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The Legend of Zelda: The Truth Beyond The Legend

Ein Konflikt, der die Welt in ihren Grundfesten erschüttert...Eine Macht, die sich im Verborgenen erhebt...Mut, Weisheit und Kraft waren erst der Anfang...Entdecke die Wahrheit hinter den Legenden Hyrules...
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Bewältigung

Teil 2: Mut, Weisheit, Kraft
 

Kapitel 21: Bewältigung
 

Das Tor war riesig, viele Meter hoch und wohl halb so breit, was nicht weiter verwunderlich war in Anbetracht der Tatsache, dass eine ganze Armee hindurch gelangen musste. Als Ren die magische Bahn des Lichtes mit ihrem warmen, hellen Schein verließ, befand er sich auf dem Marktplatz der Schlossstadt.

Sofort wurde er von dem nach vorne drängenden Strom an Soldaten aller möglichen Rassen mitgerissen, um den Nachfolgenden Platz zu schaffen. Allerdings wusste der Zoraprinz genau, dass nicht mehr viele kommen würden. Er und die Seinen gehörten bereits zu den Letzten, alle noch verbliebenen Verschütteten waren des Todes.

Zunächst beherrschte nur ein einziger Gedanke sein Bewusstsein: War sein Vater durchgekommen?

Während des Kämpfens zuvor hatte er keine Gelegenheit mehr gehabt an Link zu denken, zu sehr war er damit beschäftigt gewesen, den Ansturm der Karthaser zurückzudrängen. Willkürlich schossen ihm ungewollt Bilder durch den Kopf. Bilder von Tod und Zerstörung und von jenen, denen er selbst das Leben nahm. Schon jetzt waren sie für ihn gesichtslos, unbedeutend, fern…

Ren versuchte nicht daran zu denken, denn im Moment war er erschöpft und bangte um seinen Vater. Er hatte noch nicht die Kraft sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. Erfolglos versuchte er das Chaos um ihn herum zu durchschauen.

Überall drängten sich Leute. Soldaten versuchten, sich in ihren vormaligen Gruppen zu sammeln, Verwundete schleppten sich in die Schatten der nahe gelegenen Häuser, aus denen Frauen sowie Kinder herbeieilten und das allgemeine Durcheinander weiter verstärkten. Laute Rufe erfüllten die Luft und darüber klang ein helles Sirren, welches vom goldenen Tor des Lichtweisen zu kommen schien. Die einzige Lichtquelle war es noch, doch schon dämmerte der Morgen und versprach tröstenden Sonnenschein.

Wo war sein Vater? Hielt er sich noch immer im Pass auf? Bei den Göttinnen, war er noch begraben? Seine Mutter hielt wohl noch immer Wache, ihr durfte eigentlich nichts geschehen, aber was war mit seiner Schwester, wo befand sie sich? Seit Tagen hatte er Kira schon nicht mehr gesehen, ebenso wie Ruto. Er hätte es vormals nicht geglaubt, was für Sorgen er sich um sie alle machen würde. Selbst an seinen kleinen Bruder, der daheim hatte bleiben müssen, dachte er.

So viel Durcheinander, so viel Verwirrung…wo waren sie alle? Es war bereits natürlich, dass sich Ren in diesem Zusammenhang zwanghaft der Gedanke an Oroelle aufdrängte. Sie hatte es versprochen, sie hatte gesagt, ihr würde nichts zustoßen…Kämpften die Shiekah noch immer inmitten der feindlichen Armee? Um ihnen, die sie doch schwach waren, Zeit zu erkaufen…

Ein Zora zupfte an seinem Ärmel und lenkte seinen Kommandeur dadurch von dessen Gedanken ab.

„Hoheit, die Männer warten auf euren Befehl“

Das Wasserwesen hielt ein schmales Schwert, an dem noch immer fremdes Blut haftete. Er schien unverletzt.

„Ich heiße Ren“, erwiderte Links Sohn zerstreut und versuchte seine Gedanken zu sammeln. Sie sollten ihn doch nicht mit seinem Titel anreden, das verunsicherte ihn.

„Ren, wie lautet der Befehl?“

Verdammt, er war ihr Vorgesetzter und ihr Kronprinz, ihm blieb keine Zeit für seine persönlichen Probleme.

„Sammelt euch“, sagte er seinem Gegenüber und wiederholte es dann lauter, für alle umstehenden Zoras.

„Sammelt euch, alle Zoras zu mir!“

Er winkte bekräftigend mit dem Schwert und kam sich dabei ganz und gar nicht ernstzunehmend vor. Sie mussten ihn für einen schwachen Anführer halten, dachte er als sein Blick auf die bereits trocknende rote Substanz fiel, die seine Klinge bedeckte. Zum ersten Mal in seinem Leben, sah er sein Schwert als das, was es wirklich war: Eine Waffe, geschaffen um den Tod zu bringen. Schaudernd senkte er den Arm.

Sein Ruf war aufgegriffen worden und seine Kämpfer hielten auf die größer werdende Gruppe der anmutigen Geschöpfe um ihn herum zu. Selbst schmutzig und müde sahen die Wasserbewohner noch imposant aus. Ob das auch für ihn galt?

Er blickte kurz an sich herunter. Seine Kleidung war stellenweise zerschlissen und schmutzig, hier und da sah er dunkle Flecken, das getragene Kettenhemd schien all seinen silbrigen Glanz verloren zu haben und schluckte nunmehr stumpf das Licht des Tores. Mit einem Mal fühlte er sich müde und spürte überdeutlich all die kleinen Wunden und Abschürfungen, die seinen Körper bedeckten.

Es dauerte nicht allzu lange, bis sich alle Zoras bei ihm einfanden, denn sie waren in der Masse der Hylianer leicht auszumachen, wie sie da an der Westseite des großen, überfüllten Platzes standen. Bis dahin war auch das magische Tor verschwunden und ließ annehmen, dass die gesamte hylianische Streitmacht sich nun weit im Norden des Landes befand, in sicherer Entfernung zu allen Gefahren, die ab sofort in das Großreich einfallen würden. Sie hatten die erste große Schlacht verloren. Es war ein seltsames Gefühl mit dieser Gewissheit weiterzuleben, während so viele andere tapfere Männer im Goldenen Pass ihr Leben gelassen hatten. Hatten sie es nicht alle irgendwie erahnt, dass Ganondorf durchbrechen würde? Was würde nun weiter geschehen?

Erschöpft ging er seiner Pflicht nach und versuchte nicht an Niederlagen und Tote zu denken. Zunächst fragte er alle seine Hauptleute, ob ihre Gruppen soweit vollzählig waren. Bald kam heraus, dass dreiundvierzig von ihnen fehlten. Mit jedem gemeldeten Vermissten fühlte Ren, wie sich ein Gewicht auf ihn legte. Er fröstelte. Es waren Zoras unter den Fehlenden, die er persönlich kannte.

Er wartete noch eine kurze Weile ab und als ersichtlich wurde, dass niemand mehr zu ihnen stoßen würde, trug er seinen Männern auf, die Serenade des Wassers zu spielen. Ihr Ziel war dabei nicht der Hyliasee sondern die Zoraquelle im Osten des Reiches. Der See war zu weit südlich gelegen. Alle Bewohner hatten ihn verlassen müssen, Links Familie mit eingeschlossen. Zu leicht und zu schnell war er für die gegnerischen Truppen zu erreichen. Das dortige Portal ins Zorareich war versiegelt worden.

Während er die plätschernden Töne der magischen Melodie spielte, dachte er kurz daran, dass die Goronen wohl ebenfalls in ihr eigenes Reich zurückkehren würden. Wie viele Angehörige des Steinvolkes wohl verschieden waren? Es waren ihrer viele eingesetzt worden auf der Mauer und auf den übrigen Befestigungen, von denen so viele Opfer der gewaltigen Entladung des Machtfragmentes geworden waren.

Als er in das seichte Wasser des südlichen Teils der großen Quelle stieg, wurde er sofort der Menge gewahr, die auf sie alle gewartet hatte. Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch schnell durch ein Geräusch hinter seinem Rücken abgelenkt und so drehte er sich um, während ununterbrochen blaue Lichter aufleuchteten, aus denen seine Soldaten nach Hause zurückkehrten, einige zum Teil nicht unerheblich verwundet.

Das Geräusch war von hinter der großen Plattform gekommen, auf der er zum Kronprinzen des Wasservolkes ernannt worden war. Es ging von Lord Jabu-Jabu aus, dem großen magischen Fisch, der ihrer aller Patron war. Obwohl es seine Lippen geschlossen hatte, war sich Ren sicher, dass das alte Wesen sang.

Eine traurige Melodie war es, voller hoher Töne, nicht unangenehm anzuhören, auch wenn sie einen mitten ins Herz traf. Alles Wasser im Zorareich warf zu diesem Zeitpunkt sanfte Wellen. Jabu schien um seine verlorenen Kinder zu weinen.

Und auf dem Podest vor seinem großen Antlitz, jenem Vorsprung, der eigentlich nur an wichtigen Zeremonien von ausgewählten Personen betreten wurde, saß sein kleine Bruder Zen und begleitete die Klage ihres Patrons mit einer Laute. So treffend und sicher waren die Töne, so bitter und voller Gram, dass sie die Wirkung der Musik gewaltig zu verstärken schienen. Ohne, dass er es wollte, rannen Ren Tränen aus den Augen und flossen über sein Gesicht. Seinem ganzen restlichen Volk erging es ebenso. Niemand konnte sich der Wirkung der Melodie entziehen, denn sie rührte am Wesen des ewigen Kreislaufes von Leben und Tod, der sie alle in sich einschloss und gleich machte.

Mit dem Rücken an das Podest gelehnt, saß Kira auf dem Boden der Steinplattform. Es war ihr nichts geschehen, dachte Ren erleichtert während seine Tränen flossen. Zen hatte alles unter Kontrolle, zum ersten Mal in seinem Leben war er willentlich in den Mittelpunkt der Gesellschaft getreten und bezauberte sie alle. Ließ sie ihre Gefühle ausleben und ihren Kummer zu Tage treten. Der Kronprinz wurde nun nicht benötigt und Ren verspürte eine ehrliche Erleichterung darüber, denn er hätte nicht gewusst, was er tun sollte.

Langsam bahnte er sich einen Weg durch die Menge und erblickte überall gerührte und tränennasse Gesichter. Die Mehrheit stand einfach nur da und lauschte, doch hier und dort wurden Verletzte umsorgt und leise Namen gerufen.

Die Musik folgte ihm, drang in sein Innerstes, füllte ihn ganz aus…War das Magie?, fragte er sich benommen. Am Eingang zum Wasserreich sah er seinen Großvater an der Wand lehnen. Er hatte seinen Enkel ebenfalls bemerkt, und sich kurz von der Musik losmachen können, um ihn zu sich zu winken. Ren schüttelte den Kopf und ging an König Zora vorbei.

Sein Schritt wurde schleppend und im letzten Augenblick zögerte er gar, ganz so als behagte es ihm nicht diesen Schauplatz solch wundervoller Kunst zu verlassen. Schließlich jedoch siegte sein Wunsch nach Einsamkeit und müde ging er auf sein Zimmer, welches glücklicherweise recht nahe gelegen war, da der Eingang zur Zoraquelle im Thronsaal lag, also im königlichen Teil der Wasserdomäne.

Am Ziel angekommen, zwängte er sich umständlich aus seinem Kettenhemd und ließ sich dann sofort auf sein Bett fallen. Seltsamerweise war die Musik selbst dort noch mehr oder weniger klar zu hören. Sie war um ihn herum und auch in seinem Innersten, sprach zu ihm, entfaltete ihre Wirkung…

Das konnte nicht normal sein, war sein letzter Gedanke, bevor er sich ganz seiner Erschöpfung überließ und in wohlige Dunkelheit abdriftete, die ihm süßes Vergessen versprach. Seine Tränen flossen wie von selbst weiter, als er eingeschlafen war, und obwohl er nicht träumte, war ihm doch als höre er ununterbrochen das Klagelied des Wassers.
 

Das blaue Licht begann zu flackern, die gleichmäßigen Wellen pulsierender Magie kamen aus dem Takt. Ein bedrohliches Dröhnen wurde laut und Staub rieselte herab.

„Ich kann nicht mehr, irgendwer muss mich ablösen…“, keuchte ein hylianischer Soldat.

Die Metallteile seiner Ausrüstung glänzten im hellen Lichte des Zaubers, so wie es um ihn herum bei allen anderen Anwesenden auch der Fall war. Keiner von ihnen wies die Strapazen einer Schlacht auf und doch waren ihre Gesichter abgezehrt und mehre Mann saßen zusammengekauert auf dem Boden, offenkundig erschöpft.

„Lass mich wieder übernehmen.“, sagte Link und eilte zu dem Mann, der in einer Hand den Zauber aufrechterhielt, den der Held der Zeit gewirkt hatte als das halbe Gebirgsmassiv kraft Ganondorfs Fragmentes auf sie herabgestürzt war. Nur Nayrus machtvoller Umarmung war es zu verdanken, dass Link mitsamt zwei Dutzend hylianischer Soldaten überlebt hatte.

