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Raftel (1)

When Spirits Are Calling My Name ...
von

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5 - Der Streit

Tashigi erwachte als erste von den dreien. Die Sonne meinte es gut und schien warm auf ihr Bettlager. Es war so schön kuschelig warm, gemütlich und zeitlos, dass sie am liebsten liegen geblieben wäre. Ihr Blick schweifte durch die Hütte. Das Feuer war lange runtergebrannt und die Asche bereits kalt. Chopper lag ganz in ihrer Nähe. Sie mochte den kleinen Arzt und sah auf ihren Verband. Er hatte sie wirklich erstklassig versorgt und war sehr bemüht. Seine Fröhlichkeit und Freundlichkeit waren ansteckend, seine Naivität und Ängstlichkeit ergänzten sein Wesen und wirkten auf Außenstehende niedlich. Sie hatte bereits herausgefunden, dass er sich jeden Lobes schämte und zu tanzen begann. Dafür war er Feuer und Flamme, wenn sie ihm den Rücken kraulte. Niemals hätte sie sich vorstellen können, dass Chopper auch eine andere Seite rauskehren könnte, wie so oft berichtet wurde. „Monster-Chopper“ wurde er in den Marineberichten genannt. Es war ihr unerklärlich. Ohne Probleme konnte sie dem Rentier vertrauen.

Zu ihrer anderen Seite in der Nähe an der Hauswand standen ihr Rucksack, Shigure und Kashu. Wie kamen ihre Sachen hierher? Zoro schnarchte etwas abseits vor sich her in einer dunklen Ecke. Hatte Zoro ihre Sachen noch letzte Nacht geholt? So, wie ihre Schwerter dort angelehnt waren, konnte es nur Zoro gewesen sein. Fragen über Fragen schossen ihr durch den Kopf. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Oft waren sie sich über den Weg gelaufen. Jedes Mal hatten sie sich aufs Übelste beschimpft. Er hielt ihr vor, sich wie eine alte Freundin aufzuführen und auch so auszusehen. Tashigi konnte es einfach nicht nachvollziehen. Aber zumindest schien die Freundin der Grund zu sein, weshalb er sie am Leben ließ und nicht kämpfen wollte. Zudem schien Zoro immer die schlechte Laune in Person zu sein, sich um niemanden zu scheren und seine Gegner eiskalt zu töten. Aber andererseits hatte sie auch gegensätzliches über ihn gehört und auch selbst erfahren. Smoker hatte ihr berichtet, dass er von Zoro auf Luffys Anordnung hin in Arabasta aus dem Wasser gerettet wurde. Es wäre sonst der sicherer Tod ihres Vorgesetzten gewesen. Sie erinnerte sich oft an Loguetown, wo sie seinen Namen nicht kannte. Sie musste sich eingestehen, von ihm sehr beeindruckt gewesen zu sein. Auch seine Schwertkunst war wirklich einzigartig und unglaublich. Neidvoll musste sie das anerkennen, und sie schämte sich ihrer eigenen Tollpatschigkeit. Still und heimlich hatte sie sich öfters gewünscht, Zoro mal in Aktion zu sehen. Sicher könnte sie nur allein vom Zusehen noch einiges lernen.

Und nun lag er dort schlafend wie ein Stein nur wenige Meter von ihr entfernt in seiner Decke verheddert und mit einem Kopfgeld von 120 Millionen Berri belastet. Es war alles viel zu unwirklich, um wahr zu sein. Sie kniff sich in den Arm, dass es schmerzte. Nein, es war kein Traum. Der von Zoro aus der Decke lugende Teil wurde nun eingehend von ihr gemustert und fing oben bei seinem Hinterkopf an: grüne Haare. Nie war ihr jemals ein Mensch mit derart grünen Haaren über den Weg gelaufen. Durch seine sonnenverbrannte Haut schienen diese sogar noch greller zur Geltung zu kommen. Kichernd stellte sie sich die stille Frage, ob er wohl am ganzen Körper grüne Haare haben müsste und tadelte sich im nächsten Moment für diesen frevelhaften Gedanken. Sie stellte sich sein Gesicht mit den markanten Zügen und der schlechtgelaunten Mine vor. Ob er auch mal anders als schlecht gelaunt gucken könnte? Alternativ kannte sie nur sein freches dreckiges Grinsen. Das mochte sie nicht sonderlich. Welche Augenfarbe hatte er noch mal? Grau Augen! Auch selten. Ihr Blicke wanderten weiter über seine Schultern und Arme. An seinem linken Arm war das schwarze Kopftuch geknotet, welches immer nur bei sehr schweren Kämpfen zum Einsatz kam. Weiter ging es an seinem Rücken entlang. Trotz des Hemdes konnte man erkennen, dass da ein pures Kraftpaket lag. Dann kam eine Weile nur die lumpige Decke und unten gucken zwei Füße heraus, die in schwarzen Stulpenstiefeln steckten. Noch eine ganze Weile starrte sie ihn an. Sie tadelte sich ein weiteres mal für den Gedanken, das er gar nicht mal so schlecht aussah.

