Schluss kommen ließ.

„Hat eigentlich niemand ein Handy?“, fragte Nami plötzlich in die Runde und fixierte alle Beteiligten nacheinander. Überrascht griff Zoro in seine Hosentaschen und suchte nach dem Mobiltelefon. Wieso war er nicht selbst auf diesen Einfall gekommen? Sie hätten schon längst jemanden alarmieren können, der ihnen zu Hilfe eilen hätte können.

Aber er fand es nicht und in seinem Jackett konnte es sich nicht befinden, da er seine Hände zuvor schon einmal in die Taschen geschoben hatte. Es war also weg. „Ich nicht.“

„Ich auch nicht“, brachte Jefferson leise hervor, als wollte er nicht auffallen. In den letzten Minuten hatte er sich sehr still und unauffällig verhalten, beinahe so, als ob er versucht zu verbergen, dass er sich immer noch bei ihnen befand. Vermutlich wollte er vermeiden, dass ihn jemand attackierte und sich wegen McKenna rächen könnte.

Eigentlich schien Jefferson ein ruhiger Zeitgenosse zu sein, der kurzzeitig die Kontrolle verloren hatte, aber Panik veränderte die Menschen grundlegend. Zumal dann, wenn sie in dem Wissen sind, dass sie sterben werden.

„Die haben uns vorher gefilzt“, meinte Fernando forsch ohne den Blick von dem Blonden abzuwenden. Ihr Wettbewerb dauerte nun schon einige Sekunden lang, aber es war abzusehen, dass dieser bald beendet werden würde. Spätestes, wenn die Bombe detonierte.

„Oh...“, machte Jermaine bloß und stellte sich neben seinen Vater. Zoro musterte ihn und hatte das Gefühl, dass er neben einem Spiegel stand, der die Fähigkeit besaß jemanden zu verjüngen. Sein Gegenüber war quasi sein Ebenbild und er konnte nur erahnen, dass er jetzt ebenso aussah.

Die kürzen, grünen Haare vom Dreck verklebt und zerzaust, bei ihm selber wohl noch mit einer rötlichen Spur drin, da er immerhin eine Kopfwunde hatte, die Gesichtszüge, die bei ihm etwas älter und erwachsener wirkten und die Statur, die sich ebenso glich wie der Rest. Sie hatten auch ziemlich die selbe Größe und Stimme. Das einzige, was sie sonderlich unterschied, war die Kleidung, aber dies war er generationen- und berufsbedingt. Zeiten änderten sich eben.

Trotzdem gab ihm am meisten das Gesicht zu denken. Es war schmutzig und ölverschmiert, die Wangen glänzten nass und die Augen waren gerötet. Die Farbe war blass, der Blick leer und hoffnungslos und die Lippen trocken.

Zoro beobachtete auch, wie sich neue Tränen bildeten, die sein Sohn versuchte wegzuwischen oder ihnen mit dem Aufreißen der Augen entgegenzuwirken. Vergebens. Sie rollten über seine Wangen und liefen an seinem Kinn zusammen.

Der Staatsanwalt schluckte schwer. Als er sein Gesicht so sah, von Hoffnungslosigkeit gekennzeichnet und von Schmutz und Tränen verunstaltet, glaube er, dass er sich dieses Bild einprägen müsse. Er durfte es nie vergessen.

„Was 'Oh'?!“ Nami wandte sich Jermaine zu.

„Ist halt scheiße...!“, antwortete er und vermied den Augenkontakt mit ihr. Beschämt sah er zur Seite und stierte mit großem Interesse auf den Boden.

„Boar, und jetzt?“, platzte Nami heraus und taxierte Zoro wütend, als wäre er Schuld an dieser Situation. Ihre roten Haare klebten ihr im Gesicht und ihre Unterlippe vibrierte leicht.

„Sehe ich so aus, als hätte ich eine Idee?“, versuchte er sich zu verteidigen und starrte sie eindringlich an, bis sie die Schultern hängen ließ. Im Moment schienen sich die Vorfälle zu häufen.

„Sanji, wenn du mir hilfst, dann...“ Der Latino stoppte in seinen Überlegungen und schien nach den passenden Worten zu suchen, während McKenna die Lippen spitzte und die Augen schloss.

„...dann was?“

„Können wir die dann entschärfen?“, wollte Fernando wissen und er sah dem Coroner hoffnungsvoll entgegen. Die Lippen verformten sich zu einem Lächeln, das eher einer Grimasse glich.

„No sé...“, war die gedankenverlorene und wenig sichere Antwort seitens McKennas.

„Bien, dann gehe ich“, sagte er, als wäre dies Antwort genug und drehte sich zur Dunkelheit um. „Du sagst mir dann, was ich zu tun habe, verstanden?“

„Pero...“, protestierte McKenna und Zoro konnte das erste Mal Sorge in dessen Gesicht erkennen. Es war ein höchst seltsamer Anblick, der allem widersprach, was er bis dahin gesehen hatte. Es war ihm durchaus neu, dass McKenna noch andere Emotionen zeigen konnte, abgesehen von Kälte, Zynismus und Sarkasmus.

„Nein, jetzt hörst du mir zu“, knurrte Fernando bestimmt und funkelte McKenna ernst an. „¡No quiero reventar!“

Niemand sagte etwas, aber Zoro fragte sich mittlerweile, welche Rolle der Blonde spielte und in welcher Beziehung der Latino zu ihm stand. Er konnte es sich nicht erklären, aber irgendwas stimmte hier nicht und es war, als könne er das riechen. Wie ein fauliges Gas schien es sich zu verströmen und auszubreiten. Diese Unwissenheit plagte ihn wirklich.

Bevor sich der Junge abwandte erkundigte er sich, ob jemand im Besitz einer Taschenlampe war oder etwas anderem, das Licht spendete. Zoro verneinte die Frage, während McKenna schuldbewusst den Kopf senkte und aus einer Tasche des Overalls ein Feuerzeug zog, das Fernando entgegen nahm und dem Coroner entschlossen in die Augen sah. Er lächelte und flüsterte ihm etwas auf Spanisch zu, das sicherlich McKennas Gemüt beruhigen sollte, aber an der Miene des Blonden veränderte sich nichts. Er blickte noch immer besorgt und verzweifelt zu dem Latino. In dem Moment, in dem Fernando das Feuerzeug entgegen nahm, strich er mit dem Daumen über die blutverschmierte Hand und setzte einen zuversichtlichen Gesichtsausdruck auf, bevor er sich aufrichtete.

„Ich gehe“, rief Fernando bestimmt, nahm noch einen tiefen Atemzug und machte auf dem Absatz kehrt. Die Schritte, die er auf die Dunkelheit zu machte, Zoro konnte den rasselnden Atem des Jungen wahrnehmen und ihm war, als könnte man die Luft, die schwer auf ihnen lastete, berühren oder gar zerschneiden. Die feste Materie spüren, über sie streichen, sie beschädigen. Möglicherweise würde sie noch einen klagenden Laut von sich geben, ehe sie dann unter den Verletzungen zusammenbrach.

Ihm wurde schlecht, als ihm die Luft zum Atmen genommen und durch eine zähflüssige Masse ausgetauscht wurde. Sie drang nicht bis in seine Lunge vor und sein Körper litt unter dem Entzug der lebenswichtigen Substanz. Es glich einer Erstickung.

Obwohl er versuchte tiefe Züge zu sich zu nehmen, filterte er lediglich kleine Mengen heraus, die ihn zwar am Leben hielten, aber nicht genügten, gar zu Sterben reichten. Seine Sicht verschwamm erneut und seine Umgebung begann sich zu drehen. Ihm wurde schlecht.

Sein Körper gelangte physisch an seine Grenzen und er wusste, wo sich diese befanden, aber nicht, wo seine psychischen waren. Möglicherweise hatte er sich bereits überschritten. Auf der Schwelle zum Wahnsinn.

„¿Qué tengo que hacer, Sanji?“, fragte der Junge unsicher und mit einer gequält klingenden Stimme. Die Angst, die ihm Raum schwebte, war geradezu greifbar. Langsam sah Zoro zu McKenna, der die Augen geschlossen hatte und wirkte, als wäre er friedlich eingeschlafen. Wenn er nicht wüsste, dass der Coroner nur noch wenige Minuten hatte, würde er dies auch glauben, aber die jetzige Situation machte es ihm unmöglich.

Als der Kopf des Blonden nach unten sank, schossen Zoro tausende Gedanken durch den Verstand. Mit aufgerissenen Augen beobachtete er, wie das Blut auf dem Mund des Verletzen floss und auf den Overall tropfte. Die Haut war noch bleicher, fast weiß.

„McKenna!“, schrie er und stürzte auf diesen zu. Er packte die Schultern, als der Oberkörper nach vorne kippte und drückte ihn zurück an den Pfosten. Zumal er nicht wusste, ob der Mann nur bewusstlos oder wirklich tot war, musste er besonders vorsichtig sein. „McKenna!“

Er nährte sich mit dem Gesicht dem des Blonden und versuchte dem Atem zu lauschen, aber er hörte nichts. Mit seinem Ohr nährte er sich dem Mund und der Nase und versuchte es erneut.

„Leg' ihn doch auf'n Boden!“, kreischte Nami, die neben ihm auf die Knie gegangen war. Er hatte keine Zeit und Lust sich sie genauer zu betrachten, aber er glaubte zu wissen, wie sie aussah. Mit roten Augen und Tränen in eben diesen, die ihr über die Wangen rollten und einen wässrigen Film hinterließen und mit Speichelausflüssen, die ihr über das Kinn liefen. Einfach voller Panik, Angst und Trauer. Er verstand, was sie meinte, fragte sich auch, warum er das nicht getan hatte, zumal der Coroner kein Lebenszeichen von sich gab.

Plötzlich griffen zwei Hände nach dem Kragen McKennas und zogen ihn auf den Boden. Anhand der Ärmel war ihm bewusst, dass er sich dabei um die Rothaarige handelte. Natürlich wirkte es würdevoller, wenn ein Toter nicht wie drapiert an der Wand lehnte, sondern auf der Erde lag oder sie versuchte sich noch um ihn zu kümmern. Sicherlich vergeblich.

Von Selbsthass und Zweifeln geplagt drehte er seinen Kopf in Namis Richtung, aber als der Mund des Coroner an seinem Ohr vorbei zog, streckte er schlagartig den Arm aus, umgriff den des Mannes und stoppte Namis Unternehmungen.

„Was machst du da?!“, schrie sie und schlug mit einer Hand auf Zoro ein. „Lass' das!“

Sie schlug unkontrolliert zu, berührte ihn mit den Nägeln sogar im Gesicht, die schmerzhafte Linien hinterließen und heulte auf. Er ahnte, was sie fühlte, immerhin war er ihr bester Freund.

Der Schmerz musste sich unglaublich schnell zu purer, hemmungsloser Wut fortgebildet haben.

„Er atmet, verdammte Scheiße! Er atmet!“, brüllte er in der Hoffnung, dass dies zu ihr durchdrang und sie die Tatsache auch registrierte, jedoch beendete sie ihre Attacken nicht, sondern schien wie in einem Wahn zu sein. „Er lebt!“

Gerade eben hatte er McKenna leise seufzen und atmen gehört. Hätte er ihn auf den Boden gelegt, wäre er vermutlich an dem Blut erstickt. Einmal war er froh, dass er nicht nachgedacht hatte. Dies rettete ein Leben. Dies rettete McKennas Leben.

Mit der rechten Hand fasste er Namis, die gerade im Begriff war, ihm das Gesicht erneut zu zerkratzen und sah sie eindringlich an. Ihre restliche Beherrschung war verflogen und sie zeigte ebenso deutlich, wie sehr jemanden eine solche Situation belasten konnte. Sie trieb sie alles an eine Schwelle, deren Übertreten das Versagen in diesem Kampf und den Verlust des Lebens bedeuten würde.

„Was?“, wisperte sie und schluckte schwer. Ihr sonst so hübsches Gesicht war zu einer Fratze verzogen, die von Schmutz, Tränen und Blut bedeckt war, aber glaubte nicht, dass es sich dabei um ihr Blut handelte. „Er lebt?“

Er nickte schnell und deutlich, formte mit seinen Lippen ein stummes 'Ja' und sah, wie diese Information langsam in Namis Gehirn anzukommen schien, da sich ihr Mund zu einem glücklichen Lächeln verzog. „Er lebt...“

Ihre Wiederholungen waren leise, kaum hörbar und sicher nur für sie bestimmt, also wandte er sich von ihr ab.

McKenna regte sich und schnappte nach Luft, als er die Augen aufriss und Zoro panisch entgegensah. Für einen Bruchteil einer Sekunde glaubte dieser, dass er etwas in den Augen des Blonden gesehen hatte, was er besser nicht hätte sehen sollen. Sie zeigten keine Panik oder Angst, die er kannte oder jemals gesehen hatte. Es war etwas tiefer gehendes, etwas, was selbst ihm – einem gestanden Staatsanwalt – Schauer über den Rücken jagte.

„Sanji?“, schluchzte die junge Frau neben ihm und umarmte den Coroner, küsste ihm die Stirn und strich ihm über das Gesicht. Sie presste ihn mit aller Macht gegen ihren Körper und signalisierte, dass sie ihn nicht noch einmal verlieren wolle. „O, Sanji!“

Ihr Wimmern war laut und hallte an den Wänden wieder. Es hatte mehr Aussagekraft als das Geschrei, das Kreischen und das Brüllen zusammen.

Noch immer über das Gesehene nachdenkend fasste sich Zoro langsam und fixierte den Blonden, dem der Schweiß auf der Stirn stand und das Blut noch immer über das Kinn lief. Er öffnete kurz den Mund und Zoro konnte die blutige Zunge und die verschmierten Zähne sehen, auf denen sich die rote Flüssigkeit unregelmäßig verteilt hatte. An den Einbuchtungen und den Rändern zum Zahnfleisch hatte sich das Blut gesammelt und zeichnete jeden einzelnen Zahn sorgfältig nach.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte der Staatsanwalt gebannt und betrachtete McKennas müden Blick. Dieser winkte mit einer kaum merklichen Kopfbewegung ab und schloss die Augen.