Als der Felsregen sie begrub, hatte Rutos Mann sein Fragment dazu verwendet, um den Radius der mächtigen, in Kristall eingeschlossenen Magie zu vergrößern. Zwar war die Gruppe noch immer begraben (der Schild war einfach von der schieren Masse an Gestein geschluckt worden), doch lebten sie noch.

Sich jeweils mit der Aufrechterhaltung des Zaubers abwechselnd, versuchten sie sich Stein um Stein nach oben zu graben. Dabei hatte es derjenige mit dem blauen Kristall nicht weniger schwer als die anderen, denn man musste sich stark konzentrieren und zudem spürte man förmlich wie die beschützende Energie ihren Tribut forderte und Kraft sowie Ausdauer einen verließen bis nur noch überwältigende Müdigkeit übrig blieb.

Link nahm Nayrus Umarmung wieder an sich. Der blaue Kristall und das goldene Dreieck auf seinem Handrücken sorgten wenigstens für stete, angenehme Wärme. Besorgt besah sich der Zeitheld seine Männer. Sie würden nicht mehr lange durchhalten und wie konnte er es ihnen verübeln? Sie trugen keine göttliche Macht in sich, die sie stärkte und ihnen Sicherheit gab. Er selbst könnte wohl ebenfalls nicht mehr, hätte er nicht das Fragment des Mutes.

Sein Blick glitt auf die kleine Ledertasche, die an seinem Gürtel hing. Nebst anderen Dingen hatte er dort vor allem seine Okarina verstaut. Es war ein zermürbender Gedanke zu wissen, dass man sich selbst jederzeit retten konnte, die Kameraden dann jedoch im Stich lassen müsste. Es bedurfte nur einer der großen Melodien, um Link in Sicherheit zu befördern. Der Gedanke war ohne Zweifel verlockend, da der Held sich um seine Angehörigen sorgte und wissen wollte, ob es ihnen gut ging. Sowohl seine Frau als auch seine beiden ältesten Kinder waren am Kampfgeschehen beteiligt gewesen und die Unwissenheit ob ihres Schicksals plagte ihn.

Allerdings war Link nicht in der Lage die Magie der Melodien auf sein Umfeld zu wirken, er konnte die wenigen Männer, die er zuvor hatte retten können, also nicht mit sich nehmen. Auch sie hatten Familien, rief er sich immer wieder in Erinnerung. All diese Männer, die er nicht kannte…Familien und Freunde, wie er selbst auch. Und sie alle verließen sich auf ihn, den Helden der Zeit.

Das Vertrauen, das in ihn gesetzt wurde, hatte Link noch nie behagt, doch nun verfluchte er es zutiefst. Es war seine Pflicht sich in Sicherheit zu bringen, alleine schon des Fragmentes und des Masterschwertes wegen, die unter keinen Umständen Ganondorf in die Hände fallen durften. Er hatte schon zuvor begriffen, dass er nur noch die Zeit aufschob und auf Geräusche oder Licht von oben wartete, Zeichen für eine baldige Rettung der ganzen Gruppe. Er wurde nicht enttäuscht.

Niemand von ihnen konnte sagen, wie weit nach oben sie sich gearbeitet hatten, ja sie wussten nicht einmal, wie hoch sich die Felsen über ihnen auftürmen mochten. Fakt jedoch war, dass die nach Verschütteten suchenden Goronen, während sie von Zoras, Gerudos und Hylianern gedeckt wurden, sehr tief drangen und an mehreren Stellen auf Überlebende stießen. Einige Glückliche waren es, über denen das Gestein kleine Nischen oder Spalten frei gelassen hatte, in die sie sich bereitwillig retteten. So kam es, dass eine Gruppe des Bergvolkes bald auf Link und seine Männer stieß.

Zunächst rieselte es aus für sie erst unerklärlichen Gründen unaufhörlich Staub auf den blau leuchtenden Schild. Dann jedoch vernahmen sie Geräusche und bald darauf lockerten sich die Felsen über ihnen und die freundlichen Gesichter von Goronen tauchten in mehreren Öffnungen auf.

Link erklärte ihnen rufend, dass er das Schild aufrechterhalten musste und dass sie noch ein wenig darum herum graben mussten, doch dies war schnell getan. Erst als Link, mittlerweile ebenfalls erschöpft, den Zauber beendete, merkten er und die übrigen Hylianer, dass in nur kurzer Entfernung gekämpft wurde. Schreie und Klirren drangen hinunter, denn der Kampf wurde auf den Gipfeln des Berges aus herabgestürzten Bergflanken und Festungsanlagen ausgefochten, wohingegen die Gruppe des Helden der Zeit in einer der hinteren Flanken wieder frische Luft atmen konnte. Ganondorf war nirgends mehr zu sehen.

Link wollte sofort die augenblickliche Lage in Erfahrung bringen, doch die Goronen schüttelten nur die Köpfe und zeigten in den hinteren Bereich der Schlucht, wo Raurus goldenes Tor wartete, welches die befreiten Hylianer erst nicht bemerkt hatten.

„Der Rückzugsbefehl ist bereits gegeben worden, jedermann versucht sich jetzt zum Tor durchzuschlagen. Ich glaube die Shiekah decken die Truppen dort oben, also müssten auch sie es schaffen. Jetzt geht bitte! Wir wollen schauen, ob wir noch Überlebende in den Trümmern finden.“

Es widerstrebte Link vor Ganondorf zu fliehen, doch angesichts des gewaltigen Trümmerfeldes um ihn herum war die Niederlage der Hylianer unverkennbar. Mit einem Handwink deutete er seinen Männern ihm zum Tor zu folgen. Der Weg war nicht kurz, lag ihr Ziel doch am Ende der Schlucht, und anfangs mussten sie klettern und aufpassen nicht auszurutschen. Während des Weges kreisten die Gedanken des Helden der Zeit einzig um seine Familie. Sobald er seine Soldaten durch das Tor geleitet hätte, würde er sie alleine lassen und nach den Seinen suchen.

Auch die übrigen Männer schwiegen. Dem Tode mochten sie entronnen sein, doch angesichts der Verwüstung, die sie vor Augen hatten, der Demonstration Ganondorfs Macht, mussten sie sich zwangsweise fragen, ob sie das nächste Mal ebenso viel Glück haben würden. Es konnte nicht immer sein, dass der gerühmte Held ihres Volkes sich in ihrer Nähe befand und sie mit den Gaben machtvoller Wesen errette.

Als sie schließlich das Tor passierten und in der Schlossstadt wieder in die stoffliche Welt eintraten, fanden sie dort zunächst nur Chaos und Verwirrung und viele, viele Leute vor. Verloren blickten sie verunsichert um sich und erwarteten, dass ihr Kommandant und Held ihnen sagen würde, was zu tun sei. Link hingegen wollte keine Zeit mehr verschwenden und machte sich der Aufmerksamkeit seiner Männer gewiss, bevor er sagte:

„Ich muss euch nun leider verlassen, denn ihr seid jetzt in Sicherheit und könnt euch auf die Suche nach euren Freunden und Angehörigen machen, was auch ich jetzt tun will. Gekämpft habt ihr dieses Mal nicht mit dem Schwert, doch war eure Schlacht deshalb nicht minder tapfer. Ihr habt Mut bewiesen, wo andere verzweifelt wären und ohne euch hätte auch ich es wohl nicht geschafft. Ich danke euch und mögen die Göttinnen uns alle segnen und behüten!“

Die Männer wollten irgendeine Reaktion auf die wohlwollenden Worte zeigen, einen kleinen Applaus, Dankesrufe, irgendetwas, doch die Müdigkeit hielt sie davon ab. Obwohl sie alle die freundlichen Floskeln dankend aufnahmen, empfanden sie doch dasselbe: Was nutzten solche Worte in einer Zeit wie dieser?

Einige nickten, doch Link achtete kaum noch darauf, sondern verschwand schon in der Menge. Selbst in Eile wollte er doch keine der großen Melodien in der Öffentlichkeit spielen, das hatte er niemals getan, und so zwängte er sich in eine der Seitengassen, die zwar ebenfalls voll waren, jedoch einige dunkle Türeingänge boten. In einer solchen Nische spielte er die Serenade des Wassers, wohl wissend, dass er nicht am Hyliasee sondern im Zorareich ankommen würde. Sein letzter Gedanke, bevor er vom fließenden Blau der Bahn der Wassermagie des Landes davongetragen wurde, galt seinen hohlen Worten und der kurzen Frage, ob seine Männer den Krieg überleben würden.

Die Melodie, mit ihren so stark an Wassertropfen erinnernden Tönen, brachte ihn nicht zur Zoraquelle, so wie es beabsichtigt gewesen war. Stattdessen fand sich Link, als sein Körper sich materialisierte in den Armen seiner Frau wieder.

„Was…?“, stieß er überrascht hervor, kam jedoch nicht weiter, da Ruto seine Lippen mit einem stürmischen Kuss versiegelte, sodass er nach Luft japste als sie wieder von im ließ.

„Du lebst“, stellte sie fest und lächelte ob seines noch immer verwirrten Gesichtsausdruckes.

Ihre Worte erinnerten ihn an die Kinder und die Sorge um sie musste ihm wohl anzusehen sein, denn Ruto sagte fortfahrend:

„Ihnen geht es allen gut. Kira und Zen sind in der Quelle und Ren“, sie machte eine kurze Pause und schloss für einen Moment die Augen, „Ren befindet sich noch im Pass, wird aber gleich das Tor passieren. Es ist ihnen nichts zugestoßen.“

„Den Göttinnen sei Dank…“, murmelte ihr Ehemann erleichtert und schenkte jetzt erst seiner Umgebung Aufmerksamkeit. Sie befanden sich in ihrem Zimmer im Zorareich. Ruto schmiegte sich wieder an ihn.

„Ich dachte ich erspare uns beiden das Suchen und hole dich sofort zu mir.“, meinte sie.

„Gut gedacht.“, erwiderte Link und legte die Arme um sie. Einen Augenblick verharrten sie schweigend, einfach nur glücklich über die Berührung des Anderen und die Gewissheit, dass es der Familie gut ging.

„Darf ich etwas trinken?“, fragte Link schließlich und die Zoraprinzessin prustete lachend in seine Brust. Ein großes Gewicht schien von ihr gefallen zu sein, wenngleich man auch nicht leugnen konnte, dass sie Zeichen von Erschöpfung zeigte.

Ihre Haltung, sonst aufrecht und stolz, ganz und gar erhaben, war etwas eingefallen, als würde sie sich nur zu gerne setzen. Dennoch blieb sie stehen, als Link sich etwas klares Wasser aus einer silbernen Karaffe in Form eines Schwanes in eine Trinkmuschel goss und sich setzte. Es war eine schöne Arbeit der termianischen Zoras, welche im Küstengebiet im Westen Terminas lebten und dort viele große und seltene Muscheln fanden und sie verarbeiteten.

Von der unteren Spitze aus drehte sich das feine, milchige Material in verschlungenen Formen und wurde nach oben hin breiter. Das Wasser wurde in eine Öffnung an der Seite der Muschel gefüllt, wo die helle Farbe in ein sanftes Rosa überging. Link hielt das hübsche Gefäß mit beiden Händen entlang der Längsachse und trank mit tiefen, gierigen Schlucken. Wortlos schüttelte ihm Ruto nach, als er fertig war und beobachtete ihn.

„Fällt dir nichts auf?“, fragte sie neugierig, offenbar auf etwas Bestimmtes hinauswollend.

Link sah sie fragend an und schaute sich instinktiv um. Alles sah so aus, wie immer. Er vermutete, dass sie die Präsenz Ganondorfs meinte und hob deshalb seinen Handrücken, um ihr das goldglühende Triforcezeichen zu zeigen. Stärker denn je reagierten zu dieser Zeit die Male der Fragmentsträger.

„Das meine ich nicht“, erwiderte Ruto kopfschüttelnd und nahm ihn bei der Hand.

„Komm mit, du wirst es gleich bestimmt merken.“

Neugierig ließ sich ihr Gemahl von ihr durch das Zorareich führen. Er erkannte den Weg zum Thronsaal, vermutlich wollte sie ihn zur Zoraquelle geleiten, doch kurz davor schien sie ihre Meinung zu ändern und zog ihn in eine Ecke, wo eine vorbeigehende Person ein kurzes blaues Aufleuchten hätte wahrnehmen können. Für einen sehr kurzen Moment befanden sich die Beiden in der magischen Welt und fasziniert nahm Link wahr, wie anders es doch war mit einer der Weisen dieses Reich zu betreten.

