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Globetrotter

Wir brauchen keine Chemie, keinen Kompass, keinen Reiseführer, keine Landkarte... und kein Viagra!
von

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Cole et doce! - 4

"Ouuuh... mein Kooopf..."

Fye kam aus dem Zimmer gewankt, als befände er sich auf einem schaukelndem Schiff und nicht in einem Studentenwohnheim.

Ich sah nur kurz auf – wieso hatte ich geahnt, dass er einen gewaltigen Kater haben würde?

"Wie spät ist es... und wie bin ich hier her gekommen?", fragte er und hielt sich den Kopf.

"Nachdem Sie sich unter den Tisch gesoffen haben und sich dann wie der letzte Idiot benommen haben, habe ich Sie hier her gebracht. Und jetzt nerven Sie mich nicht mit Ihrem Kater, klar?"

Denn ich hatte keine Kopfschmerzen, obwohl ich wahrscheinlich mehr getrunken hatte als er.

Hätte ich gewusst, dass er nichts vertrug, dann hätte ich mich niemals darauf eingelassen, einen Trinkwettbewerb zu veranstalten – beziehungsweise hätte verhindert, dass er so viel trank. Es war gar nicht so einfach, ihn davon zu überzeugen, zu gehen.

"Wo sind wir eigentlich?"

Er ließ sich neben mich fallen.

"Immer noch unter Wasser – in einem der Wohnheime. Es wäre zu gefährlich gewesen, Sie in dem Zustand nach oben zu bringen."

Schließlich war er blau gewesen wie ein Hering und ehrlich gesagt, ich hatte mir es nicht antun wollen, ihn nach oben zu bringen und dann durch die halbe Universität zu schleppen. Und noch weniger, wenn er dabei auch noch ununterbrochen miaut hätte.

"Ahhh...", machte er und nickte, verzog dabei aber das Gesicht, anscheinend hatte das nicht gut getan. Sein Problem, wenn er nicht einschätzen konnte, wie viel er vertrug.

Im nächsten Moment stellte sich heraus, dass es auch mein Problem war – anstatt wegen seiner Knopfschmerzen die Klappe zu halten, fing er an, mich damit zu löchern, was nach der Diskussion über Vorteile von Körnerkissen gegenüber Wärmflaschen passiert war.

"Eigentlich nicht mehr viel! Sie haben sich wie ein Idiot benommen und ich hab Sie hierher gebracht", fauchte ich genervt.

"Nicht so laut", jammerte er wehleidig.

"Nehmen Sie ein Aspirin und lassen Sie mich verdammt noch mal mit Ihren Kopfschmerzen in Ruhe."

Er stand tatsächlich auf und ging auf die Suche nach dem Kopfschmerzmittel, allerdings hatte ich nicht lange meine Ruhe.

"Hat Neferti-kun Ihnen die Samen eigentlich gegeben?", fragte er, als er wieder da war.

"Ja, hat er. Ist alles dort drüben in der Tasche", meinte ich und deutete darauf.

"Wunderbar! Dann können wir ja gleich aufbrechen und wieder zurück nach oben tauchen, um die Samen einzupflanzen!"

Woher hatte er bei diesem Kater diesen Elan?

Ich nickte aber, da ich schnellstmöglich hier weg wollte. Und da er ja wieder redete ohne Punkt und Komma, schien er ja wohl auch in der Lage zu sein, wieder selbstständig zu schwimmen.
 

"Warum sind Sie denn immer noch sauer?", fragte Fye an mich gewandt.

Wir waren mittlerweile ins Gewächshaus zurückgekehrt und waren dabei, die Samen einzupflanzen.

Spannend war die Sache nicht gerade, obwohl es meinem Begleiter wohl eine Menge Spaß machen musste, da er ein Tempo und Elan darlegte, als gäbe es nichts Schöneres. Für mich war das völlig unverständlich. Obwohl – momentan hatte er abwehrend beide Hände gehoben und ein schiefes, anscheinend beruhigend wirkendes Lächeln aufgesetzt.

Allerdings interessierte mich das in meinem wutentbrannten Ausbruch wenig.

"Sie haben WAS getan?!", schnaubte ich.

"Na ja – ich dachte, es wäre vielleicht nicht so schlecht, wenn wir Kontakt mit Nerferti-kun, Océ-chan und Mari-chan halten."