Leise erhob sie sich und kramte in ihrem Rucksack. Sie wollte ihr blutiges Hemd gegen etwas Sauberes eintauschen und wurde fündig. Schnell hatte sie das kurze ärmellose Shirt unbemerkt vor den beiden anderen übergezogen. Sie sah noch mal zu Zoro rüber und versank in Gedanken. Abrupt wurde sie aus jenen gerissen, als Chopper aufwachte und sich nach ihrem Befinden erkundigte. Tashigi gab an, sich vollkommen gesund zu fühlen bis auf den kleinen Kratzer am Arm. Das hört der kleine Arzt sehr gern und freute sich. Beide beschlossen, den Kessel für grünen Tee in die Gänge zu bekommen, nachdem Chopper erwähnte, dass sie auf Zoro keine Rücksicht nehmen müssten. Wenn er könnte, würde er wohl 24 Stunden am Tag schlafen. Das sei bei dem total normal. Wenn er wohl mal seinen Traum erfüllt haben würde, dann wäre das wohl sein nächstes Ziel: Schlafen! Aber ansonsten könne man seine schlechten Launen ertragen und auf ihn zählen. Tashigi wunderte sich und sprach ihre an der Wand stehenden Sachen an. Das verwunderte nun auch das Rentier. Er schlussfolgerte jedoch, wohin Zoro die letzte Nacht verschwunden war.

Als aus dem Kessel ein aromatischer Duft nach grünem Tee stieg, begann auch in Zoro die Lebensgeister wieder zu erwachen. Er wollte sich umdrehen, bleib in der Decke hängen und trat sich dann achtlos fluchend aus der Decke frei. Tashigi musste bei dem Anblick kichern. Es sah zu komisch aus. Sie verstummte aber sofort, als er sich ihnen böse dreinblickend zuwandte. Er blickte auf die beiden und brummelte irgendwas unverständliches.

„Hab’ vielen Dank!“ sagte Tashigi zu Zoro vorsichtig.