Normalerweise spürte man, dass man in den magischen Bahnen körperlos war, dass nur der Geist dort weilte, während man gleichzeitig fühlte, wie man sich mit unglaublich hoher Geschwindigkeit durch die Luft bewegte. Abhängig von der Magieart nahm man unterwegs zudem verschiedene Eindrücke wahr: Verschiedenfarbiges Licht und charakteristische Geräusche oder Gefühle. Nun kam es Link aber so vor, als sei es tatsächlich er selbst samt Körper und sogar der Trinkmuschel, der sich in dieser Welt befand. Da es nur ein kurzer Augenblick war, waren die Eindrücke undeutlich und verschwommen, doch er meinte kurzzeitig unter Wasser gewesen zu sein. Er konnte sich sogar noch des Gefühls der Nässe entsinnen als Ruto ihn wieder in die stoffliche Welt brachte und meinte Druck auf seinen Ohren verspürt zu haben.

Link brachte dies nicht zur Sprache, da der Moment verschwindend kurz gewesen war und weil er nun außerdem abgelenkt wurde. Seine Frau hatte ihn tatsächlich in die Quelle gebracht und der Grund, weshalb sie nicht über den herkömmlichen Weg gekommen waren, war offensichtlich: Offenbar hatte sich das gesamte Volk der Zoras an diesem für sie geweihten Ort versammelt.

Dies bemerkte Link jedoch nur aus den Augenwinkeln heraus, seine Aufmerksamkeit wurde von nie zuvor vernommener musikalischer Schönheit vereinnahmt.

Lord Jabu-Jabu sang. Und der jüngste Sohn des Helden der Zeit begleitete ihn mit einer simplen Laute, wie es wohl kein Musikant im Großreich gekonnt hätte. Nichts war sonst zu hören außer der wunderschönen, wenn auch traurigen Musik.

Ruto und Link standen auf einem Felsen im hinteren Teil der Quelle, und gemeinsam ließen sie sich sitzend nieder, um ihrem Sohn zuzuhören, das vormals unscheinbarste ihrer Kinder. Es war ein Moment der Vertrautheit und obwohl er am liebsten nur der Melodie gelauscht hätte, wollte Zens Vater diesen Moment mit seiner Frau teilen und mit ihr sprechen. Es erschien selbstverständlich, dass er sich dabei zu ihr beugte und ganz sachte in ihr Ohr flüsterte, nachdem er die Muschel leer getrunken und beiseite gelegt hatte.

„Wusstest du, dass er so spielen kann?“, fragte er leise.

Sie schüttelte zur Antwort den Kopf und schwieg. Erst nach einer Weile, während der sie sich aneinander gelehnt hatten und weiter zuhörten, flüsterte sie zurück:

„Ich wusste, dass etwas in ihm war…eine Art Macht, die ich nicht verstehen konnte. Was wir beide ihm vererbt haben, das hat er schon als kleines Kind zu steuern gelernt, doch ich kann nicht sagen, was er daraus gemacht hat. Allerdings war es offensichtlich ein Erfolg.“

Ihr Gemahl nickte. Da bemerkte er, dass Kira an das Podest lehnte, auf dem ihr Bruder spielte. Irgendwo in seinen fast stillgelegten Gedanken, erinnerte er sich daran, dass sie gekämpft hatte, doch der Krieg und der Großmeister des Bösen waren hier nicht nur räumlich weit entfernt. Selbst die Wärme seiner linken Hand konnte er ignorieren.

„Sieh nur…“, hauchte Ruto und deutete auf das Wasser der Quelle, welches mit jedem Ton neue Wellen warf, als würde die Musik in gestaltlicher Form auf es herabsinken.

„Lord Jabu und das Wasser trauern. Sie weinen…“

Ihr selbst liefen mittlerweile ebenfalls Tränen über die Wangen, doch Link versuchte nicht sie wegzuwischen, denn sie waren ehrlich und entsprangen der wunderschönen Musik. Er selbst war auch zutiefst bewegt.

Plötzlich gingen kleine blaue Funken über der Quelle nieder und ein Blitzen blauen Lichtes erhellte die Menge des Wasservolkes. Männer und Frauen, Brüder und Schwestern, Töchter und Söhne kehrten aus dem Krieg heim.

Schweigend wurden sie empfangen und schweigend versorgt. Die Verletzten wurden zur großen Fee dieses Gebietes gebracht. An ihre Quellen gebunden, konnten die Feen des Großreiches nichts Anderes tun, als die Verletzten zu heilen.

„Dort ist Ren“, sagte Ruto und deutete auf einen unbestimmten Punkt in der Menge, doch Link hatte nicht ihre Fähigkeiten und war daher nicht im Stande seinen ältesten Sohn auszumachen.

„Es geht ihm gut“, fuhr die Zoraprinzessin flüsternd fort.

Trotz der aufgekommenen Bewegung nämlich, war die Musik noch immer vorherrschend und schlich sich in die Seelen aller Anwesenden. Es erschien falsch zu diesem Zeitpunkt die Stimme zu erheben.

„Er ist müde und verlässt die Quelle. Dort ist auch Vater. Alle weinen…“

Weinte er selbst jetzt auch? Link konnte es gar nicht sagen und fuhr sich mit dem Handrücken über die Wangen. Tatsächlich spürte er dort etwas Feuchtes. Seine Frau seufzte.

„Wir haben so tapfere Kinder, sie werden zu wahren Größen heranwachsen.“

Der Vater besagter Kinder wollte einen Scherz machen, doch ihm fiel angesichts der Musik nichts ein. Also sagte er schlicht:

„Das sind sie schon.“

„Wie ihre Eltern.“, meinte Ruto und stupste ihren Mann an.

„Das ist nicht gerecht, wieso kannst du jetzt scherzen und ich nicht?“

„Ich bin die Weise des Wassers und du bist müde. Komm, leg deinen Kopf in meinen Schoss. Du solltest etwas schlafen.“

Er war in der Tat sehr müde, das wusste er, und er konnte sich im Augenblick nichts Schöneres vorstellen, als sich hinzulegen und dieser himmlischen Melodie (oder waren es mehrere Melodien?) zu lauschen. Aber seine Gemahlin war ebenfalls müde, auch wenn sie es nicht zeigen wollte.

„Du musst nicht immer die Starke sein, leg du dich hin. Die Weise wirst du noch oft genug sein müssen.“

Er riss seinen Blick, und es kostete ihn wirkliche Überwindung, von der Quelle los und sah Ruto an, die ihn warm anlächelte. Dann umfasste sie sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn sanft auf den Mund.

„Und weil ich noch oft die Weise sein werde, werde ich dich oft brauchen, weil ich dann daheim schwach sein möchte. Im Moment bin ich aber Prinzessin Ruto und ich fürchte es ist nicht möglich, dass ich jetzt Schwäche zeige. Nun leg dich hin!“

Mit sanfter Gewalt drückte sie seinen Kopf nieder und Link gab nach und genoss mit geschlossenen Augen die Musik und die bestimmten aber sanft liebkosenden Hände jener Frau, die er liebte. Wie er wusste, mittlerweile mehr als Zelda.
 

Kira erwachte aus einem Traum ohne Bilder, der jedoch voll von Zens Musik gewesen war. In der Stille des neuen Tages schien ihr die Abwesenheit der Melodie wie ein herber Verlust. Der Erste in diesem schrecklichen Krieg. Sonnenstrahlen trafen ihr Auge und ließen sie blinzeln, so dass sie den Kopf drehte und aufstand.

Offenbar war sie von der Musik in den Schlaf begleitet worden, denn sie befand sich noch immer in der Zoraquelle. Eine leichte Decke aus blaugefärbtem Stoff glitt ihr von den Schultern. Jemand hatte sie zugedeckt.

Kira konnte nicht genau sagen, wie lange sie geschlafen hatte, doch vom Stand der Sonne, eben noch durch die Wolkendecke sichtbar, las sie ab, dass es bereits Mittag war. Zu dieser Zeit sollte es in der Quelle eigentlich nicht so leer sein, denn die Zoras suchten ihrer Natur entsprechend die Nähe zum Wasser, weshalb zumindest Quelle und Haupthöhle um diese Zeit gut besucht waren. Nun jedoch erblickte die Zoraprinzessin niemanden außer ihr und so entschloss sie sich zunächst auf ihr Zimmer zu gehen und sich umzuziehen. Danach würde sie ihren Angehörigen einen Besuch abstatten.

Auch unterwegs traf sie niemanden an und das stete Plätschern und Tropfen in der Zoradomäne erschien weniger erfreulich und angenehm wie sonst. Gewiss befanden sich zu dieser Zeit die meisten Wesen des Großreiches zurückgezogen in ihren Häusern und Zimmern, wo sie trauerten, erleichtert Zeit zusammen verbrachten oder sich ängstigten.

Kira selbst wusste nicht genau, was sie empfinden sollte. Sie hatte nicht viel von dem Chaos der Gefechte auf den Festungen mitbekommen, die von ihr erlebten Schrecken beschränkten sich auf magische Schönheit. Tödlich zwar, doch der Tochter der Wasserweisen von Kindesbeinen an vertraut. Und letzten Endes war sie auch in der Lage sich zu wehren, wie nur so wenige andere.

Es war ein berauschendes Gefühl gewesen zum ersten Mal in ihrem Leben so viel Macht zu wirken, so ungehindert Magie fließen zu lassen. Keine Rücksicht auf Schäden hatte sie nehmen müssen, keine Rücksicht darauf ihrer Umwelt zu schaden, denn die war angefüllt gewesen mit anderen machtvollen Wesen, die sich wohl zu schützen wussten.

Wie die Luft geknistert hatte, erfüllt von unzähligen verschiedenartigen Energien! Kira dachte an das elektrisierende Prickeln auf ihrer Haut zurück, die Aufregung in ihrem Gemüt, ihr in Wallung geratenes Blut…Sie dachte daran, wie sie einen der mächtigsten Männer der Welt verspottet und ihm einen solchen Widerstand geleistet hatte, dass es ihm nicht möglich gewesen war, sie zu überwinden.

Für viele war die Schlacht unwirklich gewesen und nur verschwommene Erinnerungen sollten sie daran behalten, doch Links Tochter erinnerte sich klar und deutlich an jede einzelne Minute ihres Aufenthaltes im Goldenen Pass. Ihre vormaligen Eindrücke als Beobachterin in der Halle der Weisen waren vergessen und unwichtig. Sie hatten nicht genug Aussagekraft, um zu vermitteln, was Kira und, wie sie vermutete, auch die anderen Kinder der Weisen sowie die übrigen Magier erlebt hatten. Sorge um ihr Leben hatte die Prinzessin dabei seltsamerweise nicht empfunden.

Sie kannte ihre Fähigkeiten und wusste um ihre beeindruckende Macht. Ehrlich gesagt, musste sie sich eingestehen, hielt sie es nicht für möglich, dass Ganondorfs Generäle sie besiegen konnten, wie viel erfahrener als sie diese auch sein mochten. War diese Einstellung anmaßend oder realistisch, fragte sie sich als sie ihr Gemach betrat. Sie wusste, dass Arroganz und übermäßige Selbstsicherheit keine guten Begleiter im Leben waren.

Während sie ihre Kleidung auszog, wurde sie daran erinnert, dass sie auch getötet hatte. Zwei ihrer Gegner des Kalten Feuers hatte sie um ihr Leben gebracht, ebenso deren monströse Reittiere. Machtvolle Bestien und gewaltige Magier aus dem Süden, und doch nicht stark genug, um gegen sie zu bestehen.

Kira hatte während der Schlacht die gepolsterte Kleidung aus blau gefärbtem Leder getragen, die sie von ihren Eltern erhalten hatte, so eng anliegend wie eine zweite Haut, so dass sie nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde. Ihre langen Haare waren zum ersten Mal seit langer Zeit in einem geflochtenen Zopf zusammengebunden gewesen.

Nun jedoch war ihre Kleidung starr von dem Salz des Meereswassers des Leviathans ihrer Mutter, das Gleiche galt auch für ihre Haare, welche momentan durcheinander und voller steifer Strähnen waren. Verletzungen wies die Zoraprinzessin keine auf. Ein leiser Geruch von Rauch haftete ihr an.

Nachdenklich musterte sie ihr Spiegelbild in einer polierten Silberscheibe, welche an der Wand neben ihrem Bett hing.

„Verrucht…“, war ihr erster Gedanke.

Verrucht und wild. Dennoch befand sie sich für noch immer schön und begann ihren Zopf zu lösen, was freilich einige Zeit dauerte. Als sie damit fertig war, durchmaß sie ihr Zimmer mit zügigen Schritten, schob einen blauen Vorhang mit dem Zeichen des Wassers als Zierde beiseite und trat ein in ihr eigenstes Bad.

Eine annähernd ovale, kleine Höhle war es, die zurzeit von Sonnenlicht erhellt wurde, welches durch versteckte Schächte hereinschien. An den Wänden waren singende und tanzende Zorafrauen und Nixen abgebildet, seltsame Fabelwesen, halb Mensch halb Fisch, eine altertümliche Vorstellung des Ergebnisses einer Verbindung von Menschen und Zoras, weshalb man dieses Motiv auch für die Badezimmer aller drei Kinder von Link und Ruto gewählt hatte.

