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Children of Elements

Buch I - Freundschaft
von

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Der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft

Jemand schlich durch den Wald, tief gebückt, den trockenen, von Blättern bedeckten Boden absuchend.

Bei jedem Schritt raschelte das Laub.

Obwohl es ein schöner, warmer Herbstmittag war, fror der etwa zwanzigjährige Junge unter den mächtigen Ästen der gewaltigen Bäume.

Er ärgerte sich anscheinend über etwas, denn er murmelte zornig vor sich hin.

„ ‚Du bist noch zu jung Fynn, fast noch ein Kind. Du hast ja noch nicht einmal Haare auf dem Kinn. Vielleicht darfst du nächstes Jahr mit auf die Jagd.’ Denen werde ich’s zeigen! Von wegen zu jung! Ich bin nicht jung!!“

Er unterbrach für einen Augenblick seine Suche und strich sich über das Kinn. Dann schnaubte er wütend auf. Was konnte er dafür, dass die Haare einfach nicht wachsen wollten? Er dachte voller Neid an seinen, fast drei Jahre jüngeren Nachbarn, der jedes Mal stolz sein, von Haaren übersätes Kinn reckte, wenn er Fynns Blick bemerkte.

„Blöder Hund“, knurrte dieser.

Er würde es Allen zeigen! Er konnte viel besser Spuren lesen, als die Männer, die ab und zu durch das Dorf ritten, auf der Jagd nach ihrer Beute.

Sie verfolgten sie durch das ganze Land, wenn es sein musste. Das konnte mehrere Mondperioden dauern. Und wenn sie in ihre Dörfer, Städte und Burgen zurückkehrten, wurden große Feste für die Heimkehrer gefeiert, und da war es egal, ob die Jagd erfolgreich war, oder nicht.

Der Junge setzte seine Suche fort. Nach einer Weile kniete er sich plötzlich hin und schob etwas Laub beiseite.

Da waren sie ja! Er hatte die Spuren erst gestern auf der Suche nach Pilzen gefunden.

Zufrieden stellte er sich wieder hin und klopfte sich seine Hose aus groben Leinen aus.

Hätten die Anderen ihn mitgenommen, hätte er sie in sein Geheimnis eingeweiht.

‚Selbst Schuld’, dachte er und grinste breit.

Dann folgte er den Spuren, die, wenn man sie erst einmal entdeckt hatte, gut zu sehen waren.

Er ging den Eindrücken im Boden nach, bis er am Fuße des Berges war, den er von seinem Dorf aus schon den ganzen Tag lang beobachtet hatte.

‚Wenn er weggeflogen wäre, hätte ich ihn gesehen. Er versteckt sich noch irgendwo da oben’, dachte sich Fynn.

Aber er wusste, dass es längst nicht so einfach war.

Sie wurden überall gejagt, aber sie zu fangen, zu erlegen oder auch nur zu sichten war schwierig, denn es waren sehr intelligente Wesen. In den alten Geschichten hieß es, dass sie sogar eine Art eigene Sprache haben. Sie ließen sich nicht von ihren Instinkten leiten, wie die Tiere, sie waren schlau.

„Aber ich kriege dich“, sagte der Junge leise.

Er sah in die Richtung, in die die Spuren führten. Sie führten direkt zum Berg. Dort würde es schwer werden, die Spuren würden nicht mehr deutlich sichtbar sein, wie die tiefen Eindrücke in der weichen Walderde. Er würde auf andere Indizien achten müssen, wie abgebrochene Äste, oder eingedrücktes Gras.

Und das Schlimmste: er würde sich nicht sicher sein können, ob diese Spuren von seiner Beute oder von anderen Tieren stammen. Erschwerend würde hinzukommen, dass er sehr leise sein müsste, denn dort in den Bergen gab es keine Bäume, die mit ihren rauschenden Blättern seine Schritte, und keine unsichtbaren Tiere, die mit ihren Stimmen seinen Atem und das Rascheln seiner Kleidung übertönen würden.

Er konnte nur vermuten, wo seine Beute hinwollte. Aber er hatte so eine Ahnung, wo sie sein könnte.

Wenn er nicht aufpasste, würde er sie ungewollt warnen, und sie würde verschwinden, bevor er sie auch nur zu Gesicht bekäme.

Er kauerte sich hinter einen Baum und beobachtete den Berg noch eine Weile, bis ihm die Sonne in den Rücken schien und der Fuß des Berges in den Schatten des uralten Waldes getaucht war.

Dann schlich er leise und vorsichtig los.

Als er an einem Busch vorbei kam, hielt er einen Augenblick, betrachtete ihn genauer und schlich dann weiter.

Etwas musste hier vorbeigekommen sein. Fast alle Beeren des Busches waren abgefressen worden. Und da jedes Kind weiß, dass diese Beeren für Menschen unbekömmlich sind, musste es ein Tier gewesen sein… oder seine Beute!

Sein Herz begann immer lauter zu klopfen, je näher er der Höhle kam, in der er als Kind immer gespielt hatte, obwohl es ihm seine Mutter verboten hatte.

Sie war das perfekte Versteck für ein großes Wesen.

Die Höhle war riesig und trocken, gut belüftet und das Wichtigste: Sie war sehr schwer zu finden. Wenn es noch hier war, dann konnte es sich nur dort verstecken.

Fynn wusste, dass er alleine gegen ein ausgewachsenes Männchen keine Chance hatte. Selbst bei einem Weibchen würde es schwer werden, es zu fangen.

Aber er wollte es weder fangen, noch erlegen.

Er wollte es nur sehen und vielleicht sogar kurz berühren. Und als Beweis für die Anderen, würde er eine Schuppe mitbringen.

Sie verloren immer ein paar Schuppen, wenn sie irgendwo geschlafen hatten, weil sie sich im Schlaf bewegen.

Fynn blieb stehen und horchte. Er war nun ganz in der Nähe der Höhle.

Die Sonne war schon untergegangen, aber es war noch hell genug. Er schlich um einen Felsvorsprung und fixierte dann eine kleine Gruppe von Bäumen, die sich mit ihren Wurzeln verzweifelt an dem nackten Felsen festhielten.

Sie hatten nur sehr wenige Blätter und ihre Stämme waren dünn. Kein Vergleich zu den Jahrhunderte alten Bäumen unten im Tal. Aber das war gut.

Niemand würde auf die Idee kommen, dass sich hinter diesen mickrigen Ästchen eine riesige Höhle verbirgt.

Fynn entdeckte ein paar abgeknickte Zweige und das Laub, das unter den Bäumen lag, sah aus, als hätte ein langer Schwanz es an einigen Stellen zu Seite geschoben.

Und er sah noch etwas.

Etwas glitzerte schwach in dem immer dunkler werdenden Licht vor der Höhle.

Eine Schuppe. Also doch!

Fynn war so aufgeregt, dass er seine Hände an seinem Lederwams abwischen musste, bevor er sie aufhob.

Er schob sie in seine Tasche, die er immer bei sich trug. Dann zog er ein paar Äste zur Seite und betrat eine Welt voller Schatten.

Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

Vor seinem geistigen Auge sah er die Höhle mit all ihren Gängen und Winkeln vor sich. Er kannte sie, wie seine Westentasche. Er würde sich im Schlaf hier zurechtfinden.

Es gab nur einen Raum, der groß genug wäre für dieses große Wesen.

Er ging leise in den Gang ganz links. Fast sofort endete dieser wieder und mündete in einen sehr großen Raum.

Fynn lauschte.

Er vernahm leises, tiefes und regelmäßiges Atmen. Es schlief also bereits.

Der Junge konnte einen dunklen Berg in der Mitte des Raumes ausmachen, der sich bei jedem Atemzug leicht auf und ab bewegte.

Fynn ging auf ihn zu. Dann war er so nah dran, dass er nur die Hand ausstrecken musste, um ihn zu berühren.

Langsam hob er die Hand, legte sie auf die warmen Schuppen und strich darüber. Was für ein wundervolles Wesen es doch war, dieser Drache…

Fynn wanderte einmal um ihn herum und konnte es immer noch nicht fassen, dass er tatsächlich einen Drachen berührte. Das war nur wenigen Menschen vergönnt. Drachen waren wie Vögel, kam man ihnen zu nah, flogen sie schneller weg, als man ‚Warte doch!’ rufen konnte.

Der Größe nach zu urteilen musste es ein Männchen sein.

Er kniete sich neben den Kopf und streichelte ihn sacht, um ihn nicht aufzuwecken.

Plötzlich waren da keine Schuppen mehr, er fühlte eine warme Flüssigkeit.

Er hob die Hand vor seine Nase und roch daran. Aber er konnte nichts riechen.

Dann leckte er vorsichtig etwas davon von seinen Fingern.

Es schmeckte wie sehr guter und alter Wein.

So etwas hatte Fynn erst einmal gekostet.

Als kleines Kind hatte sein Vater mal eine Flasche mit silberner Flüssigkeit nach Hause gebracht. Fynn wollte sie probieren, doch sein Vater verbot es ihm. ‚Diese Köstlichkeit ist für den Fürsten, für den ich arbeite’, hatte er gesagt. Später hatte Fynn sie heimlich doch probiert. Sein Vater hatte ihn dabei erwischt und ausgeschimpft. Dann hatte er seinem Sohn erklärt, dass das eine seltene Flüssigkeit und sehr kostbar sei.

Es war Drachenblut.

‚Oh nein!’, dachte Fynn. Jetzt treffe ich mal auf einen Drachen, und dann ist er tot!

„Hey! Hey, lebst du noch?!“, flüsterte er ängstlich.

‚Oh bitte, das darf doch nicht wahr sein, bitte nicht!’, rief es in ihm.

Dann hörte er ein verschlafenes Knurren.

Der Kopf des Drachen hob sich und das Wesen blickte den Menschen an, der da vor ihm kniete.

„Gott sei Dank, du lebst“, sagte Fynn.

Der Drache riss das Maul auf… und gähnte.

Dann schüttelte er den Kopf, dass die Schuppen klirrten.

„Warum hast du mich geweckt?“

Fynn fuhr zusammen. Woher kam diese Stimme? Es war eine seltsame Stimme, sie klang wie das Knarzen eines uralten Baumes. Er starrte den Drachen an.

Nein, das konnte unmöglich sein! Es ging einfach nicht!!

„D-du… kannst reden…?!“, stotterte er.

Der Drache seufzte. „Offensichtlich“, antwortete er.

„Oh…“ Mehr konnte Fynn nicht sagen. Sein Verstand war wie ausgeschaltet.

Nach einer Weile des Schweigens hatte er seine Stimme wieder gefunden: „Hast… hast du denn keine Angst vor mir?“

„Warum sollte ich?“

„Na, ich bin ein Mensch! Und wir Menschen jagen Deinesgleichen schon seit tausenden von Jahren!“

Der Drache lachte leise.

„Du allein bist keinerlei Bedrohung für mich, und wenn du mich hättest töten wollen, hättest du das getan, als ich noch geschlafen habe.

„Oh.“ Wieder wusste Fynn nicht, was er antworten sollte und eine weitere Weile des Schweigens folgte.

„Ich… ich habe dich geweckt, weil du am Kopf blutest“, erinnerte sich der Mensch auf einmal.

„Ach das. Das ist nicht weiter schlimm. Ihr Menschen könnt echt nicht zielen. Verzeih, wenn ich dir damit zu Nahe getreten bin.“

Der Drache hatte sich wieder hingelegt und putzte seine rechte Pfote.

Man merkte, dass er sich nicht im Geringsten vor dem Jungen, der immer noch vor ihm kniete, bedroht fühlte.

„Ich heiße übrigens Xankir.“

„Ah, … hm, … ich heiße Fynn und bin schon fast zwanzig Winter alt.“

„Sehr erfreut Fynn, ich bin bereits fünfhundert Winter alt.“

Fynn sperrte den Mund auf.

„Fünf… fünfhundert Winter?!“

Der Drache nickte erhaben.

‚Dagegen bin ich ja noch ein Baby…’, dachte der Junge leicht deprimiert.

„Aber die Anderen Drachen aus meinem Clan wollen mich trotzdem nicht dabei haben, wenn sie ausfliegen, um die Jäger auf eine falsche Fährte zu setzten um von unseren Verstecken wegzulocken!“, fuhr Xankir plötzlich zornig auf.

„Was? Wieso nicht, denken sie, dass du zu alt für solche Sachen bist?“, frage Fynn mitleidig.

Xankir schnaubte. „Von wegen zu alt, zu jung bin ich angeblich! Dabei sollte man meinen, dass fünfhundert Winter alt genug sind!!“

Fynn war verwirrt. „Zu… zu jung? Aber du bist fünfhundert! Das ist ein halbes Jahrtausend! Wie kommend die auf die Idee, dass das zu jung ist?! Wie alt sind denn diese anderen Drachen?“

„Nun ja, wenn ich ehrlich sein soll, sind fünfhundert Winter wirklich nicht gerade viel für einen Drachen“, gab Xankir zögernd zu. „Mein Vater war zwölftausenddreihundertvierundsiebzig Winter alt, als er gefangen und erlegt wurde. Und der Clanälteste ist zurzeit über zwanzigtausend Winter alt.“

Fynn war sprachlos.

„Wa-… aber… das… wie…? Zwanzigtausend Winter?!? Aber deine Stimme klingt, als wärst du schon super alt! Na ja, das bist du ja auch, aber du klingst, als wärst du ein alter Drache. Ich dachte, du wärst hier, weil du alt und krank bist, und weil du alleine sterben willst…“

„Alt und krank? Ich bin so jung, dass meine Hörner noch gar nicht richtig gewachsen sind. Hier, fühl mal!“, mit diesen Worten senkte Xankir den Hals und Fynn strich über seinen warmen, schuppigen Kopf. Als er an die Wunde kam, zuckte der Drache leicht zusammen und Fynn fuhr vorsichtig um sie herum. Dann spürte er zwei kleine, hornige Erhebungen.

„Ich fühle deine Hörner, sie sind schon da. Nun ja, etwas klein noch, aber das kommt sicher bald.“

„Denkst du das wirklich?!“, freute sich Xankir.

„Klar“, antwortete Fynn. „Wir haben viel gemeinsam, finde ich.“

„Was? Aber ich bin ein Drache und du bist ein Mensch! Wir haben nicht viel gemeinsam, wenn du mich fragst.“

„Doch“, sagte Fynn und erzählte dann dem neuen Freund seine Geschichte, von den Anderen im Dorf und dem angeberischen Nachbarsjungen.
 

Dies war der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft.

Viele Fragen, keine Antworten

Jemand rannte durch den Wald.

Keuchend blieb er einen Augenblick stehen, lehnte sich an einen der alten Bäume und presste die Hände in die Seite.

Nach dieser kurzen Ruhepause rannte er mit Höchstgeschwindigkeit weiter, auf einen Berg zu, der sich hinter dem Wald erhob.

Er konnte sich nicht irren!

Der Schatten, der über das Dorf gehuscht und Richtung Berg verschwunden war, konnte nur eines bedeuten. Xankir war wieder da!

Fynn stolperte den Berg hoch. Wieder musste er wegen seiner stechenden Seite anhalten.

Er erblickte einen Busch und erinnerte sich an den Tag, an dem er Xankir kennen gelernt hatte. Damals war er nicht hier rauf gerannt, sondern hatte sich von Felsvorsprung zu Felsvorsprung geschlichen und versucht seine „Beute“ nicht aufzuschrecken.

Der Junge lief langsam weiter. Er hatte lange auf die Rückkehr seines Freundes gewartet. Fast eine ganze Mondperiode lang.

Fynn erreichte die Baumgruppe, hinter der die Höhle war, die ihm und seinem Freund als Versteck diente. Er bog ein paar Zweige zur Seite und lief hinein, wartete nicht, bis seine Augen sich an die plötzliche Dunkelheit gewöhnt hatten, sondern ging sofort in den Gang ganz links und… war am Ziel.

Xankir rannte ihn vor Freude fast um.

„Uff, lass mich weiterleben, ich bitte dich“, lachte der Mensch.

„Fynn! Du hast meine Nachricht also bemerkt und richtig gedeutet“, antwortete ihm eine Stimme, die wie das Knarzen eines alten Baumes klang.

„Deine ‚Nachricht’ war ja auch kaum zu übersehen! Nur gut, dass es gerade Mittagszeit ist und alle in den Häusern sitzen und essen! Sonst hätte jeder gleich bemerkt, dass ein Drache über unserem Dorf fliegt!“

Der Drache rieb seinen Kopf an Fynns Schulter.

Lachend schob dieser ihn weg und stand auf.

„Und? Erzähl!“, sagte er und setzte sich dem Drachen gegenüber.

Xankir legte sich hin und berichtete:

„Also, ich bin zu meinem Clan zurückgekehrt. Sie haben sich schon Sorgen gemacht und befürchtet, Jäger hätten mich erwischt. Ich habe ihnen erzählt, dass ich es leid war, von ihnen wie ein Jungdrache behandelt zu werden. Ich habe auch meine Begegnung mit dir nicht verschwiegen. Sie haben mich gewarnt, dass ich nicht so vertrauensselig sein sollte, aber ich habe keine Angst vor dir, ich vertraue dir.“

„Das kannst du auch, Xankir! Hast du ihnen erzählt, wo diese Höhle ist?“

„Nein, ich habe ihnen auch nicht den Namen deines Dorfes verraten. Ich habe mich nur eine Weile dort ausgeruht, meine Mutter und den Clanältesten beruhigt und dann habe ich Abschied genommen und bin hierher zurückgeflogen.

„Und was ist mit deiner Wunde?“, fragte Fynn, stand auf, nahm den Kopf des Drachen in seine Hände und strich vorsichtig darüber.

„Ach die, die war nicht schlimm. Meine Mutter hat mir eine Salbe darauf gestrichen und sie war nach einer halben Mondperiode vollkommen verheilt“, beruhigte Xankir Fynn.

Der Mensch strich über die, noch nicht ausgewachsenen Hörner seines Freundes.

„Die sind ganz schön gewachsen“, meinte er erstaunt.

„Ja, das wird jetzt ziemlich schnell gehen, meinte der Clanälteste“, antwortete der Drache.

Fynn fuhr nachdenklich mit der Hand über sein Kinn. Er spürte viele kleine, aber feine Haare.

„Meine Haare im Gesicht wachsen auch endlich“, teilte er stolz mit.

Gerade wollte er seinem Freund erzählen, wie der arrogante Nachbarsjunge vor ein paar Tagen, beim Versuch auf ein Pferd zu steigen, zu viel Schwung genommen hatte und über das Tier gefallen war, da fing etwas vor der Höhle furchtbar an zu knurren und zu fauchen.

Der Mensch zuckte zusammen, doch sein Freund hob nur überrascht den Kopf und murmelte: „Was will der denn hier?“

Er stand auf und trottete auf den Eingang ihres Versteckes zu.

Fynn folgte ihm zögernd.

Noch einmal war das Knurren und Fauchen zu hören.

Der Junge blieb stehen. „Was ist das nur?“, flüsterte er.

Seine Knie zitterten so sehr, dass Fynn befürchtete, dass sie ihn nicht mehr lange tragen würden.

Sein Freund hatte nicht bemerkt, dass Fynn zurückgeblieben war und war bereits aus der Höhle gegangen.

„Was machst du hier? Bist du mir etwa gefolgt?“, hörte Fynn den Drachen fragen.

Und ein drittes Mal ertönten diese gefährlich klingenden Laute.

Fynn ging langsam seinem Freund nach und stütze sich dabei an den felsigen Wänden ab.

Er blieb am Rande des Einganges stehen und blinzelte ins Licht.

Als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, schrak er zurück.

Vor Xankir stand ein mindestens eine Armlänge größerer Drache. Xankirs dunkelgrün leuchtende Schuppen waren beeindruckend, aber nichts im Vergleich zu denen, in einem tiefen Blau glänzenden des anderen Drachens.

Der Blaue hatte den Menschen entdeckt und zuckte einen Schritt zurück und starrte ihn mit seinen katzenähnlichen Augen an. Dann öffnete er seine längliche Schnauze und knurrte ihn an.

Fynn überwältigte Angst, seine Gedanken schienen ausgeschaltet zu sein, sein Körper war wie gelähmt. Nach einer, wie ihm schien endlos langen Zeit, löste der unbekannte Drache den Blick von ihm und wandte sich wieder Xankir zu.

Dieser sah seinen kleinen Freund verständnislos an.

„Fynn, warum antwortest du ihm nicht?“

Der Mensch konnte nicht antworten. Noch immer befand er sich im gnadenlosen Griff dieser fast schon panischen Angst.

Xankir legte den Kopf schief. Der blaue Drache knurrte wieder.

„Nein, tut mir leid, ich weiß auch nicht, warum er dir nicht antwortet“, sagte Xankir.

Der Fremde begann abermals zu knurren und zu fauchen.

„Nein Rorax, er ist in Ordnung, glaub mir!“

Noch einmal knurrte der Andere.

Xankir rollte mit den Augen. „Dann glaubst du mir halt nicht“, antwortete er ein bisschen patzig. „Also ich weiß echt nicht, warum du solche Angst vor ihm hast Rorax! Erstens vertraue ich ihm und das müsste dir eigentlich schon reichen, und zweitens ist er alleine. Klar sind Menschen gefährlich, aber nur in Gruppen, also verlier nicht gleich deine Hörner vor Angst. So, und jetzt…“ Xankir verstummte und lauschte in Richtung Wald.

Etwas bewegte sich dort.

Laub raschelte, Pferde schnaubten, Zaumzeug klirrte. Dann ritt eine kleine Reiterschar unter den Bäumen hervor.

Rorax drehte sich zu ihr um, riss sein Maul auf und brüllte.

„GRRROOOOOOAAAAARRRRR!!“

Xankir aber rief panisch: „Menschen!!“, breitete seine Schwingen aus und war mit einem Flügelschlag in der Luft und mit einem Zweiten über den Baumkronen verschwunden.

Rorax war immer noch da und wie es schien stinksauer.

Er schlug mit dem Schwanz aufgeregt hin und her. Dann holte er Schwung und peitschte ihn gegen die wenigen schwächlichen Bäume, die die Höhle versteckten. Diese fielen um als wären sie Getreide und Rorax’ Schwanz eine Sense gewesen.

Die Reiter, die bei dem Anblick der beiden Drachen erstarrt und kreidebleich geworden waren, fingen an zu schreien. Die Pferde scheuten, warfen ihre Herren ab, und wer sich doch noch auf seinem Tier halten konnte, wurde durch Zweige und Dornengestrüpp auf das Dorf zu getragen.

Die Männer, die abgeworfen worden waren, Fynn erkannte, dass es Leute aus seinem Dorf waren, schrien und schimpften, fielen übereinander und es herrschte ein heilloses Durcheinander.

