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The Nightmare before Halloween

The Nightmare before Christmas Ⅲ
von

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Jack und Sally

„Jack! Jack! Mr. Oogie lässt dir etwas Interessantes ausrichten!“

„Es geht um die Macht, die du nicht kontrollieren kannst!“

„Er sagt, er habe einen Weg gefunden, wie es dir doch möglich sein wird!“

„Eher einen Weg, der zu diesem Weg führt.“

„Führen könnte.“

„Er war sich nicht sicher, ob es klappt.“

„Willst du hören?“

Von den drei Schreihälsen der Oogie-Bande geweckt, richtete sich Jack auf und rieb sich die Augenhöhlen. „Erzählt“, bat er sie.

„Es gibt da so ein Land…“

„Ein ganz komisches, hihi!“

„Ich erzähle, du Staubfänger!“ Furcht stieß Schrecken zur Seite. „Also… Angeblich gibt es da so eine Welt des… ähh…“

„Zwielichts!“

„Halt die Klappe!“

„Halt sie fester!“

„Hört auf!“, tadelte Angst die beiden schrill.

Sie gerieten in eine handfeste Auseinandersetzung. Jack nutzte die Zeit, um sich umzuschauen. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war das Gastmahl mit Oogie Boogie, der ihm ein Obdach angeboten hatte. Jetzt fand er sich in einem düsteren, sparsam möblierten Zimmer wieder, das überhaupt nicht Oogies chaotischem Stil entsprach (was ihm, um ehrlich zu sein, ziemlich willkommen war). Stattdessen schmückte den Raum ein schräg-schauriger Halloween-Flair, wie er es von Zuhause kannte: Schiefe Schränke, Spinnennetze in den Ecken, ein splitterndes Holzparkett sowie ein großes, schwarz bezogenes Himmelbett, das noch dazu sehr gemütlich war, wie er bereits hatte feststellen dürfen. Wäre da nicht dieser dicke Leuchtkäfer an der Zimmerdecke, welcher der schummerigen Beleuchtung diente, hätte er glatt gemeint, im Hotel Transsilvanien genächtigt zu haben!

Die drei Streithähne waren immer noch dabei, einander zu beschimpfen und sich mit allem, was sie noch in den Taschen gebunkert hatten, zu bewerfen. Sie hörten nicht einmal auf, als einer von Oogies Dienern eintrat und sie an ihren Kragen in die Höhe lüftete. Unberührt ließ er sie weiterzanken und richtete sich an den Gast: „Master Oogie erwartet Sie bereits im Salon. Er hat ein wichtiges Anliegen mit Ihnen zu besprechen, betonte aber auch, dass Sie sich nicht zu sputen brauchen. Nun entschuldigen Sie mich und diese drei Störenfriede bitte.“

Jack war ungeheuer verblüfft. War das wirklich der Oogie Boogie, den er kannte? Das Möchtegern-Gespenst, das Nicki Graus entführt hatte und Herrscher über die sieben Feiertage werden wollte? Wieso war Oogie nur so furchtbar nett zu ihm? Hegte er echtes Mitgefühl oder war es lediglich wieder einer seiner Tricks? Warum aber wollte er ihm dann helfen, diese Kräfte in ihm unter Kontrolle zu bekommen, wenn dies doch bedeutete, dass Jack anschließend ein viel mächtigerer Gegner sein würde?

Er beschloss, die Gastfreundschaft von Oogie mit Vorsicht zu genießen. Doch Intrige hin oder her: Vorerst war er ihm ehrlich dankbar dafür, dass er ihn in seiner Not trotz aller Begegnungen in der Vergangenheit nicht sich selbst überlassen hatte.
 

Als er später den Salon betrat, saß Oogie an seinem Stammplatz am Ende des Tisches. Jack erwies seine Dankbarkeit in Form einer tiefen Verneigung, denn wer wusste schon, ob sich dafür jemals wieder die Gelegenheit ergeben würde?