"Und warum, verdammt noch mal, geben Sie ihnen MEINE Adresse, heh??!!"

"Na, warum wohl?", fragte er mit einem tadelnden Unterton, als wäre ich schwer von Begriff, "Das ist doch wohl logisch. Ich habe keine feste Adresse und es würde nichts bringen, die Briefe hierher zu schicken..."

"ABER DAS IST NOCH LANGE KEIN GRUND--...!!"

"Jo, Alter, was schreiste denn so, relax!", wurde ich unterbrochen und ich drehte mich wütend zu dem Gewächs um, das soeben die Türen des botanischen Zentrums aufstieß und eilig hereingewackelt kam.
 

"Aaaah! Flori-rin!", trällerte ich und winkte dem Sägezahn-Salbei, der wie üblich in Begleitung seiner Sonnenbrille auf uns zugestakst kam, fröhlich zu, "Was gibt's Neues? Wie sieht's mit deinen Lottolosen aus?"

"Deswegen wollt ich euch auch sprechen, Mann", lautete die Antwort, während Florian sich neben uns an den so gut wie fertig bepflanzten Beeten niederließ und umständlich seine Ranken aufrollte, "Aber eigentlich bin ich ja hergedasht, um dir zu verklickern, dass du da 'nen Anrufer in der Strippe beim Empfang hast, Alter."

"Wer, ich?", fragte ich erstaunt, "Ja aber-... wer würde mich denn anrufen wollen?"

"Ihr Hirn, um Ihnen zu sagen, wo Sie's verloren haben!", giftete mein Leibwächter. Ich überhörte das geflissentlich.

Heute war offenbar einfach nicht sein Tag.

Hatte sicher noch mit gestern Abend zu tun- ich konnte mich immer noch nur sehr verschwommen an den Verlauf des späteren Abends erinnern, und die Gedächtnisstützen, die mir Océane und Marina gegeben hatten, ließen die fürchterlichsten Verdachte in mir aufkeimen. Um es auf einer diskreten Basis zu belassen: meine jahrelangen Vermutungen und Thesen, dass das Betrunkensein nichts weiter war als ein Zustand, in dem man problemlos die Dinge tun konnte, die man bei klarem Verstand nicht mit dem Gewissen vereinbaren wollte, war eindeutig korrekt- und das offenbar sehr zum Ärger meines Begleiters.

"Der Typ hat mir gesteckt, dass er dich schon länger kennt, Alter", erklärte Florian soeben bedeutsam, "Hat gesagt, er wäre dein Telegrammbote... hat irgendwas von wegen gebrabbelt, sein Name wär Honda-... oder nee, Mitsubishi..."

"Subaru?", setzte ich fragend nach.

"Aaaah, genau, Alter: Subaru! War total außer Atem, der Kleine. Hat gesagt, es wäre wichtig, aber mehr wollt er nicht rausrücken. Scheint übelst was Konkretes zu sein, Bruder. Soll ich für dich zum Gewächshaus verbinden oder willste ins Foyer rennen?"

"Ähhm... Gewächshaus, wenn's geht. Danke, Flori-rin."

"Null problemo, Mann."

"Kann uns dieser blau betuchte Kandolinitrottel nicht mal in Ruhe lassen?", knurrte Kurogane, während Florian eilig zum Eingang des Gewächshauses wackelte, wo sich eine mehr als nur altertümliche Fusion aus Faxgerät und Fernsprechanlage befand.

Ich blinzelte. "Was um alles in der Welt ist ein Kandolinitrottel?"

"Vergessen Sie's", brummte mein Leibwächter und stieß seinen Spaten in die frische Düngererde, die er bis eben umgegraben hatte.

Ich wischte mir mit einem erdkrümelübersäten Gartenhandschuh über die verschwitzte Stirn und legte den Samenbeutel zur Seite, um zu hören, was Florian sagte.

"Okay, Alter, bist du noch dran? Ich weiß, dass es dringend is, Mann, ich hab dir deinen Chef doch schon rangeschafft. Ja, jetzt beruhig dich mal! Chill, okay? Ja, ich geb ihn dir gleich. Okay, Mann. Gleichfalls. Oy, Alter!", röhrte er schließlich zu mir rüber und schwenkte den rostigen Telefonhörer in seiner Ranke, "Hier is Toyota für dich!"

"Subaru."

"Mein ich doch."