„Wie geht’s ihm?“, rief Fernando aus der Dunkelheit und klang sehr besorgt, obwohl seine Stimme etwas näher klang als er erwartet hatte. Möglicherweise war der Junge zurückgelaufen, als er bemerkte, wie schlecht es dem Coroner ging. Immerhin wäre das eine Erklärung.

Zoro wollte den Jungen nicht weiter verunsichern und die Panik schüren, somit entschloss er sich, diesem eine Lüge zu erzählen. „Es geht ihm gut. Er ist nur etwas geschwächt...“

Ihm war eigentlich nicht wohl dabei, aber es war jetzt besser als dass er die Wahrheit über McKennas Zustand aussprechen würde.

„Ich...“, begann der Latino unsicher und Zoro konnte hören, wie er auf der Stelle trat und mit dem Schuh über den Schutt scharrte. „Ich kümmere mich dann um die Bombe.“

Angestrengt verfolgte er, wie die Schritte Richtung Tür an Lautstärke abnahmen. Er konnte sich mit dem Jungen identifizieren. Als er auf die Bombe zugegangen war und von der Dunkelheit verschluckt wurde, hatte er noch nicht gewusst, welche Entdeckung er machen und welche Folgen sie haben würde.

Stumm lauschte er dem Knirschen des Schmutzes und Bauschutts unter Fernandos Schuhen. Es kratzte klagend und untermalte die angespannte Situation dramatisch. Gebannt fixierte er die Dunkelheit und versuchte den Jungen zu erkennen, aber er nahm nicht einem schemenhaft jemanden war. Es waren keine Umrisse erkennbar und er vermochte nicht zu sagen, wo sich der Latino befand.

Vergebens versuchte er anhand der Geräusche dessen genau Platzierung zu ermitteln, jedoch scheiterte er bereits daran, dass die Laute an den Wänden widerhallten und von allen Seiten zurückkamen. Es waren auch eher Echos, die sehr bechernd klangen, da sich nur einige Büroartikel, Umzugskartons, Tische mit Computern und Betonsäulen auf dieser recht großen Etage befanden.

Mit einem schnellen Blick über die Schulter sah Zoro durch das Loch im Holz nach draußen. Der Horizont brannte in kalten Farben und helle Punkte leuchteten am Firmament auf. Die grauen Wolken schlichen leise weiter und nährten sich dem Horizont, der in ein heißes Rot getaucht war, das geschwängert von Blau- und Violetttönen über die Stadt schien.

Plötzlich leuchtete ein rot-oranges Licht auf und erhellte Fernandos Gesicht. Die Flamme der Feuerzeugs flackerte und tauchte die nähere Umgebung unregelmäßig in Licht. Die Schatten flüchteten und nährten sich immer wieder, sie zuckten nervös oder zitterten.

Fernando stand vor einem Berg, bestehend aus Pappkartons und löschte wieder das Licht. „Ich sehe sie.“

Diese Verkündung war nicht das, was Menschen hören wollten, obwohl es einerseits durchaus gut war. Die Anspannung schnürte ihm die Luft ab und die Nervosität lähmte seine Muskeln schmerzhaft.

Ein kurzes Rascheln und Klimpern später, erleuchtete wieder eine Lichtkugel. „Einundsiebzig Minuten.“

Fassungslos schnappte Zoro nach Luft und öffnete den Mund. Sie hatten bereits zehn Minuten verloren. Nein!

„Sanji“, begann der Latino sachlich. „Die Bombe erinnert mich an eine 'B4-X356GH2'.“

Der Coroner lachte kurz auf und presste die Hand auf den Bauch. „Du meinst sicher eine 'B3-X355GH2'.“

„Ist doch egal, verdammte Scheiße!“, donnerte der Jüngere zornig. „Es ist ein Kasten, aus dem vier Kabel herauskommen. Die Abdeckung sieht so aus, als könne man sie abnehmen.“

„Dann mach!“

Das Licht erlosch wieder, ein metallisches Klappern folgte und darauf dann ein blechender Knall. Vermutlich hatte Fernando den Deckel abgenommen und auf den Boden geworfen. Es kratzte in den Ohren und glich einem spitzen Schrei. Mit einem Mal erleuchtete die Ecke in einem hellen Blau und Zoro sah den Jungen, der davor saß. Das Licht war stark und schimmerte in einem kühlen Blau.

„Sanji?!“, rief Fernando panisch. „Da leuchtet was!“

„Du hast den Computer aktiviert“, erklärte dieser ruhig und schloss die Augen. „Bleib ruhig!“

Zoro glaubte sich verhört zu haben. Den Computer?

Sollte das bedeuten, dass die es mit einer hochentwickelten Bombe zu tun hatten? War das der Grund, weshalb die dermaßen groß und monströs war? Konnte man die Bombe noch entschärfen, in dem man die Kabel passend durchtrennte?

„Da... da...“, stotterte der Junge plötzlich und schreckte auf. Er fiel zurück und gestikulierte mit den Händen. „Da erscheinen Buchstaben!“

„Was für welche?“, rief Zoro gespannt und fühlte sich wirklich unwohl. Er war sich sicher, dass dort etwas stand, das ihre derzeitige Lage verspottete.

Memento moriendum esse...“, zitierte er monoton und ließ kurz darauf einen fragend klingenden Laut fallen. Für wenige Sekunden herrschte beklemmende Stille.

Die Beteiligten sahen sich unwissend an und Nami zuckte sogar mit den Schultern. Sie blickte auf den Boden, als würde sie sich für ihr Unwissen schämen, als wäre es eine Schande.

„Sei eingedenk, dass du sterben musst.“

Verblüfft drehten alle ihre Köpfe zu McKenna um und Zoro hob beide Augenbrauen in die Höhe. Ein Lächeln zierte sein Gesicht, das in Anbetracht ihrer Situation und der Bedeutung diabolisch und Fehl am Platze wirkte. Dass sich McKenna scheinbar wenige aus dem Leben machte, wusste Zoro bereits, aber dass er es noch einmal derartig zur Schau stellte, entsetzte ihn. Die Leichtigkeit und das Verkennen der Lage, sowie der Lebenshass waren allzu spürbar und absolut unangebracht.

„Poetisch, huh?“, kicherte der Coroner und sah sie aus halboffenen Augen an. Das Kichern wuchs zu einem kurzen Lachen an, das in einem Keuchen und Husten endete. Folglich spuckte der Blonde mehr Blut und leckte sich anschließend über die Lippen.

„Jetzt soll ich etwas eingeben“, rief Fernando und lenkt die Aufmerksamkeit auf sich. „Aber hier steht nicht einmal, worauf sich das bezieht. Hier ist nur ein leeres Feld.“

„Ist doch klar“, begann McKenna mit erstickter Stimme. „Es bezieht sich auf den vorangegangen Satz. Aber seid euch bewusst, bei der Eingabe einer falschen Lösung explodiert die Bombe sofort.“

In dem Moment, in dem er dies an alle richtete, starrten ihn alle aus großen Augen an. Vereinzelt wurde die Luft scharf eingesogen oder ein entsetzter Laut ausgestoßen, wie von Nami, die sich die Hände vor den Mund schlug.

„Wir haben nur einen Versuch... und keine Wiederholungsmöglichkeiten!“

„Soll ich die Übersetzung eintippen?“

„Nein!“ McKennas Stimme war kurz fest und stark, aber der gequälte, schmerzverzerrte Ausdruck in dessen Gesicht sprach Bände. „Das wäre zu einfach!“

„Und dann?“, schluchzte Alison, die sich an ihrem Bruder klammerte, der sie stützte. Das andere Mädchen, Ava, lehnte noch immer an der Wand, starrte sie aber aus leeren Augen an. Von den beiden hatte man lange keine Kenntnis mehr genommen und deswegen war er doch noch um einiges glücklicher, dass er sie noch einmal bewusst wahrnahm.

„Dieser Satz bezieht sich auf die Zeit der Aufklärung im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, als die Menschen begann ihr eigenes Denken über die göttliche Macht zu stellen. Eine bekannte Verballhornung, also eine misslungene Verbesserung lautet: 'Memento Mori'.“

McKenna nahm sich einen Moment Ruhe und atmete angestrengt. „Gib 'Vanitas' ein. Die Vorstellung der Irdischen Vergänglichkeit trägt diesen Namen und ist somit der Überbegriff, von dem sich dann die Symbole und Ausdrücke ableiten.“

Überrascht spitzte Zoro die Lippen und wusste nicht, was er denken sollte. Wieso wusste dieser Kerl so etwas?

„Vani- was?“, fragte Fernando und die Stimme zitterte merklich.

„Vanitas. V-A-N-I-T-A-S“, buchstabierte der Coroner und taxierte die hohe Decke.

„Bist du dir sicher?“, erkundigte sich sein Gesprächspartner und zögerte, die Buchstaben einzutippen.

Natürlich, dachte Zoro. Wie kann man sich da sicher sein...?

Glücklich, dass er nicht an Fernandos Stelle war, bemitleidete er ihn. Immerhin musste er die Entscheidung treffen, die sich auf ihr Leben auswirkte. Entweder würden sie gleich sterben oder noch leben und er wäre nicht bereit gewesen, diese Bürde zu tragen. Wie konnte es dann ein Jugendlicher sein?

Selten bewunderte er andere Menschen, aber in jetzt gebührte sein gesamter Respekt diesem Jungen, der sich bereit erklärt hatte, eine Entscheidung zu treffen, sicher die schwerste in seinem Leben. Das einzige Problem war nur, wenn diese Lösung falsch war und sie noch einige Sekunden hatten.

Dann wusste der Junge, dass er sie alle zum Tode verurteilt hatte und eigentlich wollte Zoro das nicht dem Jungen antun. Es wäre eine Gewissheit, die trotz der kurzen Zeit unerträglich, schwer und schmerzhaft wäre. Garantiert das intensivste und tödlichste Gefühl.

„Ja...“

Trotz der Bestätigung zögerte er noch und schniefte. Im blauen Licht sah Zoro, dass der Latino weinte und zu ihnen herüber sah. „Wenn es doch nicht stimmt... Sanji, Ava... Ich,... ich lie-“

Er brach ab und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Auch der Junge hatte wenig mit dem gemein, den Zoro bei seinem ersten Besuch bei McKenna Zuhause gesehen hatte. Die Arroganz und Überheblichkeit waren weggeblasen.

„Ich liebe euch!“, schrie er. „Ihr seid doch meine Geschwister...“

Geschwister?

Endlich legte er die Hände auf die Tastatur des Computers in der Bombe und gab jeden Buchstaben einzeln ein. Nach einem Sekundenbruchteil der Überlegung schien er auf die Entertaste zu drücken.

Zoro sog all die Luft ein, die er einatmen konnte und ballte die Hände zu Fäusten. Er biss die Zähne auseinander und legte den Kopf in den Nacken. Alles in ihm spannte sich an und die Knochen seiner Finger knackten. Er erwartete, dass er gleich von einer gewaltigen Explosion aus dem Leben gerissen wurde.

Nichts geschah.

Ein heller Piep ertönte und Fernando schlug die Hände über den Kopf zusammen. „Das war richtig. Es war richtig!“

Erleichtert stöhnten alle auf und Zoro musste seine Freudentränen, die zuvor noch Abschiedstränen waren, von seinem Gesicht wischen. Seine Finger berührten die heiße Haut, die von dem Schweiß ebenfalls nass war. Zumindest war es in diesem Moment eine Auslegungssache.

Mit einem Mal erfüllte stürmischer Beifall die Etage, der mit Jubel unterlegt war. Jermaine, der diesen als erster angestimmt hatte, hob eine Faust in die Höhe und setzte zu einem Jubelschrei an. Das Glück sprudelte aus allen heraus und Nami rannte auf Zoro zu. Sie umarmte ihn glücklich und flüsterte ihm unverständliche Satzgebilde ins Ohr. Er verstand nichts von dem, was sie ihm sagte, aber erkannte an ihrer Stimme, dass es pure Freude war. Im Hintergrund sprang der Latino auf und stieg mit in den Jubelchor ein.

„Wir leben“, jubelte sein Sohn, als er seine Schwester in die Arme schloss und ein Stückchen in die Luft hob. „Wir leben!“

Zoros Blick fiel auf Ava, die der Gruppe kraftlos beitrat und sich mit der Hand die Schulter rieb. Sie stand noch recht einsam neben den Jubelnden und sah sich unsicher um. Gesenkten Hauptes schritt sie auf McKenna zu, der wenig begeistern schien.

Müde ließ er seinen Blick umherschweifen und als er die freudigen Gestalten musterte schüttelte er den Kopf. „Ich störe ja nur ungern diese Euphorie, aber die Bombe ist noch nicht kalt.“

Sofort verstummten die Schreie und das Lächeln schmolz auf den Gesichtern. „Was?“

„Ihr seid alle dermaßen naiv, dass es beinahe bemitleidenswert ist“, spottete der Coroner und unterstrich dies noch mit einem kurzen Lachen. „Fernando, sieh auf den Monitor und sag mir, was du siehst!“

Überrascht von dem Befehl, aber hörig wie gewohnt, folgte er diesem und beugte sich über die Kartons. „Hier stehen hunderte Zeilen mit Buchstaben und Zahlen und es läuft immer weiter.“

„Was steht in der ersten Zeile?“, fragte der Blonde und fixierte dabei Zoro, obwohl er nicht mit diesem sprach. Ihm war es höchst unangenehm. „Nur die ersten Satzteile.“

Hektisch schmiss er sich auf die Knie und ließ er seine Finger über die Tastatur gleiten. „GG-9 874ZU PL64 921TRI... Brauchst du mehr?“

„Nein!“

Es folgte eine kurze Pause, in der McKenna den Kopf hin- und herwiegte. Die Stirn hatte er in Falten gelegt und formte mit seinen Lippen unbekannte Worte. Zwischen den Fingern auf dessen Bauch quollen Unmengen Blut hervor und es schien von Mal zu Mal dunkler zu werden und die Gliedmaßen begannen unter dem Blutverlust zu zittern.

„Es ist unmöglich, diesen Bombentyp zu entschärfen“, sagte McKenna monoton. Als wolle er die Reaktionen der anderen abwartend, setzte er eine kurze Pause.