Nun folgte Rorax Xankir und war im Nu in der Luft und in die Richtung, in die Xankir geflogen war, verschwunden.

Fynns Beine gaben nach und er landete unsanft auf dem Boden.

Die Männer hatten sich wieder aufgerappelt. Ungläubig starrten sie abwechselnd auf den Jungen am Boden und auf den nun drachenlosen Himmel.

Schließlich hatte sich der Anführer der Reiter wieder gefangen.

Fynn kannte ihn gut. Es war der Schmied des Dorfes.

Nun schrie er die Männer an.

„Steht auf! Los, durchsucht die Höhle, vielleicht gibt es noch einen Drachen darin! Und du? Geht es dir gut Fynn, hat dir eines dieser Mistviecher etwas getan? Bist du verletzt?“, fragte der bullige Mann und zog den Jungen auf die Beine.

Er ließ Fynn keine Zeit zu antworten.

„Was hast du denn hier gemacht? Was ist passiert? Wo kamen denn die Drachen her? Ein Wunder, dass sie dich nicht sofort aufgefressen haben! Haben ganz schön laut gebrüllt, die Viecher, oder?“, dann lachte er dröhnen.

„Ich wüsste nur zu gerne, was die sagen würden, wenn sie sprechen könnten.“

„Was…?“, meldete sich Fynn nun. „Aber, hast du ihn denn nicht ‚Menschen!’ rufen hören?“

„Wer soll das gerufen haben?“, fragte der Schmied verdutzt.

„Na, der Drache mit den grünen Schuppen.“

Daraufhin sagte der Schmied eine Weile lang nichts mehr. Dann schüttelte er den Kopf und murmelte: „Muss vom Schock kommen. Sprechende Drachen. Der arme Junge. Was ist Leute, habt ihr was gefunden?!“, rief er, als die Männer wieder aus der Höhle kamen.

Diese schüttelten die Köpfe.

„Na gut, dann gehen wir jetzt heim!“. Der Schmied packte Fynn am Arm, als hätte er Angst, der Junge könnte umfallen, und sie gingen zurück zum Dorf.

Schon am Waldrand standen die Dorfbewohner, um die Heimkehrenden zu begrüßen und um herauszufinden, was denn nun aus dem blutrünstigen blauen Drachen geworden ist.

Die Männer, die von ihren Pferden heimgebracht worden waren, hatten bereits die Kunde von den beiden Drachen oben auf dem Berg verbreitet.

Nun wurden die „tapferen“ Männer in die Mitte genommen und alle zusammen wanderten zum Dorfplatz um die Geschichte zu hören.

Nur Fynn nicht. Seine besorgten Eltern hatten ihn sofort empfangen und brachten ihn nach Hause, wo er, trotz Protest, ins Bett gesteckt wurde.

Dann hatte er Zeit über das Geschehene nachzudenken.
 

Am nächsten Tag schlich sich Fynn frühmorgens aus dem Haus.

Er wollte zu Xankir, wusste aber nicht, wo er ihn treffen könnte. Also durchstrich er planlos den Wald. Aber diese unerklärliche Angst vor dem blauen Drachen war noch nicht verschwunden.

Flügelschlagen war auf einmal zu hören. Ein grüner Drache landete auf einer Lichtung ganz in der Nähe. Fynn rannte auf Xankir zu.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte der Junge seinen Freund.

Xankir nickte.

„Und… und wo ist… dieser blaue Drache?“, fragte er vorsichtig.

„Rorax wartet an einem geheimen Ort auf mich. Er traut dir noch weniger als zuvor. Du hast dich gestern aber auch wirklich komisch benommen, Fynn, was war los? Warum hast du Rorax nicht geantwortet, als er dich fragte, wie dein Name ist?“

„Xankir, ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, dass ich nur dich verstehen kann und keinen anderen Drachen sonst.“

„Was?“, rief Xankir. „Aber wie kommst du denn darauf?“

„Na ja, ich konnte den anderen Drachen, diesen Rorax, nicht verstehen. Alles was ich hörte, war Fauchen und Knurren. Ich konnte nur verstehen, was du sagst.“

„Was?“, wiederholte Xankir. „Das ist mir unerklärlich. Aber ich verstehe auch immer noch nicht, warum du Rorax so schockiert angesehen hast. Hattest du etwa Angst vor ihm? Es schien fast so.“

„Ja, ich hatte Angst vor ihm. Aber ich kann dir nicht sagen, warum. Es war, als wäre mein Verstand ausgeschaltet und ich hatte nur noch panische Angst.“

„Aber warum? Du hattest doch auch keine Angst vor mir, als du mich das erste Mal gesehen hattest.“

„Ich weiß es nicht. Ich hatte damals sofort das Gefühl, dass ich mich nicht vor dir fürchten muss. Aber du hattest ja auch keine Angst vor mir, dafür aber vor den Reitern, dabei waren das noch nicht einmal Jäger. Rorax hatte keine Angst vor ihnen.“

„Oh doch, Rorax hatte Angst, aber er ist mutiger als ich und ist deswegen erst später geflohen. Vor dir hatte er auch Angst. Aber Rorax hat seine Gefühle gut im Griff. Und er ist im Grund ganz nett. Du hättest dich nicht fürchten müssen. Ich hätte dir schon gesagt, wenn er gefährlich gewesen wäre.“

„Ich weiß Xankir, aber ich hatte total Panik! Er sah so gefährlich aus und er war größer als du!“

„Hm, ich glaube, ich weiß, wer und vielleicht helfen könnte, unsere Fragen zu beantworten Fynn.“

„Und wer?“

„Unser Clanältester weiß viele Dinge. Vielleicht kann er uns sagen, warum ich vor Menschen, aber nicht vor dir Angst habe und warum du Rorax nicht verstehen kannst und vor ihm Panik hast.“

„Das heißt, du willst schon wieder weg?“

„Ja“, antwortete Xankir. „Ich werde aber dieses Mal keine ganze Mondperiode dort bleiben. Ich werde nur schnell Rynd, so heißt unser Clanältester, fragen und dann komme ich zurück. Soll… soll ich Rorax fragen, ob er mitkommt? Du musst wirklich keine Angst vor ihm haben! Er ist keinerlei Gefahr für dich.“

Fynn dachte an den Moment zurück, als ihn Rorax fixiert und ihn angeknurrt hatte und schluckte unwillkürlich.

„Na gut. Ich… ich denke, er wird mir schon nichts tun.“

Xankir rieb erfreut seinen Kopf an Fynns Schulter.

„Sag mal…“, begann Fynn. „Was hat Rorax gestern eigentlich alles gesagt? Ich konnte ihn ja nicht verstehen.“

„Als wir in der Höhle waren, hat er mich gerufen. Er gefragt, wo ich sei, er konnte die Höhle ja nicht sehen. Als ich raus kam, hat er gefragt, was ich hier mache. Dann hat er dich gesehen und dich gefragt, wer du bist und wie du heißt. Danach hat er gefragt, warum du ihm nicht antwortest und was mit dir los sei. Dann meinte er, dass er dich seltsam findet und dass ich bloß aufpassen solle. Schließlich meinte er, dass er dir nicht über den Weg traue.“

„Oh, und was hat er gebrüllt, als er die Männer gesehen hat, die aus dem Wald kamen?“, erkundigte sich Fynn.

„Er rief: ‚Verschwindet!!’“, erklärte Xankir. „Er glaubt, dass du mich in eine Falle locken wolltest und er durch sein Auftauchen deinen Plan zunichte gemacht hätte.“

„Aber du glaubst das doch nicht, oder Xankir?“

„Nein“, antwortete der Drache.

„Dann will Rorax sicher nicht mitkommen, wenn er so von mir denkt."

„Ich werde ihn schon überreden“, meinte Xankir.

Dann verabschiedeten sich die beiden voneinander und Xankir flog fort.
 

Fynn blieb alleine auf der Lichtung zurück, mit vielen Fragen, aber ohne Antworten.

Tod eines Drachen

Jemand wanderte durch den Wald.

Er blieb stehen, bückte sich um einen Pilz zu begutachten und schnitt diesen dann ab. Er legte den Pilz zu vielen anderen in einen Korb und dann blickte er seufzend zum Himmel, der nur vereinzelt durch das Blätterdach der Bäume erkennbar war.

Fünf Tage war es her, dass sein Freund weg war.

Fynn wusste, dass Xankir nicht so schnell wieder da sein konnte. Er musste ja erst mal zum Versteck seines Clans fliegen, danach musste er mit dem Clanältesten sprechen und dann musste er auch noch Rorax überreden mit zurückzukommen.

Aber er wollte unbedingt endlich wissen, warum er nur Xankir, nicht aber Rorax verstehen konnte. Und dann war da auch noch diese seltsame Angst vor Rorax, die er sich nicht erklären konnte.

Plötzlich hörte er in einem Busch, der nur etwa zehn Ellen von ihm entfernt war, etwas niesen und kurz darauf ein leises Wimmern.

Fynn ging vorsichtig näher.

Wieder ertönte ein Niesen.

Der Junge bog ein paar Zweige des Busches zur Seite und entdeckte ein kleines, hellgrünes Wesen.

Fynn blinzelte, rieb sich die Augen und sah noch mal genauer hin.

Nein, er hatte sich nicht geirrt. Da, in dem Busch versteckt, lag ein winzig kleiner Drache, vielleicht eine Armlänge groß.

Es schüttelte den Kopf und blickte ihn dann mit großen Augen an.

„Hunger!“

Fynn stockte der Atem. Hatte das Kleine etwa gerade geredet? Aber wie konnte das möglich sein? Er verstand doch nur Xankir und keinen anderen Drachen sonst!

„Hungäääääääär!“, quäkte das kleine Wesen.

Vorsichtig streckte der Mensch seine Hand aus und berührte den Babydrachen an der Schnauze.

Er dachte, es würde versuchen ihn zu beißen und als es sein Maul öffnete und die Zähne zeigte, zog er schleunigst seine Finger außer Reichweite, doch es rief nur wieder: „Huuuuungääääääär!“

Vorsichtig streichelte Fynn dem kleinen Drachen über den Kopf.

„Tja Kleines, leider habe ich keine Ahnung, was Drachen so fressen. Was machen wir denn da?“, sprach er beruhigend auf das Baby ein.

„Huuuuuuungääääääääääääär!!!“, der Drache wurde langsam ungeduldig.

Fynn sah sich nach etwas essbarem um. Dann fiel ihm sein Korb voller Pilze in. Die sollte er eigentlich seiner Mutter für das Abendessen bringen, aber es gab ja noch genügend davon im Wald.

Er nahm einen Pilz aus dem Korb und hielt ihn dem kleinen Drachen hin.

Dieser versuchte ihn in die Schnauze zu nehmen, doch die Pflanze war zu groß und es ließ sie fallen.

Fynn nahm sein Pilzmesser und teilte den Pilz in vier Teile. Dann hielt er dem hungrigen Minidrachen ein Stück von Stiel hin.

Der Kleine kaute auf ihm herum und… spuckte ihn mit einem „Bah!“ wieder aus.

„Die Stiele essen sie erst, wenn sie größer sind. Sie müssen sich erst noch an den bitteren Geschmack gewöhnen“, erklang eine sanfte Stimme hinter Fynn.

Er fuhr herum.

Hinter ihm stand ein großer Baum und in seiner Rinde war eine Gestalt zu erkennen.

Das Wesen löste sich von dem Baumstamm und kam auf den Menschen zu. Seine Haut sah aus wie Rinde, seine Arme wie Äste und seine Füße endeten in Wurzeln, die sich bei jedem Schritt im Boden verankerten und wieder herausgerissen wurden.

Es war Ardhi, die Erdgottheit, einer der vier Elementargöttern.

Fynn wusste nicht, was er sagen sollte.
 

Die Elemente zeigten sich nur sehr, sehr selten. Man erzählte sich, dass sie alles wussten, was es zu wissen gab. Und sie waren sehr mächtig.

Ardhi, die Erde, konnte den Pflanzen und dem Boden befehlen; Newa, die Luft, beherrschte den Wind, die Orkane und die Wolken; Maji, das Wasser, war Herrin über den Regen, die Flüsse und Seen und über jeden noch so kleinen Wassertropfen und zum Schluss Moto, das Feuer, ihm waren der Blitz und die Flammen untertan.

Jeder von ihnen war eine mächtige Gottheit, die, wenn sie wollte, jeden vernichten konnte, und wenn sie sich zusammenschlossen, dann konnten sie ganze Fürstentümer in Chaos und Verzweiflung stürzen.

Doch meist waren es friedfertige Götter, die im Verborgenen wirkten.
 

„Ardhi“, flüsterte Fynn ehrfürchtig und verneigte sich.

„Dieser junge Drache wurde hier von seiner Mutter versteckt. Jäger waren ihnen auf den Fersen. Doch sie findet den Weg nicht mehr zurück. Er ist ein Erddrache, er steht unter meinem Schutz, doch ich habe viele Pflichten und keine Zeit, um ihn nach Hause zu bringen. Darum bitte ich dich, bring ihn zu seiner Familie.“

Die Stimme des Erdgottes erinnerte Fynn an Xankirs.

„Erddrache, was meint Ihr damit? Gibt es denn verschiedene Drachenarten?“

„Ja, es gibt vier Drachenarten.“

„Für jedes Element eine…“, murmelte Fynn.

„Richtig. Ich weiß, dass dich und Xankir die Frage quält, warum du Rorax nicht verstehen konntest, und du fragst dich, warum du auf einmal verstehen kannst, was dieser, sehr junge Drache dir sagt.“

Fynn fragte gar nicht erst, woher Ardhi das alles wusste. Schließlich war er eine Gottheit.

„Und warum ist das so?“

„Du hast Xankirs Blut getrunken. Er ist ein Erddrache, das siehst du an seinen Schuppen.“

„Er ist grün“, flüsterte der Mensch. Dann blickte er den kleinen Drachen an, der stumm den Gott ansah, als wüsste er, dass jetzt alles gut werden würde.

„Auch grün…“

Ardhi nickte. „Ich sehe, du verstehst langsam.“

„Ich kann Xankir und den Kleinen hier verstehen, weil ich Xankirs Blut getrunken habe! Damit kann ich jetzt alle Erddrachen verstehen, habe ich Recht?“

„Ja. Durch die Adern der Erddrachen fließt mein Segen. Nun fließt er auch durch deine. Es gibt nur wenige Menschen, die dieses Geheimnis wissen. Aber diese wenigen verfolgen die Drachen, weil sie dem Irrglauben erlegen sind, dass sie dann den Drachen befehlen können. Man sollte nicht allen Legenden glauben, die sich die Menschen erzählen!“

„Ich verstehe“, antwortete Fynn. „Und Rorax kann ich nicht verstehen, weil er ein Wasserdrache ist und er unter dem Schutz der Göttin Maji steht. Aber wie kommt es, dass ich keine Angst vor diesem Drachen, dafür aber vor Rorax habe?“

„Nun, dieser hier ist etwas zu klein, um vor dir Angst zu haben und du hast keine Angst vor ihm, weil er so klein ist. Aber eigentlich haben alle Drachen Angst vor Menschen. Das ist ihr Instinkt. Sie können gar nicht anders. Der Geruch von Menschen bedeutet für sie Gefahr. Dass Xankir keine Angst vor dir hat und du keine vor ihm, verstehe ich auch nicht. Das müsst ihr alleine herausfinden.“

Ein Wimmern war zu hören.

Fynn hatte den Babydrachen schon fast vergessen. Schnell ging er zu ihm und hielt ihm ein Stück einer Pilzkappe unter die Nase. Der Kleine fraß sie auf, wobei er ein zufriedenes Knurren von sich gab.

Fynn drehte sich zu Ardhi um, doch er war verschwunden. Der Junge starrte auf die Stelle, an der von einem Augenblick noch das Element gestanden war.

„Hunger!“, meldete sich der Kleine wieder.

Fynn verfütterte daraufhin seinen ganzen Bestand an Pilzen an den hungrigen Drachen.

Danach schlief dieser glücklich ein.

Der Junge sah traurig in seinen leeren Korb. Er hatte sich schon so auf Mutters Pilzgericht heute Abend gefreut.

Plötzlich wuchsen rund um ihn herum überall Pilze aus dem Boden.

Fynn verstand.

Das war der Dank der Erde dafür, dass er sich des kleinen Drachens annahm.

Er sammelte alle ein und nahm das Drachenbaby auf den Arm.

„Keine Sorge Kleiner, ich kümmere mich schon gut um dich.“

Dann verneigte sich der Mensch noch einmal in die Richtung des Baumes, aus dem der Gott gekommen war und murmelte: „Ich danke Euch.“

Anschließend machte er sich auf den Weg nach Hause, wo er den Minidrachen im Stall bei der alten Stute versteckte und danach seiner Mutter die Pilze brachte.
 

Am nächsten Morgen nahm Fynn den Kleinen wieder mit in den Wald.

Am späten Abend hatte er ihn mit ins Haus genommen, als seine Eltern schon geschlafen hatten. Dann hatte er die Überreste des Abendessens an seinen Schützling verfüttert und sie hatten friedlich in Fynns Bett bis zum frühen Morgen geschlafen.

Sobald der kleine Erddrache wieder anfing nach Nahrung zu verlangen, hatte Fynn ein bisschen Brot für sich eingepackt und sein Pilzmesser, um dem Drachen ein Frühstück im Wald zu besorgen.

Er ging zur Lichtung, an der er sich vor sechs Tagen von Xankir verabschiedet hatte, denn dort kam nur selten ein Mensch vorbei und es gab auch viele Büsche mit schmackhaften Beeren.

Dort angekommen machte er sich daran die Büsche abzuernten, dann setzte er sich mit dem Kleinen im Schoß in die Sonne, aß sein Brot und schob ab und zu eine Hand voll süßer, roter Beeren in die Schnauze des kleinen, grünen Nimmersatts, der dabei fröhlich quietschte.

Danach spielten die beiden Fangen. Der Kleine war zwar sehr langsam und tapsig, doch Fynn ließ ihm immer genügend Vorsprung, bevor er ihn wieder einfing.

Heimlich hoffte der Mensch, dass die Erdgottheit sich noch einmal zeigen würde, doch er wurde enttäuscht.

Plötzlich fiel ein Schatten auf die beiden, verschwand gleich wieder und ein Zweiter huschte über sie. Flügelschlagen wurde hörbar.

Vollkommen verängstigt duckte sich der Babydrache und winselte.

Fynn rannte auf ihn zu, packte ihn und versteckte sich unter einem großen Busch.

Kurz darauf landeten zwei Drachen mit dem Rücken zu Fynn auf der Lichtung und falteten die Flügel.

Der größere der beiden sah sich um und machte wandte sich dann mit Knurren und Fauchen um.

„Ich hätte auch schwören können, dass hier eben noch jemand war. Seltsam…“, sagte der kleinere der beiden mit einer Stimme die wie das Knarzen der Bäume klang.

„X… Xankir?!“ Fynn krabbelte mit dem Minidrachen im Arm unter dem Busch hervor. Die beiden Drachen drehten sich um.

„Fynn!“, rief Xankir verwundert.

Die beiden Freunde liefen aufeinander zu, Fynn setzte den kleinen Drachen auf dem Boden ab und umarmte Xankirs Hals.

Doch Rorax blieb auf Abstand. Man sah ihm sein Misstrauen dem Menschen gegenüber an. Er knurrte und es hörte sich so an, als wäre er über irgendetwas ziemlich böse.

Xankir blickte erst Rorax, dann Fynns Schützling fragend an.

„Stimmt, frag ich mich auch“, sagte er.

„Was fragst du dich?“, wunderte sich Fynn.

„Oh, du kannst Rorax nicht verstanden. Na ja, wir fragen uns, wo dieser Kleine hier herkommt“, mit diesen Worten senkte er den Kopf und blickte den Minidrachen an, der sich hinter Fynns Beinen versteckte und leise und ängstlich quietschte.

Der Junge hob ihn auf und streichelte ihm beruhigend.

„Ich habe ihn im Wald gefunden, als ich beim Pilzsammeln war.“

Rorax schnaubte ungläubig.

Fynn ignorierte ihn. „Ardhi hat mich gebeten…“

„Ardhi hat dich gebeten? Was meinst du damit?“, unterbrach ihn Xankir.

„Nun, er hat sich mir gezeigt und er bat mich, den Kleinen hier zu seiner Mutter zurückzubringen.“

„Rorax schnaubte noch lauter, woraufhin Xankir ihm einen missbilligenden Blick zuwarf.

„Unglaublich, Ardhi die Erdgottheit hat sich DIR gezeigt?“, Xankir war sehr überrascht.

Fynn sah ihn verwundert an. „Wieso betonst du das ‚dir’? Ist das so unglaubhaft?“

“Nun, ich dachte immer, dass sich die Elemente den Menschen nicht zeigen, weil sie sie für hinterhältig und nicht vertrauenswürdig erachten“, meinte Xankir zögernd.

„Sie zeigen sich auch nicht oft den Menschen. Nur sehr, sehr selten hat ein Mensch die Ehre, mit ihnen sprechen zu dürfen.“

Rorax begann zu fauchen und zu knurren.

„Er fragt, ob du Ardhi GESEHEN, oder ihn nur gehört hast“, übersetzte Xankir.

„Also, er stand direkt vor mir. Ich konnte ihm ins Gesicht sehen“, berichtete Fynn in Rorax’ Richtung.

„Bei den Elementen, du musst irgendwie bewiesen haben, dass man dir vertrauen kann“, sagte Xankir.

Rorax meldete sich wieder.

„Hey, das könnte sein!“, rief Xankir. „Vielleicht vertrauen dir die Elemente, nun, zumindest Ardhi, weil du mit uns…“

Rorax schnaubte zum dritten Mal.

„… weil du mit mir befreundet bist“, korrigierte sich Xankir. „Auch wir Drachen schenken nicht einfach jedem unser Vertrauen.“

Wieder sagte Rorax etwas, das Fynn nicht verstand.

Xankir verdrehte die Augen, ignorierte ihn aber sonst.

Der Kleine hatte sich etwas beruhigt und betrachtete seine größeren Artgenossen neugierig.

Rorax knurrte.

„Er fragt, warum der Kleine alleine im Wald war und ob du weißt, wo seine Mutter ist.“, sagte der Erddrache.

„Ardhi erzählte mir, dass seine Mutter ihn hier versteckt hat, weil Jäger hinter ihnen her waren, doch sie findet den Weg nicht mehr zurück“, erzählte Fynn.

Rorax und Xankir blickten sich an.

„Was ist? Wisst ihr etwas darüber?“, fragte Fynn, dem der Blick nicht entgangen war.