Ich erhob mich eilig und nahm den Hörer entgegen, während sich der Sägezahn-Salbei wieder zu meinem Reisebegleiter gesellte.

"Okay, Alter, was das Lotto anbelangt..."

Ich entschied, erst einmal den Anruf aufzunehmen, und hielt mir den Hörer ans Ohr.

"Hallo? Subaru-kun?"

"Hallo, Fye-san!", hörte ich Subarus atemlose Stimme an meinem Ohr, "Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie bei Ihrer Arbeit störe, aber ich dachte mir, das sollten Sie sich vielleicht mal ansehen!"

"Kein Problem, worum geht's denn? Ein neuer Job?"

Subaru wollte antworten, doch ein ohrenbetäubendes Gejohle im Hintergrund unterbrach ihn.

"Ein Joooob, ein Jooooob, wir haben einen Joooohooob--..."

"Hokuto-chan, sei leise, wir stören die Nachbarn!!"

"BWAHA!! Aber ich war's doch, die den Job besorgt hat, oder etwa nicht?? Hahaha, du hättest diese Macho-Gurus von der Marine mal sehen sollen, als ich-..."

"Hokuto-chan!!"

Ich hörte geduldig dem unbeholfenen Streit an meinem Ohr zu- Subaru schaffte es nur in den seltensten Fällen, sich gegen seine rigorose Schwester durchzusetzen- und merkte ein wenig verdutzt auf, als ich bemerkte, dass hinter meinem Rücken bereits auch schon der Bär kräftig am Steppen war.

"WAS SOLL DAS HEISSEN, DU LEBENDE BIOMÜLLKIPPE?!!"

"Alter, du hast ja absolut keinen Stil beim Schimpfen! Und ich hab's dir doch schon verklickert, dass es keine Absicht war!"

"Aber du hättest doch-... AAAARRGH!!! Ich bin von Geistesschwachen umgeben!"

"Ach ja, wie hättest du's denn dann abgewickelt, Alter?!"

"ICH HÄTTE DAS ANDERE GENOMMEN!! Ich würde sogar eher ein Barbie-Reise-Traummobil als Preis akzeptieren als so ein heruntergekommenes, verballertes, ekelgrüneschumpfhgghhffghr-..."

Kuroganes Gebrüll ging in einer wutentbrannten Mischung aus Nuscheln, Prusten, Schmatzen und Japsen unter, als Florian ihm kurzerhand eine Ranke um den Mund wickelte und seine Lippen dadurch zum Aufstülpen brachte, als wäre mein Leibwächter kein Leibwächter, sondern ein satanistischer Koikarpfen.

Ich blinzelte befremdet, während das Johlen und Toben an meinem Ohr langsam wieder zur Ruhe kam.

"Also, Subaru-kun, habt ihr euren Adrenalinspiegel dann soweit wieder beruhigt?"

"J-ja. Entschuldigen Sie, es war eine harte Woche."

"Oh, für uns auch. Also, kann ich davon ausgehen, dass ihr zwei einen neuen Job für uns habt?"

"Ja. Es hat einen Heidenaufwand gekostet, um das Telegramm zu bergen, weil der Absender angeblich sehr gut betucht sein soll, aber Sie wissen ja, kein lebendes Wesen kommt an Hokuto-chan vorbei, wenn's um einen Job geht."

Ich grinste in mich hinein. In der Tat, Subarus Zwillingsschwester tat definitiv etwas für ihr Geld- im Postamt von Uranoke Sho herrschte in der Telegrammabteilung oft heilloses Durcheinander, doch sie griff gnadenlos durch.

"Wie wär's, wenn du's mir schnell faxt, Subaru-kun? Das Telefon hier hat auch eine Faxvorrichtung."

"Oh! Das ist natürlich was anderes. Einen Moment, bitte."

Der Apparat verfiel in ein mannigfaltiges Jaulen und Stottern. Kurogane und Florian hatten sich soweit auch wieder eingekriegt und hockten japsend nebeneinander auf dem Beetvorsprung. Mein Leibwächter rieb seinen von der Quetschaktion tomatenrot angelaufenen Mund. Ich unterdrückte ein Kichern und riss den Zettel ab, den die Apparatur soeben unter gequältem Hulchen und Rattern ausgespuckt hatte. Es war unverkennbar ein Arzttelegramm, das folgende Zeilen für mich bereit hielt:

UNGEWÖHNL GESUNDHEITSPHÄNOMEN festgestellt stop nässender Hautausschlag Schmerzen beim Blinzeln Atemnot Essbeschwerden stop suche erfah Arzt zur Lösung des Problems stop dringlich da beruflich oft gefordert stop Honorar je nach Mitteleinsatz stop ABSENDER Uil Noctua aus MOLENVRIENDIN in BALKJEBEEKE stop

Ich runzelte nachdenklich die Stirn, während ich mir das Telegramm durchlas.