Zoros Arme verkrampften sich um Namis Oberkörper, die ihn noch immer fest umklammert hielt. Die Fingerglieder zogen sich zusammen und er strich mit den Fingerkuppen über ihren Rücken, während die Nägel über ihr Shirt kratzten. Geschockt starrte er in die Leere und schmiegte seinen Kopf an ihren. Leicht roch er einen süßen Parfumhauch, der keineswegs penetrant war, sondern ihrem Typ angemessen. Verwunderlich, dass er für solche Erkenntnisse Zeit hatte.

„Also werden wir doch sterben“, flüsterte der Staatsanwalt und hasste sich dafür, dass er sich zuvor zu einem Ausbruch der Lebensfreude hinreißen gelassen hatte. Jetzt war der Schmerz um einiges unerträglicher.

„Nun“, begann der Coroner ruhig. „Sie sagten doch, die Tür wäre mit dem Sprengsatz verbunden, oder nicht? Man könnte versuchen, die Tür zu entriegeln.“

„Und wie?“

Ohne direkt auf die Frage einzugehen, wandte er sich dem Latino zu. „Fernando, hast du gehört?“

McKennas Bruder bestätigte, kratzte sich aber unsicher am Kopf. „Soll ich einfach das Kabel durchtrennen?“

„Wenn du uns alle gleich töten willst, dann mit dem größten Vergnügen!“

„Was soll ich denn dann machen?“ Die Verzweiflung war klar und deutlich zu hören. Sie flutete den Raum und erfüllte die Luft, die bereits schwer auf ihnen lastete, mit spürbaren Vibrationen. Es war einfach belastend und zerreißend. Hier wurden sie an ihre Grenzen getrieben.

„Ich werde dir jetzt Anleitungen geben, die du einfach befolgst“, befahl der Blonde, während er eine andere Haltung einnahm, was aber äußerst anstrengend erschien. Gequält biss er die Zähne aufeinander und zischte laut. „Einverstanden?“

„Ja“, antwortete Fernando und zur Überraschung Zoros ohne zu zögern. „Bin ich.“

„Gut“, nahm McKenna zur Kenntnis und wischte sich mit der Hand über die Stirn, die anschließend rot bedeckt war. „Du hast ein Eingabefenster?“

„Naja, es ist eher eine Eingabezeile ganz unten.“

„Das reicht vollkommen aus. Du gibst 444 EBF ein, damit müsstest du ein anderes Fenster öffnen können, in dem die Eigenschaften der Bombe beschrieben werden. Also genauer Typ, Sprengkraft, Stromkreis und Verbindungen.“

Nach einigen Sekunden, in denen er die Kombination eingegeben hatte, reagierte Fernando und bestätigte mit einem schnellen 'Ja'.

„Gut. Was steht bei 'Connections'?“

„Ähm, 'Tender Chain 8' und danach K34FG99“, las er vor und drehte seinen Kopf in ihre Richtung. „Kannst du damit etwas anfangen?“

„Gib die Kombination ein“, antwortete der Verwundete knapp und schrie plötzlich auf. Von dem Anblick mitgenommen ging Zoro auf McKenna zu und legte seinen Arm um ihn. Ohne sich in irgendeiner Form zu wehren ließ er sich von ihm in die Umarmung ziehen. Er konnte die kalte, nasse Haut spüren, als er eine blonde Strähne aus dem Gesicht des Coroners strich. Mittlerweile war die Farbe einem wirklich ungesundem Ton gewichen und die Lippen nahmen zwar nur leicht bläuliche Nuancen an, aber es war besorgniserregend.

„Jetzt müsste ein weiteres Fenster erscheinen, in dem du bezüglich der Kombination einen ganzen Fluss aus Ziffern und Lettern haben müsstest“ Er wartete ein bejahendes Brummen ab, ehe er fortfuhr. „Jetzt tippst du Delete-#ProressOn ein. Nun müsstest du eine Fehlermeldung bekommen, bei der du dann auf Settings klickst. Befindest du dich jetzt in einem Fenster mit der Aufschrift Connections?“

„Ja.“

„Dann ließ vor, was da steht!“

„Öhm“, anscheinend überrascht über diesen erneuten Befehl, wirkte er etwas verwirrt. „Also, Section TeYX, Section LMuP und Section CCi.“

McKenna nickte lediglich und lehnte sich an Zoro an, der prompt errötete und sein Herz schneller pulsierte als zuvor. Er schluckte schwer und lächelte schmal.

„Nimm letzteres und tipp' anschließend ZX!“ Er wartete, bis er sicher war, dass sein Bruder dies getan hatte. „Die Tür ist frei! Du kannst das Kabel gefahrlos abreißen.“

Diese Meldung wirkte auf alle erneut wie eine Befreiung, mit dem kleinen Unterschied, dass sie sich dieses Mal sicher sein konnten endlich in Sicherheit zu sein.

Glücklich schloss er die Augen und in seinen Ohren rauschte es. Die Umgebung verblasste in all ihren Facetten. Die Bilder schwanden in der Dunkelheit – bedingt durch das Schließen seiner Augen -, der Ton wich einem monotonen Dröhnen, der Geruch des Gases und Rauches einem trockenen Duft und der giftige Geschmack einem schalen Anklang.

Freudig presste er die Lippen aufeinander und formte mit diesem ein leichtes Lächeln. Angestrengt versuchte er zu vermeiden, dass er eventuell doch noch weinen könnte. Alle waren aufgelöst und glücklich, nur der Coroner zeigte keine selige Miene, aber dies musste nicht zwingend ein Zeichen von Trauer sein. Möglicherweise war er einfach zu erschöpft, um noch kund zu tun, dass er froh war.

Einen Moment drückte er den Blonden fester an sich, als wolle er verhindern, dass er vielleicht verschwinden würde. Er musste ihn wärmen und sicher sein, dass sie alle lebend aus diesem Gebäude kamen.

Auf einmal nahm er ein Quietschen wahr und drehte seinen Kopf zur Tür. Die Finsternis endete mit einem lichterfüllten Rechteck und er konnte das Leben spüren, dass es ausstrahlte.

„Die Tür ist auf!“, verkündete Fernando und winkte den anderen zu. „Kommt schon!“

Die Aufforderung musste er nicht wiederholen, da alle auf ihn zukamen.

Schnell erhob sich Zoro und hielt McKenna die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. „Soll ich Sie tragen?“

An die Verletzungen des Coroners denkend bot er ihm diese Option an und war wirklich besorgt um den Gesundheitszustand seines Gegenüber. Zumal er glaubte, dass dies eine zu große Anstrengung für ihn wäre. Die beiden Schusswunden waren ja nicht nur Kratzer, sondern lebensbedrohlich.

„Nein“, lehnte der Blonde ab, nahm aber die Hand dankend entgegen. „Das schaffe ich noch allein.“

„Ich nehme Sie beim Wort!“, irritiert nahm er dies zur Kenntnis und half McKenna auf, ehe er sich laufend auf den Ausgang zu bewegte. Im Moment hatte er nur noch ein Auge auf seine Kinder, bei denen er sicher sein wollte, dass diese sich retten konnten. Auch wenn sie alle gemeinsam sterben sollten, würde er in dem Augenblick, in dem er zerfetzt wird, unter der Last der Trauer und Schuld zerbrechen. Er wollte nicht wissen, wie es war, wenn die eigenen Kinder starben. Wenn man einfach nicht genug tun konnte, um sie zu retten.

Er fragte sich, wie Eltern mit diesem Verlust leben konnten, wenn er sich nicht einmal vorstellen konnte auch dies nur ein Zehntel einer Sekunde auszuhalten. Es würde ihm das Herz zerreißen und seinen Leib in Brand stecken. Seine Muskeln würden zerquetscht und seine Knochen pulverisiert werden. Keine sonderlich guten Aussichten.

Sie stürmten durch die Tür, an den Kartons mit ihrem todbringenden Inhalt vorbei. Das Treppenhaus war breit und die Wände wirkten wie in dem Raum zuvor kahl und kalt. Die Tapete hing in großen Lappen an den Wänden herab und auf dem Boden waren große, getrocknete Lachen Farbe, zumindest glaube er das. Einige Stromkabel pendelten von der Decke und schwangen sanft in ihrem eigenen Takt.

Zoro hatte weder Lust noch Zeit, um sich umzusehen. Schnell liefen sie auf die Treppe zu und nahmen die ersten Stufen. An der Spitze befanden sich Fernando und Jermaine, dicht gefolgt von Nami und Ava und hinter ihnen Alison und Jefferson. Er selbst setzte sich an das Ende der Gruppe und vermutete McKenna hinter sich. Sie nahmen die ersten Stufen.

Das Treppenhaus war in halbe Stockwerke unterteilt. In der Mitte zwischen zwei Etagen befand sich eine Ebene, in deren Wand ein gigantisches Fenster eingelassen war, das vom Boden an die Decke reichte.

Schon nach der ersten Treppe schoss ein Ziehen durch sein rechtes Bein, dass stark pulsierte und an einigen Stellen stach, als würde es von etwas durchbohrt werden. Mit einem schmerzverzerrten Gesicht ignorierte er dieses Gefühl und rannte weiter. Nachdem er an zwei weiteren Fenstern vorbeigelaufen war, warf er einen Blick auf ein Messingschild, dass ihn die aktuelle Etage nannte.

Fünfundsechzig.

Diese Zahl versetzte ihm einen Schock. Gut, es war unter normalen Umständen möglich, innerhalb von fünfzig Minuten diese Anzahl an Stockwerken in einem Hochhaus hinunter zu rennen, aber dies waren keine normalen Bedingungen.

Sie waren alle erschöpft, sowohl von der Betäubung als auch von der Angst, die erbarmungslos an ihren Kräften gezerrt hatte. Des Weiteren waren er, McKenna und Jefferson verletzt. Er bemerkte selber, wie Anstrengend das Denken und Sehen war und das in Verbindung mit dem Laufen. Er wettete, dass er eine Gehirnerschütterung hatte und sicherlich keine leichte. Jefferson, der sich vor ihm befand schwankte und prustete. Der Hüne hatte Mühe sich aufrecht zu halten und stolperte des Öfteren.

Meistens sprang Zoro die letzten Stufen, was sein Bein mit weiteren qualvollen Stichen kommentierte. Er versuchte die Schmerzen wegzudrücken, indem er die Zähne so fest aufeinander biss, bis der Kiefer taub wurde, aber selbst dieser Versuch bewirkte nicht viel und seine Wade pochte, dass er meinte, er könne sie hören.

Plötzlich vernahm er einen Schrei und sah nach vorne. Ava lag auf dem Boden und sie hatte die Arme schützend über ihren Kopf gelegt. Ihr Fuß war verdreht und alles deutete darauf hin, dass sie von der Treppe gestürzt war. Langsam stand sie auf, gestützt von ihrem Bruder, der sie besorgt musterte. Ihre Lippe war aufgeschlagen und aus der Nase tropfte Blut.

„Mein Fuß“, schluchzte sie und versuchte aufzutreten, aber sie schrie lediglich auf. „Mein Fuß!“

Ihr Bruder ging vor ihr in die Knie und betrachtete ihn genauer. „Der ist dick... garantiert gebrochen oder verstaucht.“

Ihr Schluchzen wurde lauter. „No... ¿y ahora?“

Hektisch ging der Latino auf und ab und signalisierte, dass er maßlos überfordert war. „¡No sé!“

Niemand wagte es, sich zu bewegen. Sie bemühten sich scheinbar nach einer Lösung zu suchen, fanden jedoch keine. Immerhin war es dem Mädchen unmöglich weiterzulaufen.

Ohne jede Vorwarnung ging Jefferson auf die zu und sah sie ernst an. „Hier zählt jede Sekunde!“

Mit einer schnellen Bewegung legte er eine seiner breiten Hände auf ihre Hüfte und legte den anderen Arm um ihre Taille. Er hob sie in die Luft und warf sie sich über die Schulter, während sie nur einen überraschten Schrei ausstieß. Er legte anschließend eine Hand auf ihren Rücken und die andere auf eines ihrer Beine, um sie noch zusätzlich zu sichern.

„Los jetzt!“, rief er und setze sich an die Spitze. Umgehend folgte der Rest, aber diese kurze Pause tat Zoros Muskeln nicht gut, sie verkrampften sich noch mehr. Mühsam quälte er sich die nächsten Stufen herunter, aber die Geschwindigkeit hatte allgemein viel abgenommen. Ein weiteres Schild verkündete ihm, dass sie sich im siebenundfünfzigsten Stockwerk befanden.

„Wie lange noch?“, stieß Nami keuchend aus. Sie wankte auch bedrohlich und hielt sich die Seite, während ihr schon der Schweiß auf der Stirn stand. Zoro selbst hatte schon gar kein Zeitgefühl mehr und er wusste nicht, wie lange sie gerade gewartet hatten.

„Knapp siebenundfünfzig Minuten“, kam die Antwort von vorne.

Das gesamte Treppenhaus wurde von ihrem Keuchen, Stöhnen und dem Knallen der Schuhe auf dem Asphalt erfüllt. Die Laute hallten an den Wänden wider und schallten zurück, so das der Eindruck entstand, es befänden sich mehrere Leute dort. Jedes Mal wenn er an einem Fenster vorbeistürmte sah er hinaus und erhoffte sich, dass sie den Todesturm so schnell wie möglich verlassen konnten. Er rief sich immer den Gedanken in den Kopf, dass er nur weiterlaufen müsse und schob damit den Schmerz beiseite, der aber stetig durchdrang und sich mit größerer Intensität festbiss.

Seit der letzten Zeitabfrage hatte er schon viele der gigantischen Fenster passiert, Mittlerweile rannten sie schon nicht mehr, sondern liefen erschöpft weiter. Sie joggten eher langsam durch das Treppenhaus. Bei einem erneuten Blick auf ein Messingschild erhellte sich sein Gemüt etwas. Sie befanden sich bereits im sechsundvierzigsten Stock.

Sie würden das schaffen und diese Gewissheit gab ihm neue Kraft. Er verdrängt erneut, dass sein Bein sich anfühlte, als ob es gerade absterben würde. Vielleicht waren es jetzt nur vierzig Minuten, aber in denen war es möglich, sich in Sicherheit zu bringen und nicht zu sterben, wie ihnen eigentlich prophezeit wurde.