In der Mitte der Höhle befand sich ein steinernes Becken, welches gefüllt war mit dem herrlichen silbernen Wasser, das, von der Zoraquelle ausgehend, das ganze Reich der grazilen Wesen durchfloss und durch vielerlei verschiedene Zuflüsse den Zorafluss speiste, welcher seinerseits den östlichen Teil der Steppe durchmaß und für viel fruchtbares Land sorgte. Die Steine und Felsen am Rande des Bassins waren so bearbeitet worden, dass sie wie eine aus dem Wasser ragende Bootshälfte aussahen.

Erleichtert stieg Kira in das kühle Wasser, tauchte unter und lag einige Zeit auf dem Grund des Beckens still, wo leichte Strömungen an ihr vorbeizogen, die von unterirdischen Ab- und Zuflüssen herrührten.

Sie fühlte sich nicht wirklich schmutzig oder befleckt, in keinerlei Hinsicht. Sie bedauerte den Tod der von ihr Getöteten nicht, da sie wusste, dass es ihre unumgängliche Pflicht gewesen war, deren Leben zu beenden. Sie ließ belastende Fragen nach dem Leben und den Angehörigen der Verschiedenen nicht in ihrem Bewusstsein aufkeimen, wohl wissend wie unnütz solcherlei Überlegungen waren und was für eine zermürbende Wirkung sie entfalten konnten.

Es waren dies ebenjene Gedanken, von denen sie annahm, dass sie nun ihren Bruder Ren plagten. Obwohl er deutlich gereift war durch den Kontakt zu seiner unerreichten Liebsten Oroelle, traute Kira ihm doch nicht zu, eine so rasche Entwicklung durchgemacht zu haben, dass er sich zu diesem Zeitpunkt nicht schlecht und elend fühlte. Und schuldig, ja, wie ein Mörder musste er sich vorkommen. Oder aber er kam nicht mit dem Chaos eines Schlachtfeldes zurecht und sah darin ein Zeichen von Schwäche. Allen anderen schien es für den Augenblick zu genügen, dass Ren die Schlacht überlebt hatte, doch seine Schwester wollte sich so früh wie möglich um seine seelische Verfassung kümmern.

Nach ihrem Gespräch am Hyliasee, als sie sehr offen miteinander über die Zukunft und ihre diesbezüglichen Gefühle geredet hatten, fühlte sich Kira Ren noch verbundener und sie glaubte, dass ihr Bruder sie nun auch mehr an sein Leben und seine Gemütsverfassung heran lassen würde. Wenn sie zu ihm ging, dann wollte sie reingewaschen sein, von allem was ihn an das Töten und an die Schlacht erinnern konnte.

So nahm sie denn einen kleinen Behälter aus wertvollem weißem Porzellan, eine Spezialität der hylianischen Handwerker, vom Beckenrand und begann sich mit einer weißlichen, angenehm duftenden Substanz einzuölen. Als sie danach wieder untertauchte und mit ausladenden Bewegungen die Salbe von sich spülte, spürte sie förmlich wie aller Schmutz von ihr wich und der unaufdringliche Duft gab ihr und vor allem ihrer Umwelt das Gefühl auch gedanklich rein zu sein.

Zumindest fürs erste, wie sie wusste, doch es sollte für ihre Zwecke reichen. Sie wollte Ren entschieden und unübersehbar im Reinen mit sich selbst entgegentreten und für die von ihr verwendete Substanz hatte sie einst viel Geld gegeben, da sie genau dies möglich machen konnte.

Es war ein Import aus Inveria und die Salbe alleine hatte sie doch tatsächlich hundertfünfzig Rubine gekostet, selbst nachdem sie diese heruntergehandelt hatte. Es war kein Wunder, dass Inveria das reichste Land der Welt war, hatte sie damals zerknirscht gedacht. Nun, zumindest wurde sie von der Wirkung nicht enttäuscht.

Als sie fertig war, trocknete sie sich mit einem von den Gerudo gewebten Handtuch und wählte danach bequeme Laufkleidung aus: Eine dunkelgrüne Hose mit lose fallenden Hosenbeinen (selbstverständlich mit Löchern für ihre Flossen), dazu ihren Lieblingsgürtel in Form einer sich selbst in den Schwanz beißenden, silbernen Seeschlange mit kleinen Smaragden als Augen und Schwanz sowie Kopf als Schnalle.

Ihren Oberkörper kleidete sie nach Art der Gerudos ein, so wie Nomara es ihr gezeigt hatte:

Sie nahm ein eigens dafür hergestelltes Tuch des Frauvolkes, es war wie die Hose von einem dunklen Grün, und schlang es sich erst von hinten über die rechte Schulter, dann einmal um die Hüfte, anschließend von unten über die linke Schulter und letztlich noch einmal um die Hüfte, wo sie es mit einem Schleifenknoten festband. Dass der Ausschnitt dabei recht groß war und die Ansätze sowie Rundungen ihrer Brüste gut sichtbar waren, war dieses Mal nicht von ihr beabsichtigt. Ihr Haar ließ sie sich wie meistens lose nach hinten und über ihre Schultern fallen, einige der dünngeflochtenen Zöpfe wie immer ins Gesicht. Da ihre Haarpracht jedoch hüftlang war, wischte sie diese Zöpfe zur Seite, sodass nur Wangen und Ohren, nicht jedoch ihre Augen verdeckt wurden.

Abschließend zog sie die leichten Sandalen an, welche Zoras zu benutzen pflegten, wenn sie ihr Wasserreich verließen. Mit einem letzten, abschätzenden Blick in die ihr als Spiegel dienende Metallplatte verließ sie ihr Zimmer und brauchte nur zwei Korridore (Tunnel musste man angesichts des Höhlensystems des Reiches wohl eher sagen) zu überqueren, um zum Zimmer ihres ältesten Bruders zu gelangen.

Schon vor langer Zeit hatte sie sich das Klopfen an Rens Türen abgewohnt, vermutlich in der Hoffnung ihn mit einer schönen Unbekannten zu erwischen, und so drückte sie einfach gegen das leichte Holz und trat ein.

Normalerweise verbrachte die Familie des Helden der Zeit selten die Nächte im Zorareich, da sie durch das magische Portal rasch wieder in ihr eigenes Heim zurückkehren konnten. Deshalb waren ihre Zimmer zwar immer gepflegt und sauber ansonsten jedoch unberührt, wohl aber auch eher spärlich eingerichtet.

Für die Dauer des Krieges jedoch waren Link und Ruto mit ihrem gesamten Haushalt zu Rutos Vater ins Zorareich gezogen. Der König der Wasserwesen unterhielt viele leerstehende Zimmer im königlichen Teil des Reiches und freute sich über die Gesellschaft seiner Tochter, Enkel und seines gerühmten Schwiegersohnes.

Aus diesem Grund standen nun in Rens Zimmer, außer seinem Bett, dem Schrank und dem Tisch mit seinen zwei Stühlen, noch zwei große Holztruhen, wodurch der kleine Höhlenraum einen leicht überfüllten Eindruck erweckte, vor allem auch, weil das Meiste sich auf der rechten und der Kopfseite befand, da die linke Seite zum größten Teil von einer murmelnden Quelle beansprucht wurde.

Ihr Bruder lag mit dem Rücken zu ihr in seinem Bett und schien zu schlafen. Erschöpft wie er gewesen war, hatte er sich dabei nicht zugedeckt und so konnte Kira den Staub auf seiner Kleidung sehen, der die hellen Laken verunreinigte, ebenso wie die kleinen Wunden und Abschürfungen. Seufzend nahm sie außerdem wahr, dass er noch die blaue Hängemütze trug, die der ihres Vaters nachempfunden war. Auch Link vergas oft die Kappe vor dem Schlafengehen abzunehmen, eine von Ruto missbilligte Angewohnheit und Kira teilte in dieser Hinsicht die Meinung ihrer Mutter.

Demnach war das Erste, was sie tat, ihrem Bruder die Mütze langsam vom Kopf zu ziehen und auf eine der Truhen zu legen. Ihr Blick fiel auf sein mitten im Zimmer liegendes Kettenhemd und besorgt stellte sie mehrere, teils tiefe, Kratzer fest. Sie hob es auf (es war von den Goronen eigens durch besondere Verfahren leichter geschmiedet worden) und legte es beiseite, damit niemand darüber stolpern konnte. Bevor sie jedoch mit ihrer kleinen Säuberung fortfahren konnte, lenkte ihr Bruder ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Bist du das Mutter?“, fragte er kaum verständlich nuschelnd.

„Nicht ganz“, erwiderte seine Schwester, überrascht dass Ren wach war.

„Habe ich dich aufgeweckt? Das tut mir leid.“

Er wälzte sich um und sah erst aus halb geöffneten Augen zu ihr hoch. Dann fuhr er sich mit der Hand durch das Gesicht und setzte sich gähnend auf. Seine Schwester musterte ihn neugierig ohne etwas zu sagen. Im Moment sah Ren lediglich verschlafen aus. Sie würde etwas auf ihr Gespräch warten müssen.

„Wie spät ist es?“, fragte ihr Bruder sie und sie antwortete, dass es bereits Mittag sei und gesellte sich zu ihm auf das leicht beschmutzte Bett.

„Aber mach dir keine Gedanken, das ganze Reich ist wie ausgestorben. Niemand ist zurzeit unterwegs. Alle ruhen sich aus.“

„Ich verstehe…“, entgegnete er, stand auf und ging zu einer silbernen Schüssel mit Wasser, wo er sein Gesicht benetzte. Danach sah er frischer aus und blickte seine Schwester mit nunmehr aufmerksamen Augen an.

„Wie geht es dir?“, fragte er.

Sie hätte diese Frage zuerst stellen sollen, dachte seine Schwester kurz verstimmt bevor sie antwortete:

„Mir geht es gut. Offensichtlich. Die Frage ist doch vielmehr, wie es dir geht.“

Ren erkannte, dass Kira wieder dabei war, in ihn zu dringen. Es würde auf ein Gespräch hinauslaufen, welches sie für ihn als hilfreich ansah. Es stimmte zwar, dass sie ihm bislang bereits einige Male geholfen hatte und mit warmen, geschwisterlichen Gefühlen dachte er an ihr offenes Gespräch am Hyliasee zurück. Wenn er Hilfe benötigen würde, dann wäre seine Schwester ihm von nun an wohl willkommen. Es war nur dieses Mal so, dass er der Ansicht war, keinen Beistand zu benötigen.

„Ich weiß, dass du denkst, mir ginge es schlecht. Aber dem ist nicht so, mach dir keine Sorgen.“

Kira zog eine Augenbraue hoch und musterte ihn skeptisch.

„Du hast getötet…“, erinnerte sie ihn.

„Ja, das habe ich“, erwiderte Ren und versuchte für einen Augenblick sich an die Gesichter seiner Gegner zu erinnern. Er hatte sie alle vergessen.

„Kommst du damit zurecht?“, fragte ihn Kira nun direkt und dafür war er ihr dankbar. Eine unterschwellige, indirekte Hilfestellung hätte er abgewiesen. Dafür hatten sie nun schon zu viele ihrer Gedanken miteinander geteilt.

Noch immer stand er mitten im Raum, das Gesicht feucht, und spürte die Erschöpfung seines Körpers, wenngleich er auch nicht mehr so müde war und zu schlafen wünschte. Einen Moment lang überlegte er, ob er der Frage ausweichen sollte, wie er es wohl vor einem Jahr noch getan hätte. Aber es war viel geschehen in der letzten Zeit und er war nicht mehr derjenige, welcher er vormals gewesen war. Vermutlich hatte Kira Recht, wie so oft, und seine neugewonnene Reife war auf seine wie auch immer geartete Beziehung zu Oroelle zurückzuführen.

„Ich weiß nicht genau…“, gestand er wahrheitsgemäß und setzte sich wieder neben seine Schwester auf sein Bett.

„Ich erinnere mich nicht einmal mehr an ihre Gesichter, aber…es macht mir nicht so viel aus, wie ich gedacht hätte. Ich meine: Sie hätten mich getötet, wenn ich mich nicht gewehrt hätte. Sie sind unsere Feinde…ob wir oder sie es wollen oder nicht.“

Erstaunt hörte Kira dieses Zeugnis eines deutlich veränderten Ren und fragte sich, wie weit diese Entwicklung ging. Sie nahm nicht an, dass er über all seine bisherigen Fragen und Beunruhigungen hinweg war, dafür war zu wenig Zeit vergangen. Niemand änderte sich so schnell. Und tatsächlich schien es ihr, als beschäftigte ihren Bruder etwas, was er ihr noch nicht erzählt hatte, denn sein Blick war in weite Ferne gerückt und sie las Sorge von seinem Gesicht ab.