Aha, aha. Das klang gar nicht mal so uninteressant. Und dazu wäre das dann unser erster gemeinsamer Auftrag, der uns in ein Land außerhalb von Kongoseki Oka führen würde- nach Balkjebeeke.

Das Land des Windes, stampfender Korn- und Wassermühlen, das Land der Eulen und der Volksfeste.

Ich war schon öfter dort gewesen, und es würde mir ein Vergnügen sein, mal wieder einen kleinen Abstecher dorthin zu machen, denn mir gefielen die Art von Land und Leuten, und ich hatte dort auch schon diverse Freundschaften geschlossen.

Ich bezweifelte jedoch, dass Kurogane schon einmal dort gewesen war, und ich bezweifelte noch stärker, dass er die Aussicht auf tagelanges Wandern durch windgepeitschtes Flachland mit sonderlichem Jubel willkommen heißen würde.

Bevor ich jedoch weiter überlegen konnte, meldete sich Subaru an meinem Ohr wieder zu Wort.

"Ist es angekommen, Fye-san?"

"Ja! Habt vielen Dank, ihr beiden! Hört sich nach einem interessanten Job an!"

"Das freut mich. Sie werden sich vermutlich auch heute auf den Weg machen?

"Ja, wir kratzen noch alles an Vorräten und Muskelkraft zusammen, die wir haben, und brechen dann sofort auf. Wir haben kein Transportmittel, und der Weg nach Balkjebeeke ist weit. Wenigstens ist das Land eine einzige flache Ebene, da wird das Wandern nicht schwer fallen."

"Stimmt. Also, dann wünsche ich Ihnen noch viel Erfolg! Hokuto-chan und ich haben noch einen Botengang zu erledigen."

"Danke gleichfalls! Also, man sieht sich!"

"Bis bald, Fye-san!"

Hochzufrieden hängte ich den Hörer zurück in die Gabel und kehrte zu meinen Kumpanen zurück, die sich von ihrer wilden Schimpforgie schon halbwegs erholt hatten.

"Raten Sie, was das ist!", verkündete ich erwartungsvoll und wedelte mit dem Telegramm vor Kuroganes Nase herum.

"Ein Papierwisch?", kam es brummend zurück.

"Nein, es ist sogar noch mehr: es ist ein Papierwisch, auf dem unsere nächste Mission verzeichnet ist!"

Das wirkte. Sofort schnappte mir mein Leibwächter das Telegramm aus der Hand und las es sich durch.

"Balkjebeeke?", fragte er zweifelnd und reagierte damit exakt so, wie ich es erwartet hatte.

"Ja", nickte ich fröhlich, "Das Land liegt ein wenig weiter im Norden, oberhalb der Meerenge vom Kaiyonobannan! Das Land ist ausnahmslos flach, nur im Westen befindet sich ein größeres Gebirge - das Weerdeuk-Gebirge - über das aber nur die wenigsten Leute reisen, weil es zu den weniger bequem besteig- und begehbaren Gebirgen gehö--..."

"KLAPPE!! Sparen Sie sich Ihr Lexikongequatsche lieber für die Fahrt auf!"

Ich blinzelte milde verwundert.

"Für die Fahrt? Wir haben doch nicht einmal ein Fahrzeug!"

"Pah!", schnaubte der Schwarzhaarige nur und zeigte damit anklagend auf Florian wie auf einen Mörder vor Gericht, "Von wegen! Dieses Biogewächs hier ist da offenbar anderer Meinung!"

Ich wandte mich mit gehobenen Augenbrauen dem Sägezahn-Salbei zu, doch der grinste nur so breit, dass ich den großzügigsten Ausblick auf seine Säbelzähne hatte.

Ich wusste nicht warum, aber irgendwie beschlich mich leichte Skepsis bei diesem Anblick.

