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The Nightmare before Halloween

The Nightmare before Christmas Ⅲ
von

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Showdown am Spiralberg

Jack…
 

Jack…!
 

„Jaaaaack!“

„Sally?!“ Ehe er reagieren konnte, flog sie ihm schon in die Arme. Blitzartig schoss der Drang durch seine Knochen, von ihr Abstand zu halten, um sie nicht zu verletzen, doch Sally ließ es einfach nicht zu… Und dann erwiderte er ihre Umarmung ganz fest. „Wo sind wir?“, fragte er.

„Auf dem Spiralberg. Zuhause“, wisperte sie gegen seinen gestreiften Frack.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“

„Das tut es… Dank dir!“

Verwundert löste er sich von ihr. In ihrer Faust klemmte ein kleiner Zettel.

„Du hast etwas auf die Rückseite geschrieben. Leider kann ich deine altmodische Schrift nicht lesen…“

Die Erinnerung an die Audienz im Zwielicht wurde ihm gegenwärtig. „Vielleicht ist es besser so.“

„Willst du mir nicht sagen, was du geschrieben hast?“

„Es war nichts Wichtiges.“

„Jack… Alles, was dich betrifft, ist für mich wichtig.“

Ihm war fürchterlich elend zumute. Wie sollte er ihr bloß beibringen, was er herausgefunden hatte? „Sally… Also, wegen diesen schrecklichen Flügeln und so…“

„Schhhh… Jack“, hauchte sie und lächelte zuversichtlich. „Spürst du es nicht, Geliebter mein?
 

Ich lass’ Dich niemals mehr allein

Fürchtest Du Dich auch vor der Kraft
 

Die Teil von Dir ist

Bleib’ so, wie Du bist

Nichts ändert sich

Du bleibst ein Freund für mich

Und weißt: Ich liebe Dich“
 

("Sallys Lied – Reprise")
 

Erneut lehnte sie sich an ihn und schloss die Augen. „Ganz gleich, was mit deinen Flügeln ist… Du wirst lernen, damit umzugehen. Niemand kann immer nur angenehme Erfahrungen machen. Deshalb muss man sich angewöhnen, auch in den nicht so schönen etwas Positives zu finden.“

Er grinste. „Wie dich demnächst zu einem kleinen Ausflug über Halloween-Land einzuladen?“

Überrascht blinzelte sie zu ihm hinauf. Der Mond schien hell in dieser Nacht, tauchte Jacks eine Seite in funkelndes Licht.

„"Ich dich auch".“

„Was?“

„Das habe ich auf die Rückseite des Zettels geschrieben.“

Eine der langen, schmalen Hände des Skeletts hatte sich auf ihren Rücken geschlichen und bat sie nun mit sachtem Druck in seine Richtung. Sally wusste, was gleich kommen würde, und erkannte just, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte. Entgegen dem strikten Rat aus ihren vielen Romanen schloss sie die Augen nicht – sie musste Jack bis zuletzt ansehen. In jenem flüchtigen Moment, in dem sie, würden sie nun leben, bereits seinen ruhigen Atem auf ihrem Mund spüren gekonnt hätte, fielen sie ihr allerdings doch zu.

In dieser Sekunde ertönte ein dreistimmiges Gelächter. „Wir haben ihn! Wir haben ihn! Den Bürgerchef von Halloween!“, sangen Furcht, Angst und Schrecken, die neben ihrer mobilen Badewanne mit dem fest verschnürten Bürgermeister darin auf den Fuß des Hügels zumarschierten! Unvollendeter Tat drückte Jack Sally hinter sich und bereitete den Seelenfänger vor, welchen er noch am Handgelenk trug. Von irgendwoher schwirrte Zero an seine Seite und kläffte beherzt gegen die frechen Kinder. Doch auch die waren nicht allein: Ein fieses Lachen schallte über die Steppe! „Jaaahaaaack! Hier bin ich wieder! Hast du echt geglaubt, ich sei dein Freund? Wie naiv! Wie lächerlich! Du kennst den Oogie wirklich sehr, sehr schlecht!“ Aus einem Schatten tanzte die voluminöse Gestalt des Käferkönigs. „Das war alles bloß ein Bluff, um hinter das Geheimnis deiner plötzlich aufgetretenen Veränderung zu kommen!“