„Es ist nicht mehr weit!“, rief er dem Coroner über die Schulter zu und lächelte dabei. Vor allem für ihn sollte diese Nachricht eine gute Neuigkeit sein. Er musste der kraftloseste unter ihnen sein und dem Ende der Tortur am meisten herbeisehnen, aber als Zoro nach hinten blickte, erkannte er niemanden. Noch in dem Glauben, dass McKenna jeden Moment um die Ecke bog wurde schnell zerschlagen. Abrupt blieb er stehen und keuchte unter Tränen. Seine Beine waren unsagbar schwer und das rechte sackte kurz zusammen. Zum Glück konnte er sich an dem Treppengeländer abstützen, weil er sonst selber zusammengebrochen wäre.

„McKenna?“, stieß er atemlos aus und starrte entsetzt zurück. Er hatte bereits das Gefühl gehabt, dass jemand fehlte und als er zurück gesehen hatte, hatte er auch gewusst weshalb er dies hatte. Er hatte den Coroner hinter sich vermutet, aber von diesem war nichts weiter zusehen. „Wo ist der?“

Unsicher und hektisch warf er den Kopf umher. Er wusste nicht, wie weit sich der Gesuchte hinter ihnen befand. Möglicherweise war er schon nach wenigen Etagen zusammengebrochen. Bei diesem Zustand war es sogar das Wahrscheinlichste. Wie hätte man auch annehmen können, dass er diese Strecke allein schaffte? Schon der logische Menschenverstand hätte ihnen das sagen müssen.

„Sanji!“, schrie Fernando und wollte die ersten Stufen zurücklaufen, als er von Zoro gestoppt wurde.

„Halt!“, rief er und sah ihn entschlossen an. Schon einmal hatte der Junge alles riskiert, aber dieses Mal war nicht er, der für andere seinen Kopf hinhalten musste. „Ich gehe!“

Ohne zurückzusehen machte er auf dem Absatz kehrt und musste sich quälen, um noch voranzukommen. Der Aufstieg war deutlich beschwerlicher als gedacht, zumal er eh keine Kraft mehr in seinen Beinen besaß. Zwar versuchte er bei jedem Schritt zwei Stufen zu nehmen, aber dies gelang ihm nie und er war froh, wenn er überhaupt eine schaffte ohne erschöpft zusammenzubrechen. Er stand unter einem unglaublichen Druck.

Hier ging es nicht nur um ihn, sondern auch um seine Familie. Dennoch war er der Überzeugung, dass sich diese in Sicherheit bringen konnten und dies beruhigte ihn ungemein, trotzdem brannte sein Leib und er betete, dass er es noch rechtzeitig schaffen würde, um den Blonden zu finden und zu retten. Er war einfach nicht bereit diesen hier sterben zu lassen.

Mit Herzrasen stürmte er die Treppen hinauf, vorbei an den großen Fenstern und den Türen, die zu den einzelnen Etagen führten. Keines der Stockwerke schien bereit für die Arbeit zu sein. Soweit er sich erinnerte, wurde der U.S. Banktower gerade renoviert und die alte Technik und Elektronik durch neue ersetzt. Immerhin erklärte dies die herunterhängenden Kabel und die losen Baumaterialien, die teils an den Wänden lehnten und teils auf dem Boden lagen. Unter ihnen befanden sich Werkzeugkisten, Tapetenrollen, Kleister und Farbe. Für genauere Betrachtungen fehlte ihm einfach die Zeit und die Lust.

Um nicht versehentlich zu weit zu laufen oder gar auszurutschen riss er sich bei jedem Ende einer Treppe an dem Geländer fest und zog sich mit dem Arm um die Ecke. Der Schmerz in seinen Beinen wurde unerträglich und sein Kopf dröhnte, als hätte ihn jemand gegen eine Wand geschlagen und zertrümmert. Möglicherweise hatte er sogar einen Schädelbruch, aber dies schloss er aus, da er sonst sicherlich nicht mehr bei Bewusstsein wäre und auch nicht in der Lage wäre zu Laufen.

Seine Muskulatur drohte zu zerreißen und seine Nerven sendeten unaufhörlich Signale ihrer Erschöpfung aus. Sein Mund war ausgetrocknet und er spürte jeden Atemzug in seiner Kehle, der kalt durch seine Luftröhre schoss und seine Lungen füllte. Seine Lungenflügel fühlten sich an, als würden sie jeden Moment explodieren. Normalerweise bräuchte er eine Pause, aber er durfte einfach keine einlegen. Er musste McKenna finden.

Wo zur Hölle ist der?! Eigentlich hätte er den Coroner schon finden müssen, da er sich fast wieder an seinem Ausgangspunkt befand. Soll das etwa heißen, dass...?

Mit einem Ziehen in der Magengegend, die sowohl von der Anstrengung, als auch von seinem Verdacht herrührten. Panisch rannte er weiter.

„McKenna!“, schrie er laut, was ihm erneut Kraft entzog, die er auch für das Laufen hätte gebrauchen können.

Seine Geschwindigkeit hatte sich noch weiter verringert und er musste das Laufen einstellen. Müde stampfte er die nächsten Stufen empor und lächelte der aufstehenden Tür glücklich entgegen. Noch nie hatte er sich darüber gefreut, dass er einen stählernen Türrahmen samt Scharnieren und einer eisernen Tür sah.

Schwanken nährte er sich ihr und berührte mit der Hand den kalten Stahl. Er genoss das Gefühl, das langsam durch seine Haut kroch und in seine Eingeweide vordrang. Es wirkte sehr entspannend und beruhigend auf ihn.

Da er McKenna während der letzten Stockwerke nicht entdeckt hatte, musste er sich hier befinden und dies würde seinen Verdacht bestätigen. Ohne große Erwartungen betrat er den Todestrakt.

Schon als er den Fuß über die Schwelle hielt spürte er diese eigenartige Aura, die der gesamte Raum ausstrahlte. Sie roch außerdem nach purem Tod.

In dem Moment als er sich umsah, wurde ihm erneut übel und sein Herzschlag setzte für wenige Sekunden aus.

„Was machen Sie hier?“, keuchte Zoro atemlos und glaubte nicht, was er da sah. McKenna saß in der Nähe der Tür, genauer neben der Bombe auf dem Boden, die noch immer blau leuchtete. Entsetzt starrte er auf die Ziffern, die sekündlich gen Null liefen.

„Ich habe Sie etwas gefragt!“, donnerte er wütend und gestikulierte herrisch mit den Händen, aber der Coroner ignorierte ihn und besah sich den Display der Bombe. „Verdammte Scheiße! Reden Sie!“

Mit einem verklärten Blick beobachtete er die Ziffern. Dreiundvierzig Minuten und dreiundfünfzig Sekunden.

Hektisch stürzte er auf McKenna zu und packte ihn an den Schultern, was den Schweigenden dazu zwang ihn anzusehen. „Was machen Sie hier? Haben Sie den Arsch offen, oder was?“

Die Aggressivität und der Unglaube nahmen in einem unwahrscheinlichem Tempo zu und er musste sich zügeln, um den Blonden nicht mit einer Ohrfeige zur Raison zu bringen. Seine Hand zitterte schon bedrohlich und auch sein Kiefer schmerzte unter dem Druck. Er merkte, wie die Adern unter der Haut hervortraten und die Knöchel weiß wurden.

„Sie wollen wohl sterben oder warum sind Sie hier?“, fragte der Coroner ruhig und sah ihn ernst an. „Sie sind ein Idiot.“

„Was?“, stieß Zoro irritiert aus und seine Augen gewannen an Größe. „Wovon sprechen Sie?“

Seufzend leckte sich der Blonde über die blutigen Lippen und wies mit einem Nicken auf die Bombe. „Sie ist nicht die einzige hier.“

Wieder stockte dem Staatsanwalt der Atem und schlug sich fassungslos die Hand vor den Mund. „Wo... Wo sind die anderen?“

„In einem unregelmäßigem Abstand von etwa vier Stockwerken. Die Sprengkraft nimmt proportional zu und spätestens bei der zehnten wird der gesamte Tower zusammenstürzten und wenn die anderen intakt bleiben wird hier bald ein gut kilometerlanger Krater prangen. Ein Kilometer Durchmesser werden es wohl werden.“

Ein Kilometer, dachte Zoro und sog die Luft rasselnd ein. Angsterfüllt sah er zu dem Sprengsatz, der noch immer munter ihre verbleibende Zeit abzählte. Das Rot schien mit jeder Sekunde, die verstrich dunkler und blutiger zu werden. Warum?

Jede neue Tatsache, die er hier erfuhr, schockierte ihn erneut und er wusste einfach nicht, wie er das alles noch verarbeiten sollte. Möglicherweise würden also mehr Leute als sie sterben. Unschuldige Passanten und Arbeiter. Unschuldige Kinder wie die seine.

„Warum sind Sie nicht geflohen?“, fragte er plötzlich und vermied einen Blickkontakt mit McKenna. Traurig sah er ins Leere und lauschte lediglich dem schweren Schnaufen des Verletzten. Die Frage kam recht unerwartet und ohne jeglichen Gedanken.

„Ich hätte es eh nicht geschafft“, erklärte der Blonde bloß und zog mit dieser Aussage doch noch Zoros Aufmerksamkeit auf sich. Verwundert starrte er den Blonden an und die gesamte Wut, die er zurückgehalten hatte, drohte zu entfesseln.

„Ich habe Ihnen angeboten, Sie zu tragen!“, polterte er und stierte McKenna wutentbrannt entgegen. Diese Ausrede konnte er nicht gelten lassen, zumal der Blonde doch anscheinend schon des Öfteren sterben wollte. Er wäre beinahe erschossen worden, wenn niemand eingegriffen hätte, und er wollte die Bombe nicht entschärfen, bis ihm sein Bruder ins Gewissen geredet hatte. Wieso hatte er schon die ganze Zeit das Gefühl, dass ihn der Tod verfolgte? Seit er McKenna gesehen hatte, fühlte er sich bedroht.

Was ist das? Und wieso weiß er, wie man eine Bombe entschärft? Soweit er wusste, war der blonde Mann nie Teil eines Bombenräumkommandos gewesen.

„Hätten Sie mich getragen, hätte ich Sie am Laufen gehindert. Sie hätten sterben können, nur weil ich sie behindert hätte, da Sie ohnehin schon erschöpft und ermüdet sind“, erklärte McKenna ruhig, lachte aber anschließend. „Ist aber jetzt egal. Sie sind hier. Wenn Sie jetzt gehen, schaffen Sie es möglicherweise noch.“

Diese Erläuterung traf ihn schwer und er musste gegen die Tränen ankämpfen. McKenna ist also nur zurückgeblieben, damit niemand eine zusätzliche Last tragen und wegen dieser Belastung sterben musste?

Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Gedanklich war er bereits jede erdenkliche Ausrede McKennas durchgegangen und hätte sie mit mehr oder weniger überzeugenden Argumenten widerlegen können, aber für diese Erklärung hatte er kein Gegenargument und nach der Stimme und Mimik des Coroners zu schließen, war dies die Wahrheit, die doch so bitter war.

Überrascht über diesen Edelmut schüttelte er den Kopf. „Ohne Sie gehe ich nirgendwo hin!“

Fassungslos klappte McKenna der Mund auf und seine Augen wurden glasig. Die Unterlippe vibrierte unregelmäßig und der Coroner wischte sich über das feuchte, rechte Auge, bevor eine Träne noch Licht der Welt erblicken konnte. Zum ersten Mal sah er den unterkühlten Blondschopf derartig emotional und dies warf weitere Fragen auf, über die Zoro keine Zeit hatte nachzudenken.

Schnell drehte er sich um und ging in die Knie, mit dem Rücken zu McKenna. „Steigen Sie auf! Wir haben noch knapp vierzig Minuten.“

Er wartete einen Moment ab, registrierte allerdings keine Bewegung des anderen und auch keine Bemühungen. Entschlossen zu warten, bis McKenna etwas sagte, blieb er in seine jetzigen Position und verweilte einige Sekunden stillschweigend. Der Coroner musste wissen, dass der Staatsanwalt eine Erklärung verlangte, wenn er dem Befehl nicht Folge leistete.

„Ich kann nicht“, kam es tränenerstickt von hinten und Zoro schloss kurz die Augen. Die Stimme war ein Zeugnis, wie es in dem Blonden aussah und dies war beängstigend. Sie war schwächer als zuvor und durch das emotionale Chaos in ihm dumpf und schwer. Sie war mit Schluchzen und Hoffnungslosigkeit gepaart.

„Sie können!“, sagte Zoro entschlossen und leise. Er glaubte, dass dies mehr Wirkung zeigte als Brüllen, da er McKenna ein vertrauenswürdiges und sicheres Bild von ihm vermitteln musste. Es war von Nöten, dass der Blonde sich geschützt bei ihm fühlte, ansonsten würden sie hier wirklich sterben ohne versucht zu haben zu überleben.

Lächelnd bemerkte er, wie der Verletzte seine Arme um seinen Hals schlang und sein Kopf an seinen lehnte.

Mit einem Sprung war er auf den Beinen und nutze diese Gelegenheit, um mit seinen Armen die Beine zu umklammern, die links und rechts auf der Höhe seiner Taille an seinem Oberkörper vorbeilugten. Nachdem er kurz geschwankt war, weil das zusätzliche Gewicht, das nicht gering war, auszubalancieren versuchte, stand er fest auf beiden Füßen, aber die weitere Person würde ihn weiter schwächen und er würde seine restlichen Kräfte, von denen nur noch wenig übrig war, aufbrauchen und noch über seinen Grenzen hinausgehen. „Ich habe Sie. Halten Sie sich nur gut fest!“

Ohne auf eine Antwort zu warten rannte er erneut durch die Tür. Dass er noch genügend Reserven zum Rennen hatte, hätte er nicht gedacht, aber womöglich lag es daran, dass es nicht nur um ihn ging. Wenn er es nicht schaffte, dann auch der Coroner nicht. Er war jetzt für dessen Überleben verantwortlich. Die ersten Meter waren eine neue Herausforderung und die Treppen erreichten einen neuen Schwierigkeitsgrad. Eigentlich müsste er übernatürliche Kräfte aufbringen, um dies zu schaffen.

Er unterließ es zu denken und setzte sich einfach gegen seinen schwächelnden Körper durch. Jeden Schritt, den er tätigte hörte er intensiv und betäubend. Die Töne, die sich echoähnlich wiederholten, bildeten ein eigenes, neues Musikstück, das er zuvor nicht kannte. Zu der Basis gesellte sich sein schwerer, keuchender Atem, der einer Melodie glich und wunderbar mit den Schritten harmonierte.