"Flori-rin... ?"

Der exotische Hybrid aus Säbelzahntiger und Salbeipflanze gluckste nur.

"Komm schon, Alter, ich muss euch was zeigen."
 

"Das ist ja ein Auto!", rief Fye erstaunt..

"Das ist doch kein Auto!", erwiderte ich aufgebracht, "Das da-..."

"Mann, Alter! Das ist das allerneuste Teil!", meinte Florian.

"Ach was! Von wegen neu!!", gab ich zurück, "Das Teil ist bestimmt schon ein paar Jahre in Gebrauch! Außerdem – es ist GRÜN!"

"Was haben Sie denn gegen grün?", wollte Fye wissen und sah mich irritiert an.

"Das ist doch keine Farbe für ein Auto!!"

"Ey, Alter, mal nix gegen Grün, ja?! Die Farbe ist total in!", rief Florian dazwischen, "Aber du meinst, das Teil is echt nich neu?"

"Nein, ist es nicht...", fuhr ich ihn an, "Das ist Baujahr anno siebenundfünfzig. Ist schon ein paar Jährchen alt."

Autos gab es noch nicht sehr lange, etwa zehn Jahre. Zumindest hier in Kongoseki Oka waren sie noch nicht sehr weit verbreitet, da sie teuer waren und nur wenig hergestellt wurden. Dieses hier, vor dem wir standen- ein knallgrüner Bentley, der schon beim bloßen Anschauen auseinander zu fallen schien- ließ sich aber wahrscheinlich schlecht verkaufen...

"Sie kennen sich ja aus mit Autos!", meinte Fye anerkennend, "Sagen Sie bloß, Sie können auch noch fahren!"

"Ja, kann ich!", blaffte ich, "Aber ich werd es nicht tun!"

"Warum, weil das Auto grün ist? Ich find die Farbe passt", verkündete er, "Ich bin für den Namen Kermit!"

"Sie geben diesem verdammten Bentley auch noch einen NAMEN?!! Ich bin wirklich von Geistesschwachen umgeben", ächzte ich völlig entnervt, doch zumindest das Gestrüpp schien völlig begeistert davon zu sein.

"Yo, Mann! Das mal 'n konkreter Name! Kermit!"

"Ja, richtig! Deshalb passt es ja auch!", ereiferte sich Fye vergnügt, bevor er wieder zu mir sah.

"Um darauf zurück zu kommen, Sie wollen nicht fahren, weil das Auto grün ist?"

"Das hab ich nicht gesagt, aber es ist unter anderem auch ein Grund!", knurrte ich.

Grün... und dann auch noch kotzgrün... wie konnte man einen Bentley bitte kotzgrün lackieren?!

"Und der andere Grund?", wollte mein Begleiter wissen.

"Der geht Sie gar nichts an", fauchte ich. Das würde ich ihm nicht erzählen. Ich erinnerte mich sowieso nicht gern daran.

"Nie erzählen Sie was!", protestierte er beleidigt.

"Und so schlimm kann's doch gar nicht sein, Alter!", fügte der Salbei hinzu.

"Du hast ja keine Ahnung!", fauchte ich und sah ihn drohend an, sodass er doch etwas heller unter der Brille wurde und nervös mit den Ranken zuckte.

"Woaaaahhh! Chill! Ich nehm's zurück!"

"Das will ich dir auch raten!"

"Ehrlich, Mann! Es war nicht so gemeint!"

"Ähehehehe- Kuro-nyan! Beruhigen Sie sich...", versuchte Fye mich zu beschwichtigen und wollte mir die Hand auf die Schulter legen. Nach einem Blick von mir überlegte er sich es wohl anscheinend anders, denn die Hand blieb kurze Zeit in der Luft hängen, bevor er sie wieder sinken ließ. Er wandte sich an Florian.

"Und du willst es uns wirklich schenken?"

"Yo, Mann! Du hast es gecheckt! Ich mein – was soll ich mit dem Schlitten? Ich kann nicht fahren, Kumpel!"

"Und es ist wirklich in Ordnung?"

"Ja, logo, Alter! Dann müsst ihr auch nicht immer so lang durch die Gegend latschen! Dann seid ihr mobil! Voll angesagt!", winkte er ab, "Außerdem hab ich euch doch mein Wort gegeben, dass ich teile, wenn ich abräume! Also, der Schlitten gehört euch, Kumpel!"