„Gestern kam eine Kike zum Versteck unseres Clans und berichtete, dass ihr Clan sie fortgeschickt hat, weil ihr Baby von einem Kiuma aus einem anderen Clan ist. Auf dem Weg zu unserem Versteck hat sie ihr Kind verloren.“

„’Kike’? ‚Kiuma’? Was ist das?“, erkundigte sich Fynn.

„’Kike’ ist das, was für euch eine ‚Frau’ ist“, erklärte Xankir.

„Also ein weiblicher Drache, eine Drachin? Dann ist ein ‚Kiuma’ ein männlicher Drache?“, erkundigte sich der Mensch.

„Genau. Und das hier, könnte doch das Kijana – so nennen wir die noch nicht erwachsenen Drachen, also unsere Kinder – sein, dass die Kike verloren hat“, sagte Xankir.

„Das wäre ja prima! Dann bringen wir es ihr zurück!“, freute sich Fynn.

„ ‚Wir’?“, Xankir schaute überrascht. „Wieso ‚wir’? Du willst doch wohl nicht mit?“

„Doch, klar! Ardhi hat den Kleinen in meine Obhut gegeben, und ich werde ihn nicht aus den Augen lassen, bis er bei seiner Mutter ist“, sagte der Mensch trotzig.

Wieder sahen sich Xankir und Rorax an. Der blaue Drache schüttelte den Kopf, doch Xankir lachte.

„Ich glaube nicht, dass wir ihn umstimmen können, Rorax! Der ist stur.“

Rorax senkte geschlagen den Kopf.

„Dann werde ich schnell nach Hause gehen, Mutter sagen, dass ich ein paar Tage lang weggehe und hole mir und dem Kleinen noch etwas Proviant für den Weg“, rief der Junge und setzte sich in Bewegung.

Xankir wollte noch etwas sagen, doch Fynn war schon außer Hörweite.

Rorax knurrte.

„Ja, das wird eine Riesenüberraschung für den Clan, wenn wir mit einem Menschen dort auftauchen. Hoffentlich rennen nicht alle in Panik davon“ erwiderte Xankir und lachte.
 

Die Sonne ging schon langsam unter, als Fynn wiederkam.

Er hatte viel zu schleppen, deswegen hatte es so lange gedauert.

Er hatte einen schwer aussehenden Rucksack auf dem Rücken, trug unter dem einen Arm zwei Decken und auf dem Anderen saß das schlafende Kijana.

Rorax war nicht zu sehen, doch Xankir lang noch auf der Lichtung und hob den Kopf, als er Fynn hörte.

Dieser blieb drei Armlängen vor ihm stehen, ließ die Decken fallen und setzte sich, wobei er aufpasste, dass er das Kijana nicht weckte.

„Wo ist Rorax?“, fragte er leise.

Da bewegte sich hinter Xankir etwas Schwarzes. Fynn zuckte zusammen. Katzengleiche Augen blickten ihn an.

„Da ist er doch“, sagte Xankir.

Fynn erkannte nun einen schwarzen Drachen der hinter Xankir gelegen hatte und sich nun reckte und streckte.

„Bei allen Elementen…“ hauchte der Junge.

Rorax’ blaue Schuppen sahen in der langsam einbrechenden Dämmerung schwarz aus.

Unter dem riesigen Blätterdach konnte man nur noch wenig sehen.

Rorax gab Laute von sich.

„Ja, du hast Recht, wir sollten los. Steig auf Fynn“, sagte Xankir.

Der Mensch legte die Decken um Xankirs Hals, setzte sich an den Halsansatz, schlang einen Arm um den schuppigen Gefährten und hielt mit der anderen Hand das schlafende Kijana fest.

Die beiden Drachen reckten ihre Flügel und dann startete erst Rorax und danach Xankir.

Nachdem sie den Wald unter sich gelassen hatten und sich Richtung untergehende Sonne wendeten, fragte Xankir:

„Kannst du denn einfach deiner Mutter sagen, dass du ein paar Tage wegbleibst? Was denkt sie, wo du bist?“

„Ach, ich übernachte öfters ein paar Tage im Wald oder auf dem Berg, wenn es mir im Dorf zu langweilig wird.“

„Aha“, sagte Xankir nur.

Eine Weile flogen sie schweigend immer der Sonne entgegen. Dann unterbrach Fynn die Stille.

„Wie hast du es eigentlich geschafft, dass Rorax mitgekommen ist?“, flüsterte er seinem Freund ins Ohr.

„Na ja, es war gar nicht nötig, ihn zu überreden. Ich habe nur gesagt, dass ich zu dir fliege und da ist er auf mich zugekommen und sagte, dass er dir nicht vertraut und mich nicht alleine zurückfliegen lässt. Er meinte, jemand sollte auf mich aufpassen. Wahrscheinlich ist er, auch wenn er es sich nicht eingestehen will, ein bisschen neugierig auf dich. Er hat ebenso wenig wie ich jemals einen Menschen vor dir gesehen. Wir fliegen ja immer weg, sobald einer in unsere Nähe kommt.“

Sie versuchten ihr Lachen zu unterdrücken.

„Sag mal“, fragte Fynn. „Was hast du denn bei deinen Clanältesten herausgefunden?“ Er wollte überprüfen, ob er das Gleiche herausgefunden hatte.

„Ah ja, das hatte ich vor lauter Überraschung über das wieder gefundene Kijana fast vergessen.

Also, warum ich keine Angst vor dir habe, konnte mir unser Clanältester nicht erklären, aber eine alte Legende könnte unser zweites Rätsel lösen, nämlich warum du mich, aber andere Drachen nicht verstehen kannst.

Diese Legende geht so:
 

Vor vielen Jahrmillionen erschufen die vier Elemente die Erde mit all ihren Landschaften, Meeren und Kontinenten. Doch die Erde war leblos und leer und so erschufen sie Tiere. Doch diese Tiere ließen sich von ihren Instinkten leiten und es gab nur ein Gesetz.

Fressen, oder gefressen werden. Das Recht des Stärkeren.

Doch die Elemente wollten ein Wesen erschaffen, das seine Umwelt sehen kann und ihre Schönheit erkennt. Jedoch waren die vier Gottheiten sich uneins.

Ardhi wollte ein Wesen schaffen, das die Bäume und Pflanzen verehrt und von ihnen lebt, Maji dagegen, wollte in Wesen, dessen Nahrung die Meere, die Flüsse und Seen, also das Wasser war. Moto dagegen wollte das Feuer als Lebensquell diesem Wesen geben und Newa fand natürlich, dass Luft das Einzige sein sollte, das dieses Wesen am Leben erhält.

Sie legten die äußere Form fest.

Ardhi gab Lehm, Maji machte ihn nass und nachdem sie ihn gemeinsam geformt hatten, trocknete Newa das überflüssige Wasser und Moto brannte den Lehm.

Das wiederholten sie vier Mal.

Nun hatten sie vier Lehmdrachen, ohne Seele.

Dann, zum Schluss, gab jedes Element einem dieser Lehmdrachen seinen Segen und sie begannen zu leben. Sie waren durch nichts voneinander zu unterscheiden als durch die Farbe und die verschiedenen Charakter.

Das Wasser ist misstrauisch und vorsichtig, die Erde ist ruhig und freundlich, die Luft ist fröhlich und stets gut drauf, das Feuer ist draufgängerisch und unbezähmbar.

Doch die vier Drachenarten begannen gegeneinander zu kämpfen und brachten Leid und Verzweiflung über die Welt. Damit die Drachen zusammenhalten, beschlossen die Elemente einen mächtigen Feind für sie zu schaffen.

Sie brachten den Menschen auf die Welt, der die Drachen wegen ihrer Haut, ihren Klauen und Knochen und vor allem wegen ihrem köstlichen Blut zu jagen. Denn im Blut der Drachen floss ja der Segen der Götter und wer es trank, erhielt die Fähigkeit mit dem jeweiligen Elementdrachen sprechen zu können.

So brachten sie eine Art Gleichgewicht in die Welt.
 

Na, was sagst du, könnte das des Rätsels Lösung sein?“, beendete Xankir die Geschichte.

„Ja, ich denke schon. Ardhi hat mir aber noch erzählt, dass manche Menschen glauben, dass sie, wenn sie das Blut eines Drachen trinken, den Drachen befehlen können“, antwortete Fynn.

„Was?“, Xankir lachte laut auf.

„Pssst!“, Fynn sah besorgt das Kijana an, doch es schlief tief und fest. „Sei leise, sonst weckst du es noch auf.“

„Entschuldige, aber das ist lächerlich. Wir Drachen lassen uns von Menschen doch keine Befehle geben“, sagte Xankir leise.

„Ich weiß, aber manche Menschen glauben das wirklich“, erwiderte der Mensch.

Xankir schwieg.

Sie flogen bis tief in die Nacht weiter.

Fynn hatte inzwischen eine Decke um das Kijana und die Zweite um seine eigenen Schultern gewickelt. Als er vor Müdigkeit beinahe von Rücken des grünen Drachens gefallen wäre, meinte dieser zu Rorax:

„Ich glaube, wir sollten die Nacht lieber auf dem Boden verbringen, sonst fallen meine beiden Passagiere noch runter.“

Der blaue Drache nickte und hielt auf einen Felsvorsprung zu, der groß genug war, um zwei Drachen als Landebahn und Nachtquartier zu dienen.

Als sie gelandet waren, seufzte Fynn erleichtert auf. Ihm tat schon alles weh. Er lehnte sich gegen Xankir, hielt das Kijana fest im Arm und war bald darauf eingeschlafen.

Rorax legte sich auf Xankirs andere Seite und dann waren auch die Drachen eingeschlummert.
 

Als Fynn aufwachte, war es noch stockdunkel. Erst wollte er sich umdrehen und weiterschlafen, da bemerkte er Rorax, der nahe am Rand des Felsvorsprungs stand und hinunterstarrte.

Fynn schob das Kijana unter eine von Xankirs Tatzen und ging zu dem blauen Drachen hinüber.

„Was ist los Rorax? Hast du was gehört?“

Der Drache nickte und Fynn lauschte.

Jetzt hörte er auch Geräusche. Ein seltsames Klirren ertönte, doch er konnte nicht sagen, wo diese Geräusche herkamen. Die Felswände warfen jeden Ton zurück und das Echo hörte sich so an, als käme er von überall her.

Fynn drehte sich um, weil er Xankir wecken sollte und schrie erschrocken auf. Rorax fuhr herum und jetzt sah er sie auch:

Drei Männer standen auf einem Felsvorsprung über dem ihren und zielten mit Speeren und Lanzen auf den Erddrachen, der sich, geweckt durch Fynns Schrei, verschlafen umsah.

„NEIN!“, schrie der Junge und wollte seinem Freund helfen.

Doch Rorax war schneller. Mit Gebrüll sprang er auf die Männer zu.

Xankir hatte gemerkt, was los war, schnappte sich das Kijana mit dem Maul und schwang sich in die Luft.

Das Drachenbaby weinte. Es spürte, dass etwas nicht stimmte und hatte Angst.

Zwei Männer waren überrascht durch Rorax’ Auftauchen umgefallen.

Durch die dunkelblauen Schuppen war Rorax von ihnen nicht bemerkt worden, bis er sie angesprungen hatte.

Doch der Dritte stieß mit seiner Lanze zu.

Sie bohrte sich in die dicke Haut an Rorax’ Rücken.

Der schlug mit dem Schwanz zu und der Angreifer lag regungslos auf dem Boden. Dann brüllte der Drache noch mal, packte Fynn mit seinem Maul am Kragen und flog Xankir nach.
 

Sie flogen lange, doch plötzlich fing der blaue Drache an zu stöhnen und zu taumeln. Dann stürzte er ab.

Zum Glück befanden sie sich gerade über einem flachen Fluss.

Der Drache landete darin und Fynn auf ihm. Xankir landete am Ufer, setzte das Kijana, das immer noch weinte ab und rief:

„Rorax! Rorax, was ist los?“

„Bleib da Xankir! Pass auf das Kijana auf!“, antwortete Fynn.

Rorax stand auf, stolperte auf das Ufer, an dem Xankir stand zu und brach dort erschöpft zusammen.

Er atmete schwer.

Fynn zog vorsichtig die Lanze aus der Haut.

„Was hat er Fynn? Die Lanze hat ihn doch kaum verletzt! Die Haut eines Drachen ist am Rücken am dicksten! Was hat er denn?!“ Xankir war total panisch.

Fynn betrachtete erschüttert die Lanze.

„Xankir…“, sagte er zögernd. „Xankir, Jäger wissen das. Sie wissen, das Lanzen und Speere einem Drachen nicht viel ausmachen… deswegen… arbeiten sie mit… Gift…“

„Mit Gift…?“, Xankir begann zu zittern.

„Ja, sie vergiften die Spitzen… mit einem sehr starken Gift…“

Fynns Augen brannten. Er konnte nicht glauben, was da gerade passierte. Sicher würde er gleich aufwachen. Das konnte nur ein Traum sein!

Rorax atmete schwerer. Plötzlich würgte er und spukte silbernes Blut.

Xankir war sprachlos.

Das Kijana hatte sich beruhigt und beobachtete die Szene verständnislos mit großen Augen.

Fynn nahm Rorax’ Kopf in den Schoß und küsste ihn auf die blutige Schnauze.

„Es tut mir so leid Rorax“, sagte er tonlos.

Die Tränen rannten ihm über das Gesicht.

„Geh… geh… zu Maji…“, keuchte Rorax mit einer Stimme, die sich wie das Rauschen eines Flusses anhörte.

Fynn sah ihn überrascht an.

„Wie… wieso kann ich dich verstehen?“

Etwas lief ihm über das Kinn. Er leckte es ab. Es schmeckte wie Drachenblut. Das musste dahin gekommen sein, als er den sterbenden Drachen geküsst hatte.

Rorax atmete seufzend aus und schloss die Augen. Dann entspannten sich seine Muskeln.
 

Rorax war tot…

Das Shona-Ritual

Jemand stolperte durch den Wald.

Er fiel hin, stand wieder auf und lief weiter, als wäre nichts geschehen.

Fynn hatte sich immer noch nicht damit abfinden können, dass Rorax tot war.

Er erinnerte sich nur noch bruchstückhaft an das, was passiert war, nachdem Rorax das erste Mal mit ihm gesprochen hatte und dann in seinen Armen gestorben war.

Xankir hatte den Kopf auf den leblosen Rücken seines Freundes gelegt und der Drache und der Mensch hatten gemeinsam um ihn geweint, während das Kijana sich dicht neben Fynn gesetzt und versucht hatte, ihn zu trösten, indem es immer wieder seine Schnauze unter den Arm des Jungen geschoben und „Nicht weinen“ gesagt hatte.

So saßen Xankir, Fynn und das Kijana eine Weile.

Dann war plötzlich der Fluss angestiegen bis er die Trauernden erreicht hatte, die daraufhin vor dem Wasser flüchteten, überschwemmte Rorax’ Körper und nahm ihn mit sich.

Göttin Maji hatte ihn zu sich geholt.

Die zwei Drachen und der Mensch hatten noch eine weitere Weile verloren auf den Fluss gestarrt, der wieder so aussah, als wäre nichts passiert.

Dann hatten sie sich endlich zögernd aufgemacht und waren zum Versteck des Clans geflogen. Unterwegs hatten sie kein Wort gesprochen bis auf einmal, als das Kijana leise darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es Hunger hatte, woraufhin Fynn den ganzen Proviant – auch seinen – an den Kleinen verfüttert hatte.

Am späten Nachmittag waren sie endlich am Ziel.

Xankir hatte den Jungen vor dem Versteck abgesetzt und war erst mal ohne ihn mit dem Kijana ins Versteck geflogen um die dortigen Drachen auf das Erscheinen eines Menschen vorzubereiten. Dann hatte er Fynn abgeholt und die Drachen empfingen ihn freundlich, aber sehr vorsichtig.

Die Kike aber wagte sich nahe an den Jungen heran und schmiegte für einen Moment ihren Kopf an seine Brust. Sie hatte überglücklich ihr Kijana abgeleckt, gestreichelt und erzählt, dass es erst ein paar Wochen alt war und noch keinen Namen hatte. Es sei ein Mädchen berichtete sie weiter und als Fynn erzählte, dass Ardhi sie ihm anvertraut hatte, beschloss sie, das Kijana der Erdgottheit zu Ehren „Jani“ – was soviel wie „Blatt“ bedeutete – zu nennen.

Die Drachen waren unglaublich traurig als sie erfuhren, dass Rorax tot war.

Fynn und Xankir blieben nur eine Nacht im Drachenversteck.

In dieser Nacht wachte der Mensch auf, weil sich draußen vor der Höhle ein seltsamer Singsang erhob. Xankir, an den sich Fynn gelehnt hatte, begleitete ihn nach draußen und erklärte, dass die Drachen auf diese Weise um den verstorbenen Wasserdrachen trauerten.

Der Mensch lauschte den traurigen Klängen lange. Einmal glaube er, eine silbrig glänzende Gestalt zu sehen, die sich aus einem Fluss in der Nähe erhob und er fragte sich, ob Maji auch trauerte.

Bereits am frühen Morgen flogen Xankir und Fynn wieder fort.

Am späten Nachmittag kamen sie wieder im Wald, der sich hinter Fynns Dorf erstreckte an.

Die Freunde verabschiedeten sich ohne Worte.

Fynn ging nach Hause um nachzudenken, wie er auf dem Flug sagte, und Xankir wollte sich nach einem neuen Nachtquartier umsehen, da das vorherige – ihre Höhle – ja nun nicht mehr geheim war. Sie trafen sich an diesem Tag nicht mehr.
 

Nun stolperte Fynn also am nächsten Morgen auf die Lichtung zu, auf der er sich mit Xankir treffen wollte, doch der Drache war noch nicht da.

Er setzte sich an einen Baum und wartete, stand dann jedoch wieder auf und lief rastlos zu einem Bach, der in der Nähe wisperte.

Er sank am Ufer auf die Knie und starrte verloren und traurig in das Wasser.

Plötzlich überkam es ihn. Ohne dass er sich dagegen wehren konnte, flossen ihm die Tränen über das Gesicht. Er blickte in die Fluten und stellte sich Rorax Kopf vor, was ihm durch das Blau des Wassers, das ihn an seine Schuppen erinnerte besonders gut gelang.

Fast glaubte Fynn, ihn würden wirklich Rorax’ katzengleiche Augen aus dem Bach heraus ansehen.

Dann erschrak er.

Im Spiegelbild des Wassers erblickte Fynn einen dunkelblauen Drachen, der ihm über die Schulter starrte.

‚Rorax!’, rief es in ihm und er drehte sich schockiert um.

„Alles in Ordnung Fynn? Ich weiß, du vermisst Rorax sehr.“

Fynn sah Xankir mit leeren Augen an.

Einen Moment lang hatte er wirklich geglaubt, Rorax würde ihm über die Schulter sehen, wäre von Göttin Maji ins Leben zurückgeholt worden und lebendig wieder aus den Fluten des Flusses gestiegen.

Doch es war nur Xankir, dessen grüne Schuppen durch den Wasserspiegel blau ausgesehen hatten.

Auf einmal verneigte sich Xankir vor Fynn, der ihn verwirrt ansah. Dann hörte er hinter sich eine ruhige, leise Stimme.

„Warum hast du mich gerufen, Menschenkind?“

Fynn wirbelte herum, sah den Besitzer der Stimme einen Moment lang verblüfft an und verneigte sich dann vor der Wassergöttin.

„Wie… wie meint Ihr das? Ich habe Euch nicht gerufen… oder?“

„Doch, dein Herz hat mich gerufen. Du willst mit mir über Rorax sprechen, habe ich Recht? Du fühlst dich verantwortlich für seinen Tod.“

Xankir sah seinen Freund erschrocken an.

„Stimmt das Fynn? Du fühlst dich schuldig deswegen? Warum hast du mir das nicht erzählt?“

Fynn sah ihn nicht an, sondern senkte den Kopf und betrachtete das Gras.

„Ich… wollte nicht, dass du dir… Sorgen um mich machst…“, antwortete er. „Bitte“, fuhr er, an die Gottheit gewandt fort, „bitte, gib Rorax wieder frei. Kannst du ihm nicht sein Leben zurückgeben? Er ist doch dein Geschöpf! Du kannst doch nicht wirklich seinen Tod wollen! Gib ihn wieder her, gib ihn uns wieder zurück!!“, schrie der Junge unter Tränen.

Er schrie der Wassergöttin seine Schmerzen und seine Verzweiflung entgegen.

Warum gab Maji Rorax nicht sein Leben zurück? Sie war doch eine Göttin! Sie konnte alles! Dann sollte sie Rorax zurückbringen. Sofort!

Die Göttin hatte den Gefühlsausbruch des Jungen ruhig über sich ergehen lassen.

Xankir legte den Kopf auf Fynns zuckende Schulter, der nun zusammengesunken vor der Gottheit kniete, sein Gesicht mit den Händen bedeckte und verzweifelt schluchzte.

Der Junge nahm die Hände vom Gesicht, umschlang den Hals des Freundes und drückte seine heiße Stirn an dessen kühle Schuppen.

So saßen die beiden einige Zeit und Maji sah stumm und geduldig zu.

Nachdem sich Fynn etwas beruhigt hatte, begann sie wieder zu sprechen.

„Ja, er ist mein Geschöpf, aber ich herrsche nur über die lebenden Wasserdrachen, nicht über die toten. Ich kann nicht einfach jedem, wenn ich es will, wieder sein Leben zurückgeben, so funktioniert es nicht. Es ist so gut wie nicht möglich.“

„ ‚So gut wie’? Also ist es nicht völlig unmöglich!“, erkundigte sich Fynn hoffnungsvoll.

„Nein… nein, nicht ganz, aber ist sehr… schwierig… man braucht nämlich ein Opfer. Eine Art Tausch. Ein Leben für ein Leben“, sagte Maji.

„Also… müssen wir ein Tier opfern?!“, fragte Fynn entsetzt.

„Nein, kein Tier. Auch kein Mensch. Nur ein Drachenleben für ein Drachenleben, sonst funktioniert das nicht.“

„Und wie genau funktioniert das?“, meldete sich jetzt Xankir.

„Es wird ein Shona-Ritual, ein Ritual der Seelen durchgeführt. Dieses kann nur an einem See durchgeführt werden, da Rorax ein Wasserdrache war. Außerdem müssen die anderen drei Elementgottheiten auch teilnehmen. Dann tritt das Opfer ins Wasser und übergibt sein Leben an den Toten, der wiederbelebt werden soll.“

Fynn und Xankir sahen sich schweigend an.

„Ich tue es“, sagte der Erddrache dann.