„Wie oft denn noch, Oogie?“, stöhnte Jack grimmig, aber gefasst vom Spiralberg hinab. „Ich habe dich bis heute in jeder unserer Begegnungen geschlagen und werde stets mächtiger, während du immer dieselbe arme Kreatur bleibst. Weshalb wähnst du trotzdem, mich besiegen zu können?“

„Nuuuuun, mein lieber Nicht-Freund: Diesmal spielen wir mit leicht gelockerten Regeln! Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die ermutigenden Worte unserer verehrten Königin mit dem so schwierig zu merkenden Namen! Sie verriet mir die eine Methode, mittels der ich mir deine dämonischen Kräfte untertan machen kann! Und schmerzhaft – ja: Richtig qualvoll soll sie sein! Klingt das nicht furchtbar guuuut, Jackilein? Hehehehe! Das ist genau das, was der Oogie mag, ja ja!“

Und wenn das Gerippe nur wüsste, dass Oogie Boogie nicht sein einziges Problem bleiben würde…
 

In der Stadt war derzeit die Hölle los. Dem Galgenbaum mit seinen fünf Gehängten war es zuerst aufgefallen: Wo war der Bürgermeister? Seit geraumer Zeit schon hatte ihn niemand mehr zu Gesicht bekommen. In Windeseile hatte das Gerücht die Runde gemacht: Harlekin-Dämon in der Tonne hatte die Gehängten belauscht und es Werwolf zugezischt, welcher es gleich auf dem ganzen Marktplatz herumgejault hatte. Inzwischen trotteten, krochen und flatterten alle Anwohner wild umher auf der Suche nach ihrem Oberhaupt – außer Dr. Finkelstein, der sich lediglich darüber beschwerte, dass Sally ihm heute keine einzige Mahlzeit zubereitet hatte, und anschließend zurück in seinen Turm gefahren war. Nachdem ihnen dann klar wurde, dass von Zero ebenfalls jede Spur fehlte und der Spiralberg – jene Richtung, in welche sie Jack Skellington entkommen gelassen hatten – der letzte Ort war, den sie noch nicht abgesucht hatten, wurde der Verdacht nahezu greifbar: „Sind die drei etwa ausgezogen“, fasste Mr. Hyde ihn behutsam in Worte, „um Jack Skellington zu finden?“

„Sie waren schon immer eng befreundet!“, ergänzte der Mr. Hyde unter Mr. Hydes Kopfbedeckung.

„Denkt darüber nach!“, fügte der kleinste Mr. Hyde ganz oben hinzu.

„Aber das würde sie ja…!“, entsetzte sich die ältere Hexe.

„…zu Verrätern machen!“, beendete die jüngere die schockierende Vermutung.

Der zweitälteste Vampir hob ermahnend seinen spitzen Finger. „Unerhört~! Wenn dem so ist, sollten wir sie zur Rechenschaft ziehen~!“

„Ohh ja~!“, pflichtete ihm der zweitjüngste Blutsauger bei. „Strafe muss sein~!“

„Ihr wollt sie bestrafen?“, hakte Kinderleiche nach.

„Sie bestrafen, au ja! Niemand hintergeht unsere Stadt!“

„Sie werden sich zu Untode erschrecken!“

„Das klingt furchtbar!“

„Und wie! Holen wir sie uns!“

Und so schwärmten sie plötzlich in einer einzigen, dichten Schar aus. Sie hoben das Eisentor zum Friedhof an, ohne darauf zu warten, dass der Clown mit dem Abreißgesicht den Schlüssel aushändigte, und krabbelten darunter durch, flogen darüber hinweg, sich durch ihr Gebrüll immer weiter aufwiegelnd. Bis zum Spiralberg war es nicht weit.
 

„Mmmmmpfff! M-hm! M-hm! M-hmmm!“

„Was murmelst du, Fettsack?“

„Kein Wort verstanden!“

„Sorry!“

Die Dreierbande kicherte. Jack hätte dem beidseitig geknebelten Bürgermeister gerne geholfen, lief in dem Fall jedoch Gefahr, dass Sally etwas zustieß, denn Oogie beobachtete sie bereits angriffslustig. „Wie kannst du nur so gemein sein?!“, warf er diesem vor und ärgerte sich, auf seinen Trick hereingefallen zu sein.