„Nicht doch, Jack. Setz dich.“

Er tat es. Wieder präsentierten sich auf dem Tisch allerhand Delikatessen, und auch heute wartete neben seinem Teller eine verdeckte Spielkarte darauf, umgedreht zu werden – Jack vermutete, es war dieselbe.

„Hast du schlecht geschlafen?“

„Ja, danke.“

„Das freut mich zu hören. Du musst wissen: Meine drei Handlanger haben sich alle Mühe bei der Zimmerausstattung gegeben. Wir wollen alle nur dein Bestes.“

„Du wolltest mir etwas mitteilen?“

„Oh ja – hätte ich fast vergessen!“

„Worum geht es genau?“

Oogie klatschte in die Zipfelhände, woraufhin erneut einer seiner loyalen Lakaien auftauchte und ihnen das Frühstück servierte. Genüsslich schlang der Leinensack ein paar Würmer hinunter. „Während du so wohlverdient gealpträumt hast, hab’ ich die ganze Nacht lang recherchiert, wie du deine neuen Kräfte zu beherrschen lernen kannst.“

Jack schoss regelrecht von seinem Platz. „Und?! Warst du erfolgreich?!“

„Das kann man so sagen.“

„Was ist es?!“

„Nun bleib mal in deiner Box, du Springteufel… Gut, hör mir zu: Sehr weit weg von hier existiert ein Land, das man "die Welt des Zwielichts" nennt – ein Reich jenseits von Gut und Böse, Leben und Tod… Kreaturen hausen dort, schlimmer noch als in deinem Halloween Town. Man erzählt sich, sie seien farblos wie das Nichts; einzig ihre Augen stellen uns bekannte Formen dar und glühen wie das Feuer der Sonne. Das Land selbst ist wüst und kennt kein Ende. Seine freudlosen Bewohner bewegen sich kaum, und Trübsal in gefestigter Form hängt in der Luft. Flüsse aus Pech, ein Untergrund nur aus Staub und Tränen – das ist das Zwielicht.“

„Aber wie soll mir das helfen?“

„Im Zentrum dieser Welt befindet sich ein Schloss von sagenhaftem Ausmaß. Dort residiert die Herrscherin des Landes, Königin Amelia Helena… ähh… ach, was weiß ich! Amelia… Helena… Mitternacht von Zwielicht die Dreizehnte! So war’s!“

Jack blinzelte irritiert.

„Zurück zu deiner Frage: Angeblich studiert sie seit ihrem tragischen Tod alles über die Mysterien der Zwischenwelten, nachdem sie gecheckt hat, dass der gute, alte Charon an ihrer gottverlassenen Haltestelle wohl niemals einen Stopp einlegen wird. Da ihr Tod mittlerweile schon ein paar Jahrhündertchen her sein dürfte, wirst du mir sicher glauben, dass sie inzwischen recht belesen ist, hehe! Wenn also jemand die Antworten auf deine Fragen kennt, dann sie! Ganz unter uns: Sie feiert unheimlich gerne Halloween.“

„Und wie finde ich dieses Zwielicht?“

„Irgendwo zwischen unserer Welt und der der Menschen.“

Der Blick des Gerippes im Nadelstreifenanzug verschärfte sich. „Genauer, Oogie…“

„Nur keine Panik aufkommen lassen“, entgegnete Oogie rasch, ohne zu definieren, bei wem hier gerade etwas Panik aufkam. „Dein Freund, der Boogie-Mann hier, pflegt glücklicherweise einen guten Draht zur Königin. Es gibt ein Dimensionstor, hier in meinem Reich.“

Das zu erfahren überrumpelte Jack sichtlich. „Ein Dimensionstor? Hier? Aber wieso hast du nie…?“

„Jetzt grübelst du bestimmt darüber, ob du mich nächstes Mal nicht besser woanders unterbringst, hä? Ich sag’ dir was: Lieber tanz’ ich für immer hier in meinem bunten Kasinokerker als dort drüben in einer endlosen Einöde, wo einen all die Schatten schon schief angucken, wenn man nur ’n Liedchen trällert. Und Amelia ist nicht gerade die Person, mit der man sich zum Käferkränzchen treffen will, sofern man an dem Tag noch was anderes vorhat…“

„Worauf warten wir dann noch? Einen Versuch ist es wert! Was habe ich schon zu verlieren?“

„Hmmmmm – dein Leben?“

Das eben noch so energische Skelett hielt in seiner Bewegung inne.