Der Mensch wusste nicht, was er sagen sollte. Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, Rorax wiederzubeleben und dem Entsetzten darüber, dass sich sein bester Freund dafür opfern wollte.

‚Egal was ich jetzt tue, ich lasse einen der beiden im Stich!’, dachte Fynn. ‚Es muss noch eine andere Lösung geben. Nur welche?!’

Xankir sah seinen Freund unsicher an.

„Was sagst du dazu, Fynn, gehen wir los und suchen einen See? Je schneller Rorax wieder ist, desto…“

„NEIN!“

Fynn war aufgestanden und sah Xankir in die Augen.

„Nein, es gibt eine andere Lösung. Es MUSS eine andere Lösung geben!“

Er sah die Wassergöttin an, doch die… war verschwunden…

„Verdammt!“, schrie der Junge und fiel wieder auf die Knie. „Komm zurück! Es muss eine andere Lösung geben! Sag sie uns!“

Wütend schlug er mit den Fäusten ins Wasser.

„Beruhig dich doch“, sagte Xankir ruhig. Er verstand Fynn Gefühle.

Fynn stand auf. Xankir sah seinen entschlossenen Gesichtsausdruck.

„Was hast du vor?“, frage er den Menschen vorsichtig.

„Ich werde schon eine Möglichkeit finden, dass Rorax wieder zurückkommt, ohne, dass ein anderer Drache geopfert werden muss. Ich habe auch schon eine Idee. Warte hier, ich muss kurz nach Hause, etwas holen.“

Damit lief er davon und ließ einen verwirrten Erddrachen zurück.
 

Er kam zurück, als die Sonne im Zenit stand. Wortlos setzte er sich auf den schuppigen Rücken seines Freundes und beachtete dessen neugierige Blicke nicht.

Der Drache ließ den Wald unter sich und sie flogen los, die Sonne hinter sich, immer nach einem See Ausschau haltend.

Die Sonne stand schon tief, als sie endlich unter sich das glitzernde Blau eines riesigen Sees entdeckten.

Sie landeten am Ufer, Fynn krempelte seine Hosenbeine hoch und stieg bis zu den Knien ins Wasser.

„Maji! Maji, hier sind wir! Wir sind bereit für das Ritual!“, rief er über den See, der seine Stimme weit trug.

Etwa zehn Armlängen vor ihm begann das Wasser sich zu erheben. Ein Gesicht, Arme, ein Körper bildeten sich.

„Seid ihr wirklich sicher, dass ihr das tun wollt? Es ist eine schwere Entscheidung, die nicht leichtsinnig getroffen werden sollte“, sagte Maji.

„Ja, wir sind uns sicher“, sagte Fynn entschieden.

„Gut, dann werde ich die anderen Götter rufen“, antwortete Maji.

Danach sagte sie nichts mehr, sondern stand nur da, als würde sie auf etwas warten, während Fynn auf sein rasendes Herz achtete.

Der Junge war sehr aufgeregt. Was, wenn sein Plan nicht funktionieren würde? Was, wenn die Götter sein Opfer nicht annehmen würden?

Plötzlich verließen die Vögel rum um den See den Wald und flogen davon.

Fynn drehte sich um und sah Ardhi, der majestätisch auf das Ufer des Sees zuschritt. Fast gleichzeitig fühle der Junge unsichtbare Finger, die ihm durchs Haar fuhren und eine Stimme, wie das Säuseln des Windes, wisperte ihm „Nur Mut, kleiner Mensch“ ins Ohr.

Am Ufer, etwa fünf Armlängen vor Xankir entfernt brachen auf einmal Flammen aus dem Boden, wuchsen, bis sie so groß wie der Drache waren und ließen allein ein Gesicht erkennen. Eine Stimme, wie knisterndes Feuer, wehte an Fynns Ohr.

„Hier bin ich, was gibt es denn, Maji?“

„Diese beiden hier wollen einen Freund von den Toten auferstehen lassen“, antwortete das Wasser.

„Ein Shona-Ritual? Das haben wir schon sehr lange nicht mehr durchgeführt“, säuselte die Windgöttin Newa.

Fynn sah sich nach ihr um, konnte sie aber nicht entdecken. Dann sah er, dass die Luft an einer Stelle, etwa zwei Armlängen neben ihm, leicht flimmerte.

Er sah genauer hin und konnte Arme, Schultern und ein Gesicht ausmachen. Newa war nur schwer zu sehen, sie bestand ja nur aus Luft.

„Dann wollen wir anfangen?“, fragte Ardhi mit seiner knarzenden Stimme.

Die anderen Gottheiten nickten.

Nun setzte der Erdgott einen seiner Wurzelfüße auf das Wasser.

Fynn dachte, er würde versinken, doch der Gott lief über das Wasser, als wäre es Waldboden. Auch Moto das Feuer kam über das Wasser, als würde es ihm nichts ausmachen.

„Komm her, Xankir, stell dich in unsere Mitte“, sagten die Gottheiten gleichzeitig, so dass es sich anhörte, als würde sie mit einer einzigen Stimme sprechen.

„Nein!“, sagte Fynn schnell. „Ich habe das Opfer!“

Die Gottheiten und Xankir sahen ihn verwirrt an.

Fynn begann in seiner Tasche, die er immer bei sich trug, zu wühlen. Dann holte er vorsichtig einen Lehmdrachen heraus.

„Das. Das ist Euer Opfer!“, rief er und hielt den Lehm mit bebenden Händen in die Höhe, den Elementen entgegen.

Xankir sah seinen Freund vom Ufer aus überrascht an.

„Das…“, sagten die Elemente, immer noch mit einer Stimme, „ist kein Drache, sondern Lehm, der die Form eines Drachen hat. Dies ist kein gleichwertiges Opfer.“

„Ja… ja, ich weiß, aber… ich dachte, Ihr könntet… die Legende besagt, dass Ihr die Drachen auch aus Lehm geschaffen habt… vielleicht… könnte Ihr dasselbe nun mit diesem Lehmdrachen machen! Gebt ihm Euren Segen und akzeptiert ihn als Opfer, bitte!“

„Wir brauchen einen Drachen mit Schuppen, Hörnern und Krallen.“

Fynn brannten Tränen in den Augen.

Dann fiel ihm etwas ein. Wieder wühlte er in der Tasche und holte die Schuppe raus, die er damals, als er Xankir kennen gelernt hatte, vor der Höhle aufgesammelt und seitdem immer in der Tasche getragen hatte. Er drückte sie gegen den Lehmdrachen.

Jetzt hatte er eine Schuppe.

„Das reicht nicht. Warte! Vielleicht reicht es doch! Ist diese Schuppe von Xankir?“, fragten die Gottheiten den Menschen.

Dieser blickte sie einen Moment verwirrt an.

Es war seltsam mit anzusehen, sie sich die Gottheiten miteinander unterhielten, obwohl sie gleichzeitig mit einer Stimme sprachen. Es klang, als würden sie sich selbst widersprechen, doch es war Moto, der Fynn Hoffnung machte.

Jedenfalls sah dieser ihn an, während die anderen drei Elemente den Feuergott ansahen.

„Ja… er hat sie mal verloren… da hab ich sie eingepackt.“

Moto wandte sich den anderen zu.

„Es ist ein Teil von einem Drachen. In jeder Schuppe eines Drachen ist Leben. Wir können es als Opfer annehmen.“

Die Götter sahen sich gegenseitig an… dann nickten sie.

Fynns Herz tat einen Sprung. Er hielt ihnen den Lehmdrachen mit Xankirs Schuppe entgegen und als Ardhi ihn ihm abgenommen hatte, watete er zum Erddrachen ans Ufer und harrte gespannt der Dinge, die da kommen sollten. Er lehnte sich gegen seinen geschuppten Freund. Dessen Herz schlug genauso schnell wie sein eigenes, das konnte er deutlich spüren.

Ardhi legte das Lehmopfer ins Wasser, wo es unterging.

Dann reichten sich die Elemente die Hände und senkten die Köpfe.

Der Lehmdrache begann unter Wasser zu leuchten. Dann verschwand das Licht wieder.

Die Elemente traten zurück, Maji verschwand im Wasser. Plötzlich erhoben sich die Wassermassen und nahmen die Gestalt eines Drachen an. Schuppen wurden erkennbar, Hörner und Klauen bildeten sich.

Der Drache öffnete seine katzengleichen Augen und blickte sich um, als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht.

Fynn und Xankir rannten ins Wasser und auf ihn zu.

„Rorax!“, der Menschenjunge fiel dem wiedergeborenen Freund um den Hals und all die Verzweiflung und Trostlosigkeit der letzten Tage lösten sich in Tränen auf.
 

Das Shona-Ritual hatte Rorax wieder zurückgebracht.

Der Fürst

Jemand ritt durch den Wald.

Der Reiter ließ seinen Apfelschimmel an einem kleinen Bach stehen und ging alleine weiter.

Er war sehr stolz, dass die Anderen im Dorf ihm nun endlich ein Pferd geschenkt hatten, wie es üblich ist, wenn ein Junge von der Dorfgemeinschaft als Erwachsener anerkannt wird.

Ein kühler Wind fuhr über den jungen Mann hinweg, der fröstelnd sein Wams fester um sich zog.

Der Herbst neigte sich dem Ende zu, einige Bäume waren schon fast kahl.

Kurz darauf erreichte er eine Lichtung.

Er wurde bereits erwartet.

Zwei Drachen – ein grüner und ein blauer – lagen im hohen Gras dicht beieinander.

Als sie Schritte hörten, drehten sie sich um, standen auf und begrüßen Fynn.

Rorax hatte sich seit seiner Wiedergeburt dem Menschen gegenüber sehr verändert.

Er hatte keine Angst mehr vor Fynn und vertraute ihm nun. Fynn wusste nicht, ob das daran lag, dass er sich damals so sehr darüber gefreut hatte, dass Rorax wieder lebt, oder ob es daran lag, dass der Drache gestorben war und jetzt eine völlig andere Einstellung zum Leben bekommen hatte. Jedenfalls wurde er von dem Wasserdrachen stürmisch begrüßt, indem Rorax ihn fast umwarf und ableckte.

„Langsam Rorax, ich hab mich heute schon gewaschen!“, rief Fynn lachend.

Rorax ließ von ihm ab und nun begrüßte Xankir seinen Freund und rieb seinen Kopf an der Schulter des Jungen.

Xankir musste aufpassen, dass er seinen kleinen Freund nicht verletzte, denn seine Hörner waren inzwischen ziemlich lang geworden.

Fynn streichelte den Kopf des Freundes.

„Und? Was machen wir heute?“, fragte er.

Xankir hob den Kopf und sah ihn ernst an. „Wir müssen bald zu unserem Clan zurückkehren.“

“Was? Wieso das denn?“, fragte der Junge verwirrt.

„Es wird Winter, die Bäume verlieren ihr Laub, die Welt wird weiß“, antwortete Rorax.

„Na und?“ Fynn verstand immer noch nicht.

„Nun…“, sagte Xankir. „Im Winter ist es sehr gefährlich für uns Drachen. Da sind wir gut zu sehen, weil es keine Blätter mehr gibt, die uns verstecken. In dieser Zeit kehren alle Drachen zurück zu ihren Clans und verstecken sich in menschenleeren Gebieten.“

„Und wenn Frühling ist, kommen wir wieder“, fügte Rorax hinzu.

„Dann werde ich euch den ganzen Winter über nicht sehen?“ Fynn war entsetzt und auch die Drachen senkten betrübt den Kopf.

„Da kann man leider nichts machen“, meinte Rorax.

Fynn dachte nach. Dann sah er die Drachen flehend an.

„Kann ich nicht mitkommen?“

„Mitkommen?“, echoten die Drachen und hoben überrascht die Köpfe.

„Ja, warum denn nicht? Ich war doch schon einmal dort. Die Drachen kennen mich jetzt.“

„Aber deine Eltern…“, gab Xankir zu bedenken.

„Ich bin volljährig! Heute habe ich endlich mein eigenes Pferd bekommen. Das ist in unserem Dorf ein Symbol dafür, dass man endlich ein Mann ist“, erzählte Fynn stolz. „Wenn ich meinen Eltern sage, dass ich den Winter über die Welt erkunden will, werden sie es verstehen.“

„Du meinst das ernst“, stellte Rorax fest.

„Ja.“

Die Drachen sahen sich einen Moment an und nickten.

„Na gut, wenn das so ist, nehmen wir dich natürlich gerne mit“, freuten sich die beiden.

„Prima! Wann geht’s los?“

„In sechs Tagen?“ Xankir blickte Rorax fragend an. Der nickte.

„Ich denke, bis dahin werden noch genügend Blätter an den Bäumen sein, um uns zu verstecken. Aber länger sollten wir nicht warten“, antwortete er.

Damit war es beschlossene Sache.
 

Die letzten Tage vergingen ruhig.

Fynn bereitete sich auf einen Aufenthalt in einem Drachenclan vor und musste an hundert Sachen denken. Es gab so viel, was ein Drache nicht hatte, ein Mensch aber brauchte. Er packte ein Schwert, seinen Bogen samt Köcher und Pfeilen, Decken, Trockenfleisch, Wasserflaschen und noch viele, viele andere Dinge ein.

Währenddessen verloren immer mehr Bäume ihr grünes Kleid und es wurde merklich kühler. Deshalb gehörte natürlich auch eine ansehnliche Menge an warmer Kleidung zu Fynns Gepäck dazu.

Seine Mutter hatte gejammert, als er ihr mitteilte, dass er den Winter über auf Reisen sein würde, doch sein Vater hatte ihm hinterher, als seine Mutter in der Küche war, heimlich auf die Schulter geklopft und ihm aufmunternd zugezwinkert.
 

Dann brach endlich der Tag an, an dem es losgehen sollte. Fynn packte seine Sachen, küsste seiner Mutter auf die Wange, winkte seinem Vater zu und ging los.

Auf der Lichtung warteten schon die Drachen.

Ohne viele Worte stieg Fynn auf Xankirs Rücken, während Rorax sein Gepäck trug.

Die Reise verlief zunächst ereignislos.

Sie flogen, wie schon damals, als sie das Kijana nach Hause bringen wollten, immer nach Westen, unter sich der fast kahle Wald, der kein Ende nehmen wollte.

Doch dann flogen sie über eine Reiterschar, die durch den Wald ritt.

Weder die Drachen noch Fynn bemerkten sie, doch die Reiter am Boden hatten entdeckt, was da über sie hinweg flog und folgten ihnen unbemerkt.

Wenn die Drachen oder Fynn mal hinter sich geblickt hätten, hätten sie gemerkt, dass sie verfolgt wurden und sie hätten auch an der Kleidung der Leute gesehen, dass es ein Fürst mit einigen Jägern war.

Doch sie taten es nicht.

Schließlich wurde es Abend und die Reisenden rasteten auf einem kleinen Hügel mit einer Quelle, der von einer großen Wiese umgeben war.

In der Ferne konnten sie den Waldrand sehen, der nur noch aus Baumskeletten bestand.

Ein idealer Platz zum rasten. Von hier aus würden sie es sofort bemerken, wenn sich ihnen jemand nähern würde.

Die Jäger und den Fürsten konnten sie allerdings nicht sehen, denn die waren ein Stück vor dem Waldrand von ihren Pferden abgesessen, hatten sie festgebunden und versteckten sich nun hinter Baumstämmen und Gebüsch um die Reisenden zu beobachten.

Erst, als es stockdunkel geworden war und sie das kleine Lagerfeuer sahen, dass Fynn gemacht hatte um sich zu wärmen, verließen sie ihre Verstecke und krochen auf den Hügel zu.

Und wieder hatten sie Glück, denn keiner der drei Rastenden sah in ihre Richtung und so blieben sie auch dieses Mal unentdeckt.

Plötzlich aber gab ihr Herr, der Fürst, den Jägern ein Zeichen, das ihnen bedeutete, dass sie sich zurückziehen sollten.

Verwundert taten sie, was er wollte.

Der Fürst stand auf und ging, ohne darauf zu achten ungesehen zu bleiben, auf die drei Rastenden zu.

Diese entdeckten ihn auch kurz darauf.

Rorax sprang auf und knurrte den Herannahenden wütend an, während Fynn nach seinem Schwert griff und sich vor seine Freunde stellte.

„Wer bist du und was willst du?!“, rief er laut.

Der Fürst war stehen geblieben und blickte Rorax etwas ängstlich an.

Inzwischen war auch Xankir aufgestanden.

„Beruhigt euch doch, warum habt ihr denn Angst vor ihm?“, fragte er leicht verwundert.

Rorax und Fynn sahen ihn sprachlos an.

„Er… er ist ein Mensch“, sagte Fynn dann.

Xankir lachte. „Du doch auch Fynn.“

Fynn war total perplex. Was war mit Xankir los?

Der Fürst starrte den Erddrachen gierig an und machte einen Schritt auf ihn zu.

Das war zu viel für Rorax. Einmal war er schon gestorben, ein zweites Mal würde er es nicht soweit kommen lassen.

Er schwang sich in die Luft. Dorf fühlte er sich sicherer und er rief: „Xankir! Nun komm endlich! Lass uns verschwinden!“

Doch sein Freund hörte ihn nicht. Er trat auf den Fürsten zu, aber Fynn stellte sich ihm in den Weg.

Der Junge verstand seinen Freund nicht, doch er würde es auf gar keinen Fall zulassen, dass ihm etwas passierte.

Der Fürst sah den Jungen wütend an. „Geh mir aus dem Weg, Fynn!“, fauchte er.

Fynn fuhr herum und starrte den Adligen an.

Woher wusste er seinen Namen?!

Wie ein Blitz durchfuhr in die Erkenntnis: Er konnte die Drachen verstehen! Oder zumindest Xankir. Das war die einzige Möglichkeit!

“Komm… komm her zu mir, Dache!“, rief der Fürst mit vor Aufregung zitternder Stimme.

Fynn sah seinen gierigen Blick. Dann entdeckte er das Wappen, das auf den Umhang des Adligen gestickt war.

‚Das ist ja der Fürst, für den mein Vater arbeitet!’, dachte Fynn.

Dann erinnerte er sich an ein Ereignis in der Vergangenheit. Sein Vater hatte seinem Brotherren doch einmal Drachenblut geschenkt! Das war sicher das Blut eines Erddrachen gewesen! Deswegen konnte er Xankir verstehen!

Der Erddrache versuchte sich an dem Jungen vorbei zuschieben, doch der schlang seine Arme um dessen Hals und flehte ihn an: „Bitte Xankir! Der Kerl führt nichts Gutes im Schilde! Vertrau mir! Ich flehe dich an, bitte!“

Xankir bemühte sich sanft Fynns Umarmung zu lösen, aber der Junge hielt ihn stur fest.

„Ich bin mir sicher, er wird mir nichts tun, Fynn. Lass mich doch endlich los“, versuchte er seinen Freund zu beruhigen.

Rorax schwebte noch immer über ihnen und beobachtete die Szene unruhig.

Fynn sah dem Erddrachen in die Augen. Xankir konnte nun die Besorgnis und Angst in Fynns Blick sehen.

„Bitte…“, flüsterte der Junge eindringlich.

Der grüne Drache zögerte und sah den Fürsten an, der die beiden wütend beobachtete.

„Na gut…“, sagte Xankir dann. „Wenn du mich so bittest…“

„Nein!“, schrie der Fürst und sein Gesicht nahm einen hässlichen dunkelroten Ton an. „Ich habe dir befohlen zu mir zu kommen, Drache! Gehorchte mir! GEHORCHE MIR!!“

Doch Xankir war bereits mit Fynn auf dem Rücken gestartet.

Er sah noch einmal auf den zornigen Adligen hinab und flog dann mit Rorax an seiner Seite fort.

Aber der Fürst gab nicht so leicht auf. Er rief nach seinen Männern, die sofort mit seinem Pferd angeritten kamen. Er saß auf und los ging es, den Drachen hinterher.

Plötzlich schoss ein Schatten aus dem Nichts auf die Verfolger zu, brüllte sie an und überflog sie mit nur etwa einer Armlänge Abstand.

Es war ein Drache.

Die Pferde scheuten, warfen ihre Reiter ab und galoppierten davon.

Der fremde Drache war schon wieder im Dunkeln verschwunden, zurück blieb eine Schar Reiter, die sich erschrocken aufrappelten und ein ziemlich wütender Adliger.

Fynn, der sich auf Xankirs Rücken umgedreht und alles beobachtet hatte, sagte sich leise: „Der wird uns bestimmt noch eine Menge Ärger machen…
 

der Fürst…“

Ein friedlicher Tag

Jemand flog durch den Wald.

Auf einem Drachen flog er in atemberaubender Geschwindigkeit zwischen den Bäumen hindurch.

Als sie wieder einmal so nahe an einem Baum vorbeigezischt waren, dass er dachte, jetzt wäre alles aus, hielt Fynn es nicht mehr aus. Er legte stöhnend den Kopf auf Xankirs Rücken, drückte sein Gesicht an die warmen Schuppen und schloss fest die Augen, in der Absicht, sie erst wieder zu öffnen, wenn sie endlich gelandet waren.

„Es ist nicht mehr weit“, ertönte Xankirs beruhigende Stimme.

Obwohl der Drache versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, wusste sein Freund, dass er sehr müde war.

Sie waren die ganze Nacht durchgeflogen, hatten Umwege über Berge und Seen genommen – alles aus Angst, der Fürst würde ihnen folgen und sie würden ihn direkt zum Versteck des Drachenclans führen.

Inzwischen brach bereits die Morgendämmerung an.

Fynn war gerade dabei einzuschlafen, als Rorax’ Stimme ihn hochschrecken ließ. Er hatte nicht verstanden, was der Wasserdrache gesagt hatte, doch als er zwischen Xankirs Hörnern nach vorne blickte, wusste er, was der blaue Drache gemeint hatte.

Vor ihnen erhob sich der Berg, in dem der Drachenclan zuhause war.
 

Gerade als die Sonne über einen der umliegenden Berge spähte, landeten die Drachen samt ihrem Passagier vor dem, hinter Gebüsch gut verstecktem, Höhleneingang, der tief in den Berg führte.

Ein Fauchen drang aus dem Gebüsch.

„Wir sind’s, Rorax und Xankir. Fynn haben wir auch mitgebracht“, antwortete Xankir.

Ein Schnauben wurde hörbar – sie durften eintreten.

Schnell gingen sie hinein.

Fynn, der inzwischen von Xankirs Rücken abgestiegen war, sah sich neugierig um. Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte es ihn nicht sehr interessiert, wie Drachen so leben, zu tief hatte der Schock über Rorax’ Tod gesessen. Doch jetzt inspizierte er jede Ecke. Das Erste, was er sah, als sie das Gebüsch hinter sich gelassen hatte und sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war ein weißer Drache – ein Luftdrache – der neben dem Höhleneingang Wache hielt. Er sah Fynn an und sein langer Schwanz zuckte unruhig.