Dieses Lied spornte ihn an und ließ seine Beine einfach weiterlaufen ohne Rücksicht auf Verluste. Er konnte gar nicht anders als einzustimmen, da er wusste, dass er bei Beendigung seiner Tätigkeit

auch dieses Lied beenden würde.

Ihn interessierte seine Umgebung nicht, da er sie bereits kannte und er außerdem keine Kraft mit deren Betrachten verschwenden wollte. Aus dem Augenwinkel erkannte er manchmal eines der gigantischen Fenster, die deutlich langsamer an ihm vorbeizogen als zuvor. Er war wirklich schwerfällig.

Um sich von den Tatsachen abzulenken, dass er langsamer war, die Zeit gegen sie raste und es auch um McKennas Leben ging, überlegte er, wie er sich am besten in Sicherheit brachte, sobald er durch die Eingangshalle ins Frei gestürmt war.

Er wusste, dass sich direkt neben dem Gebäude ein großer Swimmingpool samt Grünanlage befand und wenn er sich recht erinnerte, war er links von dem Tower, wenn man vor ihm stand. Von ihm aus, wenn er die großen Fenster als Anhaltspunkt nahm, rechts, aber dort befand sich pure Wand. Erst ab dem dreißigsten Stock würde das Treppenhaus von allen Seiten mit Fenstern ausgestattet sein, die alle vom Boden zur Decke reichten. Also nach Osten, Süden und Westen, nur nicht nach Süden, weil sich in diese Richtung das Innenleben des Turmes verlief.

Angestrengt dachte er über weitere Fluchtmöglichkeiten nach. Würde er nach Osten laufen, würde es einige Zeit dauern, bis er auf eine größere Straße träfe, die mit Sicherheit befahren wurde, und somit auf andere Menschen, die ihnen helfen konnten. Nach Süden wusste er nicht. Er entschloss sich, nach Osten zu laufen zu laufen. Sollte er während der ersten Straßen auf niemanden treffen, weil die Menschen wegen der Detonation geflüchtet waren, würde er spätestens auf dem S Broadway auf welche treffen.

In ihm wuchs nicht das Verlangen zu wissen, wie wenig Zeit ihnen noch blieb und in welcher Etage sie sich befanden. Diese Gewissheit würde ihn nur noch weiter unter Druck setzten und vielleicht unüberlegte Handlungen zur Folge haben könnte. Doch er konnte sich nicht erlauben, jetzt irrational zu handeln.

Er rief sich ins Gedächtnis, dass er einfach weiterlaufen musste, nicht an die Anstrengungen und Zerrungen denkend. Seine eigenen Bedürfnisse musste er jetzt zurück stellen, um zu gewährleisten, dass er nicht anhalten und somit ihr Todesurteil unterschreiben würde. Weiterhin sprach er sich regelmäßig beruhigend zu, dennoch schafften es seine derzeitigen Beschwerden, sich durch die Wand, bestehend aus Ignoranz und Fantasie, zu kämpfen.

Seine Beine fühlten sich nicht mehr wie Teile seines Körpers an, sondern eher wie Stelzen, die ihn trugen und voranbrachten. Sie waren bereits sehr ungelenk und steif, wirkten recht hölzern. Mit zunehmend staksigen Schritten wankte er durch das Treppenhaus und blieb schließlich an einer Wand stehen.

Er lehnte sich an das Mauerwerk und musste aufgrund der Anstrengung beinahe brechen. Sein Zwerchfell stach zu und seine Beine pulsierten bedrohlich. Die mangelnde Luftzufuhr zwang ihn, den Mund aufzureißen, um überhaupt etwas Sauerstoff zu erhalten. Der Schweiß lief in kurvigen Linien an seinen Wangen hinab und tropfte auf den Boden.

Achtzehnter Stock, dachte er atemlos nach einem kurzen Blick auf ein Messingschild, aber die Zeit wollte er nicht in Erfahrung bringen. Weiter!

Er zwang sich, voranzukommen und stieß sich von der Wand ab. Den Schwung nutzend, stürmte er nach vorne, die Treppenstufen hinunter und stürzte fast, weil er mit dem Fuß umgeknickt und über den letzten Absatz gerutscht war. Um einen Fall zu verhindern beschleunigte er und rannte weiter. Ihn motivierte das Wissen, dass er es beinahe geschafft hatte. Trotz der Motivation mangelte es dem Körper an Kraft.

Unkontrolliert schwankend sprang er die Stufen hinunter und spürte jeden Sprung auf zwei Weisen. Zum einen an seinen Füßen und den Beinen, die nach jedem ein kleines Stück zusammensackten und seine Fußsohle verbrannte und zum anderen in seinem Rücken, weil der Coroner bei jedem Sprung ebenfalls schwer gen Boden rutschte und dies ein unnatürliches Schmerzen in seiner Wirbelsäule verursachte. Er wollte schreien, vermied es jedoch, um Energie zu sparen.

Mittlerweile hatte er sogar ein Auge für seine Umgebung. Er zählte die gigantischen Fenster, wenn er an eines vorbeilief und bemerkte, dass sich bereits mehrere dort befanden. Links und rechts an verschiedenen Wänden neben dem Panoramaausblick. Kopfschüttelnd dachte er darüber nach, warum er dies nicht schon vorher bemerkt hatte.

Zusätzlich schätzte er die Meter, die er noch bis zum Erreichen sicheren Bodens zurücklegen musste. Als er irgendeine beliebige Zahl auserkoren hatte, rechnete er sie in Schritte um. Sein mathematisches Denken litt deutlich unter diesen Bedingungen und der Situation.

Müde und keuchend kniff er das rechte Augen zusammen, nachdem es salziger Schweiß gewagt hatte, dort hineinzulaufen. Sofort brannte es und die Produktion von Tränen wurde angeregt. Das Atmen würde er am liebsten einstellen, wenn es möglich wäre, aber leider machte ihm sein Körper nicht ein derartiges Geschenk. Seinen Herzschlag nahm er als Donnerschläge in seinem Innersten wahr, die brachial dröhnten und seine Innereien zum Zittern brachten. Sofort folgten seine Nerven, die seine Extremitäten wackelig und instabil erschienen ließen. Mit seinen Füßen über den Boden rutschend kam er nur wenige Zentimeter pro Schritt voran.

„Haben Sie Angst?“

McKennas Frage riss ihn aus seinem tranceähnlichen Zustand. Abrupt blieb er stehen und drehte seinen Kopf in McKennas Richtung. Seine Nasenspitze berührte beinahe die Wange des Blonden und er konnte den fragenden Blick spüren, ehe er dem Blonden in die Augen sah.

Zoro konnte keine Trauer oder Angst erkennen, als wäre sie aus dem Coroner geblasen. Ein leichtes Lächeln zierte sein Gesicht, welches einen glücklichen Ausdruck preisgab. Es war ein weitaus beunruhigenderes Gefühl als zuvor, es wirkte wie das Lächeln eines Siegers.

Mit einem seltsamen Gefühl nahm er die nasse, warme Flüssigkeit wahr, die sich weiter durch seine Kleidung fraß. Sein Rücken klebte an seinem Hemd und spannte. In ihm stieg die Übelkeit auf und er beobachtete, wie sich eine rote Spur über McKennas Unterlippe schlängelte. Des Weiteren hatte der Blonde ein mehr als fahles Gesicht, was mit Sicherheit zu einem mit den hohen Blutverlust zusammenhing.

Zoro fühlte, wie sich das Blut McKennas weiter durch den Stoff seines Hemdes fraß und wie seine Haut sich gegen diese fremde Flüssigkeit sträubte und sich von ihr zu distanzieren versuchte. Trotz der Wärme wirkte es kalt und betäubend. Mittlerweile hatte er das Gefühl, einen lebenden Toten zu tragen. In ihm stieg die Übelkeit auf.

„Ist doch normal, oder?“

Die Erschöpfung machte sich erneut in seinem Körper breit und seine Beine wurden schwer. Seine Muskulatur verhärtete sich und in seinen Waden pulsierte der Schmerz. Der Krampf wuchs aufwärts und nahm die Oberschenkel in Beschlag. Er war nicht in der Lage, sich weiter fortzubewegen, ohne dass er befürchten musste, an Kreislaufversagen zu sterben.

Seine Lunge drohte zu zerreißen und das Keuchen stach durch seinen Oberkörper hindurch als würden ihn Nadeln oder Salven durchsieben, während seine Schultern trotz des geringen Gewichts des Blonden und seiner guten Kondition taub wurden und seine Arme schmerzten.

Er vernahm ein leises Kichern seitens des Blonden.

„Das ist ein Zeichen von Stärke...“, keuchte McKenna mit einer hellen, freundlichen Stimme, die dennoch kurz vorm Versagen war. „...und jetzt?“

Eine Frage, die ihm die Panik ins Bewusstsein rief und sich mit der Rationalität vermischte und seine Wahrnehmung trügten. Die Realität vermischte sich mit seinen Vorstellungen, dessen Ergebnis ihm die Angst durch die Gliedmaßen trieb. Das Wissen, dass er keine Antwort auf diese Frage hatte und sicher auch keine Zeit darüber nachzudenken, kämpfte sich mit brachialer Gewalt durch die Wand, bestehend aus Emotionen und Ignoranz der gegenwärtigen Situation, und ließ ihn näher an seine Grenzen treten als alles, was er bis dahin erlebt hatte.

Zoro zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Wie lange noch?“

Er nahm einige Bewegungen seitens des Coroners wahr, der aufgrund der körperlichen Anstrengungen begann schwer zu atmen und scharf die Luft einsog. McKenna schien einen Blick auf die Armbanduhr zu werfen. „Siebenundzwanzig Sekunden.“

Zoro schluckte, als er die Zahl hörte und riss die Augen auf. Schlagartig schossen ihm hunderte Gedanken durch den Kopf, die sich massenhaft überschlugen. „Siebenundzwanzig?“

„Dreiundzwanzig“, korrigiert McKenna und seufzte mit einem wohlig klingenden Unterton, ehe er zischend die Luft durch die Zähne presste. Der Blutverlust schien bereits Spuren hinterlassen zu haben und zerrte an den Kräften des Blonden.

Die Stimme war schwach und erstickt. Sie zeigte deutliche Anzeichen der körperlichen Erschöpfung und zeigte, inwieweit McKennas Kräfte seinen Leib bereits verlassen hatten.

„Und?“, fragte der Coroner atemlos und schlang seine Arme fester um Zoros Hals. Er spürte, mit welcher Stärke sich der Jüngere an ihm klammerte und wie dies gegen seine Kehle drückte. Ihn aufgrund dessen am Atmen hinderte. Das Schlucken schmerzte und trieb ihm leicht Tränen in die Augen, während McKenna unbewusst drohte, seinen Kehlkopf zu zerstören.

Seine Beine wurden schwerer und er bemerkte, wie er stückweise zusammensackte. Das Blut, das sich durch sein Hemd gefressen hatte, sog die gesamte Wärme aus seinem Innersten auf und ließ lediglich Kälte zurück, des Weiteren arbeitete der Ekel, den er aufgrund der Berührung des Blutes empfand, mit brachialer Gewalt gegen einen klaren Geist an und brachte ihn beinahe dazu, sich zu übergeben. In seinem Kopf begannen sich wieder die Ereignisse zu überschlagen und die Bilder rauschten nur an ihm vorbei und hinterließen abwechselnd Licht und Schatten.

Kraftlos wankend trat er einen Schritt zurück und starrte in die Leere. Er hatte keine Kraft mehr.

Er befand sich in einem Tunnel, an dessen Innenwänden Bilder und Filme jedes Menschen waren, denen er jemals begegnet war, egal wie unbedeutend sie für ihn waren. Egal wie unsympathisch sie waren. Jeder hatte irgendeinen Einfluss auf ihn gehabt.

Still stand er auf einem Punkt und der Tunnel raste samt Plakatierung an ihm vorbei. Wind, der von der anderen Seite zu kommen schien und die Geschwindigkeit des Vorbeiziehens des Ganges unterstrichen, streifte seine Haare und traf ihn im Gesicht. Er war kalt und lähmte seine Muskeln.

Einige Personen auf den Bildern waren schwarz-weiß und andere in Farbe. Die Bilder derer Menschen, die ihm etwas bedeuteten oder zu denen er eine gute Beziehung hatte, waren bunt, die anderen grau. Die Fotos schnellten mit zunehmendem Tempo an ihm vorbei und er sah, wie am Ende des Ganges ein Licht leuchtete, auf ihn zugerast kam und sich ihn einverleibte. Er tauchte durch das Schimmern, das sich wie eine Wand aus Wasser anfühlte und schlug die Augen auf.

Inmitten eines steinernen Turmes, dessen Ende er nicht vermochte zu vermuten, der mit leuchtend blauem Wasser gefüllt war, stand er einem riesigen Portrait gegenüber.

Auf welchem er farblos und seine Kinder bunt zusehen waren und sich bewegten, während er versteinert wirkte. Er saß in einem Sessel und seine beiden Kinder, Alison und Jermaine, standen neben ihm. Zu seiner Rechten Jermaine und zu seiner Linken Alison. Beide legten ihm lächelnd eine Hand auf die Schulter und drehten ihre Kopfe in seine Richtung. Ihr Lächeln war aufmunternd und zufrieden, ehe sie geradeaus schauten und ihn und nicht sein porträtiertes Ich ansahen. Sie nickten ermutigend.

Irritiert öffnete er den Mund und runzelte die Stirn. Was…?

Als er sich bewegen wollte und seinen Oberkörper einen Stück vorbeugte, schien etwas von hinten mit voller Kraft an ihm zu ziehen, so dass seine Schultern und sein Kopf kurz nach vorne fielen und das Wasser an seinen Ohren vorbeirauschte.

Zoro sah, wie er durch die Wand hindurch schoss und sich wieder in dem Gang befand, in welchem sich die Bilder rückwärts bewegten und in hohem Tempo auf die Lichtquelle, die sich schnell entfernte, zustürmten. Verwirrt sah er nach unten und stellte fest, dass er sich nicht bewegte.