„Wofür?“

„Für meine Sachen und das du mich da nicht einfach hast liegen lassen.“

„Ja, vergiss es... Habt ihr schon überlegt, wie es weitergehen soll?“

Tashigi gab gleich an, dass sie natürlich zurück zur nächsten Marinebasis müsse, jedoch bräuchte sie nicht zum Dorf zurückkehren, da ihr Auftrag samt Material schon lange weiter transportiert seien. Sie konnte zudem kurz berichten, dass dieser Fluss schon bald in einem riesigen Binnensee münden würde. Aus dem See heraus floss nur der Quellstrom in die Berge. Dahinter war bereits der East Blue. Dorthin müsse sie auf jeden Fall, wenn sie ihren Auftrag erfüllen sollte. Chopper verplapperte sich, dass sie ebenfalls in diese Richtung müssten. Er hätte sie gern als Wegbegleitung dabei. Er mochte sie schon nach der kurzen Zeit gut leiden. Zoro rollte mit den Augen und war komplett dagegen, sie als Wegbegleiterin aufzunehmen. So stritten sie zu dritt eine ganze Weile, bis Tashigi herausplatze, weshalb die beiden eigentlich ohne die restlichen Strohhüte zögen. Chopper starrte traurig zu Boden und Zoro antwortet nun knapp, sie hätten sich getrennt. Nach einer Weile sagte das Rentier, dass er sie gern mitnehmen würde allein schon um ihre Wunde weiterzubehandeln. Zoro sprach immer noch sich dagegen aus, worauf der kleine Arzt ihn anbrüllte. Wenn er private Probleme mit sich selber und seiner Vergangenheit hätte, dann wäre das nicht das Problem der anderen. Und das wäre sicherlich der alleinige Grund für seine ablehnende Haltung. Nun war die Stimmung am explodieren. Chopper hatte einen schlimmen Fehler begannen und eine absolute Tabugrenze himmelweit überschritten. Das wurde ihm in diesem Moment bewusst, aber zu spät: Zoro packte ihn im Würgegriff am Hals. Böse und voller Wut funkelte er ihn an. Tashigi bekam es mit der Angst zu tun. Sie zog Kashu und ging auf Zoro los, um das Rentier zu schützen. Der konnte nicht gut genug ausweichen und kassierte eine dünne Schramme an der Wange. Er war auf des Rentier fixiert gewesen und hatte sie ganz vergessen. Sie hatte jedoch ihr Ziel erreicht: Zoro ließ von dem kleinen Arzt ab. Er fiel zu Boden und rannte in Panik in die hinterste Ecke um sich zu verstecken. Wenn man in Zoros Augen ein rotes Leuchten sah, dann war Land unter. Zoro fuhr voller Wut herum. Dass dieses Weib es wagen würde, ... Sie meinte, ein rotes dämonisches Leuchten in seinen Augen sehen zu können, wie sie es noch nie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Das war ihr nicht geheuer. „Nun hast du deinen Kampf!“ brüllte er sie an, dass man es wohl in allen vier Blues hören konnte, und schnappte sich ebenfalls sein Schwert. Während er es langsam zog, schritt er souverän auf sie zu. Er sah Angst in ihren Augen, wie er es nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Jede Art von Trotz, Hass oder Hochnäsigkeit war aus ihrem Gesicht entwichen. Wie er dieses Gesicht und ihre ganze Art hasste. Diese Frau nervte ihn mit ihrer alleinigen Anwesenheit. Sie zog den Ärger an wie ein Magnet das Eisen. Zu viele Erinnerungen waren mit ihrem Gesicht verknüpft, die ihn so quälten. In diesem Augenblick wünschte er, er hätte sie im Wald elendig verbluten lassen sollen. Nun war Schluss mit lustig. Diesmal würde er ihr die Verhältnisse klar machen und sie dann einfach zum Teufel jagen. Dafür würde er sich nicht einmal anstrengen müssen. Kitetsu hatte schon lange kein Blut mehr geleckt. Es ließ seinen Herren spüren, wie sehr es nach einem Blutstropfen dürstete.

Tashigi zitterte am ganzen Körper. Sie versuchte ihre Angst zu verbergen. In all den Begegnungen hatte sie ihn noch nie so erlebt. Aber sie wollte es ja so haben. Wie war das noch vorhin? Zoro in Aktion? Das war wohl nun! Den ersten Schlag parierte sie geschickt, aber sie machte sich keine Illusionen, dass sie den nächsten Angriff durchhalten würde. Die Kraft konnte sie unmöglich abfangen. Diesmal war es eine ganz andere Liga als bisher. Jetzt nach dem ersten Hieb spürte sie schon ihre Hände nicht mehr. Sie war vorsichtig rückwärts zum Ausgang gegangen.

Zoro musste diabolisch grinsen und stellte fest, dass sie bereits jetzt schon mit ihrem Schwertlatein am Ende war. Das war ein leichtes Spiel. Ein Spiel... warum eigentlich nicht? Seine Laune hellte sich auf. Die Spielregeln waren jetzt getaucht: Er war nun der Jäger und sie nun die Gejagte. Als er zum nächsten Schlag ansetzte, um sie an dem Türpfosten festzusetzen, rollte sie sich rückwärts um den Pfosten nach draußen ins Freie. Für den Bruchteil einer Sekunde war er verblüfft. Der Trick war zwar billig, aber effektiv. Vermutlich würde sie angreifen, wenn er auch um den Pfosten käme. Den Plan würde er ihr versalzen. Das Spielchen würde also einen Schlag länger dauern. Beim nächsten Blitzangriff um den Pfosten herum hatte er sie mit dem Rücken an die Holzwand gedrängt. Mit der einen Hand presste er ihr Kitetsu an den Hals mit der anderen hielt er ihre Schwerthand fest. Er drückte zu bis sie den Schmerz nicht mehr aushalten konnte und Kashu fallen lassen musste.