Fynn blickte ihm in die eisblauen Augen und sagte freundlich: „Hallo, wie geht’s?“

Der Drache blinzelte überrascht, doch dann nickte er ihm zu und Fynn hätte schwören können, dass dabei ein Lächeln über sein Gesicht gehuscht war.

Dann begrüßte der weiße Drache Rorax und Xankir indem er sie leise anknurrte. Xankir sagte Fynn, dass der Wächter Rax heiße.

Rorax war, nachdem er wiedergeboren wurde, schon einmal hier gewesen, daher war Rax nicht im Geringsten überrascht, ihn zu sehen.

Während sich die Drachen unterhielten, hatte sich Fynn umgeschaut und nach der Quelle des seltsamen weißen Lichtes gesucht, das den Gang, der sanft ins Berginnere hin abfiel, erhellte. Er entdeckte dünne Pflanzen an den felsigen Wänden und auch am Boden, die die Wände hochkletterten und von denen dieses Licht auszugehen schien. Sie hatten keine Blüten oder Knospen, nur flache Blätter an langen Stielen, die sich an die Felsen schmiegten.

Rorax und Xankir hatten sich von Rax verabschiedet und bemerkt, dass ihr Freund die Pflanzen verwundert anstarrte.

Während die drei dem Weg folgten, erklärte Rorax, dass diese Pflanzen von den Drachen „Sanduku“ genannt wurden. Warum sie leuchten, hatte bisher noch niemand herausfinden können, doch sie wuchsen überall dort, wo niemals etwas wächst – in völliger Dunkelheit und an felsigen Wänden, die eigentlich keinerlei Nahrung boten. Ein weiteres Geheimnis dieser Pflanzen war, dass sie, sobald sie von den Wänden abgepflückt wurden, aufhörten zu leuchten. Die Drachen glaubten daher, dass sie Lebewesen waren, die man tötete, wenn man sie von der Wand entfernte und ließen sie wachsen, wo sie wollten.

„Aha“, sagte Fynn, hockte sich vor eine Sanduku-Pflanze, die aus dem Boden wuchs und strich vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. Ihre Blätter waren samtig weich und warm.

Dann zog er erschrocken die Hand zurück.

Die Pflanze bewegte sich!

Sie strahlte heller und reckte sich eindeutig in Fynns Richtung, als wollte sie ihn bitten, sie noch einmal zu berühren.

Der Junge blickte seinen Freunden nach, die ohne ihn weitergegangen waren und nicht bemerkt hatten, was passiert war. Dann sah er wieder die langstielige Pflanze an, die ihm immer noch ihre handtellergroßen Blätter entgegenstreckte.

Ein weiteres Mal strich er sanft über eines ihrer Blätter, beobachtete, wie die Pflanze erneut aufleuchtete und rannte dann – nicht ohne sich noch einmal umzublicken – den Drachen hinterher.

Das Nächste, das er bemerkte war, dass sogar Drachen so etwas wie Wohnungen hatten. Links und rechts im Gang gab es immer wieder neue Eingänge zu weiteren Höhlen. Viele hatten Vorhänge aus Sanduku-Pflanzen, ein paar wenige hatten keine „Haustüren“ und ein einziger Höhleneingang hatte zwei Decken als Haustüre. Decken, wie nur Menschen sie hatten, aus Leinen. Fynn blieb davor stehen und starrte sie ungläubig an. Sie sahen aus wie…

„Ja, das sind deine, Fynn“, sagte Xankir mit einem leisen Lachen in der Stimme.

Fynn hatte damals die beiden Decken, die er für Jani und sich mitgenommen hatte, beim Drachenclan vergessen.

„Sieht so aus, als hätte sie deine Mutter zweckentfremdet, Xankir“, lachte Rorax.

„Sie kann einfach nichts wegwerfen“, seufzte der Erddrache mit gespielter Verzweiflung.

„Das habe ich gehört“, ertönte es hinter den Decken.

„Mama!“, rief Xankir, als der Kopf eines Drachen zwischen Fynns Decken erschien.

Der Junge sah Xankirs Mutter erstaunt an. Sie war ein Wasserdrache! Wie ging denn sowas?

Inzwischen hatte Xankirs Mutter die drei hinein gebeten.

Innen sah es aus, wie draußen. Ein langer Gang, von Sanduku-Pflanzen erhellt, von dem mehrere Gänge abzweigten, die wahrscheinlich in die verschiedenen Zimmer führten.

Nachdem Xankirs Mutter die beiden anderen Drachen begrüßt hatte, stupste sie auch Fynn freundlich ihre Nase in den Bauch.

Fynn nickte ihr leicht verlegen zu.

„Lasst uns doch in den Großen Raum gehen“, schlug Xankirs Mutter dann vor.

Der Große Raum war sozusagen das Wohnzimmer aller. Es war eine riesige Aushöhlung am Ende des Langen Ganges, der direkt vom Eingang dorthin führte und von dem die „Wohnungen“ der Drachen abzweigten.

Als die vier den Großen Raum betraten, schlug ihnen Wärme entgegen. Hatte Fynn eben noch auf dem kühlen Gang gefroren, so fühlte er nun, wie sich seine Muskeln entspannten.

Es waren immer Drachen hier, vor allem die Kijana wurden hier untergebracht und schliefen auch hier.

Die Körper der Drachen gaben Wärme ab und die speicherten die felsigen Wände. Daher war dies der perfekte Ort für alte Drachen und Kijana, die sich schnell erkälten konnten.

Als die vier eingetreten waren, hatten die anderen Drachen die Köpfe gehoben, scharten sich um sie und begrüßten die Ankömmlinge freundlich.

Dann traten die Drachen zur Seite um Rynd, den Clanältesten, durchzulassen, einen Erddrachen, dessen grüne Schuppen schon stumpf geworden waren und der einen dunkelbraunen, langen Bart hatte. So wie alte Menschen gebückt laufen, so hielt Rynd den Kopf stets gesenkt, als würde es ihm Mühe bereiten, ihn zu heben; dadurch konnte Fynn ihm direkt in die Augen blicken, während er hoch schauen musste, um Xankir, Rorax, oder einem anderen Drachen ins Gesicht zu sehen.

Was er sah, erschreckte ihn. Die Augen des alten Drachen waren milchig-weiß – er war blind.

Rynd streckte den vier Ankömmlingen die Schnauze entgegen, um sie zu beschnüffeln. Der Reihe nach stupsten Xankirs Mutter, Xankir und Rorax seine Schnauze mit ihren Nasen, sodass er sie an ihrem Geruch erkennen konnte.

Als Rynd bei Fynn ankam, legte ihm dieser die Hand auf seine schuppige Nase.

„Ah, der Mensch ist wieder da“, sagte Rynd langsam.

„Ja“, antwortete der Junge schüchtern. „Wie geht es Euch?“

Ein Lächeln trat auf das Gesicht des Alten und ließ ihn jünger aussehen.

„Wie es mir geht fragst du? Nun ja, ich denke dafür, dass ich hier der Älteste bin, ganz gut“, sagte Rynd mit einem Lachen in der Stimme und rieb seinen Kopf liebevoll an der Schulter des überraschten und erfreuten Jungen.

Selbst die Drachen, die ihn eben noch misstrauisch angesehen hatten, sahen nun um einiges freundlicher aus. Fynn war von dem Drachenclan als Freund akzeptiert worden.

„So, nun erzählt mir, wie war eure Reise?“

Rorax, Xankir und Fynn sahen sich an. Dann begann der Wasserdrache vom Fürsten und seinen Jägern zu berichten, denen sie nur um Haaresbreite entkommen waren, und auch den fremden Drachen, der ihnen geholfen hatte, verschwieg er nicht.

Als er erzählte, wie seltsam sich Xankir verhalten hatte, blickte Xankirs Mutter ihren verlegenen Sohn erschrocken an und auch der Clanälteste machte ein eigenartiges Gesicht. Dann nickte Rynd in Rorax’ Richtung – er sollte weitererzählen.

Als der Wasserdrache geendet hatte, seufzte der Alte und meinte: „Ich werde über das nachdenken, was ihr mir erzählt habt. Aber jetzt solltet ihr euch ausruhen, ihr seid sicher sehr müde.“

Fynn hatte vor Aufregung total vergessen, wie müde er war, doch nun kehrte die Erschöpfung mit aller Macht zurück. Die Drachen führten sie in eine Ecke des Großen Raumes, in der eine Menge Moos und Stroh lag. Ein paar Kijana schliefen dort bereits unter den wachsamen Augen ihrer Mütter und Väter.

Die drei Freunde legten sich einfach dort, wo noch Platz war, hin und waren kurz darauf eingeschlafen.
 

Als Fynn nach einigen Stunden wieder aufwachte, spürte er etwas Weiches und Warmes, das sich an seine Brust gekuschelt hatte.

Er sah hinunter. In seinen Armen lag ein schlafendes Erd-Kijana. Aber es war nicht irgendeins.

„Jani“, flüsterte Fynn leise.

Jani öffnete die Augen.

„Oh, hab ich dich geweckt? Das tut mir leid“, entschuldigte Fynn sich schnell.

Doch das Kijana hatte nicht geschlafen, wie seine Mutter Fynn versicherte. Auch benahm Jani sich nicht, als wäre sie verschlafen.

Sie krabbelte auf Fynns Bauch, schleckte ihm über das ganze Gesicht und quiekte: „Fynn! FynnFynnFynnFynnFynn!!“

Davon wachten Rorax und Xankir auf. Als sie sahen, wie Jani überglücklich auf dem Jungen herumtrampelte und –hüpfte mussten sie sehr lachen.

Schließlich schob Janis Mutter ihre energiegeladene Tochter sanft aber bestimmt von dem Menschen herunter. Sie landete auf dem Rücken im weichen Moos. Fynn stürzte sich auf sie um sich zu rächen und kitzelte sie kräftig durch. Jani streckte alle viere von sich und zappelte. Xankir, Rorax und einige andere Drachen lachten Tränen.

Schließlich hatte sich Fynn genug gerächt und ließ von Jani ab.

Kurz darauf erschien Rax und teilte ihnen mit, dass die drei Freunde von Rynd erwartet wurden.

Erst wollte Jani sie nicht gehen lassen. Sie hängte sich an Fynns Hosenbein und jaulte. Doch Fynn versprach ihr, gleich, nachdem sie bei Rynd waren, mit ihr zu spielen und sie ließ die drei gehen.

Rynd erwartete sie in einer anderen Ecke des Großen Raumes, umgeben von mehreren, auch sehr alt aussehenden Drachen.

„Hier sind sie“, kündigte sie Rax an.

„Tretet näher“, sagte Rynd. „Wir, die Zee-Drachen, also die ältesten Drachen des Clans, haben eventuell eine Erklärung für Xankirs Verhalten diesem Fürsten gegenüber gefunden.“

Neugierig traten die drei Freunde in den Kreis der Drachen.

„Fynn?“, fragte Rynd.

„Ja“, antwortete der Junge, damit der Alte wusste, wo er stand.

„Wie hast du Xankirs Blut getrunken?“

Fynn fragte nicht, woher Rynd das wusste, sondern erzählte wie er Xankir kennen gelernt hatte.

„Und Xankir hatte damals absolut keine Angst vor dir?“, erkundigte sich einer der anderen Zee-Drachen, ein großer Wasserdrache.

Fynn und Xankir schüttelten die Köpfe. „Nein“, sagten sie, damit auch Rynd es hören konnte.

„Hast du davor schon einmal Drachenblut getrunken?“, fragte Rynd weiter.

„Ja“, sagte Fynn.

Die Drachen murmelten überrascht, es entstand Unruhe.

„Seid bitte still“, sagte Rynd. „Erzähle“, forderte er Fynn auf und dieser berichtete, was damals passiert war.

„Vor wie vielen Jahren war das, ungefähr?“, erkundigte sich Rynd.

„Ich weiß nicht genau. Ich war damals, glaube ich, elf Jahre alt. Also vor ungefähr neuen Jahren.“

„Xankir, ist nicht auch in diesem Jahr dein Vater von Jägern…“, fragte Rynd.

Xankir senkte den Kopf und nickte. Dann hob er ihn wieder und sah erst Rynd, dann Fynn überrascht und ungläubig an. „Ihr meint doch nicht… Ihr denkt doch nicht…?“, fragte er den Ältesten.

„Es würde erklären, warum du keine Angst hattest, Xankir. Es war dasselbe Blut. Und du hast gesagt, dein Vater hat das Blut seinem Herren geschenkt?“, wandte er sich wieder Fynn zu.

„Ja, aber was soll das heißen? Ich verstehe nicht…“

„Rynd will damit sagen…“, begann Rorax, „… dass das Blut, das dein Vater damals seinem Herren geschenkt hat und von dem du getrunken hast, von Xankirs Vater stammen könnte. Wenn man das Blut eines Elternteils trinkt, dann verlieren die Nachkommen jegliche Angst vor dem Trinkenden. Deshalb hatte Xankir keine Angst vor dir und auch nicht vor dem Fürsten.“

„Ach, deshalb hast du dich mir gegenüber so verändert, ich habe auch dein Blut getrunken und deshalb hattest du dein Misstrauen verloren“, sagte Fynn.

Rorax nickte.

Xankir blickte nachdenklich von einem zum anderen.

„Aber ich glaube trotzdem nicht, dass er uns etwas tun würde!“, rief er dann plötzlich.

Er sah den anderen Drachen trotzig ins Gesicht.

Rynd seufzte leise. Das könnte ein Problem werden.

Rorax und Fynn sahen ihren Freund besorgt und auch etwas ängstlich an.

„Xankir, mach ja keine Dummheiten!“, bat Fynn seinen Freund und zog ihn an einem seiner Hörner zu sich runter, um ihm in die Augen zu sehen.

Der Erddrache stupste ihn sanft aber bestimmt weg.

„Du musst dir um mich keine Sorgen machen…“, erwiderte er und sah über ihn hinweg.

„Xankir“, flüsterte der Junge leise, doch sein Freund hörte ihn nicht.

„Nun“, meldete sich Rynd wieder zu Wort. „Das war alles, ihr könnt nun zu eurer kleinen Freundin gehen.“ Er zwinkerte zu Jani, die ungeduldig hopsend in der Mitte des Großen Raumes auf sie wartete und immer wieder nach ihrem Freund rief.

Fynn und Xankir verabschiedeten sich von den Zee-Drachen, doch Rorax wollte noch kurz etwas mit dem Ältesten besprechen und so gingen sie alleine zu Jani, die Fynn erst einmal vor Freude umwarf.

Sie wollte unbedingt raus und spielen und Xankir und Fynn versprachen ihrer Mutter, gut auf sie Acht zu geben.

Am Höhleneingang stand wieder Rax. Er gebot ihnen, stehen zu bleiben und zu warten, bis er geprüft hatte, ob es auch ungefährlich war, das Versteck zu verlassen. Als er wieder hereinkam und ihnen beruhigt zunickte, blieb Fynn noch einen Moment stehen, um Rax zu fragen, ob er immer hier Wache halte und, wenn ja, warum er dann vorhin im Großen Raum war und nicht auf seinem Posten.

„Nein, nein“, war die Antwort, die Xankir übersetzte. „Ich bin nur einer von mehreren Wächtern. Ich war vorhin im Großen Raum, weil meine Schicht zu Ende war. Jetzt stehe ich wieder hier, weil mein Kumpel krank ist und mich gebeten hat, für ihn einzuspringen.“

„Ach so“, konnte Fynn nur noch sagen, da zog ihn Jani an den Hosenbeinen hinaus.

Sie rannten um die Wette, der Fluss im Tal war das Ziel. Die Wintersonne stand niedrig und so malten die umliegenden Berge lange Schatten auf die großen Wiesen, die sogar noch etwas Frost hatten. Die kahlen Bäume, die einen dichten Wald bildeten, wenn sie Laubkleider trugen warfen kaum Schatten.

Es war kalt und als die drei am Fluss angekommen waren, bildeten sich große, weiße Atemwölkchen vor ihren Gesichtern.

Jani streckte eine Kralle in das eiskalte Wasser und zog sie sofort quietschend wieder raus.

Dann spielten die drei Verstecken, wobei es schwer war, in dieser winterlich-kahlen Landschaft einen guten Platz zu finden. Doch Xankir und Fynn liefen oft, obwohl sie sie schon längst entdeckt hatten, mehrmals, laut ihren Namen rufend, an Jani vorbei.

Als Jani genug von diesem Spiel hatte, gingen die drei flussabwärts spazieren, bis sie an einen großen Wasserfall kamen. Als Fynn hinuntersah, wurde ihm leicht schwindlig und er trat schnell wieder einen Schritt zurück.

Xankir war der Meinung, dass es Zeit wäre, zurückzugehen, doch Jani wollte noch nicht gehen.

Sie verbiss sich in Xankirs Schwanz. Es tat zwar nicht weh, da die Haut dort sehr dick war und Janis Zähne nicht besonders lang waren, aber es war schwer, so zu laufen.

„Was willst du denn noch machen?“, fragte Xankir das störrische Kijana.

In dem Augenblick hörten sie ein Rauschen, Rorax kam angeflogen und landete direkt neben ihnen. Jani starrte ihn mit großen Augen an. Sie ließ Xankirs Schwanz los, tapste zu Rorax und rief: „Will auch!“

Rorax sah sie verständnislos an.

„Was willst du auch?“

Das Kijana streckte ihre Flügel, die sie bisher stets am Körper gefaltet hatte und jetzt erst konnte man sehen, wie groß sie im Vergleich zum kleinen Körper waren. Jani starrte sie an, als hätte sie so etwas Seltsames noch nie gesehen.

Sie machte drei kleine Hüpfer und schlug unbeholfen mit ihren Flügeln, ohne vom Boden abzuheben. Dann landete sie mit einem Plumps vor Rorax Vorderpfoten und schaute traurig an ihm hoch.

„Will auch!“

„Sie will fliegen lernen?!“, riefen Fynn und Xankir gleichzeitig.

Rorax lachte fröhlich und strich dem Kijana mit seiner Pfote über den Kopf.

„Ich fürchte, dafür bist zu noch etwas zu klein.“

Jani schaute ihn böse an. Sie wurde lauter: „Will auch!!“

„Ich denke, wir können ihr schon ein paar Grundkenntnisse beibringen“ meinte Xankir.

Jani wandte sich hoffnungsvoll zu ihm um. „Jaaaa!“

Fynn war sehr neugierig, wie Kijana das Fliegen lernten.

Xankir entfaltete seine Flügel.

„Siehst du, Jani, man muss, wenn man in der Luft schweben will, die Flügel schön waagerecht halten, so kann man große Strecken fliegen, ohne müde zu werden. Das macht man auch, wenn man nicht weit fliegen, sondern zum Beispiel einfach von einem Felsvorsprung herunter will.“

Jani machte es ihm nach.

„Gut!“, lobten Rorax und Fynn.

Wieder begann das Kijana auf und ab zu hopsen. „Fliegen, fliegen!“

„Nein Jani, um richtig zu fliegen bist du wirklich noch zu klein“, sagte Xankir ernst.

Jani knurrte. Dann lief sie, laut „Fliegen, fliiiiiiegen!!“ schreiend um Xankir herum und verbiss sich ein zweites Mal in seinen Schwanz.

„Jani! Wir wollen dich nicht damit ärgern. Es ist wirklich noch zu gefährlich! Ich habe auch erst fliegen gelernt, als ich zehn Winter alt war“, versuchte Rorax sie zu beruhigen.

Doch es war zwecklos, also gaben die drei auf und liefen flussaufwärts Richtung Drachenhöhle – Xankir mit einigen Schwierigkeiten, denn Jani hatte ihn noch nicht losgelassen.

Plötzlich blieb der Erddrache stehen.

„Was ist?“, wurde er gefragt.

Xankir drehte sich um. „Jani hat logela… Aaaaah!“

Rorax und Fynn drehten sich um.

Jani hatte Xankirs Schwanz losgelassen und rannte, die Flügel gespreizt in der Waagerechte zurück… auf den Rand des Wasserfalls zu.

„Sie wird doch nicht…?“, fragte Rorax noch total verdutzt.

„Nein!“, schrie Xankir und Fynn legte einen Blitzstart hin, dass die losen Steine, die am Ufer lagen, nur so durch die Gegend flogen.

Doch es war zu spät.

Jani kam am Rand an, machte einen kleinen Hopser und fiel über den Rand des Abgrundes.

Jetzt erst konnten sich die Drachen aus ihrer Starre lösen und rannten in mächtigen Sätzen hinter Fynn her.

Der war am Wasserfall angekommen und fing an zu schreien.

„Mehr nach links! Halt die Flügel gerade! Pass auf, du landest sonst im Fluss! Weiter liiinks!!!“

Die beiden Drachen sahen, als sie neben dem, Anweisungen schreienden Jungen angekommen waren… eine schwebende Jani.

Die Flügel weit ausgebreitet versuchte sie, immer wieder ein Stück absackend, Fynns Anweisungen zu befolgen.

Als der Junge die Drachen bemerkte, stieg er auf Rorax Rücken – Xankir war schon dem Kijana hinterher geflogen – und sie geleiteten Jani langsam zu Boden.

Xankir flog unter ihr, so dass er sie auffangen konnte, falls nötig. Sicher und wohlbehalten kamen sie unten an.

Zufrieden mit sich und der Welt plumpste das Kijana auf den Boden. Doch ihre Hochstimmung verflog im Nu. Ernste Blicke schienen sie zu durchbohren. Sie senkte den Kopf, zog den Schwanz ein und murmelte etwas, das wie: „Tsuldigung“ klang.

„Mit einem ‚Tschuldigung’ ist es nicht getan, Jani. Du hast uns sehr erschreckt“, begann Rorax ruhig. „Versprich uns, dass du das nie wieder machst, bis zu alt genug bist, fliegen zu lernen.“

„Tu ich“, antwortete das Kijana bedrückt.

„Oh man! Ich brauche erst einmal eine Pause!“, seufzte Fynn und ließ sich, wo er gerade stand, auf dem Boden nieder.

Rorax ging zum Fluss und trank, während Xankir einen kleinen Ast für Jani und einen großen für sich suchen ging, denn die beiden Erddrachen waren von der Aufregung sehr hungrig geworden.

Fynn sah neben sich einen weiteren Ast liegen. Er hob ihn auf. Sicher hatte Rorax auch Hunger. Doch als er Rorax den Ast anbot, lachte dieser nur.

„Was ist so lustig?“, wollte Fynn wissen.

„Ist es dir noch nie aufgefallen?“, kam Rorax’ Gegenfrage.

