Zum Inhalt der Seite

Ein Nachmittag im Paradise

Folge dem weißen Kaninchen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zwei schmale Kinderhändchen klopften mit überraschendem Nachdruck gegen die Badezimmertür. „Miwa, Miwa, komm doch endlich raus. Lass uns was spielen.“ Das kleine blonde Mädchen trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. Warum musste ihre Tante auch immer so lange im Badezimmer bleiben? Nach einer halben Ewigkeit, so schien es der Kleinen zumindest, öffnete sich endlich die Badezimmertür und Miwako kam heraus. Die rosafarbenen Haare hatte sie zu zwei lockigen Zöpfen gebunden und sie trug ein hellblaues Kleid der Marke Happy Berry, auf dem ein weißes Kaninchen prangte. Etwas gedankenverloren trug sie farblosen Lipgloss mit Erdbeergeschmack auf ihre Lippen auf und blickte ihre Nichte verwundert an.

„Alice, ich kann heute nicht mit dir spielen. Ich muss doch ganz dringend ins Atelier. Wir arbeiten an einem neuen Kleid, das George entworfen hat“, erklärte sie dem kleinen Mädchen, das sie mit großen, bettelnden Augen ansah, „Willst du nicht mit Josephine spielen?“

Alice zog einen Schmollmund und schaute kurz zu der Katze Josephine, die sich auf der Fensterbank sonnte. Sie schüttelte vehement ihren Kopf, dass die blonden Locken nur so tanzten: „Nein, ich will lieber mit Miwa spielen.“

Ergeben seufzte Miwako, denn sie kannte diese Szene schon zur Genüge. Immer wenn sie ins Atelier musste, versuchte Alice sie zum Bleiben zu überreden und dabei zog die Achtjährige wirklich alle Register. „Es geht leider nicht, Alice-chan. Ich muss mich wirklich beeilen, sonst komme ich zu spät. Die anderen warten bestimmt schon auf mich“, sagte sie sanft und beugte sich zu ihrer Nichte herunter, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken, „Sobald ich wieder zu Hause bin, können wir ganz lange spielen. Hoch und heilig versprochen. Also, sei schön brav. Bis später.“ Und damit rauschte das rosahaarige Mädchen aus der Wohnung.

Schmollend sah Alice ihr nach und pustete sich eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht. Ständig musste Miwa in dieses Atelier, das war einfach nicht fair. Es wäre viel schöner, wenn sie hier bleiben würde, schließlich fielen ihr immer die tollsten Spiele ein. Ein wenig unschlüssig äugte Alice noch einmal zu Josephine hinüber, aber die schien lieber in der Nachmittagssonne zu schlafen, als mit einem kleinen Mädchen zu spielen. Also gut, wenn Miwa in dieses dumme Atelier gehen musste, dann würde Alice sie begleiten, koste es, was es wolle.

Geschwind schlüpfte das blonde Mädchen in ihre Schuhe und verließ die Wohnung. So schnell ihre kurzen Beinchen es zuließen, rannte sie hinter ihrer Tante her, die gerade um die Ecke bog. Mit einem gehörigen Sicherheitsabstand, gerade so dass sie Miwa nicht aus den Augen verlor, folgte Alice ihr durch die Straßen Tokios.

Miwako selbst merkte nichts von ihrer Verfolgerin, denn sie war dafür viel zu sehr in Gedanken an die neuen Schnittmuster vertieft, die sie für Georges neuen Entwurf anfertigen mussten. Zwischendurch warf sie einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr, um dann laut aufzuseufzen: „Oh weh, ich werde zu spät kommen. Arashi wird deshalb bestimmt mit mir schimpfen.“ Die letzten Meter zum Atelier legte sie mit Warpgeschwindigkeit, die sie sich von ihrer älteren Schwester Mikako abgeguckt hatte, zurück, eilte abgehetzt die Treppe hinunter und verschwand aus Alices Blickfeld.