Wenn dieses Biomüllgewächs zu einer Sprache griff, in der es in ganzen Sätzen redete, musste ja etwas dran.

"Das ist wunderbar! Danke, Flori-rin! Das ist eine große Hilfe für uns, nicht wahr, Kuro-mune?"

"Ja... sicher doch. Wenn Sie fahren lernen, mich auszahlen und ich kündige...", grollte ich.

"Siehst du, er freut sich auch", meinte Fye fröhlich und schüttelte dem Gewächs die Ranke.
 

"Und Sie sind sicher, dass das hinhauen wird?"

"Sicher bin ich mir sicher. Und wenn Sie jetzt so freundlich sein könnten, weiterzumachen? Sonst kommen wir vor heute Nacht nicht mehr von hier weg!"

"Kommandieren Sie mich nicht rum", maulte Kurogane und fuhr darin fort, unser ganzes Zeug zusammen zu suchen, das wir- oder besser gesagt ich- während unseres kurzen Aufenthaltes in unserer bescheidenen Räumlichkeit ausgebreitet hatten.

Ich saß am Esstisch und war gerade damit beschäftigt, die Adressen unserer drei submarinen Freunde sowie die von Watanuki, Domeki und Florian in mein Adressenbuch zu übertragen.

"Hach", seufzte ich zufrieden, als ich damit fertig war, "Und schon wieder sechs neue Bekanntschaften geschlossen."

"Als ob wir damit auch nur irgendetwas gewonnen hätten!", fauchte mein Leibwächter ungnädig, während er das Chirurgenbesteck und die zehn Bücher über Vampirsachkunde, die ich in der Bibliothek der Argundus-Universität auf Kredit geborgt hatte, auf unsere Rucksäcke verteilte, "Können Sie sich nicht mal nachdenken, bevor Sie sich wieder einen anlachen?"

"Ich lache mir keinen an!", antwortete ich beleidigt, "Sie sind so undankbar! Wir sollten uns freuen, jeder von diesen Sechsen hat etwas Gutes für uns getan und hat dafür nicht einmal eine Gegenleistung erwartet! Watanuki-kun und Domeki-kun schicken uns den Obduktionsbericht des Engels nach, Flori-rin hat uns einfach so ein Auto geschenkt-..."

"Aha?! Und diese drei schrecklichen Nixen?"

Ich seufzte. Anscheinend hatte Kurogane es bis zum Schluss nicht fertig gebracht, ein gutes Haar an unseren drei neuen Freunden zu lassen. Als Océane und Marina ihn zum Abschied umarmt hatten, hatte er ausgesehen, als müsste er jeden Moment einen Herzschlag erleiden. Die beiden hatten das putzig gefunden, aber offenbar hatte er wirklich was gegen nette, intelligente, süße Mädchen.

"Sie sind vielleicht ein kaltherziger Betonklotz", stellte ich bedauernd fest, sodass er ein wütendes Schnauben ausstieß, "Und wenn Sie mich so böse angucken, werden Sie davon auch nicht schöner."

"ICH BIN SCHÖN GENUG!!"

"Das kann ich nicht beurteilen, und vermutlich darf ich das auch nicht, so wie ich Sie kenne..."

"Da haben Sie ausnahmsweise verdammt nochmal recht!!"

Für einen Moment versuchte ich, mir seine Reaktion vorzustellen, wenn ich ihm etwas in der Richtung ins Gesicht knallen würde, aber vermutlich würde ich eines gewaltsamen Todes sterben, bevor ich diese Reaktion mitkriegen konnte.

"Wir hatten Spaß mit den dreien, reicht Ihnen das nicht?", sagte ich schließlich, "Und außerdem sind sie auf dem besten Wege, gute Chirurginnen beziehungsweise Botaniker zu werden. Wer weiß, vielleicht arbeiten wir ja mal mit ihnen zusammen?"

"Tsss...", meinte mein Begleiter nur abfällig, bevor er unser Reisearsenal noch sorgfältig verschloss und sich schließlich zu mir an den Esstisch setzte, "Lassen Sie uns lieber die Reiseroute besprechen, damit es wenigstens da keinen Ärger gibt."

Ich grübelte für einige Zeit, bevor ich schließlich meine vergilbte Landkarte aus meiner Rucksackrolle hervorfischte und sie auf dem Tisch ausbreitete.