Der Tunnel fuhr zurück und ein Sturm fegte von hinten über ihn hinweg.

Die Geschwindigkeit erreichte einen weiteren Höhepunkt und er wollte sich übergeben. Um das Gefühl zu verdrängen schloss er die Augen und atmete in kurzen Zügen schnell durch. Er ballte die Hände zu Fäusten und schluckte schwer. Mit einem Mal ging ein weiterer Ruck durch seinen Körper und er öffnete entsetzt die Augen.

Schwer atmend starrte er auf eine Betonwand und suchte mit schnellen, kurz anhaftenden Blicken seine Umgebung ab. Er befand sich in einem Treppenhaus und als er blonde Haare an seiner Seite registrierte, wusste er, wo er war.

So eine Scheiße! So eine sentimentale Scheiße!

Wieder einmal wurde ihm brutal bewusst, dass er für einige Sekunden einer Illusion Glauben geschenkt hatte und ihr nachgerannt war. Frustriert und enttäuscht presste er die Lippen aufeinander und verfluchte still die Welt, sich selbst und Gott, an den er nicht einmal glaubte. Er hasste sich und senkte leicht den Kopf. Wieso spielte ihm sein Verstand derartiges vor und schleuderte ihn unsanft wieder in die bittere Realität zurück?

In diesem Moment hatte er kein Mitleid mit sich selbst, sondern mit seinen Kindern, die ihren Vater verlieren würden, weil er den dramatischen Helden spielen wollte und sie sich im Gegensatz zu ihm retten konnten, und zum anderen mit McKenna, den er retten wollte, es allerdings nicht schaffte.

Es tut mir leid!

Beschämt starrte er gen Boden und ließ sie Arme hängen, so dass der Blonde abrutschte und mit den Beinen auf dem Boden stand. Schmerzhaft aufstöhnend klammerte er sich an Zoros Hemd fest und lehnte sich an dessen Rücken an und legte den Kopf an die Schulter.

Zoro warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah, dass der Jüngere die Augen geschlossen hatte und dass das Blut, das ihm aus dem Mundwinkel lief, über das gesamte Gesicht verschmiert war. Die Haarspitzen waren zum Teil verklebt und das Blut wurde dunkler, da es trocknete. Die blasse Haut wirkte bereits weiß und kraftlos. McKennas Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.

Als er seinen Kopf wieder nach vorne drehte, blickte er in die leichte Verspiegelung einer Fensterscheibe. Diese war dreckig und staubig. Der Rahmen, der eigentlich weiß war, strahlte in einem schmutzigen Grau und Zoro erkannte andere Gebäude, die in weiterer Ferne in die Höhe schossen. Der U.S. Bank Tower besaß ein relativ großes Grundstück.

„Jetzt ist es vorbei“, flüsterte er so leise, dass er es selber kaum hören konnte. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Resignierend seufzte er und jede Faser seines Körpers spannte sich an.

Laut hallte das imaginäre Piepen an den Wänden wider und wurde permanent lauter. Der Geruch des Todes, der wie eine Wand auf sie zugerollt war, umschloss sie und gab sie nicht wieder frei. Er saugte zerrte bereits an ihren Reserven. Mit jedem Atemzug verleibte er sich diesen Gestank ein, der sich frei in seinem Blut und Muskeln entfalten könnte und die Lunge belegte, wodurch das Atmen schwer fiel. Seine Augen wurden schwer und seine Muskulatur schlaff. Ihn holte die Müdigkeit und Erschöpfung ein. Drohend für einen kurzen Moment die Kontrolle zu verlieren kippte er mit dem Kopf zur Seite, als wären die Nerven und Wirbel kurzfristig verschwunden. Knackend kippte er zur Seite und fing sich schnell wieder.

Müde rieb er sich die Augen und fühlte, wie McKennas Hand sich in seinem Hemd festkrallte, um Halt zu finden. Er war sicherlich nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft zu stehen, geschweige denn zu laufen. Der Blutverlust, der zusätzlich erhöht wurde, da die alte Schusswunde wieder aufgerissen war, forderte deutlich mehr Energie von ihm als die Flucht vor dem Hauptsprengsatz.

Zoro drehte sich um und hielt den Coroner mit den Händen fest, um zu verhindern, dass dieser ins Wanken geriet und stürzte. Seufzend schlag er die Arme um McKennas Hüfte und legte seinen Kopf in dessen Halsbeuge.

Nur dieses eine Mal.

Zwar war er allgemein nicht bereit sein Leben beenden zu lassen, aber in diesem Moment wäre er bereit gewesen zu sterben. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und er verleibte sich den Geruch des Blutes ein. Das zum Teil metallische Aroma verlieh diesem eine besondere Note.

Genießend schloss er die Augen und zog den Jüngern dichter an sich heran. Mit der Hand strich er ihm über den Rücken und fühlte den nassen Stoff des Overalls und seines Jacketts, das McKenna um die Taille gebunden hatte, um die Blutung zu stillen. Allerdings zeigte dies wenig Wirkung, da der gesamte Rücken sich nass anfühlte und die Jacke sich ebenfalls gierig vollsog.

Sein Herz schlug in einem unregelmäßigen Rhythmus und das Blut schüttete Endorphine aus, die ihn glücklich stimmten, während sich Adrenalin dazugesellte und er begann zu schwitzen. Der Herzschlag wurde unharmonischer und die Extreme der Gefühle vermischten sich zu einer angenehmen und kuriosen Mischung. Von Außen drückte etwas gegen ihn und seine Eingeweide zogen sich zusammen.

Das warme Blut, das sich ebenfalls durch die Vorderseite seines Hemdes gezogen hatte, berührte seine Haut und ließ ihn erschaudern. Seine Muskeln spannten sich an und zwangen ihn seine Wirbelsäule durchzubiegen und die Lunge zog sich zusammen und presste sämtliche Luft aus sich hinaus. Während der Mund weiter austrocknete wurden seine Finger taub und die Kochen und Adern seiner Hände traten hervor. Kälte stieg von seinen Füßen hinauf und hielt ihn in ihrer erbarmungslosen Umarmung gefangen. Angenehm.

Lächelnd berührte er mit seinen Lippen McKennas Stirn und sein Herz unterbrach einige Sekunden seine Arbeit und seine Haut stand in Flammen. Ein Stromstoß fuhr durch seinen Körper und paralysierte jede seiner Fasern. Der Leib versengte im Grunde und die Vorgänge in seinem Körper liefen rückwärts. In seinen Ohren rauschte das Blut und das Schlucken fiel ihm schwer.

...dieses letzte Mal.

Er nahm ein Schniefen wahr und erkannte, dass der Blonde glasige Augen hatte und sich seine Mundwinkel zu einem glücklichen und seligen Lächeln verzogen. Der Blick war gesenkt und ins Leere gerichtet. Die Pupillen waren geweitet und in ihr glänzten zwei kleine Lichtpunkte. Am unteren Wimpernkranz hingen kleine Perlen aus Wasser und rollten an ihnen bis zum Ende, ehe sie hinunter auf die Wangen fielen. Munter rollten sie über die blutbeschmierte Haut.

Als Zoro den Verlauf der Bahnen der Tränen verfolgte wirkte McKenna, als hätte er mit seinem Leben abgeschlossen. Er schien sich mit ihrer Situation arrangiert und mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Möglicherweise auch nur, weil er in diesem Moment keine andere Möglichkeit hatte.

Enttäuscht über seine eigene Resignation ballte er seine Hände zu Fäusten und spürte, wie sein Brustkorb vor Aufregung vibrierte. Nervosität, gepaart mit aufsteigender Angst und dem Gefühl, versagt zu haben, zerrte an seinen Nerven. Sein Magen rebellierte und sein Mund wurde trocken.

Er würde sein Versprechen brechen.

Plötzlich erwachte in ihm der Drang seinen Worten wahres Gewicht zu verleihen und McKenna sollte nicht sterben müssen, weil er sich nicht an seine Versprechungen hielt. Er hatte versprochen zu kämpfen. Bis zum letzten Atemzug!

Entschlossen sah er wieder zu McKenna, der sich mit der Hand über die Wange wischte, auf der sich die Tränen mit dem Blut in seinem Mundwinkel vermischt hatten und durch das Wischen das Gesicht teilweise rot bedeckt. Das Atmen fiel ihm schwer, was durch das Röcheln und Schnaufen verdeutlicht wurde. Japsend lehnte er sich an Zoro an und hustete. Dabei spuckte er Blut, das ihm an beiden Mundwinkeln hinunterlief und bespritzte auch Zoros ehemalig weißes Hemd.

Als Zoro sah, dass McKennas Zähne und die Zunge blutbeschmiert waren, wurde ihm kalt und bewusst, dass er keine Zeit mehr zum Nachdenken hatte. Er biss die Zähne aufeinander, bis sein Kiefer schmerzte und warf einen Blick über die Schulter und fixierte das Fenster, welches er schon zuvor betrachtet hatte.

„Zehn“, keuchte der Coroner zischend und schnappte nach Luft, während Zoros Finger verkrampften. Es war ein seltsames Gefühl, wenn jemand seine verbleibende Zeit abzählte.

Er wusste, dass dieses Fenster gen Norden ausgerichtet war, da durch das andere, das in die seitliche Wand links von diesem eingelassen war, totes Sonnenlicht schimmerte. Mit dem Sonnenuntergang würde auch ihr Leben zugrunde gehen, wenn er nicht handelte.

Das Farbspektrum am Horizont reichte von orange über rot zu violett. Die warmen Farben waren ein Kontrast zu dem kalten, trostlosen Grau des Hochhauses und der Kälte des Todes, der munter die letzten Minuten ihres Lebens mitverfolgte.

„Neun.“

Auf einem Messingschild am Treppenabsatz stand die Zahl des Stockwerkes, in dem sie sich befanden: viereinhalb.

Die halbe Nummer war durch den Aufbau des Gebäudes bedingt. Zwischen zwei Stockwerken gab es zwei Treppen, die auf einem Zwischenplateau zusammenliefen und somit eine weitere Ebene schafften.

Hektisch sah er sich um und drückte McKenna bei dieser Gelegenheit fester an seinen Körper. Ein letztes Mal vergrub er sein Gesicht in den Haaren und nahm einen kräftigen Zug von ihrem Geruch, die weiterhin nach Gas, Öl und mittlerweile auch nach Blut rochen. Betörend.

„Acht.“

McKennas Stimme klang erwartungsvoll und ruhig. Sie war beängstigend und zugleich beruhigend.

Der Coroner brach nicht in Panik aus, was für seine Selbstbeherrschung sprach, aber es zeigte erneut, dass ihn nichts am Leben hielt.

Zoro legte die linke Hand an das Halfter an der Hüfte und spürte das kalte Metall des Revolvers und umgriff das Griffstück.

„Sieben.“

Schnell zog er die Waffe und richtete sie auf die Fensterscheibe, die er sich zuvor besehen hatte. Mit einem Stoßgebet gen Himmel spannte er mit dem Daumen den Hahn und legte den Zeigefinger um den Abzug.

„Se-, was?“

Er drückte ab und konnte beobachten, wie sich die Trommel um wenige Zentimeter drehte und wie ein Knall ertönte und im selben Moment ein klirrendes Geräusch entstand. Nur einen Bruchteil einer Sekunde splitterte das Glas. Die Risse verliefen durch das gesamte Material und hatten Ähnlichkeit mit einem Spinnennetz. Die Risse vermehrten sich zur Mitte hin und wurden enger. Sie verästelten sich zunehmend und nährten sich dem Loch an.

Fünf.

Achtlos warf er den Revolver, den er in der auf den Boden, der mit einem metallischen Geräusch aufprallte, das an den Wänden widerhallte. Eng schlang er seinen Arm um McKennas Taille und hob ihn ein Stück in die Höhe. Zoro registrierte das Gewicht des Blonden nicht, was zum Teil an dem Adrenalin lag, das durch sein Blut raste.

Der Jüngere hatte seine Arme um Zoros Hals gelegt und drückte sich an ihn. Obwohl sein Gesicht seine Irritation widerspiegelte, sagte er nichts, während der Staatsanwalt zu einem Lauf ansetzte.

Vier.

Mit einem letzten Atemzug rannte er los und er spürte, wie sein Kopf frei wurde. Emotionen wurden aus ihm gespült und verloren sich im Nichts. Jeder Laut versank im Boden, bis auf die, die er selbst erzeugte und das Ticken der Bombe. McKennas Keuchen war verstummt und das ss

Er nahm an Tempo zu und er hörte, wie seine Schritte in seinen Ohren schallten.

Drei.

Mit geschlossenen Augen drehte er sich im letzten Moment zur Seite, so dass seine rechte Schulter zuerst die Scheibe durchbrach. Einen kleinen Sekundenbruchteil bemerkte er den Widerstand, der jedoch sofort nachließ. Er vernahm ein lautes Krachen und konnte das Glas spüren, das sich durch seine Haut schnitt.

Er biss sich auf die Unterlippe, als er keinen Halt unter den Füßen spürte.

Zwei.

Für einen kurzen Augenblick hatte er das Empfinden, dass er fliegen könnte und musste sich eingestehen, dass er diese Tatsache als angenehm empfand, bis ihm jedoch im selben Moment bewusst wurde, dass er sich im freien Fall befand.

Mühsam versuchte er sich von der Seite auf den Rücken zu drehen, um McKenna und sich zu schützen.

Eins.

Der Wind raste zischend an seinen Ohren vorbei. Entsetzt riss er die Augen auf und seine Kleidung wurde von diesem gegen seine Rückseite gepresst. Seine Haut kühlte durch den kalten Wind aus und er schlag seine Arme dichter um den Körper, um zu verhindern, dass der Blonde sich von ihm löste und wehrlos und unkontrolliert hinabstürzte.

Aufgrund des Falles war er nicht in der Lage zu atmen und seine Lunge wurde zusammengepresst. Der Schmerz, der sich in seinem Körper ausbreitete, trieb ihm zusammen mit dem Wind Tränen in die Augen.

Null.

Ein lauter Knall ertönte und schallte durch die Luft, während sich im selben Moment kraftvolle Flammenfontänen durch die Fenster pressten und gerade hinaus schossen, ehe selbst die Wände keinen Halt mehr bieten konnten und komplett aus der Fassade brachen. Die wenigen verbleibenden Fensterscheiben zerbrachen unter dem Druck im Inneren, bevor auch diese Betonwände zerfielen.