„Dennoch ist da irgendetwas, habe ich nicht Recht? Willst du es mir nicht sagen?“

Er warf ihr einen raschen Blick zu und antwortete nicht sofort. Dann sprach er den Namen der Frau aus, die er liebte und fügte ergänzend hinzu, dass sie noch im Pass gewesen war, als er Raurus Tor durchschritt, da die Shiekah ihren Rückzug deckten.

„Obwohl ich nicht glaube, dass ihr wirklich etwas zugestoßen ist, mache ich mir Sorgen.“, gestand er.

„Oder wahrscheinlich will ich es nicht glauben. Immerhin ist sie eine Shiekah…“

„Eine respekteinflößende Tatsache“, stimmte Kira ihm zu und überlegte, wie sie ihn aufmuntern könnte, ohne ihn mit flachen und leeren Worten falsche Hoffnungen zu vermitteln.

Sie wusste, dass Oroelle zur selben Zeit wie sie selbst im Pass gegen einen von Ganondorfs Generälen gekämpft hatte, wie auch Nomara und Link-goro. Von diesen jedoch wusste sie, dass ihnen nichts geschehen war, dass sie die Beiden nach dem Gefecht in der Halle der Weisen wiedergetroffen hatte. Rens Liebste hingegen war im Pass geblieben oder hatte sich an einen anderen Ort begeben. Kira wusste es nicht.

„Ich würde dir gerne versichern, dass ihr nichts geschehen ist, aber das kann ich natürlich nicht. Wir müssen auf ihre Fähigkeiten und die ihres Volkes vertrauen. Glaube bitte nicht, dass ich mir keine Sorgen um sie mache, denn meine Freundschaft zu ihr ist ehrlich und nicht nur um deinetwillen möchte ich Kunde von ihrem Schicksal erhalten.“

„Ich weiß nicht, was ich tun sollte, wenn ich sie nie wieder sehen könnte.“, stellte Ren klar und der schreckliche Gedanke übermannte ihn, jedwede Stärke, die in ihm gewesen war, fortspülend. Er barg sein Gesicht in den Händen.

„Ich will nicht, dass ihr etwas zustößt!“

Er weinte nicht, hatte auch nicht das Bedürfnis danach, doch klang seine Stimme heiser und schwächer als noch einige Herzschläge zuvor. Kira legte ihm eine Hand auf das Knie und rückte näher.

„Wir können nur abwarten. Ich will dir nicht raten, zu hoffen, dass alles gut wird, aber denke bitte daran, dass Gedanken solcher Art dir großen Schaden zufügen können. Richte dich nicht zugrunde!“

Der Zoraprinz gab irgendein Geräusch von sich, das seine Schwester nicht deuten konnte. Sie fand es war nun genug. Er hatte sie positiv überrascht, sowohl mit dem, was er gesagt hatte, als auch mit der Tatsache, dass er so bereitwillig mit ihr darüber redete. Sie sollte ihn ablenken. Deshalb sagte sie:

„Deine Wunden wurden noch nicht behandelt. Selbst die geringsten Verletzungen können großen Schaden anrichten, das müsstest du doch noch von Vater wissen. Wir sollten uns nicht zu sehr auf unser magisches Erbe verlassen, weißt du.“

Obwohl ihre Worte Wahrheit enthielten, trafen sie dennoch nicht ganz zu. Fakt war, dass ihr magisches Erbe sie sehr wohl vor den Konsequenzen von Verletzungen zu bewahren im Stande war. Rens verhältnismäßig ungefährliche Schnittwunden würden sich nicht entzünden, er hätte schon in Dreck baden müssen, um die magisch verstärkten, natürlichen Heilungsprozesse seines Körpers zu überkommen. Ihr Bruder wusste dies. Allerdings wusste er auch, dass Kira es gut mit ihm meinte und ihn ablenken wollte, also ließ er sich nickend darauf ein.

Die Prinzessin machte sich kurz auf, um alles Nötige zum Behandeln und Säubern der Wunden zu holen und ließ ihn für den Moment alleine. Unterwegs musste sie sich eingestehen, dass sie neidisch war. Ren war gereift. Was er getan hatte, ließ ihn natürlich nicht unberührt, doch er gestattete nicht, dass es ihn übermannte. Er begann sich mit seinen Empfindungen und Erlebnissen ernsthaft auseinanderzusetzen, reflektierte über Tatsachen und Folgen, über Erwartungen und Enttäuschungen. Er würde in wenigen Monaten sein siebzehntes Lebensjahr vollenden und hatte sich deutlich entwickelt. Sie hingegen…was hatte sie im Vergleich dazu vorzuweisen?

Es war von vornherein klar gewesen, dass der Krieg sie, zumindest anfangs, nicht sonderlich belasten würde, dazu hatte sie genügend innere Stärke. Letztlich war sie immer schon, bei aller Ähnlichkeit, etwas anders gestrickt gewesen als ihr zwei Jahre jüngerer Bruder. Sie war bislang die Stärkere von ihnen gewesen, diejenige, die ihrer beider Situation so genau einzuschätzen wusste und alles dafür tat, um sie zu verbessern. In Rens Leben war es scheinbar endlich zu einer solchen Besserung gekommen, ein viel versprechender Erfolg, den Kira nicht auf ihre Bemühungen zurückführte, obwohl sie sich gerne ausmalte, dass diese einen gewissen Anreiz geliefert hatten. Doch nein, sie wollte nicht selbstsüchtig sein: Es war Rens Erfolg. Ihr Bruder war es, der sich weiterentwickelt hatte, der gereift war und nunmehr schwerlich mit seinem früheren Selbst zu vergleichen war.

Bei Kira hingegen hatte sich nichts geändert. Unfähig ihre eigenen Probleme zu lösen, nahm sie verstärkt Anteil an denen ihres Bruders nur um jetzt festzustellen, dass dieser immer weniger auf ihre aufgezwungene, wenn auch gut gemeinte, Hilfe angewiesen war.

Sie hatte sich scheinbar nicht im Geringsten entwickelt. Ihr Bruder drohte sie zu überholen, ihr überlegen zu werden…der Gedanke war unerträglich für sie. Auch wenn sie Ren alles Glück der Welt gönnte, ängstigte sie die Vorstellung, dass er ihr jemals überlegen sein könnte. Dass er ihr fortan Ratschläge geben würde und nicht umgekehrt.

Nein, sie wollte nicht einmal an so etwas denken! Dann hätte sie überhaupt keine richtige Rolle mehr, keine Aufgabe, keine Ablenkung…niemals wollte sie sich eine Niederlage von solcher Tragweite eingestehen: Das Wissen darum alleine mit ihren Zweifeln gelassen zu werden, während ihr Bruder, bis dahin ihr engster Verwandter im Geiste, überwunden hatte, was zu überwinden sie offenkundig nicht im Stande war.

Sie schämte sich so zu denken, doch änderte dies nichts. Sie wollte diejenige sein, die leitete. Konnte sie diese Rolle nicht weiter aufrechterhalten, dann sah sie keinen Sinn mehr in ihrem Dasein.

Es war nur ein kurzer Gang, die benötigten Dinge zu holen, und rasch stand sie wieder vor der Zimmertür ihres Bruders, der sie so unwissend mit seinen geistigen Fortschritten in ein schwarzes Loch der Verzweiflung zu stürzen drohte. An den Gedanken klammernd, sie sei noch immer die Stärkere und würde es noch lange bleiben, versuchte sie ein munteres Gesicht aufzusetzen und trat ein.

Ren war während ihrer Abwesenheit offensichtlich in das Becken seines Badezimmers gestiegen, denn er saß nun entkleidet und triefend nass auf seinem Bett, einzig ein blaues Tuch um seine Hüften gewickelt. Behutsam tastete er nach seinen Wunden und blickte auf, als Kira das Zimmer betrat.

„Dreh dich zu mir“, forderte seine Schwester ihn auf und setzte sich ihm gegenüber. Die Nässe auf Boden und Laken störte sie nicht, war sie doch die Tochter einer Zora. Es kam nicht selten vor, dass Rutos Kinder sich voll bekleidet ins Wasser begaben und danach mit nasser Kleidung herumliefen. Kälte empfanden sie dabei keine, einer der vielen Vorteile ihres mütterlichen Erbes.

Die Zoraprinzessin legte die von ihr geholten Dinge neben sich und besah sich zunächst den Körper ihres Bruders. Obwohl sie es dieses Mal nicht beabsichtigt hatte, ließ ihn ihr forschender Blick erröten, wie es so oft der Fall war. Er mochte erwachsener geworden sein, doch hatte er gewiss noch einen langen Weg zu gehen, dachte Kira und entspannte sich ein wenig.

Während sie nach und nach die Kratzer und Abschürfungen sichtete und behandelte, kam sie nicht umhin, zuzugeben, dass Ren wirklich gut aussah. Hochgewachsen und schlank wie er war, mochte er zwar keine massigen Muskeln aufweisen, doch war sein blauhäutiger Körper sehnig und stramm und erweckte einen kräftigen Eindruck. Beharrung wies sein Leib keine auf, wie es unter Hylianern häufig und unter Zoras so gut wie immer so war, dafür änderte sich die Intensität seiner ungewöhnlichen Hautfarbe: An den Unterarmen bis hin zu den Achseln wurde sie immer dunkler, ebenso an den Rückseiten der Schenkel. Seine kleinen Muskeln und die hier und dort sichtbaren feinen Knochen wurden von tiefblauen Schatten umrahmt, so dass Ren insgesamt ein sehr scharf umrissenes Bild bot, fast so, als wäre er eine gemalte künstlerische Fantasie.

„Komm, jetzt stell dich doch nicht so an!“, seufzte Kira als ihr Bruder ihre Hand von einer leichten Verletzung am Oberschenkel schob.

„Das mache ich selber!“, erwiderte er bestimmt, griff nach der Wundsalbe und der Schüssel mit warmem Wasser und erntete ein breites Grinsen seiner Schwester.

„Was ist...?“, fragte er, immer stärker zu dem schüchternen Jungen zurückkehrend, den Kira so gerne aufzog.

„Nichts“, antwortete diese amüsiert. Nun hatte sie wieder zu ihrer üblich aufgesetzten Gelassenheit zurückgefunden und dankte den Göttinnen im Stillen dafür.

„Es ist nur wieder diese überaus interessante Vermischung von Rot und Blau in deinem Gesicht, die ich so gerne mag…“

Ren schnaubte, blickte jedoch offenbar sehr konzentriert auf seine unbedeutende Wunde. Seine Schwester lachte.

„Komm, lass mich dir die Haare machen. Sie sind ganz zerzaust!“

Ohne seine Antwort abzuwarten, war Links Tochter aufgestanden und hatte hinter dem Kronprinzen Platz genommen, wo sie anfing an seinem offenen Haar herumzuwerkeln. Es war seltsam ihn so zu sehen, normalerweise trug er immer seine Kappe und einzig sein Pferdeschwanz lugte darunter hervor. Im Augenblick aber war sein schulterlanges Haar offen und rahmte sein Gesicht mit wirren Strähnen ein, ein Gemisch aus hellblauen und strohfarbenen Linien.

Er ließ sie gewähren und eine Weile saßen sie schweigend beisammen bis Kira unbewusst anfing eine Melodie zu summen, in die Ren bald einfiel. Das Klagelied des Wassers. Zens Musik.
 

Rutos und Links Jüngster befand sich zur Mittagszeit, ganz im Gegensatz zur gesamten Bevölkerung der Zoradomäne, nicht bei seiner Familie oder in seinem Zimmer. Er war alleine und lag auf dem harten Gestein des tiefsten Grundes der Zoraquelle, weshalb seine Schwester ihn nicht gesehen hatte, als sie aufgewacht war. Der Blick seiner offenen, unergründlich tiefen Augen war in weite Ferne gerückt, nichts nahm er von seiner Umgebung wahr. Er kannte bereits alle Geheimnisse der Quelle, vor langer Zeit hatte er all ihren Liedern und Melodien gelauscht und sie mit seiner eigenen Musik bereichert. Dieser Teil des Landes konnte ihm nichts Neues mehr bieten, wenngleich er sich beizeiten selbstverständlich noch immer die Zeit nahm, dessen Schönheit melodiös zu würdigen und sich an den verschiedensten herrlichen Tönen zu laben, die zu hören scheinbar nur er in der Lage war.

Eine wahrlich faszinierende Welt war es, die allen Besuchern des Wasserreichs vorenthalten wurde, die keine Zorarüstung besaßen: Die steinigen Tiefen der Quelle waren nur bedingt mit Sand bedeckt, das graue Gestein in all seinen Facetten war bei weitem vorherrschend. Seltsame Pflanzen wuchsen aus Spalten im Fels, sich gleichsam grünen Seeschlangen in den leichten Strömungen windend. Hauchdünn erschienen ihre wenigen Schlingen, formlos waren sie und bildeten somit einen grünen See inmitten des kristallenen silberblauen Wassers, welches die Quelle aller Gewässer des östlichen Hyrule war.