„Bevor man das Zwielicht erreicht, muss man sich nämlich einer Prüfung unterziehen.“

„Was für eine Prüfung?“

„Die Seele muss von jeglichen Ängsten und Zweifeln frei sein und mit unbeirrtem Willen der Zukunft entgegensehen. Keine Aktion darf in Frage gestellt werden, kein Schritt bereut. Du musst vollkommen überzeugt von deinem Handeln sein, ansonsten würde deine Seele von der trübseligen Welt verschlungen werden – genau wie dein Körper.“

„Das ist alles?“

Oogie hob seine Zipfel und ließ sie ratlos wieder absacken. „Du bist sooooo unerschrocken, Jack. Deine Rationalität hätte ich auch gerne.“

„Ich bin bereit!“

„Nicht, dass es mir groß was ausmachen würde, wenn du so begeistert deinem sicheren Untergang entgegenschreitest, aber… ist das nicht ein bisschen zuuuuu voreilig?“

Jack schlug gereizt auf den Tisch, sodass das Geschirr klapperte. „Zeig mir das Tor, Oogie!“

Der wackelte abwehrend mit allen seinen drei oberen Enden. „Ist gut, ist gut…! Hinter dir.“

Mitten in der Luft öffnete sich ein hoher Kreis – eigentlich mehr ein elliptischer Strudel, der die ihn umgebende Finsternis einzusaugen schien, um sie in seinem Inneren zu drehen, als würde man mit einem Löffel in einer Schüssel voll sonderbarer Substanz rühren. Argwöhnisch streckte Jack eine Hand aus, und langsam tauchte er sie bis zum Gelenk in das brummende Portal. In den ersten Sekunden kribbelte es lediglich unangenehm, doch dann begann sie zu brennen, ein tonnenschwerer Druck übte sich auf sie aus, und Jack hatte alle Mühe, sie wieder herauszuziehen. Glücklicherweise gelang es ihm dennoch.

„Ich hab’s gewusst“, murmelte Oogie Boogie und beobachtete ohne Bedauern, wie Jack Skellington mit wedelnder Hand herumirrte, um bloß irgendwie den scheußlichen Schmerz loszuwerden. Es dauerte eine Weile, bis er nachließ und der einstige Kürbiskönig stehen blieb. Kraftlos hingen seine Schultern, seine Arme hinab, und die noch dampfenden Knochenfinger waren angeschwärzt und etwas lädiert. „Du brauchst noch Zeit. Deine Seele ist noch nicht so weit“, meinte Oogie nüchtern.

„Und was soll ich machen?!“ Voller Zorn wandte sich Jack ihm zu. „Meditieren?!“

Als er einsah, dass der Sack ihm keine Antwort geben würde, wirbelte er herum und stakste davon. Ein Diener öffnete ihm die Tür, die er hinter sich zuknallte, wobei er um ein Haar Furcht, Angst und Schrecken eingeklemmt hätte, die zur selben Zeit hereinkamen und sich verwundert nach ihm umblickten.

Ihr Meister ließ das Tor zur Welt des Zwielichts verschwinden. „Was gibt’s?“

„Gäste!“

„Ja, Gäste!“

„Diese Puppe und der Fettsack aus Halloween Town!“

„Das ist der Bürgermeister, du Nichtsblicker!“

„Und Jacks bellendes Taschentuch ist auch dabei!“

„Heißt sie willkommen“, befahl Oogie ihnen.

Die Kinder grinsten erwartungsvoll. „Dürfen wir sie quälen?“

„Nein.“

„Ohhhhh…“

„Sie kommen gerade recht, um unseren Freund aufzumuntern.“

„Immer nur Jaaack.“

„Ja, echt. Jack! Jack! Jack!“

„Wann sind wir endlich mal dran?“

Unverständliches meckernd, schubsten sie sich gegenseitig in das Kasinozimmer und legten dort einen Hebel um. Just hörte man Geschrei, und schon landeten die Neuankömmlinge unsanft auf dem Drehkreuz in der Mitte des riesigen Roulette-Rades.