Die Kraft der Explosion war zudem ungezügelt und mächtig. Das Dach, das eine Form ähnlich eines Zahnrades aufwies, brach auseinander und Wellen, bestehend aus Flammen, stürmten nach oben und sprudelten durch die Risse. Dunkel schoss der Qualm aus den zerstörten Fenstern und stieg in den Himmel auf und erzeugte zusammen mit den Flammen ein verwüstetes Bild.

Die Explosion nahm gleich mehrere Stockwerke in ihren Besitz und zeigte, wie kraftvoll sie war. Da die Bombe nicht in dem Dachbereich detoniert war und sich die betreffende Etage unterhalb des auseinander gebrochenen Zahnrades befand, in der zuerst die Wände nachgegeben hatten, stürzte das Gewicht der Dachkonstruktion hinab, weil es nicht mehr gehalten werden konnte. Das instabile Gebäude begann in sich zusammenzusacken.

In Zoro herrschte die Übelkeit vor, als er diese Geschehnisse innerhalb eines Momentes registrierte.

Hart und unbarmherzig schlug er auf das Wasser auf, das sich wie eine stabile Wand unter ihm aufgetan hatte und durchschlug sie förmlich. Dass seine Haut nicht aufplatze und seine Wirbelsäule freilegte, wäre nicht undenkbar gewesen.

Tief tauchte er in die chlorhaltige Flüssigkeit ein.
 

Schwerelos trieb er in einer Flüssigkeit und konnte seinen Körper nicht koordinieren. Von allen Sinnen befreit fühlte er die Freiheit und die Ruhe, nach der er sich gesehnt hatte. Es schien, als wäre der gesamte Druck von ihm abplatzt und verflüchtigte sich wie Rauch im Wasser, das diesen gierig verschluckte.

Von allen Seiten wurde er von der Leichtigkeit umspült und hörte seinen Herzschlag in deinen Ohren widerhallen. Der Puls entfachte ein Echo in ihm, das durch ihn schallte und in ihm das Gefühl säte, nicht mehr als eine leere Hülle zu sein.

Kleine Luftbläschen stiegen im Wasser auf und tanzten miteinander, während er seinen Blick langsam durch das leicht bläulich und rötlich gefärbte Wasser schweifen ließ. Die Färbung rührte von den bläulichen Fließen her, die an den Wänden des gesamten Beckens verteilt waren.

Erschöpft presste er die Luft aus seiner Lunge und erzeugte große, unförmige Blasen, die sich teilweise annäherten und vereinigten. Sie herrschten über die kleineren luftgefüllten Kugeln und stiegen majestätisch in die Höhe, während die anderen Platz machten oder sich ihnen anschlossen. Die Hülle der Bläschen brach das Abendrot, das durch die Wasseroberfläche schimmerte und glänzte in einem hellen Violett. Die Färbungen durch Rot und Blau vermischten sich und erschufen ein schönes, dunkles Violett, dass ihn von allen Seiten umgab.

Langsam schloss er die Augen und öffnete sie wieder. Er konnte zwar seine Arme und Beine spüren, aber nicht bewegen. Es schien, als würde mit dem Eintreffen der Freiheit die Kontrolle versagen. Als würde sich alles lossagen und seine eigenen Wege gehen.

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er ließ sich treiben. Er vermochte nicht zu sagen, wieso er so einem Gefühl frönte, aber es war durchaus befreiend, auch wenn er sich nicht rühren konnte. Mit einem Anflug von Traurigkeit beobachtete er die Bläschen, die sich in den Himmel flüchteten, während andere geboren wurden.

Er betrachtete seine Hand, die von kleinen durchsichtigen Perlen bedeckt war und einen hellen Ton angenommen hatte, der zusammen mit dem Lila eine interessante Mischung ergab. Seine Adern und Knöchel traten hervor und unter seinen Nägeln hatte sich ein rostroter Rand gebildet. Überrascht und zugleich interessiert begutachtete er die Bögen, während er ein weiteres Mal ausatmete und Luft aufsteigen ließ.

Aus dem Augenwinkel nahm er etwas wahr und drehte langsam den Kopf. Diese Bewegung forderte weitere Kraft, die ihm eigentlich nicht zur Verfügung stand, aber er schaffte es einige Zentimeter.

Neben ihm schlängelte sich ein dünnes, rotes Tuch durch das Wasser und dehnte sich aus. Es wiegte sich in den leichten Strömungen, die durch etwaige Bewegungen im Wasser verursacht wurden und ließen es wie ein lebendiges Tier erscheinen. In ihm wuchs das Verlangen, dieses Tuch zu berühren, aber deine derzeitige körperliche Verfassung wollte sein Vorhaben nicht unterstützen. Der Stoff faszinierte ihn zusehends, aber er hatte nicht die Kraft gegen seine Erschöpfung anzukämpfen und flüchtete sich wieder in das Gefühl von Freiheit und gab sich mit dem bloßen Betrachten zufrieden.

Als sich die Ränder des Stoffes begannen aufzulösen und mit dem Wasser verschmolzen hob er skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. In ihm erwachte der Verdacht, dass es sich bei diesem Gebilde nicht um Stoff handelte. Mit einem Mal wurde ihm wieder schlecht und die Freiheit verabschiedete sich innerhalb eines Augenblicks. Das warme Violett wich einem kalten Indigo, dass ihn gefangen nahm. Seine Augen weiteten sich und seine Muskeln begannen zu schmerzen.

Die Kontrolle kam zurück und er riss den Oberkörper herum. Mit einem schnellen Blick machte er den Ursprung des rötlichen Gebildes aus. Sein Herz raste, als er eine Gestalt im Wasser treiben sah.

Es war ein Mann, aus dessen Bauch und Rücken Unmengen rötlicher Flüssigkeit austrat und sich der blaue Overall bereits verfärbt hatte. Aus der Schulter floss ebenfalls diese Flüssigkeit hinaus und trieb im Wasser.

Zoro richtete seine Aufmerksamkeit auf das Gesicht des Mannes. Das blonde Haar wirbelte im Wasser herum und verdeckte das Gesicht, weshalb Zoro Mühe hatte, etwas zu erkennen, aber er war sich sicher, dass die Augen geschlossen und der Mund geöffnet waren. Er erzeugte keine Luftblasen, was darauf schließen ließ, dass er nicht atmete.

McKenna!

Durch seine Muskeln fuhr ein Schlag und sie verhärteten sich auf schmerzhafte Weise. Stumm schoss der Schrei durch seinen Körper und hallte in seinen Ohren wieder. Er wollte dem hilflosen Mann etwas zurufen, aber aus seinem Mund strömte nur ein Schwall Luftblasen, der sich weiß im Wasser verteilte und in alle Richtungen entfloh. Anstatt seiner Stimme hörte er nur ein dunkles Gurgeln, während er beobachtete, wie McKennas lebloser Körper weiter auf den Boden sank. Die Haut war von Blut und Schmutz bedeckt und aus dem Leib traten Unmengen Blut aus. In ihm stieg Panik auf.

Als er seine Arme und Beine eher unkoordiniert und unbeholfen in Bewegung setzt, um auf McKenna zuzuschwimmen, sah er aus dem Augenwinkel, wie ein großer, grauer Gegenstand mit Kraft neben ihm ins Wasser tauchte und Luft aufwirbelte. Dieser erzeugte einen Druck und schleuderte Zoro beiseite.

Mit einem schnellen Blick besah er sich dieses Ungetüm und riss entsetzt die Augen auf. Es war eine riesige und gerade Betonfläche, aus der abgebrochene Rohre und Stangen ragten. Ohne es genau zu wissen, schätzte er die Größe auf drei Meter Länge und zwei Meter Höhe, während die Breite mehr als dreißig Zentimeter betrug. Es schien ein Stück einer dicken Wand zu sein, die nicht mal einen halben Meter neben ihm ins Wasser gestürzt war.

Ihm wurde gerade bewusst, dass ihn diese Platte hätte treffen können und wusste im selben Moment, dass die nächste nicht lange auf sich warten ließ. Schnell riss er den Kopf umher und starrte nach oben zur Oberfläche. Schemenhaft konnte er einige dunkle Flecken erkennen, die sich rasant nährten. Unter ihnen waren sowohl große, als auch kleine Stücke, aber direkt auf ihn schoss ein weiterer Brocken zu, der ihn drohte zu erschlagen.

Mit viel Schwung drehte er sich und setzte sich in Richtung McKenna in Bewegung. Er schlug wild mit den Armen und Beinen und versuchte sich nach vorne zu bewegen. Bei diesen Versuchen wirbelte er Luft auf und nahm kaum wahr, wie er mit den Armen ruderte und mit den Beinen ausschlug.

Komm schon!

Ruckartig nährte er sich dem Blonden, der sich hilflos und leblos im Wasser drehte. Die blonden Haare wirbelten herum und die bleiche Haut wirkte aufgrund der Sonneneinstrahlung violett, aber auch blau, welches von den Fließen reflektierte. Der Overall klebte zum Teil an dem geschundenen Körper, wog teilweise auch in den Wirbeln im Wasser.

Panisch ruderte er mit den Armen und schrie nach dem Blonden, als ein schwerer Stahlträger neben diesem unterging und ihn nur um wenige Zentimeter verfehlte. Zoro musste sich beeilen, um zu verhindern, dass er oder McKenna erschlagen würden. Mit der Angst kam auch Trauer einher und in seinem Körper begann alles zu schmerzen. Seine Muskeln schrien vor Scherzen und seine Organe spieen Feuer und versengten sein Inneres von Neuem. Ihm wurde bewusst, dass er Luft brauchte, würde er aber auftauchen, könnte dies bereits McKennas Tod bedeuten. Entweder würde er ertrinken oder erschlagen werden. Obwohl Zoro sich nicht sicher war, ob der Coroner überhaupt noch lebte.

Als er den leblosen Leib McKennas berührte durchschossen Zoro mehre Volt und er zog den Treibenden näher zu sich, um diesen anschließend in die Arme schließen und mit ihm auftauchen zu können. Die Berührung des anderen waren äußerst angenehm.

Plötzlich flackerte er mit den Augen und eine betäubende Schwärze kam auf, die zwar schnell wieder verflog, aber sofort mit voller Wucht zurückschlug. Dieser Umstand förderte die Übelkeit in ihm und erzeugte starke Kopfschmerzen. Er war nicht mehr in der Lage zu sehen und versuchte mit einem kurzen Schließen der Augen, diese wieder unter Kontrolle zu bringen.

Er verlor die Orientierung und spürte, wie erneut eine Flüssigkeit seine Speiseröhre hinaufschoss, was auch zur Folge hatte, dass er mehr Speichel produzierte, der die Übelkeit weiter förderte. Der Druck wurde mittlerweile unerträglich und seine Lunge drohte zu zerreißen. Seine Muskulatur verkrampfte sich härter und er drehte sich unkontrolliert im Wasser. Dieses Mal stieg in ihm eine neue Panik auf. Eine Panik um sein Leben, die nicht durch seinen Verstand, sondern durch seinen Körper beeinflusst war. Ihm wurde schlagartig bewusst, dass er zu sterben drohte.

Leicht öffnete er die Augen und starrte gerade aus. Vor ihm befand sich eine schimmernde Wand, über die das Rot einbrach.

Er trieb auf dem Rücken und schloss einen Arm kraftlos um den Blonden, während er den anderen ausstreckte und sich mit Bewegungen der Beine und des Armes nach vorne schob, Richtung Oberfläche. Eigentlich würde er sich nach oben bewegen, wenn er sich nicht schon parallel zur Wand befand.

Als er einen gigantischen Schatten wahrnahm, der in einem rasanten Tempo auf sie zuschoss, drehte er sich geistesgegenwärtig zur Seite und wich einem weiteren Wandstück aus, das von der Größe in einer ganz anderen Dimension zu den vorherigen stand. Die enorme Druckwelle schleuderte sie eher leichtfertig durch das Wasser und zu Zoros Glück auf die Oberfläche zu.

Mit dem Kopf durchbrach er die Hülle und atmete gierig die Luft ein, nach der seine Lunge dermaßen verlangte. Seine Organe drohten zu zerspringen und die plötzliche Luftzufuhr brannte unangenehm in der Speiseröhre und sein Kehlkopf schmerzte stark. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen und sein Herz raste immer noch, so dass er es in seinen Ohren schlagen hören konnte.

Keuchend drehte er den Kopf und drückte den Blonden an sich, dessen Mund und Nase er kraftlos versuchte über Wasser zu halten. Er presste den Körper fester an seinen und schaute nach oben.

Immer wieder kamen schwere Brocken aus Beton auf den Erdboden zugerast. Sie schlossen nahtlos aneinander an und große, graue Rauchwolken füllten das Firmament mit einem bedrohlichen Teppich aus Asche, Dreck und Schutz. Die lodernden Flammen spien in die Höhe und die Walze hatte sich in einem rasanten Tempo nach unten gefressen.

Ihm entglitten die Gesichtszüge, als er nach oben sah und erkannte, dass sich ein weiteres Wandstück auf sie zuraste. Schnell zog er sich mit hektischen Schwimmbewegungen auf den Beckenrand zu und sehnte das Erreichen herbei. Wieder bekam er Herzrasen und Anfälle von Übelkeit.

Obwohl er bereits kraftlos und angeschlagen war, erwachte in ihm das erneute Verlangen zu überleben und er sammelte seine letzten Kräfte, um sie zu bündeln. Mit Tränen in den Augen verlagerte er seine Reserven in die Beine und strampelte wild, während er mit der freien Hand eher auf das Wasser einschlug als sich fortzubewegen und trotzdem kam er dem Beckenrand näher. Zumindest hoffte er dies, er konnte sich aber auch irren und saß einem Trugbild auf.

Das sichere Ufer nährte sich und er dümpelte ungeschickt darauf zu. Das aufgewühlte Wasser schlug aufgrund der hineinstürzenden Betonbrocken recht hohe Wellen, die ihm ins Gesicht schlugen, ihn jedoch zum Beckenrand trugen. Er hätte bei weitem nicht mehr genügend Kraft gesammelt, um das selbst zu schaffen. Die Flüssigkeit, die ihn in einer sanften Umarmung gefangen hielt, zerrte nach seinen Reserven und nährte sich von diesen.