„Wie kannst du nur so dumm sein und mir tatsächlich glauben?“, konterte Oogie vergnügt.

„Zero! Sally! Ich kümmere mich um ihn! Versucht dem Bürgermeister zu helfen!“

„Halt, Jack! Ich bin nicht der Einzige, der auf ein nettes Tänzchen mit dir versessen ist! Guck mal hier! Kommt sie dir bekannt voooor?“

Jack traute seinen Augenhöhlen nicht: Neben seinem Erzrivalen erschien wie aus dem Nichts eine zerbrechlich anmutende Gestalt, gekleidet in ein langes, bleiches Gewand, mit bläulichem Haar und sehnsuchtsvollen Augen. Es war Königin Amelia Mitternacht von Zwielicht!

„Warum steht Ihr auf seiner Seite?!“, wollte das Skelett fassungslos wissen.

„Nun… Sir Boogie“, erklang ihre eisige Stimme, „versprach mir einen Teil seines Gewinnes, sollte er triumphieren.“

„Ihr wollt ein Stück von Halloween-Land haben?“, fragte er verblüfft.

Oogie musste lachen. „Nein, Jack… Sie will dich!“

Ein schüchternes Schmunzeln schlich sich bei diesen Worten auf die Lippen der Königin.

„Ich hab’ dir doch gesagt, sie mag Halloween!“, amüsierte sich der Sack, bevor er sich an seine neue Gefährtin richtete. „Zeig uns deine Show, Liebes… Hahahaha!
 

Sieh mal, wer traut sich hervor?

Jack Skellington – ohhh, ich sterbe vor Angst!

Jetzt bist Du Dir Deines Sieges nicht mehr so sicher, hä? Haha!
 

Wie komisch, wie komisch

Er sitzt jetzt tief im Dreck

Was will er tun, schnapp’ ich mir nun

Den Kürbiskönig Jack?

Ich krieg’ seine Kräfte

Dank dieser tollen Frau

Bald bin ich König Oogie

Und das weißt Du ganz genau – he!
 

Wenn der Oogie Boogie sagt:

Halt’ still, dann tut’s kaum weh

Dann solltest Du es tun, wenn ich

Gewinnend vor Dir steh’

Und kniest Du auf den Vieren

Um Gnade zu erfleh’n

Was soll’s? Ich werd’ sie extrahier’n

Zuvor darfst Du nicht geh’n
 

Wohhoo

Wohhoo

Wohhoo!
 

Die Macht, bald ist sie mein!“
 

Jack attackierte Oogie mit dem Seelenfänger, doch der prallte ab, lange bevor er sein Ziel erreichen konnte, als wäre in der Luft ein unsichtbarer Schutz um seinen Feind. Tatsächlich nahm Jack die Gesten von Königin Amelia wahr, die darauf hindeuteten, dass die Frau aus dem Zwielicht gerade irgendeine Art von Magie wirkte. Sie riss ihren Arm nach hinten und genau so, als hätte sie dabei das andere Ende des Seelenfängers zwischen ihren Fingern gehabt, zog sie diesen zu sich hin! Jack warf es fast von den Beinen. Zwar vermochte er sein Gleichgewicht wieder herzustellen, doch der Seelenfänger war von seinem Arm geflutscht und landete zwischen ihnen auf dem kargen Boden.

Sofort streckte Amelia ihre Hände aus, ihm entgegen, und als ob das dafür verantwortlich wäre, wurde Jack unvermittelt ganz kalt zwischen den Rippen. Zorn stieg abrupt in ihm auf, ohne dass er erklären könnte, woher.

Vorfreudig rieb Oogie seine Zipfel aneinander, während er verfolgte, wie die Flügel aus dem Körper seines Gegenspielers wuchsen, wie dieser seine Klauen spreizte. Genau darauf hatte er hingefiebert: Jacks Verwandlung!
 

„Oh Junge, wie mächtig

Jetzt ist er ganz ein Tier

Ach, seht nur: Diese Flügel!