Der vorherrschende Stein war über die Jahrhunderte hinweg vielfach gestaltet und verziert worden und so hingen bunte Murmeln und Perlen an verschlungenen Säulen, wurden filigrane Brüstungen von lebensechten Statuen geziert und phantasievolle Keilereien leuchteten mit dem abgestumpften Glanz, der edlen Steinen in zunehmender Tiefe zu eigen war.

Am bemerkenswertesten jedoch war sicherlich die Vielfalt der Fische. In allen Formen und Farben wanden sie sich und schwammen durch das kühle Nass, vereinzelt oder in ganzen Schwärmen, und gleißende Reflexionen sowie silberne, blubbernde Bläschen zogen sie hinter sich her. Da gab es Goldfische, die klein und schillernd in kleinen Gruppen auszumachen waren, versteckt im Dickicht der Unterwasserpflanzen, bunte Forellen, die wie ein Regenbogen das Wasser durchmaßen, Lachse und Hechte, die silbernen Pfeilen gleich durch die verborgene Welt zischten. Rosige Kugelfische blähten sich in unregelmäßigem Takt auf und selbst die rötliche Dunstforelle, einer der seltensten und begehrtesten, damit auch teuersten Fische der Welt, war bisweilen zu erkennen, wie sie aus geheimen Höhlen hervorkam und mit unfassbarer Geschwindigkeit allen potenziellen Verfolgern deutlich machte, dass eine Jagd aussichtslos war. Was blieb, war der verschwommene, angenehm duftende Dunst rötlicher Farbe, dem der Fisch seinen Namen zu verdanken hatte.

Das Spektrum an Leben und verborgener Schönheit war gewaltig und doch konnte es Zen zu diesem Zeitpunkt nicht ablenken, denn auch Kiras und Rens jüngster Bruder verarbeitete noch immer die Eindrücke des Krieges. Obwohl er sich die ganze Zeit über im Zorareich aufgehalten hatte, wusste er um alles was im Goldenen Pass geschehen war, auf seine eigene Weise vielleicht sogar mehr noch als die Weisen höchstselbst. Denn er hatte ihr gelauscht, dieser neuen überwältigenden Musik, die so gewaltig war und doch nur ein Bruchteil des Themas allen Lebens dieser Welt.

Von Anfang an hatte Zen gehorcht, als die Vorhut der karthasischen Armee sich eben erst dem Umgebenden Gebirge näherte. Sein Körper schrie nach Erholung und Ruhe, denn er hatte in den letzten Tagen kaum zu schlafen gewagt, aus Angst eine neue Art des Todes zu verpassen, einen noch nicht dagewesenen Zauber nicht mitzubekommen oder die Geräusche zunächst noch unbekannter Wesen nicht zu vernehmen.

Zen hasste seinen Körper für dessen Schwäche, dafür dass er ihm Bedingungen aufzwang, die den jungen Prinzen daran hinderten, jeden Augenblick seines Daseins bei vollem Bewusstsein zuzuhören, zu singen oder zu musizieren. Wieso konnte er, der er doch das einzigartigste Wesen dieser Welt war, er, der als einziger das wahre Wesen von Leben und Tod ergründen konnte, nicht von diesen lästigen Lebensäußerungen befreit sein, die er bei Anderen so liebend gerne beobachtete und ihnen dabei warme Zuneigung zollte?

Doch selbst die Müdigkeit hatte er nach einiger Zeit nicht mehr gespürt. Nichts hatte er gespürt bis auf die Gefühle, die das Gehörte in ihm auslösten. Und gehört hatte er viel und tat es immer noch.

Zunächst waren da die veränderten Atemgeräusche aller Lebewesen, eine Veränderung die von ihrer Ängsten und Spannungen, Erwartungen und Befürchtungen bewirkt wurde. Nervöse Schritte auf steinernen Mauern, Händereiben und auf den Grund tropfende Schweißtropfen. Die Natur selbst sang ein verändertes Lied, welches vom kommenden Leid und Schrecken zeugte, der Wind pfiff und zischte und das Gestein des Gebirges ächzte unterschwellig vom zusätzlichen Gewicht tausender Lebewesen und Maschinen.

Dann waren da die Marschgeräusche der feindlichen Armee: Rhythmische Schritte und antreibende Trommeln, raschelnder Stoff, klirrender Stahl und knarrendes Holz. Hecheln, Keuchen und Ächzen, sowie kontrolliertes Atmen. Umknickende Grashalme, zertrampelte und sterbende Gewächse. Fliehende Insekten und kleine Tiere, die Rascheln und Knacken, Knurren und Jaulen, Winseln und gurgelndes Röcheln von sich gaben. Selbst das aufgeregte Zwitschern weniger noch nicht geflohener Vögel entging Zens Aufmerksamkeit nicht, ebenso wie deren Flügelschlag und der Wind, auf dem sie segelten.

Aus seinen Erfahrungen mit der großen Musik der Welt und des Seins leitete er die dazugehörigen Bilder und Gerüche ab, und fand seine früheren Erwartungen bestätigt. Bislang war noch nichts Überraschendes geschehen. Noch musste er sich nicht anstrengen, damit ihm nichts entging. Anfangs war alles einfach. Die Exposition war zufrieden stellend verlaufen doch es dürstete ihm nach dem Beginn des Kernstücks.

Er wollte Tod und Grauen in all ihren Formen, Magie und Maschinen, Verzweiflung und Angst. Er wollte das Fließen, Spritzen und Tropfen von Blut hören. Gierte nach dem Geräusch aufgeschlitzten Fleisches und zertrümmerter Knochen. Wartete gespannt auf den Chor der Schreie, von den anfangs tapferen und standhaften Kampfschreien, über die Schmerzens- und Todesschreie, bis hin zu jenem schrillen Kreischen, dem nichts Menschliches mehr anhaftete. Seine Haut prickelte ob der Vorstellung der bald gewirkten Magie und sein Atem ging schneller bei dem Gedanken an die Schattenmusik der Shiekah, jene Melodien, die er am seltensten im Großreich vernehmen konnte, ein ständiger Dorn in seinem Auge. Er wurde in keinster Weise enttäuscht.

Niemand hörte Zens aufgeregte Rufe, sein Anfeuern beider Seiten, sein Keuchen und Stöhnen während er sich am Grund der Zoraquelle wand wie ein Wurm, überwältigt von den vielen Eindrücken. All sein Können wurde gefordert, so viele verschiedene Themen wurden gespielt, die aber gleichzeitig eine einzige, kolossale Melodie bildeten.

Der jüngste Sohn des Helden der Zeit empfand den Chor der verschiedenen Stimmen als überaus vielschichtig und überraschend aussagekräftig, das erklingende Requiem schaurig und schön, beklemmend und faszinierend, die perfekte Verkörperung aller Facetten des Todes und der damit verbundenen Emotionen. Schon schlichen sich daraus abgeleitete und inspirierte Melodien und Weisen in Zens Bewusstsein, aus denen er dereinst sicherlich Stücke komponieren würde, die bei den traurigsten zugleich jedoch schönsten Totenmessen und Trauerfeiern der Welt gespielt werden würden.

Die Choräle und Hymnen, die die Magie verkörperten, stellten alles an Erhabenheit in den Schatten, was der Zoraprinz bis dahin gekannt hatte. Die verschiedenen Themen der einzelnen Zauber und Magiearten waren unzählbar. Fließende, rasche Tonfolgen reihten sich an kurze, punktierte Noten, Dur und Moll wechselten sich unüberschaubar ab oder vermengten sich gar, jede einzelne Reihe eines Dreiklangs ergab eine Melodie für sich.

So viel hatte Zen zu verinnerlichen, dass ihm ganz heiß wurde und er sicherlich nassgeschwitzt wäre, befände er sich nicht unter Wasser. Das Crescendo der auf einen offensichtlichen Höhepunkt hinausarbeitenden Magien Darunias und Salias schließlich brachte ihm letztlich eine kurze Ruhepause, denn darauf folgte Stille. Ein sehr effektives und respekteinflößendes Stilmittel, befand Ren. Der gewaltige Zauber der Weisen war wie eine Mischung aus dem Bolero des Feuers und dem Menuett des Waldes gewesen, eine Variation mit so viel mehr Aussagekraft und Macht…Zen hatte das Knistern und Brodeln der Flammen gehört, das Kokeln von Haaren und die aufplatzenden Brandblasen derjenigen, die nur einen Moment später von dem Zauber erfasst wurden und vergingen. Zwischenzeitlich waren da zudem die Aspekte der Magie Salias: Wirbelnde Windhosen und rasende Böen, Zischen und Pfeifen, Rauschen und Heulen, und der entfernte Klang von im Wind fliegenden Blättern.

Kurz nur konnte er ausruhen, denn bald brachen die Kämpfe von neuem los und wieder gab es allerhand Neues zu entdecken. Mit dem Eintreffen von Ganondorfs Generälen und den führenden Gildenmagiern wurde das musikalische Niveau auf eine andere Ebene erhoben, so dass sich Zen unwillkürlich die kaum zu bewältigende Größe des dazugehörigen Orchesters vor Augen führen musste. Gespannt verfolgte er das Aufeinandertreffen der vielen Mächtigen, ersann im Geiste musikalische Themen für seine Schwester und Sathor, für Darunias und Naborus Kinder und Ayasha sowie Merexes. Sehr charakteristisch waren sie alle und wie sie sich bekriegten, fielen ihre Harmonien übereinander her und bildeten ein kompliziertes musikalisches Muster, das zu entwirren und nachzuvollziehen einzig Zen in der Lage war.

So ging denn die Schlacht am Goldenen Pass in einem fort, und Kiras Bruder lauschte und verinnerlichte, entwickelte parallel dazu eigene Melodien und fand irgendwo in jenem unwichtigsten Teil seines Bewusstseins noch Raum genug sich Sorgen um seine Familie zu machen.

Ganondorfs Entladung des Kraftfragmentes bildete am Ende den passendsten aller Schlüsse und die darauf folgenden kurzen Scharmützel einen angenehmen Ausklang, da alte Themen wieder aufgegriffen wurden. Als es vorbei war, und Lord Jabu seine Klage antrat, konnte Zen einfach nicht anders, als zum erstbesten Instrument zu greifen (es erwies sich als Laute) und den Patron der Zoras darauf improvisierend zu begleiten. Die entstandene Melodie war recht schön, wenn auch bei weitem nicht seine Bestleistung und Zen hatte sich gewundert, dass er tatsächlich in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit getreten war. Nach allem konnte ihn die Musik des Lebens eben noch am meisten beeindrucken und beeinflussen. Es gab keinen besseren Lehrmeister. Sie konnte ihn dazu bringen, alles zu tun.

Nun, da die Schlacht vorbei war und beide Parteien ihre Wunden leckten, entspannte sich der Prinz damit, der im ganzen Land ertönenden Elegie zu lauschen, traurig und klagend, schwermütig und absurderweise auch sehnsuchtsvoll. Auch Zen hegte Sehnsüchte. Er konnte die nächste Schlacht kaum abwarten. Er wollte, dass die drei Fragmente aufeinander prallten, deren Melodien er wie goldene Glockenschläge vernahm, die ununterbrochen die ganze Welt ausfüllten. Er wollte, dass sein Vater sein Leben riskierte. Genau genommen erwartete er dies von seiner ganzen Familie. Aus Angst und Sorge um sie würden gewiss die herrlichsten musikalischen Ergüsse in seinem Inneren entstehen. Ob einer von ihnen gar sterben sollte, damit er ein neues Gefühl erforschen konnte? Der Gedanke hinterließ leichte Schuldgefühle und umso größere Neugierde.
 

Ganondorfs dreckiges Lachen dröhnte in ihren Ohren, ein nicht enden wollendes Echo werfend. Seine lüsternen Worte füllten ihre Erinnerung aus. Vor ihrem geistigen Auge sah sie seine massige Gestalt, die sich wie ein Berg aus Bosheit und Grausamkeit auf sie senkte. Sie konnte noch immer seinen Schweiß riechen und spürte seine demütigenden Berührungen am ganzen Körper: Die starken, großen Hände, die ihre Arme wie ein Schraubstock umschlossen hielten, seine borstige Körperbehaarung, die gegen ihre zarte Haut scheuerte, seine übergroße steife Männlichkeit, die immer wieder unbarmherzig in sie stieß…

Zelda schüttelte zum wiederholten Male den Kopf und versuchte auf andere Gedanken zu kommen, doch es gelang ihr nicht. Auch wenn sie sich nicht mehr von ihren Erinnerungen in einen dauerhaften, unwürdigen Zustand panischer Angst würde stürzen lassen, so bedeutete dies nicht, dass sie sie nicht noch immer quälen konnten. Die direkte Konfrontation mit dem Großmeister des Bösen hatte ihr einiges abverlangt. Sie musste sich diese Nacht ein wenig Schwäche gönnen, um in Zukunft stark bleiben zu können. Bitter dachte sie an die Begegnung mit Ganondorf von vor weniger Zeit zurück. Er hatte sie nicht ernst genommen. Er hatte es gewagt, zweideutige Andeutungen vor der gesamten hylianischen Armee zu machen. Heiße Zornestränen schossen ihr in die Augen. Sie wollte diesen Mann tot sehen, mit ihren eigenen Händen würde sie dazu beitragen, dass er starb.

