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Dryaden

Wichtelgeschichte für LumCheng
von

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Drei: Feuersturm

„Ich will mit dir reden. Darf ich?“

Der Junge stand so plötzlich hinter Magellan, als wäre er aus dem Boden gewachsen. Er unterdrückte einen leisen Entsetzensschrei und versuchte sich an einem Lächeln. „Glaurung, richtig?“

Ein Nicken.

Er war froh, sich noch an den seltsamen Namen zu erinnern, den sich der andere selbst gegeben hatte, etwas, was sehr selten vorkam – es lebten einfach zu viele Jungen, Mädchen, Kinder in diesem Baum. Die goldenen Augen blitzten erwartungsvoll.

Wut stieg in ihm hoch. Wie konnte der es wagen, ihn einfach so anzuquatschen? Es war schon viel zu spät für verwirrende Gespräche.

„Du kannst hier nicht einfach herumlaufen und mir auflauern, wie es dir passt. Vielleicht hast du es noch nicht gemerkt, aber ich bin der Anführer hier.“ Seine Stimme zitterte vor unterdrücktem Ärger, er versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen. Es war schon schlimm genug, dass dieser seltsame Junge ihn bei ihrem ersten Treffen so verunsichert hatte. „Und du kannst froh sein, dass ich dich nicht einfach rauswerfen lasse. Wenn du hier bleiben willst“, er berührte das Innere des Baumes, sein Heim, zärtlich mit den Fingerspitzen, „dann musst du dich anpassen und gehorchen. Hast du das verstanden?“

Fast bedauernd sah ihn Glaurung an und kam näher. Zu nah.

Magellan erschauderte.

„Du hast Angst vor mir, oder?“, wurde die Frage leise, fast geflüstert gestellt und noch ehe sie richtig ausgesprochen war, wusste er, dass dieser Junge Recht damit hatte.

Ja, er hatte aus irgendeinem Grund Angst vor Glaurung, ein Gefühl, das er nur selten verspürte und ihm deshalb umso mehr Furcht einflößte. Wie von selbst wich er zurück und verfluchte sich im gleichen Moment für dieses Verhalten, das so gar nicht zu ihm, dem stolzen Magellan, passte. Verdammt, er musste schleunigst etwas unternehmen, bevor ihn der andere zum Gespött aller Dryaden machte!

Wütend griff er nach dem nackten Arm Glaurungs, packte ihn und drückte den Jungen mit seinem ganzen Körpergewicht an den warmen, pulsierenden Stamm.

„Ich fürchte mich nicht. Und du solltest dich benehmen“, knurrte er und presste sich fester gegen den kleinen Körper. „Ich mag es gar nicht, wenn man mich verarscht, also lass es!“

Glaurung verzog keine Miene, sah ihn nur spöttisch an. Am liebsten hätte er diesem Goldjungen ein paar Zähne ausgeschlagen, doch er wusste, dass das nichts bewirkt hätte. Ganz offensichtlich hatte er es hier mit einer ausgewachsenen Nervensäge zu tun, jemandem, der beschlossen hatte, ihn zu ärgern und ihm Steine in den Weg zu legen.

Kleiner Arsch.

Ein plötzlicher gewaltiger Stoß und darauffolgende Vibrationen ließen den Baum erbeben. Fast gleichzeitig hörte Magellan die Alarmglocken, die die Späher läuteten. Zu spät, das war offensichtlich. Zwar wusste er nicht, was passiert war, doch er konnte es sich denken: Anscheinend hatte es die Organisation zum allerersten Mal geschafft, ihre Maschinen unbemerkt an den Wächtern und Spähern vorbei bis zum Stamm des Baumes zu schmuggeln. Was diese Eisenungetüme jetzt machten, war offensichtlich. Sie versuchten die Wurzeln zu kappen, um den Baum zu töten. Diese Absicht hatten sie bis jetzt immer verfolgt, aber es war niemals bis zum Äußersten gekommen.

„Verdammt“, entfuhr es Magellan. Er ließ Glaurung los, der es mit einem leichten Lächeln quittierte. „Was ist denn los?“, wollte er wissen. Es war ganz so, als hätte er die Auseinandersetzung komplett aus seinem Gedächtnis gestrichen, ein Verhalten, das ihn dazu reizte, den Kleineren wütend von sich zu stoßen.

„Was los ist? Diese Idioten zerstören gerade unser Zuhause!“ Er drehte sich um und wollte gerade eben nach unten stürmen, als ihn Glaurung so am Arm packte, wie er es vorhin bei ihm gemacht hatte.

„Wenn jemand die Idioten plattmachen würde, hättest du dann etwas Zeit für mich? Würdest du meine Frage beantworten?“

Magellan blickte ihn verächtlich an.

„Hättest du?“, wurde die Frage nachdrücklich wiederholt.

Genervt nickte er. „Und jetzt lass mich endlich gehen, ich muss hinunter“, riss er sich los, als ein nächster wuchtiger Schlag den Baum erzittern ließ.
 

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Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, das wusste er. Er musste schneller sein als die Maschinen und seine Befehle in die Menge brüllen, die Kinder, die voll Panik waren, beruhigen und den Älteren die richtigen Anweisungen geben, um den Baum zu verteidigen. Bis jetzt hatte seine Strategie immer funktioniert, doch die Maschinen waren bis jetzt noch nie unentdeckt bis zum Stamm gelangt, das war das Problem. Natürlich hatte es früher andere ähnliche Angriffe gegeben, aber den Erschütterungen nach zu urteilen mussten es diesmal mehrere sein, die das Leben des Baumes annagten. Er wusste nicht, wie die übrigen Dryaden reagieren würden, wenn sie dem Feind zum ersten Mal so unvorbereitet nur durch die Rinde des Baumes getrennt gegenüberstehen mussten.
 

Er schaffte es nicht bis ganz unten, als die Vibrationen, die den Baum geschüttelt hatten, schlagartig abbrachen. Nur ein unheimliches Brüllen war draußen zu hören, ein Geräusch, das Magellan den kalten Schweiß ausbrechen ließ. Welche Monster warteten draußen auf ihn und die anderen? Was wühlte sich außer Eisen noch durch die Borke, um alles Leben zu vernichten? Panisch drückte er sich gegen eine bestimmte Stelle des Stammes, um eine Luke nach draußen öffnen zu können. Regen peitschte ihm entgegen, doch er steckte den Kopf hinaus in die feuchtkalte Dunkelheit und sah nach unten.

Was auch immer da einmal versucht hatte, den Baum zu fällen, es war nicht mehr da. Magellan traute seinen Augen nicht: Nur noch ein rotglühender Haufen Metall glühte am Boden vor sich hin. Tausende Regentropfen verzischten auf dem geschmolzenen Eisen, dessen war er sich sicher, auch wenn er es nicht hören konnte. Was er aber vernahm, waren die entsetzten Schreie der Angreifer aus der Ferne.

Was war hier nur passiert?



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