Und bald gehör’n sie mir

Oh, Krallen wie Messer

Ich hol’ sie mir, und schon

Bin ich nicht zu besiegen

Und schnips’ den Jack vom Thron…“
 

Während der Dämon unkontrolliert auf die Königin losging, jagte Zero gerade noch Schrecken fort, und Sally konnte den Bürgermeister befreien. Der starrte mit offenem Mund zur geflügelten Kreatur empor. „Jetzt geht das schon wieder los…“

„Keine Sorge! Jack weiß genau, was er tut!“, wollte Sally ihn überzeugen, während eben der, dessen Geistesgegenwart sie gerade so leidenschaftlich verteidigte, schier besinnungslos auf den unsichtbaren Schild einschlug, welchen die Herrscherin des Zwielichts um sich und Oogie Boogie errichtet hatte.

„Das sieht mir aber ganz und gar nicht danach aus!“, erwiderte der Bürgermeister hoffnungslos.

Auch sie hob nun den Blick und faltete ihre Finger wie zum Gebet, wenn sie auch an niemanden inniger glaubte als an ihren liebsten Freund.

Da schüttelte der kegelförmige Zwerg an ihrer Seite ihren weichen Arm durch und machte sie auf etwas anderes aufmerksam: „Oh, schau nur! Die machen aber keinen sehr fröhlichen Eindruck!“

Eine Horde von Monstern steuerte direkt auf sie zu!

„Das sind unsere Freunde aus Halloween Town!“, klagte deren Vertreter weiter. „Aber warum sehen die alle bloß so böse aus? Wollen die uns erschrecken?“

„Sie werden gemerkt haben, dass wir Jack helfen wollen…“

„Oh, wirklich?! Denkst du, sie werden uns angreifen?!“

„Ich möchte es ungern herausfinden!“

Just wurde sich auch Jack der herannahenden Bedrohung gewahr. Er riss den Schädel herum, um sie ins Visier zu nehmen, doch diese Ablenkung sollte ihm zum Verhängnis werden: Königin Amelia nutzte die Chance und sprach einen Bann aus, der es dem Dämonen unmöglich machte, auch nur eine Kralle zu bewegen! Wie erstarrt hing er in der Luft.

Oogie stieß ein tiefes Lachen aus.

Seine Kameradin gestikulierte verzaubernd, als wären ihre Hände Blätter im Wind und jeder Finger daran ein solistischer Tänzer. Daraufhin erstrahlten grell Ketten an den Gliedmaßen ihres Gefangenen, der einen Laut von sich gab, jenseits des Unmenschlichen. Seine Schwingen spannten sich weit über die Bürger hinweg, die staunend stoppten, um das Schauspiel beobachten zu können.

„Jaaaaack!“, rief Sally. Hilflos musste sie zusehen, wie er unter dieser Extraktion, von der Oogie Boogie gesprochen hatte, litt.

Der freute sich natürlich riesig, als er anfing zu spüren, wie die Kräfte allmählich in seinen plumpen Leib flossen. „Woooaaah! Mach schnell, meine Königin! Ich will seine Macht endlich vollständig mein Eigen nennen dürfen, hähähähä!“

Amelias meist glattes Antlitz wurde von Verdruss überschattet, ehe sie mit einer winzigen, kaum auffälligen Regung dafür sorgte, dass dem wehrlosen Skelett dessen linker Flügel förmlich ausgerissen wurde!

Sally schlug sich geschockt die Hände vor den Mund und hatte das Gefühl, seinen unerträglichen Schmerz zu teilen. Das mit zerrissener Haut bespannte Flügelgerüst krachte mitten in die Monstermenge. Dem Clown flog das Gesicht aus dem Kopf, den Hexen blies es die Hüte weg, aber niemand wurde so schwer versehrt, dass er sich nicht wieder zusammenbasteln konnte.
 

Noch immer hing Jack in der Luft. Schwach wie er nun war, hätte sich seine dämonische Form zurückziehen müssen, doch der Bann schien es ihr nicht zu erlauben.

„Den anderen ebenfalls, Sir Boogie?“, fragte die Königin nüchtern.