Das kleine Mädchen hatte zum Schluss einige Mühe gehabt bei dem Tempo mithalten zu können, aber nun stand sie auf der obersten Stufe der Treppe und schaute neugierig hinunter. Dort also befand sich das mysteriöse Atelier, das dafür sorgte, dass Miwa so wenig Zeit für sie hatte. Etwas unschlüssig betrachtete sie die Tür am Fuß der Treppe. Sollte sie wirklich dort hinein gehen? Miwa würde vielleicht böse werden, dass sie ihr so einfach gefolgt war. Nein, sie war so weit gekommen, dann würde sie auch die letzten Schritte machen. Aber was wäre, wenn Arashi oder dieser George böse werden würden? Zögerlich schritt Alice die Treppe hinab. Vielleicht sollte sie doch umkehren? Das blonde Mädchen war ganz hin und her gerissen, so dass sie den Stufen unter ihren Füßen nicht genügend Beachtung schenkte. Bevor sie sich versah, geriet sie ins Stolpern und stürzte mit einem lauten Schrei die restlichen fünf Stufen hinunter.

Sofort wurde die Ateliertür aufgerissen und eine entsetzte Miwako stürmte dem kleinen Mädchen entgegen, das sich weinend das aufgeschürfte Knie hielt. „Oh mein Gott, Alice-chan, was machst du denn hier? Hast du dir wehgetan?“

Alice schluchzte herzerweichend: „Ich bin die Treppe herunter gefallen und mein Knie tut ganz schrecklich weh…“

Fürsorglich besah sich Miwako das lädierte Knie und strich ihrer schniefenden Nichte über die blonden Haare. „Ganz so schlimm ist es Gott sei Dank nicht. Wir säubern die Verletzung einfach, dann bekommst du ein schönes Pflaster drauf und schon ist alles wieder gut“, sagte sie aufmunternd lächelnd und reichte Alice die Hand, um ihr hoch zuhelfen.

Die Achtjährige nickte leicht und schniefte noch einmal kurz, dann folgte sie Miwako ins Atelier. Dort saßen Arashi, der ein gestreiftes Shirt unter seiner Lederjacke trug, und ein mysteriöser, junger Mann mit einem extravaganten Zylinder auf dem Kopf am Tisch und spielten Karten. Der blonde Punker sah von seinem Blatt kurz auf und grinste: „Na, Kleine, hast du grad nen Sturzflug hingelegt?“

Alice wollte gerade eine beleidigte Schnute ziehen, wie konnte Arashi sich auch so frech über sie lustig machen, als der Blauhaarige mit dem Zylinder kopfschüttelnd meinte: „Arashi, man ärgert keine jungen Damen, schon gar nicht, wenn sie so hübsch sind.“ Dabei zwinkerte er dem blonden Mädchen zu. „Setzen Sie sich doch, Mylady, und spielen Sie mit uns eine Runde Karten“, sagte er charmant und machte eine einladende Geste zu dem freien Stuhl neben ihm.

Vorsichtig setzte sich Alice auf den angebotenen Stuhl und fragte neugierig: „Was für ein Kartenspiel spielen wir denn?“ Ihr schmerzendes Knie hatte sie beinahe vergessen, trotzdem verschwand Miwako im Badezimmer des Ateliers, um vorsorglich den Erste-Hilfe-Kasten zu holen.

„Strip-Poker können wir jetzt wohl nicht spielen“, bemerkte Arashi und grinste noch breiter als vorher, „Dazu ist der Winzling noch zu klein.“

Der Winzling streckte als Antwort die Zunge heraus. Arashi war heute aber auch wirklich gemein…

„Nimm den Blödmann nicht ernst. Große Klappe, aber nichts dahinter“, kam eine zuckersüße Stimme aus dem Hintergrund. Überrascht drehte sich das blonde Mädchen um und bemerkte jetzt erst die große Frau mit sehr markanten Gesichtszügen, violetten Haaren und einem ausgefallenen Hut, die hinter der Theke ein Tablett mit Teetassen fertig machte. Anmutig hob sie das Tablett hoch und ging zum Tisch herüber: „Hier, Herzchen, trink erst mal etwas Tee.“ Dabei stellte sie eine dampfende Teetasse aus feinsten chinesischem Porzellan vor das Mädchen und auch eine vor den blauhaarigen Zylindermann, nur Arashi ging leer aus. Dann setzte sie sich zu ihnen an den Tisch und nippte an ihrem Tee. „Zu schade, dass wir kein Gebäck mehr haben, das gehört eigentlich zu einem richtigen Fünf-Uhr-Tee“, sagte sie seufzend.

„Das ist jetzt nicht mehr zu ändern, Isabella. Dein Tee schmeckt auch ohne Gebäck vorzüglich“, meinte George beruhigend und trank nun selbst einen Schluck Tee.