"Hier", sagte ich und deutete auf den langgezogenen Landstrich, auf dem das Kürzel für Balkjebeeke verzeichnet stand, "Hier ist unser Ziel. Balkjebeeke besteht zu achtzig Prozent nur aus Flachland. Die Leute haben sich das zunutze gemacht und haben die Schwerpunkte ihrer Wirtschaft auf internationalen Energiegewinn, Getreide- und Blumenzucht und Landwirtschaft gelegt. Weil das Land am Meer liegt und es auch kaum Wälder gibt, herrschen dort oft sehr starke Winde. Ich glaube, das erste, was Ihnen an Balkjebeeke auffallen wird, sind die Unzahlen an Windmühlen", erklärte ich fröhlich.

"Das mag ja alles sein", brummte Kurogane mit deutlichem Desinteresse, "Aber wie sollen wir dort hinkommen? Sie haben gesagt, das Land liegt nördlich von Kongoseki Oka. Reicht's da nicht einfach, wenn wir an der Küste entlang fahren?"

"Theoretisch haben Sie recht", räumte ich ein, "Aber hierbei haben wir das Problem, dass unser Zielort Molenvriendin...", damit zeigte ich auf einen der winzigen roten Punkte inmitten des flachen Landstrichs, in dem laut Telegramm unser potenzieller Patient wohnte, "... dass dieser Ort ziemlich weit weg von der Küste liegt. Wir müssten wahrscheinlich tagelang fahren, um auch nur eine Hälfte dieser Strecke mit Kermit zu bewältigen."

"Und was schlagen Sie dann vor?"

Ich deutete als Antwort auf eine der wenigen als Erhebung schraffierten Stellen.

"Hier. Das Gebirge Weerdeuk, im Balkjebeeker Patois 'Wetterbeule'. Wenn wir uns Molenvriendin vom Weerdeuk-Gebirge aus nähern, würden wir erheblich weniger Zeit in Anspruch nehmen müssen, und unser Patient bekommt schneller Hilfe. Natürlich ist es ein gewisses Risiko, mit Kermit über das Gebirge zu fahren, aber es müsste zu schaffen sein."

Kurogane starrte mich an, sein Gesicht ein einziges Synonym der unbegrenzten Skepsis.

"Wieso hab ich nur das Gefühl, dass ich Ihnen ums Verrecken nicht glauben will?"

"Ach, das bilden Sie sich vermutlich nur ein", entgegnete ich großzügig, "Jedenfalls spart es uns wie gesagt eine Menge Zeit, wenn wir den Weg über die Weerdeuk nehmen. Wenn wir erst einmal unten sind, ist der Rest ein Klacks. Dann kommen wir wahrscheinlich noch an mehreren kleineren Städten vorbei..."

Ich fuhr mit meinem Zeigefinger über die mögliche Route.

"Hier. Zondorp, Delkjendijk, Rustigonte. Und dann kommt auch schon Molenvriendin."

Misstrauisch musterte Kurogane die vier roten Punkte, die unsere Reiseziele sein sollten.

"Was? Molenvriendin hat nur hundertfünfzig Einwohner und schimpft sich eine Stadt?!", stieß er nach einem Blick auf die Legende entgeistert hervor, "Das-... das ist ja eher ein Kaff als eine Stadt!"

"Durch die vielen Stürme dort wäre die Gefahr der Schäden einfach zu hoch", erklärte ich ihm, "Stellen Sie sich nur die Kosten in einer Großstadt vor. Außerdem machen sich die Einwohner die Abgelegenheit der eher bergnahen Städte zunutze, um dort Zuchteinrichtungen anzulegen- Balkjebeeke ist führender Experte in der Aufzucht von Blaustreifeneulen."

"Blau was?"

"Blaustreifeneulen. In der Fachsprache Strix Venetustria, wörtlich übersetzt 'Schleiereule mit Streifen in der Farbe des Himmels'. Ich hab Ihnen doch erzählt, dass die starken Winde in Balkjebeeke die Schwerpunkte der Wirtschaft darstellen? Das ist vernünftig, weil es dort oft stark stürmt, aber was tun, wenn mal eine Flaute herrscht? Wenn sich das zyklische Tief der Gradientkraft- die Kraft des Luftdrucks- zeitweilig verschiebt, gibt es keinen Wind. Und die restliche Rechnung ist einfach: Kein Wind bedeutet kein Getreide, kein Licht, keine Energie. Und deswegen züchtet man Blaustreifeneulen. Das sind genügsame, ausdauernde Tiere, und wenn mal kein Wind weht, schwärmen sie aus und treiben mit ihrem Flügelschlag die Mühlen an."