In ihm sprudelte ein Quelle der Freude und floss in all seine Muskeln und Nerven, nachdem er die Hand auf die Fließen außerhalb des Beckens legte. Ihm war, als könne er das Leben in seinen vollen Zügen riechen, schmecken und fühlen.

Auf die Gefahr hin, dass seine Eingeweide zerreißen würden, stemmte er sich am Rand empor, durch brach mit seinem Oberkörper das Wasser und schleuderte kleine Wasserperlen in die Höhe, die sich im letzten Sonnenlicht drehten. Sie waren rot gefärbt, von der stillen Dämmerung und dem wütenden Feuer.

Hinter ihm krachte das künstliche Gestein nieder und schlug eine Welle in die Höhe, die Unmengen von Wasser aus dem Becken spülte. Erschöpft stellte er sich auf den Boden, zog den Coroner hoch und nahm ihn in den Arm. Der leblose Körper hing schlaff in seinen Armen und die Haut war blass und kränklich.

Gebannt starrte er auf den Turm, als im selben Moment eine weitere Bombe detonierte, die sich ungefähr zwanzig Stockwerke tiefer befand. McKenna hatte gesagt, dass sich alle vier Stockwerke eine Bombe befand und diese nach einer halben Minute explodierten. Sollte das etwas bedeuten, dass er fast drei Minuten im Wasser getrieben hatte?

Die Stärke der Explosion riss weitere Teile des Fundamentes ein und wirbelte sich in der Luft. Panisch warf sich Zoro den Blonden über die Schulter und rannte blind über das Gras, das eine kleine Grünanlage symbolisierte, Richtung Sicherheit.

Mit einer gewaltigen Kraft fegte eine Walze über ihn hinweg. Die Macht der Detonation war unglaublich und Zoro mochte sich nicht vorstellen, dass jede eine derartige Stärke besaß. Er musste da weg. Das stabile, sichere Gebäude brach einfach in sich zusammen als wäre es ein Kartenhaus und würde die gesamte Gegend unter sich und einer dicken Staubschicht begraben.

Ohne sich umzudrehen rannte er in eine Seitenstraße, die sich zwischen den Häuserblocks auftat. Vorbei an den graffitibeschmierten und plakatierten Wänden, dem achtlos entsorgten Dreck, den Domizilen der Ratten und anderer Schädlingen, auf eine Hauptstraße zu. Seine Beine fühlten sich schwer und leblos an. Sie erinnerten wenig an seine Körperteile, sondern eher an behindernde, wackelnde Stelzen aus Gummi. Dass er noch laufen konnte, war ihm unbegreiflich, vor allem, weil sie sich seit Minuten so anfühlten.

Er vernahm einen weiteren Knall. Sein Hals schmerzte und seine Augen füllten sich mit Tränen. Die Angst nagte nicht mehr an ihm, sie verschlang ihn komplett. In seinen Ohren vibrierte das Donnern, aber er wollte sich nicht umdrehen. Er konnte sich nicht umdrehen. Schmerzhaft biss er sich auf die Unterlippe, um die Tränen zurückzuhalten, die sein Gesicht bereits eroberten.

Er rannte nur geradeaus und erkannte in einiger Entfernung eine Straße. Glücklich formte er ein verbissenes Lächeln und krallte seine Hände in die Beine den Blonden, der über seiner Schulter hing.

Ein weiterer Donnerschlag.

Schwer keuchend sprang er auf die Straße und blieb einen Sekundenbruchteil versteinert stehen. Er lechzte nach Luft und Wasser, seine Augen brannten und sein Mund war ausgetrocknet. Innerhalb weniger Momente registrierte er seine Umgebung.

Auf dem Asphalt standen Autos, die eine Vollbremsung getätigt hatten, Menschen hatten sich versammelt und stierten auf den brennenden und zerfetzten Turm. Einige betrachteten auch ihn mit einem schockierten und sorgenvollen Blick. Sie stießen Laute des Entsetzens aus und wenige kamen auf ihn zu.

Seine Sicht verschwamm stark und er hörte alles nur noch sehr undeutlich und hallend. Schemenhaft kam jemand auf ihn zugerannt und blieb vor ihm stehen. „Was ist mit Ihnen?“

Er sackte ein und fixierte den Boden, der überraschend näher kam. Benebelt nahm er wahr, dass sich mehrere Menschen um ihn versammelten und ihm etwas zuriefen, aber es klang alles so fern und nicht an ihn adressiert, dass er es nicht mehr registrierte. „Geht es Ihnen gut?“

Erschöpft sank er auf die Knie und verdrehte die Augen. Vor ihm wurde alles dunkler, ehe es von absoluter Finsternis verschluckt wurde. Das Geschrei um ihn herum wurde dumpfer und die Echos bildeten einen seltsamen Gesang. Vereinzelt nahm er noch einzelne ihm bekannte Laute zur Kenntnis, konnte aber nicht viel mit ihnen in Verbindung bringen.

Seine Wange berührte etwas Kaltes und eine unsagbare Müdigkeit schoss durch seine Gliedmaßen, die die Übelkeit noch weiter verstärkte.

Ein letzter Knall, ein letzter Schrei und seine Augen fielen zu. Vor ihm erstreckte sich nur Dunkelheit, die nach ihm rief...
 


 

Ende The Time-Bombed Skyscraper – Ten Seconds
 


 

Nachwort
 

Punkt 1: 145... Hundertfünfundvierzig Favos. Dass der Pegel von Kapitel zu Kapitel um zwanzig ansteigt, war für mich schon normal, aber das hier ist ein plus von mehr als vierzig Leuten! Ihr könnt mir nicht echt erzählen, dass die FF so gut ist... Ich fall' fast vom Glauben ab.

Fehlt nur noch, dass die YUAL wird und ich geb' mir die Kugel.

Dabei hat das hier als einfaches Projekt angefangen, weil ich in dieses Pairing dermaßen vernarrt war (und noch immer bin) und meine erste FF gehasst habe (Ist nicht mehr on). Nie hätte ich damit gerechnet, dass ich überhaupt vierzig Favos bekomme und nun... O, mein Gott. Dabei gibt es hier keinen Sex, nicht mal einen Kuss und ist zudem noch ein AU. Zudem entspricht der gute, sympathische Sanji ja nicht dem gewohnten Bild. Eigentlich doch denkbar schlechte Voraussetzungen, oder?

Fazit: Ich liebe Euch!
 

Punkt 2: Die Länge. Japp, lang, aber für einen Dreiteiler war es mir zu schade. :D
 

Punkt 3: Bevor es jemand recherchiert: Neben dem U.S. Bank Tower befindet sich kein Pool, das ist pure Fiktion und dient nur zur Steigerung der Dramatik.

Weiternoch gibt es auch diesen Bombentyp nicht.
 

Punkt 4: Wettbewerb.

Bevor die letzten beiden Kapitel online kommen - es sind nicht die nächsten -, werde ich – wenn die Anfrage ausreicht – einen Wettbewerb veranstalten, bei dem Eure Kreativität gefragt ist.

Ihr könnt Euch ein Ende überlegen, das an die Geschehnisse des vorherigen Kapitels anknüpft. (Damit ist nicht dieses gemeint!)

Spezielle Vorgaben bezüglich der Handlung gibt es nicht, nur sollte sie nicht komplett aus dem Rahmen fallen, indem dort plötzlich Außerirdische auftauchen und Sanji entführen oder Zoro ein Vampir wird. Das wäre nicht nur unangebracht, sondern würde sogar mit Minuspunkten geahndet werden.

Außer, es handelt sich um eine Parodie. Aber glaubt mir, hier wäre ich anspruchsvoller und deutlich kritischer, da ihr ein ernstes Thema, wie dieses aufnehmen und verarbeiten müsst. Trotzdem den Inhalt nicht nur auf eine lustige und amüsante, sondern auch auf eine aussagekräftige und ernste Weise verfertigen.

Wählt daher keine Parodie.
 

Die nächsten Punkte kennt ihr sicher aus dem FF-ABC:
 

Handlung: Der wichtigste aller Punkte ist die Handlung. Egal, ob es in den Romantik-, Action- oder Dramabereich fällt. Passt die Handlung dem Genre an!
 

Zeit: Richtet euch bitte nach meinem Canon und lasst die Story nicht plötzlich im Mittelalter, in der Antike oder gar im OP-Universum spielen.
 

Rechtschreibung und Grammatik: Ich bin auch nur ein Mensch und mache Fehler, aber es sollte sich im Rahmen halten. Es ist nicht schön, wenn in jedem Satz zwei Fehler stecken.
 

Richtig ausführlich würde ich es beschreiben, wenn der Wettbewerb zustande käme.
 

Nachwort Ende
 

Danke für's Lesen



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von: abgemeldet
2011-10-29T18:20:47+00:00 29.10.2011 20:20
Boah ein so mega langes Kapi voll genial! ich bin total begeistert und kam gar nicht mehr los!
Also mal ehrlich! das Kapi ist der zenit der schreibkunst ^^
Aber iwie verwirrt mich dieser fernando bruder und so und warum weis der überhaubt wie man ne Bombe nennt? Oo
Ich hoffe es gibt bald aufklärung ich muss jetzt erst mal wieder runter kommen ehe ich an einem Herzinfarkt sterbe!!
...
Ach scheiß drauf ich brauch das nächste kapi !!!!
Dat moko
Von:  BloodyAugust
2011-05-27T12:01:54+00:00 27.05.2011 14:01
Man war ich geschockt, als ich die Seitenzahl gesehen habe.
Ein wirklich spannendes Kapitel und ich war von jeder Seite so ergriffen.
Es ist wirklich erstaunlich zu was der Mensch alles fähig ist. Abgesehen von den Gräueln die wir vollbringen könnten, sondern auch die Leistungsfähigkeit unseres Körpers und Geistes in Extremsituationen.

Ich zitterte leicht so mitgenommen hat mich das, großes Lob an dich.
Von: abgemeldet
2011-04-21T13:55:02+00:00 21.04.2011 15:55
Cooooole Sache. :) Spannend bis zur letzten sekunde, echt. aber immer stoppst du bei so gemeinen stellen. >.<
frchheit.
mach schnekll weiter, ja. :)
Von: abgemeldet
2011-04-19T12:19:16+00:00 19.04.2011 14:19
Cooooool. Das nenne ich mal spannend. Weißt du, genau das will ich mal in einem Film sehen. Das ist besser als jeder Actionfilm überhaupt. Diese verkackten Drehbuchautoren haben soch gar keine Ahnung. :)
Mach weiter!
Von:  -Mori-
2011-04-07T19:15:34+00:00 07.04.2011 21:15
Zu spät.... jetzt bin ich geplatzt...
Bitte schreib endlich weiter, ich hab sogar schon von den FF geträumt... *hust* hätt ich jetzt vllt nicht sagen sollen *hust*
Aber bitte beeil dich, du bekommst auch Kekse.
*auf knien rumrutsch* Bitte bitte bitte

soo jetzt hab ich genug genervt ^^
Liebe Grüße -Mori-
Von: abgemeldet
2011-02-21T20:40:19+00:00 21.02.2011 21:40
Ich werde einen Weg finden die Gesetze zu umgehen und diese FF heiraten
Von:  -Mori-
2011-02-11T16:40:57+00:00 11.02.2011 17:40
Ich bin... geplättet.
Dein Schreibstil, dein Humor, die Story.
Das passt einfach wie die Faust aufs Auge, wie man so schön sagt.

Ich liebe deine FF auch wenn der Cliffhanger ziemlich fies ist.

Bitte, bitte schreib bald weiter.
Ich möchte nämlich auch nicht platzen vor Neugierde und Spannung, wie pbxa_539. ^__^

Lg -Mori-
Von: abgemeldet
2011-02-07T21:08:33+00:00 07.02.2011 22:08
@ Belissima: Ja, nicht schlecht! Hoffentlich wird sie's auch, aber auch ohne Titel ist sie genial.


Ich liebe deinen Schreibstil, die Story, die Charaktere, die Umgebung: Einfach alles. Es ist Wahnsinn, was du mit 17!!! Jahren leistest. :D
Ich bin jedes Mal wieder begeistert und fassungslos und stolz, mit dir befreundet zu sein.
Ich habe an der Uni einige Kollegen, die Deutsch lernen bzw. studieren und die haben deine FF auch gelesen und waren begeistert. :)

Zum Kapitel:

Sanji ist schon etwas balla, oder? :D Tickt der noch ganz sauber? Wieso hätte er "nicht kämpfen sollen"? Ist er Rambo und wir wissen es alle noch nicht? O.o

Zoro der Dramatiker. Wie du schon passend beschrieben hast: der dramatische Held und diese Rolle steht ihm doch sehr gut, auch wenn es sehr dick aufgetragen ist. :D

Kommen die jetzt mal zusammen oder was? Immerhin hat Zoro schon Sanjis Stirn geknutscht! XD Ist auch mal ein Anfang. Jeder fängt mal klein an.


Du bist die Königin der Cliffhanger, oder? :D Okay, ist ein Krimi- und Thriller-Element, aber absolut gemein!!! >.<

Du schreibst mehr Kapitel wegen der Nachfrage? Wundert dich das bei einem solchen Meisterstück? :) Ich lüb disch!

Immer schön fleißig bleiben und wir telefonieren, ne? ;)


LG aus dem Amiland.
Von: abgemeldet
2011-01-30T18:02:50+00:00 30.01.2011 19:02
Ich habe die FF gerade als yual vorgeschlagen X3
Von: abgemeldet
2011-01-30T17:56:03+00:00 30.01.2011 18:56
Ein Wort: G.E.N.I.A.L.

Okay, aufgrund der Punkte sind es schon 6. :D

Das war so spannend und das eigentlich geile ist ja, dass es sich nicht um Mafiahochburgen wie Italien, Mexiko oder Kolumbien handelt, sondern um Chile. :D Zmindest wenn ich das im 7ten kapitel im nachwort richtig verstanden habe und hier noch das Voseo berücksichtige. ;)

Manno, und der neue untertitel the human weapon ist auch so kryptisch.... wer ist die waffe? Sanji, weil um ihn so ein geheimnis gemacht wird oder zoro, unser armer, dummer zoro? :D

Mach schnell weizter..

LG


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