Tashigi unterdrückte jeglichen Schmerzlaut und war starr vor Angst. Nur das Scheppern von ihrem Katana hallte in der verstummten Welt, in der für den Moment die Zeit still zu stehen schien. Sie standen sich so eng gegenüber, dass sich ihre Körper fast berührte. Sie spürte das kalte Eisen des Schwertes von der scharfen Seite wie es sich leicht in ihre Haut drückte. Beide wussten, wenn er den Hieb nun durchzog, dann war ihr kurzes Leben vorbei. Sie sah ihn an und die Schnittwunde an seiner Wange. Hatte sie ihn vorhin tatsächlich erwischt? Es war ihr in der Hektik nicht aufgefallen. Das rote Feuer in seinen Augen war verschwunden und wieder zu diesem unruhigen Grau geworden. Sie fühlte sich von seinem Blick durchbohrt.

„Willst du wirklich schon sterben? Ist es dir das wirklich wert?“ Zoro sah ihr an, wie sie versuchte stark zu sein. Doch ihre Angst konnte sie einfach nicht verbergen und zitterte am ganzen Körper. Sie sagte keinen Ton und starrte ihn weiterhin an. „Na los, sag es! Du hast mich doch die ganze Zeit angebettelt?“ Er grinste sie dreckig an. Ihr kurzes Shirt war hochgerutscht und gab ihren nackten Bauch frei. Er ließ ihre nun leere Schwerthand los. Sanft berührte er mit den Fingerspitzen ihre weiche zarte Haut und wanderte mit seiner Hand langsam nach oben unter ihr Shirt. Knapp unter ihrer Brust ließ er seine Hand jedoch ruhen und fühlte wie ihr Herz raste. Seine Gesicht näherte sich dem ihren und flüsterte frech: „Vielleicht muss man dir auch einfach erst Manieren beibringen...“ Sie spürte seinen heißen Atem an ihrem Ohr.

Bei Tashigi explodierten in diesem Augenblick vor Panik sämtliche Sicherungen im Kopf. „Lass mich gehen!“ kreischte sie schrill und wollte ihn wegstoßen. Mit ihren Händen trommelte sie gegen seinen Oberkörper. Er musste laut lachen. Er zog ihr das Shirt sanft über den Bauch zurück und ließ sie los. „Hast du wirklich von mir gedacht, dass ich dich hier und jetzt flachlege? Pfff ...“ Verachtend sah Zoro zu ihr runter und ließ sie dann dort stehen. Er selbst setzte sich einen Meter weiter mit verschränkten Armen in den Türrahmen und dachte nach. Tashigi sank in die Knie auf den Boden. Sie schluchzte kurz auf als die Anspannung abfiel. Das hatte gesessen. Der Kerl war unberechenbar, gemeingefährlich und das Allerletzte. Genauso hatte sie sich Piraten immer vorgestellt!

Chopper wusste, dass man sich niemals Zoro in den Weg stellen sollte, wenn er in Rage war und man am eigenen Leben noch hing. Doch nun schien die Auseinandersetzung vorbei. Er ging wortlos an ihm mit erhobener Nase vorbei, denn der kleine Arzt befand, dass Zoro maßlos übertrieben hatte und wollte ihn das mit seiner Körperhaltung vermitteln.

„Warte, Chopper! Sag ihr, sie kann mitkommen. Wir haben eh schon zuviel Zeit verloren!“ Obwohl er ruhig sprach, lag etwas Reumütiges in seiner Stimme. Es hatte ihn wohl doch bewegt und ganz sicher nicht kalt gelassen. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Chopper zu Tashigi ging, um sie wortlos zu trösten. Sie umarmte das Rentier und weinte leise. Sie hörten beide noch, wie Zoro hinzufügte: „Wag es nicht noch mal! Und sieh mich nie wieder so an! Hast du das kapiert, Tashigi?“ Es klang mehr als eine Bitte als eine Drohung. Die Angesprochene nickte langsam und erhob sich. Sie nahm Kashu, stahl sich an Zoro vorbei, um ihr Gepäck aus der Hütte zu holen und ging anschließend hinüber zu dem breiten Weg, den sie gestern gekommen waren. Nur eine kurze Weile später marschierten die drei nebenher stromabwärts.