„Du Mistkerl…“, flüsterte sie wutentbrannt in die Leere ihres Zimmers hinein, packte ein Kristallglas und warf es mit einem unterdrückten Schrei an die Wand, wo es mit einem hellen Geräusch zersprang. Dann trat sie ans Fenster und nach Süden blickend rief sie:

„Ich hasse dich!“

Impa war nicht da, sie würde auch in den nächsten Stunden nicht bei der Königin erscheinen, und Salia war damit beschäftigt, sich mit Darunia gegenseitig zu trösten und sich zu versichern, dass ihre Tat unumgänglich gewesen war. Zelda war für den Moment auf sich alleine gestellt. In ihrer Erregung konnte sie nicht still stehen oder sitzen bleiben und so schritt sie in ihrem Zimmer auf und ab. Hin und wieder faltete sie die Hände wie zu einem Gebet.

„Oh ihr allmächtigen Göttinnen, ihr Schöpferinnen dieser Welt, bitte lasst diese…diese Bestie sterben! Helft uns, ihn zu töten! Gebt mir die Kraft und den Mut ihn zu vernichten und genug Weisheit, auf dass ich die kommende Zeit überstehe!“

Immer noch zuckten unwillkürlich Bilder durch ihr Bewusstsein. Sie sah ihren toten Vater, sah wie Ganondorf verächtlich sein blutgetränktes Schwert an dessen Hemd abwischte, jenes Hemd, in das sie so oft lachend oder weinend ihren Kopf vergraben hatte...

Die Augen des Königs waren starr, sein Blick gebrochen, sein Mund weit geöffnet. In grotesker Pose lag er auf dem Boden und sah alles andere als erhaben aus. Nichts war im Tod von dem Mann geblieben, der Zeldas Vater gewesen war.

Dann hatte sich der damalige König der Gerudos zu ihr umgedreht und in jenem Moment, bevor Impa sie errettete und ihre siebenjährige Zeit des Exils und der Flucht anbrach, hatte den Mann, den sie mehr als alles hasste und immer hassen würde, die Angst in ihren Augen gesehen und zufrieden gelächelt. Groß wie er war, mit dem toten König zu seinen Füßen, dem Schwert in der Hand und dem Ausdruck voll Zufriedenheit und Triumph in seinem Antlitz, während um sie herum gekämpft wurde und Flammen das Schloss verzehrten, hatte er zu jenem Zeitpunkt einen unbesiegbaren Eindruck gemacht. Zelda hatte ihn angesehen und gedacht, dass dieser Mann sich die ganze Welt untertan machen würde und dass ihn niemand daran hindern konnte.

Der Gedanke an ihren Vater ließ den Zorn der Weisen der Zeit etwas abkühlen, seiner statt bemächtigten sich ihrer leise Stiche von Trauer und Bitternis. Ihr Vater…sie dachte selten an ihn. Zu Beginn der früheren sieben Jahre hatte sie ihm noch nachgetrauert und war jeden Tag beim leisesten Geräusch zusammengezuckt, aus trostlosen Gedanken schreckend. Es war dies eine Zeit, die ihr im Nachhinein unwirklich vorkam und an die sie nur verschwommene Erinnerungen hegte.

Später jedoch waren ihre verzehrenden Gefühle abgeklungen und hatten wilder Entschlossenheit und kontrolliertem Zorn Platz gemacht. Gemeinsam mit Impa und den Shiekah hatte sie bis zu Links Erwachen Ganondorfs Schreckenherrschaft gedämmt, wo sie nur konnte. Dabei war sie gereift und hatte viel über sich selbst gelernt. Und sie hatte realisieren müssen, dass ihr Vater ein schwacher Herrscher gewesen war, naiv und sogar einfältig. Der Herr der Diebe hatte es ihr überdeutlich gezeigt und wenn auch diese Tatsache nach nun zwanzig Jahren keine Bedeutung mehr hatte, so konnte Zelda ihrem Widersacher noch immer nicht verzeihen, dass er ihr damaliges Bild vom starken und beschützenden Vater so brutal auseinander gerissen hatte. Oh, es war so viel, was sie ihm nicht verzeihen konnte...

Sie verdammte ihn wegen der scheinbaren Untätigkeit, zu der er sie damals verurteilt hatte und sie hasste ihn für die Leiden, die er ihrem Volk und dem gesamten Norden zugefügt hatte. Persönlich war ihr Hass von Anfang an gewesen, doch als er sie schließlich fasste und sie nur wenige Zeit als seine Gefangene auszuharren hatte, hatte er eine Grenze überschritten und sie innerlich gebrochen.

Es waren nicht die vereinzelten Vergewaltigungen gewesen, die ihr so zusetzten. Zumindest waren sie es nicht alleine. Es war die vollkommene Demütigung zu absoluter Hilflosigkeit verdammt zu sein. In jenem Kristall, in dem er sie gefangen hielt, musste sie alles tun, was er ihr befahl. Dort hatte sie sich vollständig in seiner Macht befunden, war gar unfähig gewesen, sich aus eigenem Antrieb zu bewegen, es sei denn er erlaubte es ihr.

Zu seinem eigenen perversen Vergnügen hatte er wahllos Menschen vor ihren Augen getötet und die Weise der Zeit ob ihrer Schwäche und Erbärmlichkeit verhöhnt. Als er sich an ihr verging, tat er dies nicht aus Lust, sondern lediglich um sie weiter zu demütigen. Sie wusste nicht, was ihr daran am meisten zusetzte: Der gottlose Akt an sich oder die Art mit der ihn, wie bei einem Ritual, beendete.

Niemals hatte er seinen Samen in sie ergossen. Immer hatte er sich im Moment des größten Triumphes, und es war tatsächlich als Triumph und nicht als Erregung anzusehen, aus ihr zurückgezogen und gesagt, sie sei nichts wert und er könne es deshalb nicht riskieren, dass sie einen Nachkommen seines Blutes empfangen könnte. Stattdessen hatte er sich anschließend immer über ihren Körper oder ihr Gesicht ergossen.

Es war so entwürdigend. Noch entwürdigender aber war das panische Entsetzen, das er in ihr Bewusstsein gepflanzt hatte, ebenjene Angst, die sie die letzten zwanzig Jahre über nicht losgelassen hatte. Selbst jetzt noch verspürte sie es, dieses grauenhafte Gefühl, dass der Großmeister des Bösen siegen könnte und sich vergangene Demütigungen bis in die Ewigkeit hin ausdehnen würden. Ebenjenes Gefühl, das ihre Macht zu mindern drohte und ihre Autorität untergrub. Das Gefühl, welches ihr sagte, Link würde sterben und mit ihm ihr geliebtes Volk und Land. Was blieb, war die Erkenntnis überwältigender Schwäche und Hilflosigkeit, sowie das Gefühl in jeder Hinsicht versagt zu haben.

Sie hatte nicht einmal einen Thronfolger ernannt, zuckte es plötzlich in Zeldas Bewusstsein auf. Sie hatte keine eigenen Nachkommen (wieder eine Niederlage, etwas wobei sie versagt hatte), da war es das Mindeste, dass sie den Titel des Regenten an eine entfernt verwandte Linie abtrat, sollte sie sterben.

Sterben…Tod…war es das, was sie wollte? Sie war sich nicht sicher. Im Moment lebte sie einzig und allein zu dem Zwecke Ganon ein für allemal zu besiegen. Doch was danach kommen würde…Fürs erste konnte sie den Gedanken an Link oder vielmehr an Liebe im Allgemeinen von sich wegschieben, doch was sollte sie denn nur tun, wenn der Sieg errungen werden würde? Wäre sie im Stande dann ein neues Leben zu beginnen? Wäre sie im Stande…glücklich zu sein?

Ein trockenes, heiseres Lachen entrang sich ihrer Kehle und sie merkte, dass sie durstig war.

„Was hast du nur für ein verbautes Leben…“, sagte sie laut zu sich selbst, während sie sich bitter lächelnd ein Glas Wein einschenkte und es in einem Zug austrank. Einen Moment lang war sie versucht die schöne Handarbeit deren Vorgänger an die Wand hinterher zuwerfen, doch schließlich seufzte sie, trat zu den Scherben, die wie Diamantsplitter im Licht der hereinfallenden Sonnenstrahlen glitzerten, und fing an sie aufzusammeln.

Der Großmeister musste sterben. Dies war der einzige Schluss, zu dem sie momentan kommen konnte. Er musste getötet werden, koste es was es wolle. Denn sollte Ganondorf, aus welchem Grund auch immer, abermals seinem Tod entkommen, würde sie wahnsinnig werden, erkannte die Königin.
 

„Ihr wart umwerfend, Herr und Meister, eure Macht ist überwältigend!“, rief Ayasha aus. Die Führerin der Gilde des Verführerischen Feuers schien tatsächlich aufgeregt zu sein, ihre Wangen hatten sich mit einem rosigen Schimmer überzogen und ihre purpurnen Augen leuchteten hell und klar. Ihr ganzer Ausdruck drückte vollkommene Hingabe aus und es erschien absurd dies anzuzweifeln.

Merexes starrte den Großmeister des Bösen einfältig mit geöffnetem Mund an, doch drang hinter der Wand aus dreckigem blondem Haar, die seine Augen verdeckte, ein flackerndes rotes Leuchten, das seine ganze Erscheinung aufwertete. Sathor stand einfach nur da, doch lag Achtung in seinem sonst so kühlen Ausdruck.

Ganondorf beachtete sie alle nicht. In Gedanken war er noch im Goldenen Pass, schwebte über dem Goldenen Tor und durchlebte den herrlichen Augenblick seines Triumphes. Vor seinem inneren Augen sah er Festungen fallen und Berge einrutschen, blickte in schreckensbleiche Gesichter unter dem goldenen Licht seiner göttlichen Macht und ergötzte sich an den ungläubigen, verständnislosen Ausdrücken. Zufrieden dachte er auch an das Treffen mit den Weisen zurück, welche so lächerlich untätig dastanden. Zelda selbst hatte noch Angst vor ihm, das hatte er genau gespürt. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. Der erste Schritt auf dem Weg in die von ihm beherrschte Zukunft war getan.

Der Großmeister des Bösen befand sich mit seinen Generälen in jener zugigen, zerstörten Halle, in der sie die meiste Zeit der Schlacht verbracht hatten. Die Gildenführer standen um ihn herum, Ayasha schmiegte ihren herrlichen Körper an den seinen, doch er war noch zu sehr erfüllt vom Siegesrausch, als dass er sich jetzt Gedanken um fleischliche Gelüste machen konnte. Außerdem war er müde.

Seine Machtdemonstration war in der Tat beeindruckend gewesen, doch hatte sie ihm auch einiges abverlangt. In einer einzigen gewaltigen Magie hatte er die Macht des Kraftfragmentes entladen und dies hatte ihn ausgelaugt. Wenn er erst das Großreich betreten würde, würde er dies gewiss unterlassen. Er brauchte seine immensen Kraftreserven, wenn er gegen die Sieben Weisen Hyrules vorgehen wollte, es war unklug einen großen Teil seiner Macht auf einen Schlag zu verschwenden. Er musste ruhen. Am nächsten Morgen würde er mit dem Angriff auf den Schild der Weisen beginnen, das letzte Hindernis, welches ihm den Zutritt ins Land verweigerte. Ein Zauber, der ihm nun alles abverlangen würde, da er so viel Kraft auf einmal eingesetzt hatte. Er musste versuchen in der heutigen Nacht so viel davon wie nur möglich zu regenerieren. Ayasha würde ihm dabei gewiss mit Freuden behilflich sein, dachte er und lustvolle Vorfreude verdrängte nun doch die berauschenden Erinnerungen an seinen Sieg.

„Der erste Sieg ist errungen, die Moral der Hylianer geschwächt. Ich ziehe mich nun zurück und werde morgen damit beginnen, den Schutzzauber der Weisen zu brechen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen, selbst für mich ist es nicht einfach. In meiner Abwesenheit werdet ihr die Kontrolle über die Armee übernehmen. Euch betrifft der Zauber nicht, lasst also das gesamte Heer im Großreich einmarschieren und Stellung beziehen. Wehrt euch so gut es geht gegen jegliche Angriffe und wartet auf mich, bevor ihr etwas Schwerwiegendes unternehmt! Zuwiderhandlungen werde ich hart bestrafen, und eure Positionen werden euch nicht davor schützen, das wisst ihr.“

Seine tiefe Stimme wurde drohend. Selbst die Art, wie er sprach, drückte Macht und Überlegenheit aus.

„Komm Ayasha!“, befahl er, drehte sich mit einem Schwung seines roten Umhanges um und verließ die Halle. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass die Führerin des Verführerischen Feuers den beiden Anderen anzügliche Mienen und Gesten zuwarf, bevor sie ihrem Herrn folgte.