In dem Moment kam Miwako mit dem Erste-Hilfe-Kasten zurück und murmelte entschuldigend: „Es hat leider etwas länger gedauert. Caroline brauchte etwas Hilfe bei dem neuen Kleid.“ Voller Tatendrang kniete sie neben Alice nieder, versorgte den Kratzer und klebte ein großes Pflaster darüber. „So, und schon ist alles wieder gut“, lächelte das rosahaarige Mädchen.

Die Kleine besah kritisch ihr Knie und zog einen Schmollmund. „Aber das ist kein schönes Pflaster“, maulte Alice ein wenig, „Da ist gar kein Muster drauf…“

„Ja, schon… Aber wir haben hier leider keine anderen Pflaster. Zu Hause tauschen wir das dann gegen ein viel Schöneres aus“, versuchte Miwako zu trösten, doch Alice sah nicht wirklich zufrieden aus.

„Warum denn austauschen, wenn man das hässliche Pflaster verschönern kann?“ meinte George und zog einen Stift aus seinem Blazer. Mit wenigen Strichen hatte er einen wunderschönen Schmetterling auf das Pflaster gemalt und lächelte. „So sieht es doch gleich viel besser aus, nicht wahr, Mylady?“

Bewundernd betrachtete Alice den hübschen Falter und nickte glücklich. „Viel, viel besser sogar. Du kannst aber ganz toll zeichnen“, erklärte sie anerkennend.

„Findest du?“, fragte der Blauhaarige amüsiert und stand vom Tisch auf, um eine Mappe aus dem Regal zu holen, „Wenn das so ist, dann sag mir doch mal, was du davon hältst.“ Mit diesen Worten breitete er die Mappe vor dem blonden Mädchen aus, in der sich die neusten Skizzen zu seinen Modeentwürfen befanden.

Alice staunte nicht schlecht und sah verträumt die Zeichnungen an. Sie kannte zwar schon Modeentwürfe von ihrer Mutter, aber diese Kleider wirkten ganz anders, eher wie aus einem Märchen entnommen. Sie war so vertieft die Skizzen zu betrachten, dass sie gar nicht bemerkte, dass Caroline endlich aus dem Badezimmer kam. Erst als diese beinahe direkt neben ihr stand, sah sie auf. Das schwarzhaarige Mädchen trug ein traumhaftes rotes Abendkleid, das mit schwarzer Spitze besetzt war.

Nun war das kleine Mädchen endgültig begeistert und rief entzückt: „Wow, du siehst aus wie eine echte Königin!“

„Danke sehr“, lachte Caroline, so dass die herzförmigen Ohrringe kurz unter ihrem langen Haar aufblitzten, „Ich wusste gar nicht, dass wir heute Besuch bekommen.“

Miwako zuckte leicht mit den Schultern. „Sie muss mir gefolgt sein. Eigentlich solltest du doch zu Hause bleiben und auf mich warten, Alice-chan.“ Dabei sah sie ihre Nichte wenigstens ein bisschen streng an.

„Na ja, zu Hause ist es immer so langweilig und Josephine wollte lieber schlafen. Da dachte ich, wenn ich dir folge, können wir hier zusammen spielen, Miwa.“ Alice klang bei ihrer Erklärung doch etwas kleinlaut.

Arashi schüttelte den Kopf und sagte anklagend: „Das ist ein Atelier und kein Kinderspielplatz. Wenn der Knirps hier ist, kommen wir heute ja zu nichts.“

„Du kommst eh zu nichts, also schieb es nicht auf die Kleine“, bemerkte Isabella trocken, „Nun ist sie schon mal hier, dann soll sie auch bleiben, nicht wahr, George?“ Erwartungsvoll sah sie zu dem Blauhaarigen, der wieder an seinem Tee nippte.

Dieser nickte nur und stellte dann seine Teetasse ab. „Wir können so eine bezaubernde junge Dame schließlich nicht vor die Tür setzen“, erklärte er bestimmt und lächelte noch einmal in Alices Richtung, die mehr als erleichtert aussah.