Der Marsch begann sehr ruhig. Doch mit der Zeit kamen Chopper und Tashigi ins Gespräch. Sie erzählten sich gegenseitig von Inseln, die sie schon besucht hatten. Manche kannten beide und manche hatte jeweils nur der eine von ihnen besucht. Chopper freute sich über das Gespräch, denn Tashigi konnte zwar ausführlich, aber trotzdem sehr punktgenau berichten. Er staunte über eine Insel, die von außen karg und trostlos, aber innerlich im Krater saftige grüne Wiesen hatte. Im Gegenzug hörte Tashigi gebannt zu als Chopper von Skypia berichtete. Sogar Zoro fügte in seiner morgenmuffeligen Laune mal etwas dazu. Und so verging der Tag und die Strecke schnell.

Sie erreichten den Binnensee in der Abenddämmerung und sahen schon von Weitem die Lichter des nächsten Ortes. In ein paar Stunden wären sie sicher da. Tashigi wies Chopper darauf hin, dass heute in der Vollmondnacht der See an diesen Ufern ein schönes Naturspiel preisgeben würde. Das Rentier wurde hellhörig und wurde sofort neugierig. Sie aber blieb hartnäckig. Das müsse man schon selber gesehen haben. Allerdings würde es sicher noch etwas dauern bis die Sonne ganz verschwunden sei. Das Rentier bettelte, dass es das Geheimnis gern sehen würde. Sie verweilten noch zwei Stunde bis die Sonne verschwunden war und der Mond aufging. Es war gespenstisch schön. Leichte Nebelschwaden krochen über den Boden, der See lag ruhig wie ein Spiegel dar und plötzlich begann es überall an den Ufern zu glitzern und glimmen. Riesengroße Lotusblüten erwachten zum Leben und öffneten ihre Knospen. Ihre Blätter schienen durchsichtig wie Glas, doch schillerten sie wie ein Regenbogen. Sie versprühten beim Öffnen einen feinen Funkenregen, der langsam glitzernd auf die Erde sank und dort verglimmte. Es war ein unglaublicher Anblick.

Chopper strahlte über das ganze Gesicht und lief zum Ufer. Das musste er sich unbedingt aus der Nähe ansehen. Tashigi war unwohl allein neben Zoro zu stehen. Sie verschränkte die Arme, um sich vor der nächtlichen Kälte zu schützen. Ohne sie anzusehen unterbrach er die Stille:

„Kristalllotus. Das sieht wirklich beeindruckend aus.“

Tashigi lauschte auf. „Woher kennst du den?“

„Der wächst auch dort, wo ich herkomme. Allerdings nicht in den Massen und in dieser Größe. Das ist echt einmalig.“ Er drehte sich zu ihr. Das Mondlicht tauchte sie geheimnisvoll ein und ließ sie jünger wirken. Hinter der Brille versteckten sich sanfte dunkle Augen. Wie Kuina, dachte er, und genauso hübsch. Die Frau machte ihn weiterhin allein mit ihrer Anwesenheit und ihrer ganzen Art echt kirre.

„Der Schlag heute morgen, wo du mich getroffen hattest...“

„Es tut mir leid!“ fiel im Tashigi sofort ins Wort.

„Nein, der war echt gut.“

Sie meinte einen Anflug von Lächeln bei ihm erkennen zu können, aber dieser war bereits wieder weg zu Chopper und mahnte zum Aufbruch. Er hatte sie gelobt. Das war ungewöhnlich und es freute sie. Noch nie hatte jemals irgendwer sich positiv über ihren Schwertkampf geäußert. Sie lief hinter den beiden hinterher, um wieder Anschluss zu haben. Spät in der Nacht erreichten sie das nächste Dorf. Sie bemerkte, wie Zoro beim Erreichen des Ortes die Kapuze über den Kopf zog. Im ersten Moment verstand sie nicht, aber dann schoss es ihr durch den Kopf, dass sie mit zwei Gesuchten durch die Gegend zog. Zoro war zweifelsohne mit seinen grünen Haaren auffallend wie eine Sonnenblume im Klatschmohnfeld.