"Sir Boogie" musste sich auch erst einmal von seiner Überrumpelung erholen. „Hö? Ähhh… Ja, warum nicht?“

Da hielt Sally es nicht länger aus: Mit einer gehörigen Portion Wut in den sonst so traurigen Augen stapfte sie auf die andere Frau zu, welche ihr gefährlich wenig Beachtung geschenkt hatte, und warf sich auf sie! Sofort schwand der Bann, und Jack drohte zu fallen. Der Bürgermeister breitete seine Arme aus. „Ich fange dich, Jaaack!“

Das tat er tatsächlich; nur landete das Gerippe nicht auf seinen Armen, sondern unmittelbar auf ihm drauf! Trotzdem drehte sich das frohe Gesicht des Bürgermeisters nach vorne, denn sein alter Freund hatte sich zurückverwandelt und kam wieder zu sich. Allerdings wechselte es sofort wieder, denn die grollenden Bewohner von Halloween Town hatten sie eingekreist!

„Wir hatten Recht!“, näselte die einäugige Mumie. „Sie sind hier, um Jack zu helfen!“

„Wartet! Ich kann das erklären!“, entgegnete ihr Oberhaupt schnell.

„Nein!“ Jack stellte sich vor ihn. „Ich werde es euch erklären!“

„Wir hören dir aber nicht zu!“, knurrte Werwolf.

„Dann lasst es mich erklären, aber bitte tut uns nichts!“, wollte der Bürgermeister sie umstimmen.

„Sie haben gegen unsere gemeinsame Entscheidung gehandelt – ganz heimlich!“, warf Leichenvater ihm vor. „Wie sollen wir Ihnen noch glauben?“

„Jack Skellington ist eine Gefahr für unsere Stadt!“, erinnerte Harlekin-Dämon ihn. „Und Sie führen ihn zu uns zurück!“

„Verräter!“, quietschte Fledergraus.

„Ihr werdet beide bestraft!“

„Und die Puppe und der Kläffer auch!“

„HAAAAAALT! Dann bitte eben ich um eure geschätzte Aufmerksamkeit!“ Wie auf Kommando drehten sich alle Richtung Oogie Boogie, dessen Mund ein diabolisches Grinsen bildete. „Denn vorher werde ich erst euch allesamt bestrafen, huähuähuä!“

„Das lasse ich nicht zu!“ Jack versuchte, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, doch seine Beine hielten ihn nicht länger.

Der Bürgermeister fing ihn gerade noch auf. „Sei vernünftig, Junge!“

„Aber irgendjemand muss ihn aufhalten!“

„Zu späähääääät!“ Oogie begann sich zu verändern: Sein Volumen nahm deutlich zu; sein kompletter Körper verfinsterte sich, als würde ein tiefer Schatten über ihn fallen. Allein seine Augenschlitze stachen rot glühend hervor. „Ahhhhh… Ich fühle mich wie neugewoben… Und davor bist du die ganze Zeit geflüchtet, du Kürbiskuchen?“ Als seine Mutation abgeschlossen war, war er ungefähr doppelt so groß wie vorher, vielleicht noch etwas größer. Einen seiner Zipfel, aus denen nun jeweils zwei Klauen wie die Schere eines Krebses ragten, streckte er nach den beiden Frauen aus, die noch immer miteinander rangen. Um Amelias Haar schloss er sie und zog sie in die Höhe.

„Was hat Er vor?!“

„Du faselst mir zu viel“, antwortete Oogie nur.

Die Königin des Zwielichts löste sich auf und entstand an einem Platz außerhalb seiner Reichweite neu. „Nun hat Er bekommen, was Er wollte. Gebe Er nun mir, wonach ich verlange.“
 

Jack eilte strauchelnd zu Sally (dabei nahm er den Seelenfänger an sich) und half ihr auf. „Danke sehr, Sally. Bring dich jetzt in Sicherheit.“

„Was hast du vor?“, fragte sie, bereits eine grauenhafte Ahnung hegend.

„Ich bringe die Sache zu Ende“, bestätigte er eben die.

„Nein! Du bist doch völlig fertig! Was willst du in deinem Zustand gegen ihn ausrichten?“

„Feuer muss man mit Feuer bekämpfen.“

„Er hat dir die Hälfte deiner Macht geraubt!“

„Er hat mir die Hälfte der Macht geraubt, die mich kontrollierte, ja. Aber meine andere Macht – die, die ich schon seit Langem besitze – die hat er nicht.“

„Ich verstehe nicht…“

„Die Freundschaft, Sally! Nur durch sie ist es mir gelungen, so weit zu kommen! Nun weiß ich, dass ich einen großen Fehler begangen habe – auch wenn es nicht mein erster war, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich dachte immer, dieses Dämonische in mir könne nur Schaden anrichten, es müsse böse sein, dabei habe ich nie all die Vorteile daran bedacht! Wenn ich mir fest vor Augen halte, was für mich zählt – nämlich Halloween Town, meine Freunde und auch – nein – besonders du, Sally – dann helfen mir diese Flügel und diese scharfen Krallen, euch zu beschützen! Warst du es nicht, die gesagt hat, die Kraft sei ein Teil von mir?“

Königin Amelia, die den beiden aufmerksam lauschte, weitete ihre Augen.