Sally mühte sich als Erste auf die Beine. Ohne die ungewöhnliche Umgebung zu bestaunen, richtete sie ihr Gesicht auf die drei Racker. Sie kannte diesen Ort bereits und verband keine schönen Erinnerungen mit ihm. „Wo ist Jack? Ich bin sicher, dass er irgendwo bei euch ist, also rückt ihn wieder heraus!“

„Null Problem.“

„Wir wollten euch sowieso gerade zu ihm führen.“

„Folgt uns.“

„Aber Vorsicht: Der Boden ist frisch gebohnert.“

„So einfach?“ Stutzig klopfte sich der Bürgermeister den Staub vom Sakko.

„Tun wir es“, flüsterte Sally ihm zu. „Wenn es eine Falle ist, stecken wir nun ohnehin schon zu tief in ihr drin.“

Zeros Kürbisnase begann zu leuchten. Und auch wenn ihr samtiges Licht von den Schatten rundherum schier verschluckt wurde, so war Sally ihm doch dankbar dafür. Die kleine Lampe schenkte ihr etwas Zuversicht in der bedrohlich weiten Schwärze.
 

Jack stand nachdenklich neben einem jener edlen Schränke und spielte abwesend an dem feinen Spinnennetz herum, welches jemand zwischen Schrank und Wand gewoben hatte. Die Sache mit der Welt des Zwielichts ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Es war so schwer zu begreifen, dass er es nicht durch das Tor geschafft hatte. "Die Seele muss frei von Ängsten und Zweifeln sein", hatte Oogie gesagt. Frei von Ängsten und Zweifeln… Er hatte keine Angst gehabt! Er war der Kürbiskönig und hatte niemals vor irgendetwas Angst! Und Zweifel? Nichts war ihm klarer als sein Wille, diese fremde Kraft in ihm zu kontrollieren – oder am besten: Sie loszuwerden! Was sollte er denn noch unternehmen? War es denn überhaupt möglich, seine Seele komplett zu… "befreien"?

Plötzlich wurde er von hinten angegriffen! Er stürzte zu Boden und wurde von dem, was immer ihn umgehauen hatte, fast zerquetscht! „Jaaaaaaaaack!“

Jacks Miene erhellte sich, als er die Stimme – sowie den Körper auf sich – erkannte. „Bürgermeister! Zero!“, fügte er hinzu, da der Geisterhund in sein Sichtfeld flog.

„Gott sei Dank – du lebst!“, schluchzte der Bürgermeister gar und fuhr mit seinem Taschentuch über die Augen seines aschfahlen Kummergesichts.

„Nun ja, mehr oder weniger“, grinste Jack und stellte sich auf. Da entdeckte er seine Freundin. „Sally!“, rief er strahlend. „Du auch?“ Er lief ihr entgegen, doch bevor er sie berührte, besann er sich des Vorfalls und trat zurück.

Die Begrüßung fiel bescheiden aus: „Hallo, Jack…“

Seine Arme schienen auf einmal nicht mehr zu wissen, wofür sie da waren, denn ohne Anlass und Sinn tippten die Finger seiner einen Hand gegen die andere. Dass Sally ihn nicht ansah, versetzte ihn in Trauer, aber er versuchte, es zu überspielen. „Danke, dass du gekommen bist.“

Dann blickten beide auf den wohl äußerst interessanten Boden wie auf der Suche nach Kürbiskernen.

Zum Glück waren sie nicht allein unter sich: „Du musst unbedingt zurückkommen, Jack! Wir brauchen dich!“

„Ja, sehr gerne, aber…“

„Aber?“

„Ich kann nicht. Es tut mir Leid.“

Abrupt wechselte das Gesicht des Bürgermeisters wieder, dessen optimistisches gerade einmal eine halbe Minute zu sehen gewesen war. „Warum nicht?“

„Niemand will mich mehr sehen.“

„Das stimmt doch gar nicht! Das war… nur… eine Phase!“

„Natürlich…“ In der Stimme des verschmähten Gerippes schwang Ironie mit. Es drehte sich weg.