Die einzige Kneipe im Dorfe hatte sogar noch offen, war aber zum Glück menschenleer. Auch die Zimmer waren nicht belegt. Es stand außer Frage, dass sie die Nacht hier bleiben würden. Der Wirt war bereits dabei, die Küche zu schließen. Nun tischte er für seine späten Gäste noch ein paar restliche Leckereien des vorangegangenen Tages auf. Tashigi staunte nicht schlecht, was ihr beiden Mitreisenden in höchster Geschwindigkeit verdrücken und wegsaufen konnten. Sie musste innerlich über die beiden lachen. Ein verrücktes Duo. Der kleine Arzt kramte ein Reagenzglas hervor. Er hatte etwas von den funkelnden Blättern des Kristalllotus mitgenommen. Doch nun sah er, dass es fast verloschen und zu Staub verfallen war. Tashigi tröstete ihn damit, dass beim nächsten Vollmond die Blüten wieder so herrlich leuchten würden. Zoro hatte stillschweigend gegessen und zog nun die Kapuze seiner Jacke tiefer ins Gesicht, als der Wirt noch einmal an den Tisch trat, um reichlich Getränke nachzuschenken. Er warf einen gründlichen Blick auf seine drei Gäste. Diese kamen ihm irgendwie komisch und verdächtig vor: Eine Marineangehörige von höherem Dienstgrad, ein sprechendes Rentier mit Zylinder und einen mysteriösen Schwertkämpfer, der sein Gesicht verbarg. In den hintersten Winkeln seines Kopfes schwante ihm Böses, wenn er dort tatsächlich in sein Haus geholt hatte. Natürlich fragte er die dubiose Reisegesellschaft nach deren Zahlungsart in seinem Gasthaus und was sie in dieser Gegend trieben. Noch bevor Chopper oder Zoro etwas sagen konnten, hatte Tashigi das Wort ergriffen. In kurzen Sätzen speiste sie die Neugier des Wirtes ab und berichtete, dass sie die Nachhut des vor kurzen hier entlang gekommenen Marinetrosses seien. Sie würde zudem mit einem Wechselschein der Marine zahlen. Sofort hatte sie auch ebenso einen Schein herausgekramt und hielt ihn dem Wirt unter die Nase. Der Wirt musste akzeptieren, fügte jedoch grimmig hinzu, dass die Marine ein schlechter Zahler sei. Selten kämen hier Soldaten vorbei und auch die Steckbriefe, die sie ständig mitbrachten, versetzten hier niemanden in Aufregung, da die Gesuchten wohl hier eh nie vorbeikommen würden, geschweige denn überhaupt erkannt würden. Auf der Redline herrschten eben andere Gesetze und Helden. Zoro platze spöttisch heraus, welche Helden hier den umhergeistern würden. Der Wirt schnaubte wütende. Der Typ unter der Kapuze schien ihm ziemlich dreist. Das würden sie schon noch sehen, entgegnete der Wirt und zog wieder ab Richtung Theke, um die letzten Gläser abzuwaschen. Zoro musste kurz vor sich herlachen, wodurch er von Chopper eine Rüge erhielt. Tashigi verstand kein Wort. In dem Smalltalk musste mehr stecken, als ein Außenstehender vermuten konnte. Für sie war das eben Gehörte rätselhaft und ihre beiden Mitstreiter würden sie sicher nicht einweihen. Immerhin war sie eigentlich ein Feind. Wenigstens bedankte sich Chopper für die nette Einladung und gestand, dass er derzeit vollkommen blank sei. Zoro sowieso.