„Das war doch bloß so dahergeredet…“

„Nein, das war mehr. Und nun werde ich es dir beweisen!“

„Jack! Nicht!“ Sie haschte nach seinem überlangen Arm, woraufhin er sich noch einmal umdrehte und ihr tief in die Augen blickte. In den seinen machte sie eine merkwürdige Entschlossenheit aus – der Wille, für sie alle zu kämpfen, was es auch kosten würde.

„Sieh mich bitte nicht so an, Sally. Meinst du denn nicht, dass es als Kürbiskönig meine Pflicht ist?“

„Das ist nur ein Titel, Jack! Die Leute gaben ihn dir, damit du genau das tust, was du jetzt gerade vorhast: Sie unter Einsatz deines eigenen Lebens zu schützen, während sie… nur dastehen!“

„Selbst wenn es so wäre… Selbst wenn sie mich hiernach zurück ins Exil schicken… Selbst dann bin ich überzeugt, dass ich das Richtige tue.“

Sie festigte den Griff um sein Handgelenk. „Wieso hörst du nie auf mich? Es wäre nicht das erste Mal, dass dich deine Ignoranz in große Schwierigkeiten bringt – erinnere dich! Muss ich erst laut werden, damit du mir endlich einmal zuhörst?“

Er grinste. „Dann werde laut. Du siehst niedlich aus, wenn du böse bist. Schrei mich ruhig an – Hauptsache, du tust es nicht zu weit entfernt von mir.“

Sally war beschämt. Seinem typischen treuherzigen Blick hielt sie nicht länger stand.

„Erinnerst du dich an das Dimensionstor zur Welt des Zwielichts?“, fragte er sie. „Du bist mir gefolgt, obwohl du nicht wusstest, was auf dich zukommt. Die Schmerzen müssen schlimm gewesen sein – auch ich habe sie gespürt. Und doch hast du nicht aufgegeben. Du hättest dabei sterben können; dennoch bist du nicht umgekehrt, nur wegen mir! Und ich? Darf ich jetzt nicht mein Leben auf dieses niederträchtige Spiel setzen, um dich zu retten?“

„Ich habe es ja nur geschafft, weil du mir geholfen hast…“

„Und so werde auch ich es nur schaffen, wenn du mir hilfst!“ Liebevoll umschloss er ihre Hand und platzierte sie auf seinen Brustkorb. „Sally… Mir ist wohl bewusst, dass ich kein Mensch bin und deshalb kein Herz besitze. Aber hier drinnen schlägt etwas… und es gehört dir allein.“

Die Angebetete des Kürbiskönigs war überrumpelt. Er hörte sich nicht so an, als wollte er sie bloß beruhigen. Nein: Jedes Wort war ernst gemeint.

„Wie reeeeizend…“ Plötzlich tauchte Dämonen-Oogies schattige Fratze über ihnen auf. „Steht euch in Augenblicken wie diesem der Sinn auch immer nach einem…“ – damit ließ er sich auf sie fallen! – „…WALZER?!“

Doch mitten in seinem Sturz gefror er abrupt.

„Oogie!“, dröhnte Königin Amelias Stimme stocksauer. „Hat Er mir nicht versichert, dass der König von Halloween ungebunden ist?! Er weiß unmissverständlich, dass ich keine vorhandene Liebe zerbrechen werde! Er hat gelogen! Und dafür wird Er büßen!“

Jack meinte, Tränen in ihren zornigen Augen schimmern zu sehen, und fragte sich mitfühlend, was ihr wohl widerfahren war, bevor sie Herrscherin über das Zwielicht wurde. Dass Sallys und sein Glück dem ihren gewissermaßen im Weg stand, erweckte in ihm eine nagende Empfindung von Schuld.