Es belustigte ihn, sich Sathors Zorn vorzustellen, den er gewiss an Merexes auslassen würde, der sich sicherlich nicht wehren würde, so erbärmlich und schwach wie er war. Obwohl Ganondorf zugeben musste, dass ihn der Meister der Alchimisten während der Schlacht stark überrascht hatte. Vielleicht sollte er ihm demnächst einige Weiber schenken, mit denen er sich austoben konnte. Einen unausgeglichenen, wütenden General konnte er nicht gebrauchen und es wäre eine unnütze Verschwendung ihn zu töten, nur weil er sich so töricht verhielt und Spott sowie Hohn geradezu herausforderte. Letzten Endes hatte er sich doch als nützlich erwiesen, mehr noch als Sathor.

Nun, Ganondorf war ein Mann, der treue Anhänger und kostbare Dienste reich entlohnte, solange getan wurde, was er verlangte. Merexes würde eine angemessene Belohnung bekommen, eine größere als der Führer des Kalten Feuers, der Ganon zugleich erheiterte wie auch erzürnte. Seine selbstgefällige Art, mit der er seinen Wahnsinn zu kaschieren suchte, langweilte den Großmeister und ließ den mächtigen Magier aus dem Süden in seiner Achtung sinken. Wenn er wahnsinnig war, dann sollte er es doch einfach zeigen und ausleben. Wozu das unnütze Versteckspiel? Der ehemalige König der Gerudos hasste zwei Dinge am meisten: Schwäche und Verstellung.

Zwar musste sich die Mehrheit seiner Diener verstellen, er wusste nur zu gut, dass sie ihn alle hassten, doch blieben sie wenigstens ihren Neigungen und Persönlichkeiten treu. Sathor war wahnsinnig doch gab er sich als kühl und berechnend aus. Er war in der Tat erbärmlicher als der fette, kleine Merexes, der in seiner neuen Hofnarrenrolle voll aufging, nun da seine Gilde nicht mehr gefördert wurde. Verblendeter Narr!, dachte Ganondorf abfällig. Wahre Macht war nun einmal rein magisch. Die Experimente des bunt gekleideten Idioten würden nichts daran ändern.

Mit langen Schritten begab er sich zu seinem Zimmer, eines der wenigen Gemächer, deren Wände nicht gesplittert und zerbrochen waren. Ayasha folgte ihm auf dem Fuß. Obschon kleiner als er, schien sie keine Mühe zu haben, mit ihm Schritt zu halten.

Gemeinsam durchmaßen sie lange Korridore mit eingerissenen Wänden, stiegen über gestürzte Säulen mit verschlungenen Mustern und passierten allerlei beschädigte Erzeugnisse vergangener Künste, schön und erhaben, schlicht und elegant. Da gab es kaum Edelsteine und nur wenige wertvolle Metalle. Fein bearbeiteter Stein und wunderliches Holz überwogen bei weitem. Jeder Schritt, der in diesen Hallen und Gängen getan wurde, erzeugte lange, hallende Echos.

Schließlich betraten die beiden Mächtigen Ganondorfs Zimmer, mit seiner steinernen dunklen Tür, über der eine zerschlagene Statue eines einst stolzen Vogels hing. Der Raum war rund und wies außer einem Tisch und einer Ansammlung unterschiedlichster Decken auf dem Boden nichts weiter auf. Die Wände waren kahl, wenn auch hübsch anzusehen dank ihrer polierten Flächen mit wundersamen Maserungen. Der Boden jedoch war ein detailliertes Mosaik, dessen tausende kleine Steinchen eine Nachahmung des Himmels bildeten, mit weißen Wolken, verschiedensten Blautönen und einem großem Adler.

„Willst du Wein?“, fragte der Großmeister seine Generälin nachdem er an den Tisch getreten war und eine Flasche roten Weines erhoben hatte.

„Ich will alles, was mir zu geben, Ihr bereit sein, Herr.“, lächelte sie süß.

„Ich stimme zu, dass wir auf Euren Sieg anstoßen sollten, doch wäre es eine Zumutung wenn Ihr Eurer Dienerin einschenken würdet. Lasst mich das tun!“

Bestimmt nahm sie die Flasche an sich und füllte zwei Tonbecher. Ihr Gebieter legte keinen übermäßigen Wert auf Luxus. Als sie fertig war, drehte sie sich um und händigte ihm seinen Wein aus.

„Auf Euch und Euren überragenden Sieg!“, prostete sie ihm zu und trank das Andenken an ihre Heimat im Süden mit bedächtigen, langsamen Schlucken aus. Ihre Augen waren geschlossen, doch Ganon war sich sicher, dass sie genau wusste, wie er dastand und sie über seinen Becherrand hinweg beobachtete. Er wusste auch, dass es ihr gefiel, dass es durch und durch gewollt war. Ebenso wie die kleine Menge der würzigen roten Flüssigkeit, die ihr nun über das Kinn lief und zwischen ihre Brüste tropfte, nicht aus Versehen dort erschien.

Er legte also den Becher ab und tat wie ihm geheißen wurde. Sie wollte, dass er sie berührte und diesen Wunsch erfüllte er ihr nur zu gerne. Sein Finger fuhr die feine rote Linie von ihrem Mund bis zu ihrem üppigen Busen hinab und er spürte, wie die Gildenmagierin unter seiner Berührung erschauerte und eine leichte Gänsehaut bekam. Plötzlich umfasste sie den von ihm benutzten Finger, führte ihn an den Mund und küsste ihn. Während er auf ihre vollen roten Lippen blickte, verspürte er den Wunsch sie zu kosten und so zog er sie zu sich, hob sie vom Boden auf, denn er war deutlich größer als sie, und küsste sie begierig. Fordernd schob seine Zunge ihre Lippen auseinander und drang in ihren Mund ein, wo er noch immer Wein schmecken konnte und diese unvergleichliche Süße, die einzig und allein ihr zu eigen war. Er wollte sie. Sofort.

Vergessen waren jegliche Gedanken an Sieg und Triumph, vergessen seine Überlegenheit über Zelda und die übrigen Weisen. Er spürte keine Müdigkeit mehr und hatte kein Verlangen nach Schlaf. Stattdessen hegte er nun andere Wünsche, allesamt die unvergleichlichste Frau betreffend, die er kannte.

Während er sie noch immer küssend auf den bunten Deckenhaufen hinunterzog, war kein Platz mehr für Gedanken jeglicher Art, erst recht nicht, als Ayashas Kleidung sich in Rauch und Dunst auflöste, sie seine Hose öffnete und sich rittlings auf ihn setzte. Was hätte er auch in Bezug auf sie denken mögen? Er wäre ja doch zu keinem Ergebnis gekommen, das war er bis zu diesem Tage nicht. Sie war das größte aller Rätsel für ihn und das faszinierendste.

Normalerweise erweckte man nicht leicht das Interesse des Großmeisters des Bösen, geschweige denn eine so innige und langandauernde Faszination. Für gewöhnlich hatte er zuallererst nur Abfälligkeit und Spott für alles und jeden übrig, allenfalls gelangweilte Gleichgütigkeit. Die einzigen Dinge, die ihn entfachen konnten, die brennende Wünsche in ihm zu wecken vermochten, waren sein Drang nach Macht und seine hasserfüllten Rachegelüste.

Als Ayasha zu ihm gekommen war, nachdem alle drei Gilden ihn offiziell anerkannt hatten, hatte er ihr ebenfalls zunächst keine große Aufmerksamkeit gezollt. Er hatte ihr gegeben, worum sie so offensichtlich gebettelt hatte und sie für schön und begehrenswert erklärt, weiter nichts. Dann hörte sie nicht mehr auf, zu kommen.

Immer wieder fand er sie auf ihn wartend vor und keine ihrer verlebten Stunden glich der anderen. Doch mehr noch als alles, was sie ihm körperlich zu bieten hatte, interessierte ihn schon bald ihre Einstellung zu Macht. Sie liebte ihre Schönheit, ihr gottgleiches Aussehen und sie war stolz auf ihre Verführungskünste. Sie war bedacht auf die Würde ihrer Gilde und erfreute sich an der Rivalität zum Kalten Feuer. Doch über all dem hing das Verlangen nach Macht, für die sie alles zu tun im Stande war. Macht war ihr Führer und Gott, ihr Ideal und Ziel. Und dabei war sie bereits von ungeheuren Kräften erfüllt, war sie doch eine der machtvollsten Personen des Südens und wohl auch der Welt. Sie war so viel stärker als Ganondorf es gewesen war, bevor er in den Besitz des Kraftfragmentes gekommen war und gab sich dennoch immer noch nicht zufrieden. Das hatte den Großmeister an sich selbst erinnert.

Überhaupt ähnelte ihr Bestreben dem seinen und selbst ihrer beiden Vorgehensweisen waren sich nicht unähnlich: Beide hatten sie unter früheren Herrschern eine Maske getragen, die nur den Regenten galt. Jeder sonst hatte gewusst oder geahnt, was sie für Menschen waren. Und beide hatten sie diese Maske bereitwillig und gewaltsam abgelegt.

Der Grund für ihr ständiges Kommen war selbstredend das Fragment des Triforce, das hatte sie niemals bestritten. Sie hatte ihm zwar versichert, dass er als Mann ebenfalls unglaublich befriedigend war, ihm gleichzeitig jedoch klar gemacht, dass eine Magierin des Verführerischen Feuers sich niemals für längere Zeit mit nur einem Liebhaber zufrieden geben würde.

„Wäret Ihr nicht einer jener drei Träger der machtvollsten Energiequelle der Welt, so wäret Ihr bereits langweilig für mich geworden.“, hatte sie ihm ins Gesicht gesagt.

Zuerst hatte er nicht gewusst, ob er sie wegen dieser Unverschämtheit töten sollte oder sie auf Grund ihres Mutes und ihrer Unerschrockenheit am Leben lassen sollte. Am Ende war es darauf hinausgelaufen, dass sie wieder miteinander schliefen.

Allzu bald gewöhnte er sich daran, freute sich gar auf die lustvollen Stunden, wünschte sich, dass die Zeit schneller verging. Er war es nicht gewöhnt von etwas abhängig zu sein, doch als regelrechte Abhängigkeit musste er Ayasha mittlerweile ansehen. Keine anderen Frauen erregten ihn mehr. Doch das war nicht weiter schlimm, da er auch kein Interesse mehr an anderen Weibern hegte. Er wollte nur noch Ayasha, wollte, dass sie ihm ins Ohr flüsterte, wie sehr sie seine Macht vergötterte und wie erregend sie seinen Hass fand.

Oh ja, sie hatte schnell den Hass als seine verborgene Leidenschaft erkannt und ebenfalls ausgemacht, dass er mit seiner Hilfe seine Macht weiter steigern konnte. Bewundernd hatte sie sich ihm zu Füßen geworfen und versichert, dass kein Mann sie in keiner Weise so befriedigen konnte wie er. Ganondorf hatte es gerne gehört. Nicht eines übersteigerten Selbstwertgefühls wegen, sondern weil sie ihn verstand und durchschaute wie kein anderer, war sie ihm doch so ähnlich. Er wollte sie. Wann immer seine Gedanken zu ihr abdrifteten, verspürte er das Verlangen sie zu spüren und zu schmecken, ihre Stimme zu hören, ihre Macht zu fühlen…

Es war nicht so, dass er in die Gildenführerin verliebt gewesen wäre. Liebe war eine Emotion, die zärtliche Gefühle voraussetze und solcherlei Empfindungen hegte der Großmeister des Bösen nicht. Er begehrte sie schlicht. Doch war der Grad dieser Begierde erschreckend, so etwas war ihm noch nie widerfahren. Noch immer galt sein Hauptaugenmerk der Eroberung Hyrules und der Gewinnung der restlichen Fragmente, sowie seiner anschließenden Herrschaft. Doch immer stärke malte er sich die Zukunft seines Reiches aus, und ein ums andere Mal war Ayasha an seiner Seite. Sie war kaum noch wegzudenken.

Doch natürlich war Ganon nicht dumm. Er kannte die Geschichten um jene schönste und gewaltigste Frau der Welt. Jeden konnte sie glauben machen, ihre Gefühle seien echt, scheinbar selbst ihn. Noch war der letzte Schritt zur vollkommenen Abhängigkeit nicht getan, noch hatte sich der Großmeister, berechnend, wie er nach den zwanzig Jahren der Verbannung geworden war, eine Fluchtmöglichkeit offen gelassen. Noch konnte er sie töten. Und er würde sie töten, sollte sie irgendwann etwas tun oder sagen, was seinen Argwohn erwecken würde. Es würde der Zeitpunkt kommen, an dem er sie testen würde. Wie, das wusste er noch nicht, doch sollte die Aufgabe unumstößlich zeigen, dass sie ihm verfallen war, wie er ihr. Oder eben nicht.



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