„Was?“

„Na, dass ich niemals etwas esse.“

„Was?! Nein. Aber jeder muss doch etwas essen.“

Wieder lachte Rorax. „Kennst du die Legende über die Entstehung der Drachen?“, wollte Rorax wissen.

„Ja.“

„Wer hat sie dir erzählt?“

„Xankir.“

„Hat dir Xankir auch über die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Elementen erzählt?“

„Ja.“

„Wiederhol, was dir im Gedächtnis geblieben ist.“

„Nun…“, Fynn dachte angestrengt nach. „Die Götter waren sich uneins darüber, was für ein Wesen sie schaffen sollten.“

„Was haben die Götter genau gesagt?“ Rorax hörte nicht auf zu grinsen.

„Sie sagten…“ wieder überlegte Fynn. „Sie wollten… dass dieses Wesen… das, dass sie erschaffen wollten… von… von ihren Elementen lebten!“, dem Jungen war ein Licht aufgegangen. „Ach so, deshalb ernähren sich Xankir und Jani von Ästen, also von Holz, denn Holz und Pflanzen gehören zu der Erde, und du trinkst nur Wasser, weil das dein Element ist!“

„Richtig“, rief Rorax.

„Aber…“, Fynn war etwas eingefallen. „Das sich die Luftdrachen dann von Luft ‚ernähren’ ist mir klar, aber wie kommen die Feuerdrachen an Feuer?“

„Tja, DAS ist die besondere Gabe der Drachen, die sie von ihrem Herrn, Moto, bekommen haben.“

„Besondere Fähigkeiten? Davon habe ich noch nie gehört!“

„Nun ja, die Elemente gaben ihren Geschöpfen besondere Fähigkeiten mit auf den Weg, damit sie überleben konnten, zwischen all den vielen, raffinierten Menschen.“

„Und was ist jetzt die besondere Gabe der Feuerdrachen?“

„Sie können, als Einzige, Feuer spucken.“

„Bei den Elementen! Im Ernst? Das hat Xankir dann wohl vergessen zu erwähnen, als er mir die Legender der Erschaffung erzählt hat“, meinte Fynn ironisch.

„Du darfst nicht denken, dass er sie dir absichtlich nicht erzählt hat. Diese Fähigkeiten sind so normal und alltäglich für uns, sicherlich hat er einfach nicht an sie gedacht.“

„Kann sein“, meinte Fynn versöhnt.

„So, das war jetzt aber genug Aufregung für den Tag. Wir gehen besser heim, es wird schon dunkel“, rief in dem Moment Xankir.

Kaum hatte er geendet, ertönte Schnauben und Fauchen über ihren Köpfen und alle blickten auf.

Ein großer, grimmig aussehender, blutroter Drache schwebte auf sie zu.

„Was hat er gesagt?“, fragte Fynn Rorax.

„ ‚Ach hier seid ihr’ “, übersetzte der Wasserdrache leise. „ ‚Ich wurde geschickt, um euch suchen zu gehen. Man kann euch wohl keine Minute aus den Augen lassen. Erst schleppt ihr fast diesen Menschen-Fürsten hierher und ich muss euch retten, dann darf ich losziehen, weil ihr einfach mit einem Kijana abhaut und die Mutter mir die Ohren volljammert!’ “, übersetzte Rorax das Schnauben, Fauchen und Knurren, mit dem der Drache sie bedachte.

„Was?“ Du warst der Drache, der uns geholfen hat?“

„Ja, und übrigens: Ihr sollt sofort zu Rynd! Eine Patrouille hat euren anhänglichen Menschenfreund samt seiner Reiterschar nicht unweit von hier entdeckt!“
 

Das war dann wohl das Ende dieses friedlichen Tages.

Angriff ist die beste Verteidigung

Jemand kroch durch den Wald.

Die Kälte drang dem Jungen durch die Kleider, durch die Haut bis in die Knochen, doch er durfte nicht aufstehen, nicht gesehen werden.

Durch die kahlen Bäume drang Licht. Fynn kroch vorsichtig noch ein Stück näher. Grölen und laute Stimmen drangen an sein Ohr. Doch er wusste, dass der Schein trügt. Sicher schlichen hier Wachen herum, auf die musste er aufpassen.
 

Nachdem er mit seinen Freunden, Jani und dem Feuerdrachen, der sich als Nexel vorgestellt hatte, in die Höhle der Drachen zurückgekehrt war, waren sie sofort zu Rynd gegangen, der sie dann über die Situation aufgeklärt hatte.

Sie hatten einen Schlachtplan zurechtgelegt.

Teil eins dieses Planes besagte, dass Fynn – als der Kleinste und Unauffälligste – sich an das Lager der Menschen anschleichen und herausfinden sollte, mit wie vielen sie ungefähr zu tun hatten.
 

Und so lag Fynn nun auf dem gefrorenen Boden, Nässe und Kälte machten ihm zu schaffen und er schlich sich in stockfinsterer Nacht auf ein Lagerfeuer zu.

Es knackste etwa drei Armlängen von ihm entfernt.

Fynn drückte sich auf den Boden, hielt den Atem an und versuchte die Finsternis zu durchdringen.

Er ahnte mehr, als dass er ihn sah – ein Schatten, hoch aufgerichtet ging vorbei.

Die Wache.

Der Junge wartete, bis sie verschwunden war und krabbelte dann noch ein Stück näher an das Lager.

Er war am Rande einer Lichtung angekommen. In der Mitte brannte ein großes Feuer, darum saßen die Jäger, lachten, aßen geschossenes Wild und tranken aus grob geschnitzten Holzbechern. Der Fürst saß mitten unter ihnen und lachte am Lautesten.

Offensichtlich wussten sie nicht, wie nah sie sich am Versteck des Drachenclans befanden, sonst hätten sie nicht so viel Lärm gemacht.

Im Moment waren sie keine Gefahr, sollten sie aber in der Richtung weiterziehen, in die sie bisher gegangen waren, kamen sie direkt ins Tal der Drachen und dort gab es genügend Spuren die bewiesen, dass dort Drachen lebten.

Sie würden die umliegenden Berge absuchen und wahrscheinlich auch den Höhleneingang finden.

Würden hier nur ein paar Drachen wohnen, wäre es kein Problem einfach für einige Zeit zu einem anderen, größeren Drachenclan zu fliehen und abzuwarten, bis die Jäger genug vom Suchen hatten. Doch Rynds Clan bestand aus bis zu fünfzig oder sechzig Drachen, die Kijana nicht eingerechnet. Kein anderer Clan würde Platz genug haben um sie aufnehmen zu können und den Clan aufzuspalten kam nicht in Frage.

Also blieb nur die Fluch nach vorne, sie mussten die Jäger vertreiben und Vorkehrungen treffen, dass kein Mensch mehr dieses Tal erreichen könnte, es sei denn, er würde auf einem Drachen über die Berge fliegen.

Fynn zählte dreiundzwanzig Männer, samt Fürsten und sicher schlichen hier noch mal drei bis vier Männer herum, die Wache hielten.

Der Junge hatte erledigt, was er sollte und wollte sich gerade auf den Weg zurück machen, als es wieder in seiner Nähe knackte.

Die Wache kam zurück.

Fynn drückte sich an den Boden und wartete darauf, dass die Wache vorbeiging.

Doch sie kam näher.

Der Junge konnte nur still liegen bleiben und hoffen, dass sie wieder umkehrte. Die Geräusche von Schritten kamen immer näher, Fynn schloss fest die Augen.

Dann ging alles sehr schnell.

Ein Fuß trat in seine Seite, die Wache fiel über den Jungen, der sprang hoch, hüpfte auf den Rücken der Wache, die einen Schmerzensschrei ausstieß und rannte los, so schnell er konnte.

Hinter sich hörte er die Flüche der Wache, die Fragen von dessen Kameraden und die lauten Befehle des Adligen.

Doch er achtete nicht darauf sondern rannte weiter.

Sein Vorteil war, dass er sich hier besser auskannte als die Jäger, er wusste, in welcher Richtung die Drachen auf ihn warteten.

Atemlos kam er am Fluss an. Dort standen Xankir, Rorax, Nexel und Rax bereit, um Fynns Verfolger in Empfang zu nehmen.

„Plan B!“, keuchte Fynn schon von weitem. „Sie wissen,… dass mindestens… einer… hier ist! Es sind so um die fünfundzwanzig bis dreißig Männer, sie haben Pfeile, Bogen, Schwerter, Lanzen und Giftflaschen in Massen! Es sollte sich also besser niemand von ihren Waffen verletzen lassen“, besorgt sah Fynn Rorax an, der unbehaglich von einem Bein aufs andere trat, was bei vier Pfoten etwas komisch aussah.

Dann stieg er auf Nexels Rücken und sah zu, wie alle ihre Posten einnahmen.

Rorax sprang ins Wasser, Xankir verschwand hinter einem Felsen und Rax und Nexel schwangen sich in die Luft.

Fynn konnte zwar nichts sehen, aber das machte nichts, denn er hörte sehr gut, was unter ihm vor sich ging. Neben sich hörte er ein leises Rauschen, wenn einer der beiden Drachen mit den Flügeln schlug.

Unterdrücktes Fluchen drang von unten herauf, als die Männer aus dem Wald stolperten.

Laut Plan müsste jetzt Xankir aus seinem Versteck kommen und durch leise Geräusche wie Schnauben und Tritte die Männer dazu bringen, sich genau unter ihnen zu versammeln und abzuwarten.

Es klappte.

Fynn hörte ein Rascheln, als würde ein langer Schwanz über gefrorenes Gras schleifen und kurz darauf befahl der Fürst anzuhalten und auf die verbleibenden Männer zu warten, von denen einer nach dem anderen aus dem Wald kam.

Das Rauschen von Rax’ Flügeln wurde leiser und verstummte dann. Nach kurzer Zeit kam er wieder zurück.

Er fauchte leise, Nexel schnaubte zurück.

Zwar konnte Fynn sie nicht verstehen, doch er wusste, was sie sagen wollten.

Rax war lautlos verschwunden und hatte sich bei den Kiumas, die im Wald versteckt waren und dafür sorgten, dass kein Jäger in die falsche Richtung lief, erkundigt, ob nun alle Männer am vereinbarten Punkt waren.

Da Nexel nickte, war das wohl der Fall.

Dann hob er den Kopf in den nachtschwarzen Himmel und blies Flammen aus seiner Nase.

Das war das Zeichen für die zehn Feuerdrachen, die etwas entfernt warteten herzukommen.

Der Gegenschlag begann.

Natürlich hatten auch die Jäger die Flammen bemerkt, die über ihnen die Luft erhitzten. Erschrocken Rufe wurden laut, doch sie wussten nicht, was sie tun sollten.

Rax und Nexel landeten, Xankir schnitt den Menschen den Weg nach vorne, flussaufwärts ab, Rax landete hinter der Schar, auch der Weg zurück in den Wald war versperrt, rechts von ihnen lang der breite, tiefe, eiskalte Fluss und links spukte Nexel wieder seine Flammen in die Luft.

Die Jäger bewegten sich unruhig, wagten es aber nicht, zu fliehen, wer wusste denn schon, wie viele Drachen noch in der Dunkelheit warteten?

Da kamen die anderen Feuerdrachen angeflogen.

Sie erhellten die Gegend mit Flammenstößen und umzingelten die Menschen.

Fynn, der immer noch auf Nexels Rücken saß, musste grinsen.

Da standen sie, eng aneinandergedrängt, den Fürsten in der Mitte eingeschlossen. Selbst das Feuer, das alles in rotes Licht tauchte, konnte nicht vertuschen, dass er schneeweiß geworden war.

Die Drachen kamen näher, die Männer wichen zurück. Die ersten Jäger standen schon mit dem Rücken am Ufer, das an dieser Stelle etwa zwei Armlängen tief senkrecht zum Fluss abfiel. Doch die Drachen blieben nicht stehen.

Die Männer wurden gnadenlos weiter zurückgedrängt, zwei der Jäger fanden keinen Halt mehr, fielen in den Fluss und rissen ihre Kameraden mit, an denen sie verzweifelt versuchten sich festzuhalten.

Die Hälfte der Schar war schon ins Wasser gefallen, da zog der Fürst sein Schwert aus der Scheide und bahnte sich einen Weg durch seine Männer auf Xankir zu.

Fynn sah es mit Unbehagen und glitt von Nexels Rücken.

Der Adlige stieß mit dem Schwert nach einem Feuerdrachen, der ihn zurückdrängen wollte, nun aber einen Schritt zurück – und den Weg zu Xankir frei machte.

„Hilf mir!“, keuchte der Mensch und griff nach Xankirs Hörnern.

Fynn wollte seinem Freund helfen, er wusste ja nicht, wie er reagieren würde, doch die Drachen, die die restlichen Jäger ins Wasser stießen versperrten ihm den Weg.

Die Männer, die um Hilfe riefen, das ständige Platschen, wenn wieder einer im Wasser landete und die Drachen, die die Menschen mit begeistertem Schnauben und Fauchen über das Ufer drängten, machten es Fynn unmöglich, sich Gehör zu verschaffen.

Der Fürst hatte sich inzwischen an Xankirs Hörnern auf dessen Rücken gezogen.

„Xankir, nein!!“, schrie der Junge panisch und kletterte über einen rotschuppigen Schwanz hinweg. Doch es war zu spät.

Xankir erhob sich in die Luft und verschwand aus dem Lichtkreis der Flammenstöße.

Fynn blickte ihnen mit großen Augen nach. Er konnte nicht glauben, was Xankir da getan hatte.

Alle Jäger waren im eiskalten Wasser verschwunden und von den dort versteckten Wasserkiumas in Empfang genommen worden. Sie hatten dafür zu sorgen, dass keiner der Menschen aus dem Fluss kroch, bevor sie nicht an dem Wasserfall waren, an dem Fynn am Nachmittag noch mit Jani, Xankir und Rorax gewesen war.

Die Feuerdrachen und die Erddrachen, die inzwischen aus dem Wald gekommen waren, zogen Richtung Drachenclanhöhle ab.

Zurück blieben nur Rax und Nexel, die den Jungen verwundert ansahen und leise knurrten.

Als Fynn zu sprechen begann, klang seine Stimme rau, als hätte er sie lange Zeit nicht mehr gebraucht.

„Er… er ist weg…“

Die beiden Drachen sahen sich ratlos an.

„Ich… ich meine Xankir… er… ist weggeflogen.“

Rax schnaubte, doch Fynn achtete nicht auf ihn. Ihm war, als wäre er weit weg.

„Er… hat den Fürsten mitgenommen.“

Hinter ihnen platschte es. Rorax trat aus dem Wasser, er war sehr vergnügt.

„Da habt ihr vielleicht was verpasst, Leute! Wie die Kerle schreien den Wasserfall runter gefallen sind, das war königlich!“

Er lachte. Dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. Er trat neben Fynn und fragte: „Was ist los? Was hast du denn? Und wo ist Xankir, wolltet ihr nicht hier auf mich warten?“

Der Junge fiel Rorax um den Hals und drückte sich an ihn.

Was sollte er nur tun? Wo war Xankir hin? Warum hatte er das getan? Hoffentlich hatte der Fürst ihm nicht schon etwas angetan!

Fynn fühlte sich so hilflos. Es war fast wie damals, als Rorax in seinen Armen starb und er nichts dagegen tun konnte.

Seine Beine gaben nach, er rutschte an Rorax’ Hals entlang bis er auf dem Boden kniete und Rorax’ Vorderpfoten umarmte.

Rorax war sehr besorgt. Er spürte, wie der Junge am ganzen Körper zitterte.

Er beugte sich zu ihm runter und pustete ihm sanft seinen warmen Atem an den Nacken.

Der Griff des Jungen um seine Vorderpfoten verstärkte sich, das Zittern hörte auf.

„Rorax“, flüsterte er kaum hörbar.

Ja, Rorax war bei ihm, er war nicht allein. Und Xankir war nicht tot. Der Fürst hatte sicher andere Pläne mit ihm. Er glaubte, er könne Xankir befehlen, ihn beherrschen, sicher würde er ihm nichts tun. Zusammen mit Rorax würden sie Xankir aufspüren und ihn befreien! Und… wenn er gar nicht befreit werden wollte? Nein! So etwas durfte er nicht denken! Aber er hatte doch gesehen, dass Xankir ihn zurückgelassen hatte, ohne sich auch nur umzublicken! Nein!! Das hatte sicher nichts zu bedeuten! Das war, weil dieser verfluchte Fürst das Blut von Xankirs Vater getrunken hatte!

Dies alles ging durch Fynns Kopf, während er auf dem Boden kniete, Rorax' Vorderpfoten umklammerte und der Wasserdrache ihm immer wieder beruhigend den warmen Atem in den Nacken pustete.
 

Sie würden den Fürsten suchen, ihn stellen, besiegen und Xankir retten, denn: Angriff ist die beste Verteidigung!

Lagerfeuergeschichte

Jemand hüpfte einbeinig durch den Wald.

„Auauau! Verflucht noch mal!!“, brüllte er.

Er ließ sich fallen und hielt seinen Fuß, in dem ein Dorn steckte. Hinter ihm tauchte ein blauer Drache aus dem Dornengebüsch auf, durch das sich Fynn eben noch gekämpft hatte.

„Alles in Ordnung?“, fragte Rorax zögernd.

„Sieht’s für dich so aus?“, zischte der Junge wütend.

Rorax zog den Kopf ein.

„Fynn…“, begann er schüchtern, doch ein lautes Schnauben aus dem Dornengebüsch ließ ihn innehalten.

Ein feuerroter Drache schritt beinahe schon majestätisch auf ihn zu.

„Aber Nexel! Ich will doch nur…“

Wieder unterbrach ihn der Feuerdrache mit einem Schnauben.

„Was?“, knurrte Fynn Rorax an. „Was hat er gesagt?!“

Als Rorax nicht antwortete verengten sich die Augen des Jungen zu Schlitzen.

„Er… er hat gesagt, ich soll dich jetzt besser in Ruhe lassen“, sagte der Wasserdrache schnell, sobald er das bemerkt hatte.

„Verdammt kluger Rat. Hör mal lieber auf ihn“, fauchte Fynn und wendete sich wieder dem Dorn in seinem Fuß zu.
 

In jener Nacht vor knapp einer Woche waren sie sofort losgezogen. Fynn wollte noch nicht einmal den Morgen abwarten. Er hatte Angst, Xankirs Spur zu verlieren und ihn dann nie wieder zu finden.

Nexel hatte sich bereit erklärt, die beiden zu begleiten.

Zwei Drachen sind besser als einer, der zudem auch noch Angst vor Menschen hat.

Die Drachen folgten dem Geruch des Fürsten.

Sie behaupteten, er würde so scharf riechen, dass sie ihn nicht verlieren konnten.

Rorax klärte Fynn darüber auf, dass sich Adlige gerne mit Parfüm und gut riechenden Salben einrieben, um sich noch mehr vom gemeinen Volk abzuheben.

Allerdings wären diese Duftessenzen so stark, dass Tiere und vor allem Drachen diesen Geruch noch viele Tagesreisen entfernt schnuppern könnten.

Dadurch hätten sie auch in der Nacht, als die Jäger im Wald lagerten Fynn genau beschreiben können, wo sie ungefähr waren.

Fynn erkundigte sich bei Rorax, warum er den Fürsten dann nicht schon gerochen hätte, als er sie mit den Jägern verfolgte und sie auf dem Hügel am Waldrand überraschte.

Rorax antwortete, dass die Jäger sicherlich darauf geachtet hätten, dass sie sich gegen die Windrichtung versteckten, so hätte der Wind den Geruch sogar noch von dem Lager der Freunde weggeweht. Sie hatten keine Chance gehabt, sie zu bemerken.

Doch der Fürst hatte von so etwas wohl keine Ahnung, denn sie hatten, seit sie ihm hinterher flogen, nicht einmal seine Spur verloren.

Doch die Verfolgung des Fürsten war nicht so einfach, obwohl sie ihn genau orten konnten, denn Fynn hatte starke Stimmungsschwankungen.

In einem Moment war er voll Optimismus und Tatendrang, im nächsten war er depressiv und verzweifelt, Schuldgefühlte plagten ihn, dann wieder gab er Xankir die Schuld, wurde aggressiv und jähzornig, fühlte sich von seinem Freund verraten und im Stich gelassen, oder er war todunglücklich, glaubte, ihr Vorhaben sei zum Scheitern verurteilt und er würde Xankir niemals wieder sehen.
 

Inzwischen hatte der Junge sich endlich den Dorn aus dem Fuß gezogen. Etwas Blut sickerte aus der kleinen Wunde.

Neben ihm fiel sein Lederstiefel ins Gras.

„Hier ist er. Er hatte sich in einer Wurzel verhakt, über die du wahrscheinlich gestolpert bist“, ertönte Rorax’ Stimme über ihm.

„Was? Ich bin über eine Wurzel gestolpert? Das kann ich ja kaum glauben! Ich dachte doch tatsächlich, ich wäre von alleine gefallen“, antwortete Fynn gehässig und funkelte Rorax an.

Dann besah er sich die Verletzung.

Der blaue Drache senkte den Kopf und sagte mit sanfter Stimme: „Lass mich mal sehen.“

Fynn versuchte seinen Kopf weg zuschieben, doch der Drache schien es kaum zu bemerken und beschnupperte den Fuß des Jungen. Danach leckte er vorsichtig die Wunde ab.

„Hey! Was machst du da?! Lass das!“, protestierte Fynn überrascht.

„Die Wunde darf sich nicht entzünden. Ich mache sie sauber“, meinte Rorax und leckte unbeirrt weiter.

Fynn senkte den Blick.

„Entschuldigung. Ich war sehr gemein zu dir. Tut mir leid“, kam es dann kaum hörbar von ihm.

Rorax unterbrach seine Säuberungsaktion und sah den Jungen an. Eine einzelne Träne rann ihm die Wange hinunter. Plötzlich schlang er seine Arme um die Schnauze des Drachen.

„Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll! Ich fühle mich so hilflos! Wer weiß, was der Fürst Xankir inzwischen schon angetan hat? Wer weiß, was in Xankirs Kopf vor sich geht? Er ist einfach mit ihm weggeflogen! Warum? Was habe ich ihm denn getan?! Ist er wütend auf mich? Habe ich ihn irgendwie enttäuscht? Beleidigt? Ich weiß es nicht, bitte sag es mir, Rorax!“, schluchzte er.