Oogie brüllte, während Amelia ihre erhobenen Hände langsam zu Fäusten ballte, als würde sie seinen hünenhaften Leib mittels dieser Geste auswringen wie einen nassen Lappen. Leider war sie lediglich darauf aus, sich an ihm zu rächen anstatt ihn dingfest zu machen, und so ließ sie ihren Bann wie Oogie fallen, ehe sie sich schluchzend in Luft auflöste – dieses Mal ohne ein paar Schritte weiter wieder zu erscheinen.

Halloween Towns ärgster Feind rappelte sich ächzend auf. „I-ist sie weg? Jetzt krieg’ ich den anderen… Flügel nicht mehr… Egal. Dann muss einer eben genügen. Kommen wir endlich zur Sache, Jack!“

Eben der schob seine Geliebte von sich. „Keine Panik. Jetzt bin ich voll und ganz für dich da.“

„Uuuuuuuuh… Ich hab’ sooolche Aaaaaangst!“

Jack konzentrierte sich. Bisher hatte er sich nie in diese dämonische Form verwandelt, weil er es wollte; andauernd war sie über ihn gekommen und wieder verschwunden, ohne dass sein Bewusstsein über irgendein Mitspracherecht verfügte. Doch dieses Mal sollte es anders sein. Los… Los…! Er umklammerte die eigenen Arme.

Seine Herzensdame hoffte angespannt mit ihm, vom Grabstein aus, hinter welchem sie dürftigen Schutz gefunden hatte. Zero und der Bürgermeister lenkten währenddessen mehr oder weniger freiwillig das tobende Volk ab, indem sie, in einem Kreis laufend, vor diesem flüchteten.

Oogie geduldete sich nicht länger: Mit einer seiner halb von Leinen überzogenen Scheren holte er aus und schlug zu, doch gerade rechtzeitig entfesselte Jack jenen bösen Geist, der vor langer Zeit ziellos durch das Zwielicht gewandert war, und selbst der linke, zuvor abgetrennte Flügel stieg neben dem Zwilling aus seinem Rücken neu empor. Seine Hände wurden schwerer aufgrund der zu Krallen verlängerten Finger; er spürte einige scharfe Zähne seinen Unterkiefer erreichen. Energie strömte durch seine Knochen, wie es sehr viel früher einmal Adrenalin durch seine Venen getan hatte, und ein bedeutender Unterschied zu jeglichen vorherigen Verwandlungen war festzustellen: Er hatte sich vollkommen unter Kontrolle. Mit einer Schwinge wehrte er Oogies Angriff ab.

Der gab sich wenig beeindruckt:
 

„Woooooh!
 

Es macht mir Riesenspaß

Wenn ich den Dämon’ aus Dir treib’“

„Du gibst Dein Bestes hier und weißt

Dass ich der König bleib’

Ich nutze meine Kräfte

Um Dich wieder einzusperr’n“

„Eh’ das passiert, mein Bester

Kannst Du Deine Knochen kehr’n“
 

Sobald er flog, vermochte Oogie ihn nicht zu erreichen. Zwar stellte sich heraus, dass auch dem Herrn des Ungeziefers Flügel gewachsen waren, doch die waren so verkümmert und mickrig, dass sie Jack – wenn er nicht zufällig einen Blick auf seinen Rücken geworfen hätte – nicht einmal aufgefallen wären. Als er allerdings den Seelenfänger gen Oogie schleuderte, erwischte dieser die Waffe und zog den Dämonen an ihr mit einem Ruck zu sich. Jack hatte Mühe, den flotten Hieben, die darauf folgten, auszuweichen. Bei der ersten Gelegenheit machte er einen Satz zurück und stieß dabei gegen den Metallzaun, der den Friedhof um den Spiralberg einfasste. Einen der spitzen Stäbe davon hackte er ab, spannte den Seelenfänger zwischen seinen rechten Arm sowie einen nach vorne gerichteten Flügel und legte den Stab darauf. Seine linke Hand zog diesen samt dem Seelenfänger weit zurück – dann ließ er los, und der improvisierte Pfeil stieß ein Loch durch den großen Sack, aus dem gleich ein paar Käfer hüpften! Jaulend bedeckte Oogie das Leck mit einer Schere, rang sich dann aber ein Grinsen ab.
 