„Alle vermissen dich!“

„Sie fürchten mich.“

„Unsinn!“

„Ich würde sie nur wieder verletzen.“

„Du hast niemanden verletzt! Wo ist nur dein Selbstbewusstsein?“

„Fort. Wie meine Freunde.“

„Sag das nicht, Jack! All die weltbewegenden Entscheidungen, die ich in der Zukunft treffen werde, hängen von dir ab! Du musst mitkommen!“

„Jack“, wandte sich nun Sally an ihn. „Der Bürgermeister hat Recht: Niemand fürchtet dich.“

Dieser Satz ließ ihn jäh erstarren. Sie atmete erschrocken ein, als sie seinen Blick zur Kenntnis nahm. „Niemand?“, hakte er angespannt nach. „Niemand?“

Mit festen, steifen Bewegungen näherte er sich ihr. Reflexartig wich sie zurück.

„Und was ist dann mit… DIR?!“ Er langte nach ihrem Flickenkleid und zog sie zu sich heran. „Ich bin nicht blind, Sally! Ich sehe und spüre, wie du vor mir fliehst! Du hast nichts getan, als man mich aus der Stadt jagte! Du freust dich nicht, mich wiederzusehen! Du berührst mich nicht! Und das Schlimme daran ist, dass ich dich auch noch verstehen kann!“

Sein eiserner Griff lockerte sich, und Sally vermochte sich sekundenlang kaum auf ihren Beinen zu halten, als sie wieder frei war. Mit geweiteten Augen presste sie sich eine Hand auf die Brust, während Jack die seinen bestürzt musterte.

„Verzeih mir“, flüsterte er. „Verzeih mir, Sally…“

Zero schwirrte besorgt um seine langen Beine.

„Geht jetzt bitte.“

„Aber Jaaaack…!“

Ausgerechnet seine sehr geschätzte Freundin war es, die dem Bürgermeister bedeutete, dass Protest hier sinnlos war. Beschwichtigend platzierte sie ihre zarten Finger auf die Schultern des Mannes, aber ihr Blick galt Jack. „Ich weiß, dass du das Richtige tun wirst, Jack. Letztlich hast du es immer getan. Bisher hast du alles überwunden, und nichts konnte dich jemals brechen. Nenn mir einen Grund, aus dem ich nicht an dich glauben sollte… denn ich kenne keinen.“

„Sally…“, hauchte er und streckte einen Arm nach ihr aus, ließ ihn jedoch sogleich wieder sinken.

„Wir glauben alle an unseren… an dich, Jack Skellington“, vernahm er die Stimme des Bürgermeisters, nachdem dessen Körper bereits in den Schatten verschwunden war.

„Freunde…“

Fragend blickte Zero an ihm hinauf.

„Du solltest auch mit ihnen gehen, mein Kleiner.“ Er neigte sich hernieder, um seinem Hund aufmunternd über das Köpfchen zu streichen, doch der wollte sich nicht einfach mit einer bloßen Streicheleinheit zufriedengeben: Kurzentschlossen drückte er sich in die Arme seines Herrchens – so fest, dass sich etwas aus dessen Gerippe löste und hinunterfiel. Ein Knochen? Jack hob das schmale, weiße Ding auf. Nein – es war kein Knochen, sondern… eine Haarklammer? Er drehte sie zwischen seinen Fingern, dann bemerkte er den sauber zusammengefalteten Zettel, den sie hielt. „Denkst du, das ist von… Sally?“

Zero nickte euphorisch und wartete gespannt. Was wohl auf dem Zettel drauf war?