„Nichts. Du hast ihm nichts getan. Es liegt an etwas anderem. Es liegt an dem Blut seines Vaters. Der Fürst hat es getrunken, deswegen vertraut Xankir ihm. Er MUSS ihm vertrauen. Er kann gar nicht anders. Drachenblut gibt dem Menschen eine gewisse Macht über uns. es ist eine Art Zauber. Aber dieser Zauber ist nicht stark. Xankir ist nicht willenlos. Er kann noch eigene Entscheidungen treffen. Ich bin überzeugt, wärst du in Xankirs Nähe gewesen, er wäre nicht von deiner Seite gewichen. Erinnerst du dich noch, als wir den Fürsten zum ersten Mal trafen? Er wollte Xankir befehlen, mit ihm zu gehen. Doch er ist es nicht. Weil du da warst, weil du ihn gebeten hast, nicht auf ihn zu hören. Wir werden Xankir zurückholen. DU wirst Xankir zurückholen! Er wird mit uns kommen. Versprochen!“

Nach dieser kleinen Ansprache verstummten Fynns Schluchzer und er wurde ruhiger.

Er wischte sich über die Augen und lächelte das erste Mal seit langer Zeit.

„Danke“, sagte er nur.

Dann zog er seinen Stiefel wieder an und stand auf.

Nexel hatte bis dahin abseits gestanden und die Szene beobachtet. Doch jetzt trat er zu ihnen und schnaubte.

„Er sagt, dass es langsam dunkel wird und wir hier unser Lager aufschlagen sollten“, übersetzte Rorax.

Fynn nickte und begann seinen Rucksack mit den Decken und der Nahrung auszupacken.

Rorax sammelte Holz und Nexel entfachte mit seinem Flammenatem ein großes Lagerfeuer.

„Es ist ganz praktisch, einen Feuerdrachen bei sich zu haben“, lachte Fynn.

Rorax’ kleine Aufmunterung hatte ihn wieder aufgebaut.

Fynn hatte noch ein paar Beeren, die er im Laufe dieser Woche, in der sie unterwegs waren, gesammelt hatte, Rorax trank Wasser aus einer nahe gelegenen Quelle und Nexel verspeiste ab und zu eine Flamme des Feuers.

So saßen sie stumm eine Weile um das Feuer und lauschten den nachtaktiven Tieren, die langsam erwachten.

Fynn durchbrach die Stille mit einem tiefen Seufzen.

„Es gibt so viele böse Menschen und ich habe bis jetzt nur freundliche, gute Drachen kennen gelernt… gibt es überhaupt schlechte Drachen?“

Rorax senkte den Kopf während Nexel den Kopf zurückwarf, schnaubte und es schien, als würde er lachen.

„Aber klar gibt es die“, antwortete Rorax dann.

Er sah mit einem Mal ernst aus.

„Als ich noch klein war, hat Rynd mir und den anderen Kijana von einem schrecklichen Krieg erzählt. Damals, vor dreißigtausend Jahren kämpfte jeder gegen jeden. Drachen gegen Menschen, Menschen gegen Menschen, Drachen gegen Drachen.

Und daran Schuld war nur ein kleiner Streit zwischen zwei Freunden.“

Rorax schwieg und starrte nachdenklich in das Feuer.

„Erzähl mir mehr“, bat Fynn aufgeregt.

Auch Nexel sah ihn auffordernd an.

„Na gut“, begann Rorax wieder.
 

In dieser Zeit lebten Menschen und Drachen noch friedlich miteinander. Zwar gab es natürlich schon damals Menschen, die versuchten, den Drachen Schaden zuzufügen, oder sie als Diener zu halten, doch die Drachen wussten sich zu wehren.

Die beiden Freunde, um die es geht hießen Karas und Lossar und waren gerade erst ein Jahrtausend Winter alt geworden.

Lossar war ein Feuerdrache und er mochte Menschen nicht, während Karas ein Wasserdrache und mit vielen Menschen befreundet war.

Die beiden verbrachten viel Zeit miteinander, doch wenn Lossar mal keine Zeit hatte, ging Karas zu seinen menschlichen Freunden und das passte Lossar nicht. Er war der festen Überzeugung, dass man Menschen nicht trauen konnte, auch wenn er nicht dachte, dass alle Menschen von Grund auf schlecht waren.

Karas lachte ihn deswegen immer aus.

Eines Tages geschah es, dass Lossar zu den Menschen kam, um Karas abzuholen, sie wollten einen kleinen Rundflug machen.

Er sah, dass Karas in der Nähe des Menschendorfes auf einer Wiese lag umringt von seinen Menschenfreunden.

Lossar blieb einen Moment lang stehen und blickte zu den Spielenden hinüber. Dann bemerkte er einen Menschenjungen, der sich mit gezücktem Schwert von hinten an Karas anschlich. Niemand sonst bemerkte ihn.

Lossar rannte los, holte tief Luft und gerade, als der Menschenjunge das Schwert auf Karas niedersausen lassen wollte, spuckte Lossar Feuer.

Der Junge schrie auf und ließ sein Schwert fallen, seine Haare, seine Kleidung, alles brannte lichterloh.

Karas war erschrocken aufgesprungen und hatte sich umgedreht, die anderen Menschen liefen schreiend in das Dorf.

Als Karas den brennenden Jungen sah, brüllte er, stürzte sich auf ihn, packte ihn und schleuderte ihn in den Fluss, der nur ein paar Schritte entfernt floss.

Lossar wollte ihn aufhalten, doch Karas sprang hinterher und sein Freund sah, wie der Wasserdrache den verbrannten Körper des Menschen auf der anderen Seite des Flusses wieder herauszog.

Die anderen Menschenkinder hatten inzwischen das ganze Dorf informiert und alle Männer kamen angerannt um zu sehen, was passiert war, während die Frauen ihre Kinder zusammenholten und in den Häusern versteckten.

Die Männer stürzten sich auf den verbrannten Körper und drängten Karas zur Seite.

Ängstlich blieb der Drache in der Nähe, hoffte, der Junge würde überleben, doch Lossar, immer noch auf der anderen Seite des Flusses wartend, starrte die Menschen finster an.

Plötzlich heulte einer der Männer auf, er hatte erkannt, dass es sein Sohn war, der dort in Lebensgefahr schwebte. Er stieß die Anderen weg, nahm sein Kind in den Arm, fühlte den Puls und lauschte dem Atem.

Doch der Junge war bereits tot.

Karas versuchte die Menschenmenge zu beruhigen, doch keiner der Männer hatte jemals Drachenblut getrunken und so konnten sie ihn nicht verstehen. Sie dachten, Drachen wären Tiere, zwar intelligenter, aber doch nur Tiere und so zückten die Männer ihre Schwerter, Speere, Pfeile und Bogen, um die blutrünstigen Bestien zu verjagen.

Karas wollte nicht wegfliegen. Ständig drehte er den Kopf um zu sehen, ob die Männer nicht doch aufhörten, sie mit ihren Waffen zu bedrohen, aber die Ersten spannten schon die Bogen und so musste er Lossar folgen, der froh war, endlich fort zu kommen.

Sie landeten am Fuße der Hügel, in denen ihre Höhlen lagen.

Dort stellte Karas Lossar zur Rede.

Er schrie ihn an, warum er das getan hätte, warum er ein wehrloses Menschenkind getötet hätte. Er fragte, ob er verrückt geworden wäre.

Lossar blieb ruhig. Er erzählte, dass der Junge Karas angreifen wollte.

Doch sein Freund antwortete, er hätte diesen Jungen gekannt und er hätte immer versucht, sich an ihn heranzuschleichen um ihn zu erschrecken.

Lossar berichtete, dass er ein Schwert gehabt hätte.

Karas war immer noch außer sich vor Entsetzen. Ein Holzschwert mit dem man niemanden verletzen könne, hätte der Junge stets bei sich, brüllte er.

Lossar beharrte darauf, dass er ein echtes Schwert gehabt hätte.

Karas wollte und konnte das nicht glauben.

Inzwischen waren einige andere Drachen aus den Höhlen in den Hügeln gekommen, um zu sehen, wer und warum so einen Lärm machte.

Als sie erfuhren, was passiert war, bildeten sich sofort zwei Gruppen.

Jene Drachen, die den Menschen gegenüber schon immer misstrauisch gewesen waren stellten sich zu Lossar, die anderen Drachen vertrauten den Menschen und glaubten nicht, dass ein Mensch und schon gar nicht ein Kind versuchen würde, einen Drachen zu töten und warfen Lossar vor, er habe die Menschen schon immer beneidet, weil Karas gerne mit ihnen spielte und er hätte den Jungen aus Rache getötet und um Karas’ Verbindung zu den Menschen zu zerstören.

Es entbrannte eine heftige Diskussion, die erst von Karas unterbrochen wurde.

Er bat alle um Ruhe und verkündete, er würde seinem Freund glauben, dass er das Holzschwert mit einem echten Schwert verwechselt hätte.

Lossar widersprach entschieden. Er sei sich sicher, dass es ein echtes Schwert gewesen wäre, und der Junge Karas verletzen, wenn nicht sogar töten wollte, verkündete er. Doch er glaube nicht, dass alle Menschen bösartig wären, es täte ihm Leid, dass Karas nun nicht mehr mit seinen menschlichen Freunden spielen könne.

Die anderen Drachen jedoch, achteten nicht auf die beiden.

Sie schrien sich an, die einen wollten das Menschendorf angreifen und vernichten, die anderen warfen ihnen blinde Wut und Hass auf die Menschen vor.

Die Zee-Drachen des Clans tauchten auf und geboten den Streitenden Ruhe. Sie befahlen ihnen, in die Höhlen zurückzukehren und abzuwarten, zu welchem Ergebnis sie, die Ältesten kommen würden, nachdem sie den Vorfall besprochen hatten.

Allerdings wurde ihnen die Entscheidung abgenommen.

Noch in der Nacht schlossen sich die Drachen, die sich auf Lossars Seite gestellt hatten zusammen, griffen das Dorf an, zerstörten es und töteten zahlreiche Menschen, darunter auch viele Kinder.

Die Überlebenden flohen in alle Himmelsrichtungen und berichteten von den blutrünstigen Bestien, die ihr ganzes Dorf dem Erdboden gleich gemacht und die Bewohner niedergemetzelt hatten.

So begann der Große Krieg.

Menschenfürsten rückten mit ihren Rittern an, um die Drachen zu bekämpfen. Die musste sich nun verteidigen, ob sie wollten oder nicht. Andere Drachen-Clans kamen ihnen zu Hilfe, mehr Menschen rückten an.

Doch die Drachen, die an das Gute in den Menschen glaubten verbündeten sich und versuchten ihre Artgenossen davon abzuhalten, noch mehr Blut zu vergießen.

Auch unter den Menschen gab es Leute, die ihre Mitmenschen davon abbringen wollten, einen schrecklichen Fehler zu begehen, darunter am Anfang auch die Kinder, mit denen Karas früher immer gespielt hatte.

So kämpften Menschen gegen Drachen, Drachen gegen Drachen und Menschen gegen Menschen.

Karas und Lossar hatten während des ganzen Krieges versucht, Frieden zu stiften. Doch sie starben, noch bevor er endete. Karas starb durch Menschenhand, Lossar wurde von Drachen getötet. Sie starben am gleichen Tag.

Der Große Krieg dauerte ein halbes Jahrhundert lang.

Seitdem vermeiden die Drachen den Kontakt zu den Menschen und es wurde nie mehr so wie es mal war.

Der Krieg endete damit, dass die Drachen zu hohe Verluste hatten, denn im Gegensatz zu den Menschen konnten Kiken nur ein Kijana in einem Jahrhundert gebären.

So mussten die Drachen schließlich fliehen.

Deshalb jagen heute auch die Menschen die Drachen, die sich verstecken müssen und nicht anders herum.
 

„Ihr seht also, es gibt sehr wohl auch Drachen, die den Menschen Böses wollen und nicht nur schlechte Menschen“, beendete Rorax seine Geschichte.

Dann legte sich Schweigen über die drei, in der alle ins Feuer starrten und ihren Gedanken nachhingen.

„War es denn nun ein Holzschwert, oder nicht?“, fragte Fynn leise.

„Das“, antwortete Rorax noch leiser, kaum hörbar, „hat niemand jemals herausgefunden.“

Nexel fauchte und sah den Wasserdrachen ungläubig an.

„Ja, da hast du Recht. Vielleicht wäre dieser Krieg niemals nötig gewesen. Aber so werden wir niemals herausfinden, ob nun Lossars Wahrnehmen oder Karas’ Vertrauen zu dem Jungen stimmte. Und es ist auch zu spät, um darüber nachzudenken, die Antwort könnte die Geschichte nicht verändern. Doch noch heute beschäftigt diese Frage Viele.“

Damit legte sich Rorax zur Seite und schloss die Augen.

Fynn und Nexel sahen sich einen Augenblick lang an und folgten dann seinem Beispiel.

Die Geschichte hatte Fynn von seinen eigenen Sorgen abgelenkt.
 

Während Fynn langsam in den Schlaf hinüber glitt, dachte er: ‚Das war eine traurige Lagerfeuergeschichte.’

Heimkehr

Jemand ging durch den Wald.

Er erreichte den Waldrand und sah hinunter auf ein Dorf.

Oder auf das, was von dem Dorf noch übrig geblieben war.

Überrascht und entsetzt starrte Fynn auf das Bild der Zerstörung, das sich ihm bot.

Die meisten Häuser waren eingedrückt, als hätte sich etwas Großes darauf gesetzt, überall liefen Menschen durch die Gegend, versorgten Verletzte, halfen eingeschlossenen oder, unter Trümmern begrabenen Menschen, fingen Vieh ein, das davonlief.

Steine, die früher wohl mal ein Brunnen gewesen waren, lagen herum, in der Mitte dessen, was einmal ein Marktplatz gewesen war und nun mehr einem Schlachtfeld glich, war nur noch ein großes Loch zu sehen, aus dem die Dorfbewohner mit Eimern Wasser schöpften, um Wunden zu säubern oder ihren Durst zu stillen.

Es war kein großes Dorf gewesen, nur etwa dreißig bis vierzig Häuser, schätzte Fynn. Warum sollte es jemand angreifen und zerstören?

Plötzlich ertönte ein Fanfarenstoß und die Menschen blickten auf.

Eine große Reiterschar ritt auf den ehemaligen Marktplatz.

Die Reiter waren edel gekleidet, viele trugen Rüstungen und große Schwerter.

Fynn duckte sich hinter einen Busch und beobachtete das Geschehen durch die Zweige.

„Was ist hier passiert?!“, rief eine herrische Stimme, die sogar noch bei Fynn auf der Anhöhe deutlich zu hören war.

Stimmengewirr erhob sich.

„Ruhe!“, rief der Besitzer der Stimme, ein großer Mann mit einem Kinnbart, der keine Rüstung sondern schöne Stoffgewänder trug.

„Du da, komm her und berichte mir!“, befahl er und zeigte auf einen unverletzten Mann, der wie ein Bauer gekleidet war.

Der Angesprochene wischte sich den Schweiß von der Stirn und begann zu erzählen.

Es wäre ein ganz normaler Tag gewesen, doch plötzlich, wie aus dem Nichts, wäre ein Drache angeflogen gekommen, der das Dorf zerstört hätte.

Er hätte sich auf Häuser gesetzt und sie mit seinem Gewicht erdrückt, mit einem einzigen Schlag seines Schwanzes hätte er die Marktstände und den Steinbrunnen zerfetzt, er hätte laut gebrüllt, sodass man dächte, einem würden die Ohren abfallen.

Schon nach weniger Minuten wäre der Angriff vorbei gewesen und der Drache wäre wieder davongeflogen.

Doch er, der Bauer, hätte noch etwas entdeckt, bevor der Drache über dem Wald verschwunden wäre.

Ein Mensch! Ein Mensch hätte auf den Rücken des Drachen gesessen. Und nicht nur irgendein Mensch, nein, es wäre der Fürst Adui gewesen!

Fürst Adui! Jetzt, wo der Mann den Namen erwähnte, fiel Fynn etwas ein. Hieß nicht der Fürst, dem sein Vater diente Adui? Der Fürst, der Xankir mitgenommen hatte?!

Dann war der Drache…!

„Wie sah der Drache aus?“, fragte der gut gekleidete Adlige den Bauern.

„Grün ist er gewesen.“
 

So schnell wie er nur konnte, rannte Fynn zu Rorax und Nexel zurück.

Er konnte immer noch nicht glauben, was er da gehört hatte.

Xankir! Sein Xankir, der gutmütigste Drache, den er je kennen gelernt hatte, hatte ein ganzes Dorf zerstört!

Er verfluchte Fürst Adui in Gedanken tausendmal!

Was hatte dieses Monster mit seinem Freund gemacht?!
 

Die beiden Drachen, die geduldig an einem kleinen See gewartet hatten, sahen überrascht auf, als Fynn schwer keuchend durch das dichte Gestrüpp stolperte, das rund um den See wucherte und ihn für Menschen nur schwer zugänglich machte.

Erschrocken sprangen sie auf und spreizten ihre Flügel, bereit zur Flucht

„Was ist los, wirst du verfolgt? Spring schnell auf!“, rief Rorax.

Fynn lehnte sich jedoch nach Atem ringend an einen Baum und winkte ab, woraufhin sich die Drachen beruhigten und ihre Flügel wieder zusammenfalteten.

„Was war los? Warum bist du denn so gerannt? Und hast du in dem Dorf erfahren, wo wir überhaupt sind?“, erkundigte sich Rorax, trat auf den Menschen zu und rieb seinen Kopf an dessen Schulter.

Fynn holte tief Luft und richtete sich auf.

„Nein. Das Dorf war zerstört.“

Kurz erzählte er, was er gesehen und gehört hatte.

Nexel schüttelte den Kopf und knurrte.

„ ‚Das ist der verrückteste Mensch, von dem ich jemals gehört habe. Warum zerstört er einfach so ein Dorf? Völlig ohne Grund?’ “, übersetzte Rorax.

„Das ist jetzt nicht wichtig. Wir können nichts mehr für dieses Dorf tun. Konzentrieren wir uns darauf, endlich Xankir zu befreien“, erwiderte Fynn grimmig.

„Könnt ihr ihn noch riechen? In welche Richtung müssen wir fliegen?“

Ohne zu zögern spreizte Nexel einen Flügel und zeigte in Richtung des zerstörten Dorfes.

„Dann los!“, rief Fynn und kletterte auf Rorax’ Rücken.
 

Die drei Verfolger umflogen das kleine Dorf weiträumig, um die Menschen dort nicht noch mehr zu erschrecken und flogen dann auf direktem Wege in die Richtung, die Nexel angezeigt hatte.

Unter ihnen ergrünten die Wälder und Wiesen langsam wieder.

Der Winter war ungewöhnlich kurz gewesen. Nur eineinhalb Mondperioden lang hatte Schnee gelegen.

Fynn richtete sich auf einen weiteren Tag auf einem Drachenrücken ein. Es wurde nur Rast gemacht, wenn es unbedingt nötig war.

Seine Augen brannten aufgrund des ständigen Luftzuges, seine Finger schmerzten und waren verkrampft, da er sich ständig an Rorax’ klammern musste, in seinen Ohren pfeifte der Wind unaufhörlich und vom vielen Sitzen konnte er kaum noch sein Hinterteil fühlen.

Plötzlich ging ein Ruck durch Rorax’ Körper und er wurde langsamer.

Fynn sah auf und erkannte, dass Nexel bereits ein ganzes Stück weitergeflogen war.

„Was ist los?“, wollte der Junge wissen.

„Sag mal… kommt dir die Gegend hier nicht irgendwie bekannt vor?“, fragte der Drache zurück.

Nexel, der inzwischen bemerkt hatte, dass ihm seine Gefährten abhanden gekommen waren, kam zurück und fauchte.

Fynn hatte sich umgesehen und plötzlich ging ihm ein Licht auf.

„Hey! Wir… wir sind Zuhause!“

Der Feuerdrache sah ihn verständnislos an.

„Da! Da drüben ist das Dorf, in dem ich wohne!“, rief der Junge verwundert. „Wie kann das sein? Von hier bis zum Drachenclan haben wir nur etwa einen Tag gebraucht, aber wir verfolgen den Fürsten jetzt schon seit knapp drei Wochen! Das geht doch gar nicht!“

„Wir müssen einen riesigen Umweg geflogen sein. Das ist die einzige Möglichkeit“, meinte der Wasserdrache.

„Aber warum sollte Adui einen solchen Umweg machen? Meinst du, er hat geahnt, dass er verfolgt wird und gehofft, wir würden seine Spur verlieren, wenn er nicht direkt zu seiner Burg fliegt?“, fragte Fynn.

“Kann sein. Was machen wir jetzt?“

Nexel knurrte.

„Gute Idee, wir sollten landen und die Lage besprechen“, sagte der blaue Drache.

Sie landeten auf der Lichtung, auf der Fynn mit Jani gespielt hatte, einen Tag, nachdem er sie gefunden hatte.

Der Junge kletterte steifbeinig vom Rücken des Wasserdrachen.

Die Bäume um sie herum hatten schon wieder ein paar Blätter.

Sie sahen sich eine Weile schweigend an.

Dann seufzte Nexel und sah Fynn direkt in die Augen.

„Ich würde vorschlagen…“, begann dieser zögernd, „… ihr bleibt erst mal hier und ich gehe zu meinen Eltern. Vielleicht kann ich im Dorf etwas erfahren, das uns irgendwie dabei hilft, Xankir zu befreien.“

Die Drachen nickten zustimmend.

„Braucht ihr etwas, soll ich euch etwas bringen?“, erkundigte sich der Junge, während er seine Reisetasche von Nexels Rücken zog.

Doch die Drach en schüttelten die Köpfe und Rorax antwortete: „Nein, wir kommen zurecht. Komm einfach nur bald wieder, ja?“

Fynn versprach, sich zu beeilen und stapfte durch den Wald Richtung Heimat.
 

Seine Eltern freuten sich sehr, ihren Sohn wieder zu sehen.

Fynns Mutter bereitete sofort das Lieblingsessen ihres Jungen zu, während er seinem Vater alles erzählen musste, was er erlebt hatte.

Schleunigst dachte sich Fynn ein paar „Erlebnisse“ aus.

„… aber sonst ist eigentlich nichts Besonderes passiert. Und was war hier so los, Vater?“

„Tja, bei uns ist alles wie immer gewesen“, sagte seine Mutter, die gerade mit dem Essen herein kam.

Die Familie setzte sich und ließ es sich schmecken.

Fynn erfuhr, dass Fürst Adui von der Jagd zurückgekehrt war.

„Gestern ist er wiedergekommen. Das behaupten zumindest die Dienerinnen aus der Burg. Sie haben ihn zwar nicht gesehen – er will niemanden sprechen, noch nicht mal seinen persönlichen Kammerdiener – aber sie haben ihn reden gehört, im Thronsaal“, berichtete der Vater.