„Wie ulkig, dass Du Dir

So siegessicher bist“

„Ja, endlich bin ich wieder da

Hast Du mich nicht vermisst?“

„Gewiss, wie ich das habe

Doch die Freude wird kurz sein

Denn Dich, Du Küchenschabe

Haut der Oogie… Boogie… ganz klein…

Uhahahahahahaaa!“
 

("Das Oogie Boogie-Lied")
 

Doch dazu kam es nicht. Stück für Stück hatte Jack die Oberhand gewonnen. Bald pfiff sein Widersacher aus der letzten Naht.

„Na, Oogie? Man sollte nicht mit Dingen spielen, die einem verboten wurden!“

„Wir“, schnaufte er, „müssen unseren Kampf kurz unterbrechen…“

„Was? Brauchst du eine Werbepause?“, spottete Jack.

„Nein… Muss nur mal kurz… Luft holen!“ Bei dem hämischen Ausdruck in Oogies Visage schwante ihm Übles. Und in der Tat: Der riesige Kartoffelsack öffnete seinen Mund und begann, alles einzusaugen! Kieselsteine schienen wie von selbst in sein Maul zu springen, Herbstblätter wirbelten wild auf ihn zu! Selbst die Bewohner von Halloween Town, die überrascht stehen geblieben waren, konnten sich kaum auf den Füßen halten! Zwei, drei Grabsteine rissen aus dem Boden, verschwanden in der finsteren Öffnung. Und damit nicht genug: Genau dort, bemerkte Jack, formte sich nun eine Kugel aus purer böser Energie, immer größer, immer stärker werdend! Ihm war entsetzlich klar, was passieren würde. Oogie wandte sich langsam seinen versammelten Freunden zu. Instinktiv, ohne eine Sekunde an vernünftige Überlegungen zu verschwenden, stieß Jack sich schreiend vom Grund und lief dazwischen, gerade als ein zischender, schwarzer Strahl aus Oogies Schlund schoss. Jene, die dieser hätte treffen sollen, zuckten schockiert zusammen. Doch der Angriff erfasste sie nicht.

Sally kniff die Augen zusammen und krümmte sich. „Jaaaaaaaaaack!“

All die Kreaturen, die er soeben beschützt hatte, beinahe ohne dass sie es mitbekommen hatten, teilten ihr Elend. Kinderleiche fiel zuerst aus der Starre und heulte markerschütternd. Werwolf jaulte zum Mond. Schlagartig verstanden sie, was sie angerichtet hatten, wie sehr ihre Wut ausgeartet war. Plötzlich erinnerten sie sich an ihn – an ihren Jack, den Herrn von Halloween, den Meister des Spuks, den singenden, tanzenden, fröhlichen und schrecklichen Jack Skellington, ihren Freund.

Doch es war zu spät. Sie hatten ihn verloren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2014-03-30T18:13:55+00:00 30.03.2014 20:13
~ Kommentarfieber ~

Der Titel klingt so spannend, da kann man doch nicht anders, als sofort weiterlesen.
Mich erinnert die Schar der Bewohner sehr an Die Schöne und das Biest, als Gaston alle anführt, um das Biest im Schloß anzugreifen.

Ein sehr dramatisches Ende in diesem Teil. Mir gefällt, wie du die Königin dargestellt hast. Den ersten Hinweis hatte man ja bereits im letzten Kapitel bekommen.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von:  Krylia
2008-06-15T16:23:38+00:00 15.06.2008 18:23
Ich hoffe einfach mal, dass das eben das Wesen der Bewohner von Halloween Town ist. Aber trotzdem muss ich jetzt einfach gehässig sein und sagen: Aaach, JETZT erinnern sie sich plötzlich!
Von:  Krylia
2008-06-14T20:49:52+00:00 14.06.2008 22:49
Fieser Cliffhänger. Aber zum Glück ist die FF schon abgeschlossen. Es ist gerade unglaublich spannend!
Von:  Veilchen
2007-12-14T17:23:27+00:00 14.12.2007 18:23
ohhh
ist das traurig
*schluchz*
Von:  Veilchen
2007-12-14T17:15:48+00:00 14.12.2007 18:15
das ist urr spannend....und gut


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