„Und mich willst du ständig aus dem Atelier scheuchen, weil ich angeblich im Weg bin“, meinte Caroline spitz. Dann besann sie sich aber und schlug lebhaft vor: „Aber wenn wir heute schon nicht arbeiten können, dann könnten wir auch gleich einen Ausflug machen. Wie wäre es, wenn wir in den Park gehen und Croquet spielen?“

Miwako und Alice waren von der Idee sofort begeistert. Während die Achtjährige vor Freude in die Hände klatschte, machte ihre Tante einen Luftsprung und rief aufgeregt: „Ja, wir machen einen Ausflug! Wir machen einen Ausflug!“

Auch Isabella sprang unverzüglich von ihrem Stuhl auf und eilte zur Theke. „Wir können auch gleich ein Picknick machen“, fügte sie glücklich lächelnd hinzu, „Ich bereite dann schon mal die Reisbällchen vor.“ Voller Elan machte sie sich daran alle Vorbereitungen zu treffen.

Nur George und Arashi sahen Caroline seltsam an. Der blonde Punker war ganz und gar nicht von der Idee begeistert und murmelte verschiedene Einwände vor sich hin, während der junge Modedesigner eher überrascht war über diesen Vorschlag.

Das schwarzhaarige Model bemerkte den verwunderten Blick und erklärte überlegen: „Glaubst du eigentlich, dass nur du so verrückte und ausgefallene Ideen haben kannst?“ Ein kleines, freches Lächeln spielte dabei um ihre Lippen.

George lachte: „Du überrascht mich auch immer wieder. Gut, dann gehen wir heute in den Park, picknicken und spielen Croquet. Das wird bestimmt lustig. Morgen können wir immer noch weiter arbeiten.“ Somit war es beschlossene Sache und Arashi musste sich der Mehrheit beugen.

Nach kurzer Zeit hatte Isabella es geschafft einen großen Picknickkorb mit allerlei Köstlichkeiten zu füllen und alle zusammen schlenderten zum Park. An einer besonders sonnigen Stelle breiteten sie eine große Decke auf der Wiese aus und verbrachten dort einen wunderschönen Nachmittag mit Isabellas leckeren Reisbällchen, einer spannenden Partie Croquet und viel Gelächter. Sogar Arashi genoss die kleine Auszeit, obwohl er es auf keinen Fall öffentlich zugegeben hätte.

Als die Sonne langsam am Horizont versank, packte Isabella die Überbleibsel des Picknicks wieder in ihren Korb und machten sich auf den Weg nach Hause. An einer großen Kreuzung trennten sich ihre Wege und George beugte sich noch einmal zu Alice hinunter. „Wenn du möchtest, kannst du uns bald wieder im Atelier besuchen. Aber dann sag Miwako vorher Bescheid und folge ihr nicht einfach still und heimlich.“ Dabei zwinkerte er ihr kurz zu.

Alice nickte begeistert: „Wenn ich darf, komme ich ganz oft vorbei. Das war heute ein echt toller Tag. “

„Na, mal schauen, wann ich dich mitnehme, sonst können wir nachher die Kleider gar nicht mehr fertig nähen“, meinte Miwako lächelnd und winkte den anderen zu, „Bis morgen, und kommt gut nach Hause.“ Dann nahm sie ihre Nichte an die Hand und schlenderte zusammen mit ihr und Arashi nach Hause.

Isabella, Caroline und George sahen ihnen noch eine Weile hinterher. „Es war wirklich ein schöner Tag“, sagte das Model versonnen, „Aber leider konntet ihr kein bisschen an den neuen Entwürfen arbeiten.“

Doch George winkte nur ab. „Das macht doch nichts“, erklärte der junge Designer und lächelte dabei geheimnisvoll. Trotz der fragenden Blicke seiner beiden Begleiterinnen hüllte der Blauhaarige sich in Schweigen. Die Ereignisse des heutigen Tages hatten ihn an ein Buch erinnert, das er mal gelesen hatte, und sie hatten ihn auch zu neuen, extravaganten Kleidern inspiriert, die er gleich zu Hause zu Papier bringen würde…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SomeSpirit
2007-09-25T16:32:27+00:00 25.09.2007 18:32
Ich finde sie auch gut. ^^
Von: abgemeldet
2007-09-01T15:57:25+00:00 01.09.2007 17:57
ich finde die ff richtig gut gelungen....
nur schade das da keine action drin ist.....
und kein kuss..-,-

naja aber ich finde es trotzdem toll

bis bald mal
das wollweiche Schaf
Anni-meh


Zurück