Unschlüssig, ob er das wirklich wissen wollte nach dem, was eben passiert war, starrte Jack das Papier an. Ein kleiner Schubs seitens Zero genügte ihm aber als Ansporn. „Du hast Recht…“

Mit einer seinen treuen Begleiter quälenden Langsamkeit faltete er den Zettel auf. Der Geist sauste um seinen Schädel. Was stand drin? Was stand nur drin?

Enttäuschung für Zero, denn es war tatsächlich nur etwas Geschriebenes, und er konnte doch nicht lesen. Aber der erst erstaunte, dann tief berührte Blick seines Herrchens erzählte ihm alles, was er wissen wollte.

„"Ich liebe dich"…“, las Jack leise vor. Er umklammerte das Stück Papier fest und hob sein Gesicht Richtung Zimmerdecke.
 

„Wie konnt’ ich nur?

Wie konnt’ ich nur?

Wieso war ich so stur?

Hab’ nicht an sie gedacht

Ihr Leid gebracht

Wieder mal falsch gemacht
 

Wie konnt’ ich nur?

Wie konnt’ ich nur?

Will mich mit ihr vertragen

Kann es längst nicht mehr ertragen

Ohne sie geht es nicht

Es wird Zeit, dass ich das richt’
 

Aber klar war es mir doch schon von Anfang – von je!

Es tut ihr nicht am Leib, sondern am Herzen weh

Ich bring’s in Ordnung, Sally – ja: Vertrau’ auf Deinen Jack!

Niemals mehr laufe ich jetzt noch vor Dir weg
 

Denn: Keine Sorge, ich steh’ wieder auf

Hab’s in der Vergangenheit so oft getan

Und das, was ich beginn’, das bring’ ich auch zu End’

Ich verspreche Dir, dass ich das Schicksal wend’ – oh ja!
 

Leid’ ich auch noch so sehr unter der fremden Kraft

Die mich böse macht und die mich beinahe schafft

Bin ich – jetzt! – bereit zu geh’n

Genau! Ich werde es versuchen!
 

Und ich freu’ mich schon auf Dein Gesicht, wenn Ihr

Dann seht, er ist wieder da, Euer König, er ist hier!

Doch zuvor hab’ ich zu tun, so gebt mir etwas Zeit!

Aber bevor ich geh’: Eine Kleinigkeit…“
 

("Armer Jack")
 

Voller Tatendrang nahm er die schwarze Schreibfeder vom Tisch und tauchte ihre Spitze in das Tintenfass. Dann schwang er Sallys Zettel herum, wollte ansetzen…! Musste allerdings erst einmal tief durchatmen. Schließlich schrieb er sorgsam und ordentlich etwas auf die Rückseite. Er verließ das Zimmer, kletterte aus einem der breiten Rohre an die frische Luft und ließ die zu einem Papierflieger gefaltete Botschaft dem Sternenhimmel entgegensegeln. Jack hoffte, dass sie ihr Ziel erreichen würde – so wie er das seine.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2014-03-30T17:10:06+00:00 30.03.2014 19:10
~ Kommentarfieber ~

Auf, auf! Ich habe noch eine Pflicht zu erfüllen. :)
„Er war sich nicht sicher, ob es klappt.“
Ich liebe, wie die drei Konservation betreiben. Es ist herrlich dynamisch.

Dann blickten beide auf den wohl äußerst interessanten Boden wie auf der Suche nach Kürbiskernen.
Ich finde wunderbar, wie du die Kleinigkeiten beachtest. Kürbiskerne, selbstverständlich, welche Kerne denn auch wohl sonst?

Die Stelle, in der Zero gerne wissen würde, was Sally geschrieben hat, finde ich gelungen. Noch mehr gefällt mir der stimmige Schluss.
Ein schönes Kapitel. Was soll ich denn sonst noch sagen? Wieder kam es mir so vor, als ob alles genau so sein muss.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von:  Krylia
2008-06-14T20:24:33+00:00 14.06.2008 22:24
Hach wie rührend. Ich drücke Jack (und dem Papierchen) fest die Daumen.
Von:  Veilchen
2007-12-14T17:01:24+00:00 14.12.2007 18:01
wow
das war ein tolles Kapitel^^


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