Ich musste lächeln, als mich mein Leibwächter sichtlich erstaunt ansah.

"Die Eulen treiben die Mühlen an?"

"Jawohl! Ein altes Sprichwort sagt, 'Der beste Freund eines Balkjebeekers ist eine Blaustreifeneule'. Diese Tiere sind sogar Bestandteil ihrer Kultur, da man es nicht nur als Arbeitstier schätzt. Unser Uil Noctua ist sicher auch ein Eulenzüchter, wenn es heißt, dass er gut betucht sein soll. Blaustreifeneulenzucht ist in Balkjebeeke immer ein lohnendes Geschäft."

"Verstehe. Und haben Sie schon Vorstellungen, woran dieser Noctua leiden könnte?"

Stirnrunzelnd nahm ich das Telegramm noch einmal in Augenschein. Essbeschwerden, nässender Hautausschlag, Schmerzen beim Blinzeln...

"Ich muss ein wenig drüber nachdenken", entschied ich schließlich, "Wenn ich mir die Symptome so ansehe, kommt glücklicherweise nicht vieles in Frage. Aber den Vortrag halte ich Ihnen besser auf der Fahrt, jetzt haben wir noch genug zu tun."

"Das da wäre?"

"Lassen Sie uns doch folgende Einteilung machen: Sie geben jetzt unsere Schlüssel ab, bezahlen und bringen dann unser Gepäck zu Kermit, während ich nochmal kurz nach unserem Beet schaue."

"Was gibt es da noch zu schauen?"

"Ich muss jemanden finden, der sich um die Pflanzen kümmert und uns Bescheid sagt, wenn sie erntebereit sind", erläuterte ich, "Wir wollen sie ja schließlich trocknen, um Medizin daraus zu machen!"

"Das macht ausnahmsweise Sinn. Aber beeilen Sie sich gefälligst. In einer halben Stunde beim Wagen, verstanden?"

"Na schön", gab ich mich geschlagen, bevor ich schließlich aufstand, um Jacke und Schuhe anzuziehen, während sich mein Begleiter sämtliche Rucksäcke auf den Rücken lud, "Aber kommen Sie nicht auf den Gedanken, ohne mich wegzufahren!"

"Mhm, das wäre die erste gute Idee, auf die Sie heute gekommen sind", brummte Kurogane boshaft, sodass ich entrüstet nach Luft schnappen musste.

"Also hören Sie mal, Kuro-chin! Ich schulde Ihnen noch Geld, vergessen Sie das nicht!"

"Schade", lautete die Antwort, "Dann also bis später. Und beeilen Sie sich, kapiert? Ich halt's hier nicht mehr aus!"

"Ich tue mein Bestes, wie immer!"

"Ich werd Sie beim Wort nehmen! Sie beeilen sich!"

"Ich beeil mich."

Seufzend setzte ich mich in Trab, während mein Reisebegleiter die entgegengesetzte Richtung nahm.

Das kann ja was werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-08-13T01:40:45+00:00 13.08.2007 03:40
Ah! Und bitte bitte bitte schreibt schnell weiter!!!
Von: abgemeldet
2007-08-13T01:40:23+00:00 13.08.2007 03:40
° ° OMG!!! Wieso hab ich nicht gesehen, dass ein neuse Kappi draußen ist??
X33333 und Subaru und Hokuto tauchen auf!!! *kyaa* So süß!!!
Hehn~ und Autofahren XD Argh! Aber immer diese Andeutungen auf ihre (besonders Kuros) Vergangenheit!! >__> *wissen will*
Von: abgemeldet
2007-08-12T23:37:47+00:00 13.08.2007 01:37
Bwahahaaa das is gut mit den Autonamen.."Hier spricht Toyota" XDDDDD
Ich möcht später auch mal einen Subaru fahren *jauchz* ^///^
Ihr habt wieder ein tolles Kapitel geschrieben und ich krieg einfach nicht genug von den Story´s!!! *.*
Bitte schreibt schnell weiter, jaa?? 8^.^8


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