Satt und zufrieden gingen sie auf ihr Zimmer und waren schon bald in ihren Betten verschwunden. Für Zoro typisch, schlief er sofort so ein, wie er sich hingelegt hatte: mit Klamotten, Schuhen und überhaupt. Unglaublich, dachte sich Tashigi. Chopper rollte sich erst noch etwas hin und her. Aber kurze Zeit später hörte man auch von ihm die gleichmäßigen Atemzüge eines Schlafenden. Tashigi selbst konnte noch lange nicht schlafen. Sie war totmüde, doch die Geschehnisse der letzten zwei Tage hatte sie noch nicht verarbeitet. Ihr war aufgefallen, dass sie die Marine und deren Disziplin gar nicht vermisst hatte. Sie war bei der Marien aufgewachsen und hatte noch keine Vergleiche mit dem Leben außerhalb der Kaserne ziehen können. Aber nun, wo sie die letzten zwei Tage nur durch die Wildnis gezogen war, hatte sie gefallen daran gefunden. Sie konnte selbst entscheiden, wann und wo sie langging und was sie als nächstes tun würde. Niemand stellte Weisungen oder Befehle auf. Das war ihr neu und fremd. Aber es war großartig. Sie erschrak bei diesen Gedanken. War sie nun eine Deserteurin? Hatte sie überhaupt schon Landesverrat und Befehlsverweigerung verübt, wenn sie mit den beiden durch die Gegend zog? Noch könnte sie sagen, Zoro hätte sie einfach ausgesetzt und sie wäre orientierungslos umher geirrt. Das wäre wohl am Leichtesten. Sie dachte über ihre beiden Reisebegleiter nach. Chopper war einfach nicht piratentypisch. Alle anderen Piraten, die jemals ihren Weg gekreuzt hatten, waren wild, brutal und falsch. Das Rentier hatte sie richtig ins Herz geschlossen und man konnte ihm sofort vertrauen. Zoro hingegen war eigenartig. Sie tat sich schwer, ihn einzuschätzen. Einerseits im Kampf eiskalt und dann aber auch wieder zurückhaltend, sanft und schüchtern. Stille Wasser waren eben tief. Bisher hatte sie ihn verachtet, aber durch seine uneigennützige Hilfsbereitschaft hatte er etwas punkten können. Innerlich fühlte sie, dass sie ihm vertrauen könnte. In diesem Moment hatte sie ihm für seine Tat vom Vormittag verziehen.

Ihre Gedanken spielten verrückt, ihr Bauch fuhr Achterbahn und ihr Herz schlug wie wild. Ihr Kopf kämpfte hoffnungslos dagegen an. Sie wollte diese Gedanken einfach nicht haben. Es machte keinen Sinn. Sie verkroch sich noch tiefer unter ihre Bettdecke und verlor sich in einem Traum. Sie träumte von einer sanften Berührung, die in ihr die sehnsüchtigsten Feuer entfachten und Augen, in den sie sich verlieren wollte. Verdammt, noch mal! Sie schlug mit der Faust auf die Matratze. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Sie wollte einfach nur endlich ruhig und tief schlafen. Über kurz oder lang würde sie wahnsinnig werden. Das prophezeite sie sich selbst. Nein, sie musste erst mal zum nächstbesten Marinequartier zurück. Sie war es Chopper und Zoro einfach schuldig, sie zum Dank ziehen zu lassen. Danach könnte sie weiterentscheiden.

Der Schlaf holte auch sie irgendwann.



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Von:  sakemaki
2015-06-27T19:47:22+00:00 27.06.2015 21:47
von: Leeloo88 - 28.10.2007 19:43:26
Kapitel: 5 - Der Streit
Wow, ein wirklich ereignisreiches Kappi.

Der Streit war echt heftig und hatte selbst ein bisschen Angst vor Zorro.
Dafür war der Abend am See wunderschön und du hast alles so wunderbar beschriebn, dass ich schon neben den Dreien stand und zu gesehen hab.
Und was für ein komisches hat Tashigi da abends im bett bekommen???? Ich bin wirklich sehr gespannt....

Das war wirklich wundervolles Kappi und ich sollte mir wirklich viel mehr zeit für sie nehmen und schnell alle Weiteren lesen!!!!!

Viele liebe Grüße
deine Lee

von: Illuminate - 17.09.2007 13:28:37
Kapitel: 5 - Der Streit
Das Kapi ist wirklich sehr schön, vor allem die Beschreibung des Kristall-Lotus.
Zoro und Tashigi sind schon ein seltsames Paar und Chopper noch dazu, macht die Sache sehr unterhaltsam. Bin gespannt, wie es mit den beiden weitergeht und vor allem was passiert, wenn sie auf die restlichen Strohhüte treffen...

Viele liebe Grüße
die Illu

von: WushuHaeschen - 06.07.2007 18:51:23
Kapitel: 5 - Der Streit
dein schreibstil ist wirklich genial, woher hast du ihn?

von: fanfic-fan - 07.05.2007 22:59:10
Kapitel: 5 - Der Streit
Genial wie du zorro beschrieen hast als er ausgerastet ist
ich bin echt gespannt ob sich was zwischen zorro und tashigi anbannt


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