‚Im Thronsaal also, hm? Das ist gut zu wissen“, dachte sich Fynn.

„… alle wundern sich, mit wem er redet. Manche glauben, er wäre verrückt geworden. Ich kann mir da auch keinen Reim drauf machen. Sag mal, hörst du mir überhaupt noch zu?“, wollte der Vater wissen.

Fynn schrak auf.

„Wa…? Oh, ja. Natürlich höre ich dir zu. Es ist nur so, dass ich von der Reise und dem guten Essen sehr müde geworden bin.“

Seine Mutter stand auf.

„Das verstehe ich gut. Geh du nur ins Bett und schlaf dich aus. Wir sprechen morgen weiter“, sagte sie bestimmt.

Fynn wünschte eine gute Nacht und verschwand in sein Zimmer, wo er sich auch gleich auszog und ins Bett legte.

Die letzten drei Wochen der Verfolgung hatten ihn sehr erschöpft und so schlief er bis spät in den nächsten Tag hinein.
 

Er war wieder heimgekehrt.

Der fremde Drache

Jemand kämpfte sich durch den Wald.

Mit einem Schwert zerschnitt er Ranken, die zu Netzen zwischen den Bäumen gewachsen waren und tief hängende Äste.

„Kommt ihr durch?“, fragte Fynn.

„Ja, geht schon“, antwortete Rorax. „Und du, Nexel?“, fragte der Wasserdrache über die Schulter.

Keine Antwort

„Nexel?“

“Warte hier, ich schau mal, wo er bleibt“, flüsterte Fynn. „Und sei leise, wir sind in der Nähe der Burg.“

Rorax nickte und Fynn ging Nexel suchen.

Nicht weit hinter Rorax entdeckte er ihn. Er hatte sich in Ranken verwickelt und versuchte sich zu befreien.

„Hey, Nexel, da bist du ja. Wir haben dich schon vermisst.“

Der Feuerdrache schnaubte leise.

„Tut mir leid, ich habe gar nicht bedacht, dass du ja größer bist als Rorax. Warum muss rund um die Burg auch nur so ein Dickicht wachsen?“

Vorsichtig zerschnitt er die Ranken, die Nexel am Weitergehen hinderten.

„Komm weiter. Wir sind gleich da.“

Zurück bei Rorax ging Fynn wieder vor und bald hatten sie den Waldrand erreicht.

„Das ist also die Burg?“, flüsterte Rorax leise.

Die beiden Drachen sahen die imposante Steinfestung beinahe ehrfürchtig an.

Direkt vor ihnen, ein paar Schwanzlängen entfernt, sahen sie zwei Wachen, die die heruntergelassene Zugbrücke bewachten.

Der Burggraben war sehr tief, das hatte Fynn den Drachen bereits erzählt.

Da er so lange geschlafen hatte, war es bereits spät und die Sonne war im Begriff unterzugehen.

Aber das war ein Vorteil, denn die länger werdenden Schatten und die hereinbrechende Dunkelheit war es, die es den zwei Drachen erlaubte, sich so nahe an der Burg aufzuhalten, ohne entdeckt zu werden.

Die drei zogen sich etwas zurück, um sich unterhalten zu können.

„Also, wie sieht dein Plan aus?“, erkundigte sich Rorax.

„Ich hab mir gedacht, da ich ja schon oft mit meinem Vater in der Burg war und die Wachen mich kennen, gehe ich einfach auf direktem Weg in die Burg und suche Xankir. Der Sohn eines Bauern wirkt nicht verdächtig. Ihr bleibt am Besten hier draußen. Geht nach links um die Burg herum, dort, an der Südseite sind hoch oben große Fenster zu sehen, ihr könnt sie nicht verfehlen. Dort ist der Thronsaal.

Wenn Fürst Adui immer noch dort und Xankir bei ihm ist, kann ich ihn vielleicht dazu überreden, mit mir mitzukommen. Wir werden durch die Fenster fliehen, sie sind groß genug, um einen Drachen mit gefalteten Flügeln durchzulassen. Draußen ist, wie ihr sehen werdet, ein großer Balkon, von dort werden wir starten.

Wenn Xankir aus irgendeinem Grund nicht mitkommen will oder kann, werde ich euch vom Balkon aus rufen, ihr müsst mir dann helfen. Wenn ich Xankir nicht oder woanders als im Thronsaal finde und ihn nicht irgendwie raus bringen kann, komme ich zurück. Alles klar?“

Die Drachen nickten, auch wenn Rorax ziemlich ängstlich aussah, seitdem Fynn meinte, sie müssten ihm helfen.

Seine Angst vor Menschen hatte sich zwar gebessert, war aber noch lange nicht überwunden.

„Dann ist ja alles klar. Ich geh dann jetzt und ihr besser auch. Passt auf euch auf“, flüsterte Fynn und machte sich auf den Weg.

„Du auch“, rief Rorax ihm leise hinterher, als er durch das Gebüsch und auf die Burgwachen zu trat.
 

Fynn ging geradeaus über die Zugbrücke auf die patrouillierenden Wachen zu.

„Hallo, Fynn, was machst du denn so ganz alleine hier?“, fragte einer der Beiden.

„Tja, ich fürchte, ich bin etwas schneller als mein Vater. Er wird sicher gleich kommen“, antwortete Fynn möglichst ungezwungen und passierte ohne anzuhalten die Zugbrücke und das Tor.

Die Wachen nickten nur und ließen ihn durch.

‚So, die erste Hürde ist geschafft’, dachte der Junge erleichtert, während er den leeren Innenhof überquerte.

Vor der Tür des Hauptgebäudes, in dem sich der Thronsaal befand, hielt er kurz. um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete und schlüpfte durch die schwere, mit Eisen beschlagene Holztür, die er hinter sich sofort wieder schloss.

Innen war es kühl, aber nicht so kalt wie draußen und die nackten Steinwände des Erdgeschosses wurden von vielen Fackeln in steinernen Haltern an den Wänden erleuchtet.

Leise folgte er dem Gang, bis er an eine große, offene Doppeltür gelangte.

Dahinter war eine kleine Halle, von der aus es in die Gemächer der Bediensteten und in die Küche ging.

Die Halle wurde mit kleinen Kohlenbecken erhellt und es herrschte eine entspannte Unruhe.

Diener unterhielten sich mit Dienerinnen, Küchenjungen gingen durch die Küchentüre und kamen entweder mit vollbeladenen Tellern für sich und ihre Freunde oder mit Körben voller Abfall zurück.

Auf der anderen Seite der Halle sah er die Treppe, die hoch in die große Halle führte, in der Bankette stattfanden, wenn der Fürst hohen Besuch hatte.

Der Thronsaal befand sich noch ein Stockwerk höher, über der großen Halle, also musste Fynn irgendwie durch die kleine Halle kommen, ohne, dass jemand Verdacht schöpfte.

Er duckte sich in die Schatten, die die Kohlebecken nicht aus der Halle vertreiben konnten und wartete, wartete darauf, dass es etwas ruhiger wurde in dem Raum, so, dass er es dann wagen könnte, ihn zu durchqueren.

Sekunden vergingen und wurden zu Minuten, doch noch immer kam keine Gelegenheit.

Dann kam ihm Fürst Adui persönlich zu Hilfe.

Er kam die Treppe, die zur großen Halle führte hinunter stolziert. Sobald ihn die Diener und Küchenjungen entdeckt hatten, verstummten die Gespräche, alle starrten den Burgherrn an, der leise summend und mit einem sehr zufriedenen Gesicht auf die Tür zuschritt, in der Fynn vor ein paar Minuten noch in die Halle gespäht hatte.

Der Junge drückte sich unwillkürlich an die Wand und machte sich so klein wie möglich.

Als Fürst Adui in der Mitte des Raumes angekommen war, blieb er stehen und sah sich nach seinen Bediensteten um.

Er lachte herablassen, klatschte in die Hände und rief gönnerisch:

„So, ihr könnt nun Schluss machen, ich gebe euch allen für den Rest des Abends frei.“

Die Leute sahen sich überrascht an, manche wirkten sogar misstrauisch, anscheinend waren sie es nicht gewohnt, so zuvorkommend behandelt zu werden.

Sie wussten offensichtlich nicht, was sie tun sollten, zögerten und bewegten sich nicht.

Da wurde der Fürst wütend.

„Habt ihr nicht gehört?! Ihr habt frei, also raus hier!!“, brüllte er mit rot anlaufendem Gesicht.

Diener und Küchenjungen zuckten zusammen und eilten so schnell wie möglich hinaus, auch die Köche, die, als sie den Fürsten gehört hatten, die Köpfe aus der Küche gestreckt hatten, nahmen sich noch nicht mal die Zeit, ihre Schürzen abzunehmen, sondern gingen, so schnell es eben ging ohne zu rennen, hinaus.

Nachdem der Letzte die Halle verlassen hatte, vergewisserte sich der Fürst, ob wirklich niemand mehr in der Küche war und zog dann einen großen Schlüssel aus der Tasche.

Auch er verließ die Halle, schloss die Tür und Fynn hörte, wie der Schlüssel in das Schloss gesteckt und umgedreht wurde.

Sein Rückweg war nun von einer großen, massiven Holztür abgeschnitten, aber das war ihm egal, er wollte nicht zurück, er wollte vorwärts, zu seinem Freund, zu Xankir.

Sicher hatte der Fürst die Tür abgeschlossen, damit niemand in den Thronsaal konnte, wo Xankir war.

Fynns Herz klopfte wie wild, als er die Schatten verließ, durch die Halle ging und die Treppenstufen betrat.

Er hatte es so eilig, dass er auf der steilen Treppe beinahe gestolpert und hingefallen war.

In der großen Halle brannte nirgendwo Feuer, doch der abnehmende Mond schickte sein Licht durch die kleinen Fenster an der Stirnseite der Halle und zu seiner rechten Seite konnte Fynn gerade noch die nächste Treppe ins oberste Stockwerk erahnen.

In Windeseile stieg er auch dort hinauf und endlich stand er vor der Tür des Thronsaals.

Die große Doppeltüre war nicht verschlossen und als sich der Junge vorsichtig dagegen stemmte, öffnete sie sich mit leisem Quietschen.

Durch die großen Fenster, die, wie Fynn es den Drachen beschrieben hatte, der Zugang zu einem noch größeren Balkon waren, konnte das Mondlicht ungehindert den ganzen Saal erhellen.

Fynn schlüpfte hinein und schloss die Tür so leise wie möglich wieder.

Sein Blick, den er durch den Raum schweifen ließ, fiel auf den großen, hölzernen Thron, der am anderen Ende stand, auf Wandbehänge, die, wie Fynn wusste, wunderschön bestickt waren, im Licht des Mondes jedoch wie normale Wandteppiche aussahen, auf Rüstungen, die an den Wänden wie stumme Wächter aufgestellt waren und auf…

„Xankir“, flüsterte Fynn und Freude und Erleichterung durchfluteten seinen Körper, als er die Silhouette eines gezackten, großen Hügels, der direkt vor den Fenstern lag, entdeckt hatte.

Doch ebenso schnell wie sie gekommen waren, verflogen diese beiden Gefühle wieder und Besorgnis und Angst ließen seine Hände kalt werden.

Ob es ihm gut ging? Ob er wohl verletzte war? Wie würde er reagieren, wenn er Fynn sah?

Ein Film lief vor den Augen des Jungen ab, in dem ein grüner Drache mit einem Fürsten auf dem Rücken einfach wegflog, ohne sich umzudrehen, ohne zurückzublicken…

Der Junge schüttelte den Kopf um die Bilder los zu werden.

Dann setzte er zögernd einen Fuß vor den anderen und ging auf seinen Freund zu.

Wieder ergriff Erleichterung von ihm Besitz, als er wahrnahm, dass sich der Hügel regelmäßig hob und senkte und er leise, ruhige Atemzüge hören konnte.

Fynn stand nun neben dem Thron, nur wenige Schritte von seinem Freund entfernt.

Er überwand die kurze Distanz und legte eine leicht zitternde Hand auf die warmen Schuppen.

Seine Augen schlossen sich und für einen Augenblick stand er wieder in der Höhle, in der sie sich kennen gelernt hatten.

Doch dann ertönte ein bedrohliches Knurren.

Ein fremdes Knurren…

Da war nicht Xankir, das war ein anderer Drache!!

Ein leiser Schreckensschrei kam über die Lippen des Menschen, als er blitzschnell die Hand von den Schuppen zurückzog und rückwärts gegen die Rückenlehne des Thrones stolperte.

Der Hügel bewegte sich, wurde größer und bekam einen Hals samt Kopf und weiß glühende Augen. Die schwarzen Pupillen es Drachen waren nur dünne, senkrechte Striche und fixierten den ungebetenen Gast.

Wieder ertönte ein unheilvolles Knurren, diesmal lauter.

Panisch schwirrten Fynn Gedanken im Kopf herum.

‚Wo ist Xankir? Warum ist hier noch ein Drache? Was soll ich nur tun?! Ich muss hier raus. Sofort!!’

Ohne groß darüber nachzudenken machte er einen Satz nach vorne, wodurch der Drache erschrocken zurückwich.

Dann wetzte er zu einer Fenstertür, von der er wusste, dass sie im Fenster, das ganz links war, eingebaut war.

Er riss sie auf und rannte auf den Balkon.

Hinter ihm zersprangen einige Fenster; der Drache, der zu groß für die Fenstertür war, war einfach durch das Glas gesprungen.

Fynn nahm sich nicht die Zeit, sich umzudrehen und nachzusehen. Er hetzte auf das Ende des Steinbalkons zu und hoffte, Nexel und Rorax würden ihm helfen.

Und tatsächlich, da tauchte auch schon ein großer, roter Drache am Balkonrand auf und stürzte sich, nachdem er gesehen hatte, was los war, auf den fremden Drachen.

Rorax landete kurz danach neben Fynn und ließ ihn aufsteigen.

Erst jetzt, als er sicher auf Rorax’ Rücken saß, sah sich Fynn nach dem anderen Drachen um.

Nexel hatte sich in die, wie der Junge nun im Mondschein erkennen konnte, weißen Schuppen am Nacken des fremden Drachen verbissen und versuchte, ihn mit seinem Vordertatzen auf dem Boden zu halten.

Doch der lange Schwanz des Gegners peitschte ihm ins Gesicht, sodass er loslassen musste.

Der weiße Drache spreizte die großen Flügel, schüttelte Nexel endgültig ab und ging zum Angriff über.

Der Feuerdrache versuchte sich wegzuducken, doch der Luftdrache ritzte ihm dennoch mit seinen Klauen an der rechten Vorderpfote die Schuppen an der Schnauze auf.

Natürlich ging es nicht gerade leise zu, die Drachen brüllten sich an und schon waren die ersten Stimmen von Menschen zu hören, die unten vor dem Balkon standen und sich fragten, was da los war.

Rorax erhob sich in die Luft und rief: „Lass uns abhauen, Nexel!“

Dann drehte er sich Richtung Wald und flog los.

Fynn blickte zurück und sah, wie Nexel den Luftdrachen mit einem Flügel gegen den Kopf haute, sodass dieser schwankte.

Daraufhin spreizte der Feuerdrache die Flügel und folgte seinen Freunden.
 

So schnell sie nur konnten, flüchteten sie, die Bäume unter ihnen flitzen nur so vorbei.

Im fahlen Licht des Mondes erkannte Fynn zwei tiefe Kratzer auf Nexels Schnauze, aus denen silbernes Blut quoll, doch ansonsten schien er unverletzt zu sein.

Der rote Drache hatte bemerkt, dass der Junge ihn besorgt musterte.

Er flog etwas höher, damit er nicht Rorax’ Flügel behinderte und schob sich über den Wasserdrachen, bis sein Kopf neben Fynns war.

Fragend blickte der Junge in die dunkelgrauen Augen des Drachen.

Der knurrte.

„Er sagt ‚trink’, was meint er damit, Fynn?“, rief Rorax, der nicht sah, was sich auf seinem Rücken tat, sondern geradeaus blickte.

Doch der Junge antwortete nicht; er sah Nexel nur erstaunt an.

Der Feuerdrache schien zu lächeln, da lächelte Fynn zurück, strich vorsichtig mit einem Finger etwas Drachenblut von seiner Schnauze und leckte daran.

„Na, schmeckt’s?“, fragte ihn eine Stimme, die wie Feuer knisterte.

Fynn nickte verlegen.

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Brüllen hinter ihnen.

Nexel ließ sich zurückfallen und Fynn sah, dass ihnen der weiße Drache dicht auf den Fersen war.

„Verdammt, was machen wir jetzt?“, rief er.

Nexel hatte sich in der Luft umgedreht und flog auf den Verfolger zu.

Was er jetzt sah, würde Fynn niemals vergessen.

Der große Feuerdrache öffnete sein Maul und spie sein Feuer dem Luftdrachen direkt ins Gesicht.

Die Flamme war groß und so hell, dass sie blendete.

Sie leckte dem weißen Drachen über den Kopf, der gequält aufbrüllte und augenblicklich wie ein Stein zu Boden fiel.

Die weißen Schuppen verschwanden zwischen den, in der Nacht schwarz erscheinenden Baumwipfeln und Nexel schloss wieder zu Rorax auf.

Fynn starrte so lange er konnte auf die Stelle, wo der Luftdrache abgestürzt war und eine Frage ließ ihn nicht los:
 

War der fremde Drache etwa ein Freund des Fürsten?

Sanduku und Magiza

Jemand stapfte durch den Wald.

Aufgeregt lief er hin und her und schimpfte laut.

Zwei Paar Drachenaugen folgten Fynn, wie er vor ihnen herlief.

„Oh nein, das darf doch nicht wahr sein! Was machen wir jetzt? Ein Drache, woher hat der Fürst einen Drachen?! Wie lang hat er ihn schon? Wie konnte er ihn vor den Bediensteten geheim halten? Wo ist Xankir?! Im Schloss? Woanders? Wo?! Sicher hat der weiße Drache Adui vor uns gewarnt! Bestimmt kommen wir nie wieder in die Burg! Ob er Xankir wohl etwas antun wird? Oh nein, bitte nicht! Alles ist schief gelaufen! Und der Luftdrache…“, Fynn hielt einen Augenblick an und starrte mit leeren Augen auf den Waldboden.

Dann drehte er sich ruckartig zu Nexel um.

„Wie konntest du ihm das antun?! Er ist doch auch ein Drache!!“, schrie er.

Seine Beine gaben nach, er fiel auf die Knie, vergrub das Gesicht in den Händen und sah es wieder deutlich vor sich.

Die gleißend helle Flamme, die aus Nexels Maul schoss und dem Kopf des weißen Drachen für ein paar Augenblicke umschloss.

In seinen Ohren hallte der Schrei des verbrannten Drachen und er sah noch einmal den weißen Körper fallen.

Das war nun schon knapp zwei Stunden her. Die Drachen waren bis eben weitergeflogen, aus Angst, verfolgt zu werden, von wem auch immer.

In diesen zwei Stunden hatte Fynn diese schreckliche Szene wieder und wieder durchlebt.

Plötzlich richtete er sich wieder auf.

„Wir müssen zurück!“

„Was?!“, kam es von seinen Freunden.

„Wir müssen zurück! Sofort!“, rief Fynn aufgebracht.

„Was redest du da?“, fragte Nexel. „Wir wissen nicht, ob Xankir in der Burg ist und du kommst da sicher nicht noch mal so leicht rein! Am Besten wäre es, wenn wir uns erst einmal beruhigen und schlafen. Die Sonne geht in ein paar Stunden auf, dann können wir-„

„Nein.“

Fynn schüttelte den Kopf.

„Ich will doch nicht zurück in die Burg, das würde nichts bringen, da ist jetzt sicher noch die Hölle los. Ich will zurück zu dem weißen Drachen!“

Den beiden Drachen klappten die Mäuler auf, sprachlos starrten sie ihn an, als wäre er verrückt geworden.

Genervt knurrte Fynn.

„Wir müssen einfach! Vielleicht können wir ihm noch helfen! Vielleicht ist er nicht so schwer verletzt, wie es schien! Vielleicht ist er nur erschrocken und deswegen abgestürzt!“

Jetzt ging Rorax ein Licht auf.

„Du machst dir Sorgen?! Er- er hat dich angegriffen! Spinnst du total? Er ist auf der Seite des Fürsten!! Dein Mitleid ist hier völlig fehl am Platz!“

„Fehl am Platz? Wie kannst du sowas sagen?! Klar, er ist unser Feind, aber er ist dennoch ein Lebewesen! Außerdem wissen wir doch gar nicht, ob er wirklich freiwillig auf der Seite des Fürsten ist! Was ist, wenn Adui ihn irgendwie zu Gehorsam zwingt? Wir waren drei gegen einen, wir hätten das anders lösen müssen!“

„Wie denn?“, fragte Nexel. „Du bist im Kampf gegen einen Drachen nicht besonders hilfreich, Rorax hat dich getragen, er konnte nichts tun, sonst hätte er dich gefährdet.

Der Einzige, der etwas tun konnte, war ich, und ich habe es nur getan, um euch zu beschützen!“

„Wir hätten fliehen können!“

„Fliehen? Das haben wir getan, wir hatten bestimmt mindestens tausend Schwanzlängen Vorsprung und er hat uns trotzdem eingeholt. Durch ihre Gabe ist es praktisch unmöglich, vor Luftdrachen zu fliehen!“

„Ihre Gabe?“, fragte Fynn verwirrt.

„Ich habe dir doch davon erzählt, Fynn“, meinte Rorax.

Der Junge erinnerte sich nun wieder an den Tag, bevor sie der Fürsten angegriffen hatte, der Tag, an dem Xankir noch bei ihnen gewesen war…

„Stimmt. Du hast mir erzählt, dass die Gabe der Feuerdrachen das Feuerspucken ist. Was ist die Gabe der anderen Drachenarten?“

„Du hast es schon erlebt“, erwiderte Nexel.

„Als wir die Männer des Fürsten zusammengetrieben haben, ist Rax neben uns in der Luft gewesen, weißt du noch? Damals hatte er die Aufgabe, die anderen Kiumas, die im Wald versteckt waren, zu fragen, ob schon alle Männer aus dem Wald draußen waren.“

„Ja, stimmt.“ Fynn nickte.

„Hast du ihn wegfliegen hören?“, erkundigte sich der Feuerdrache.

Fynn dachte scharf nach. Dann schüttelte er den Kopf.

„Natürlich nicht“, Nexel grinste und bleckte dabei die Zähne.

„Das ist ein Teil ihrer Gabe, sie können völlig lautlos fliegen. Der zweite Teil ist ihre Geschwindigkeit. Wie lang war Rax damals weg, was schätzt du?“

„Hm… nicht lang, nur ein paar Herzschläge.“

„Aber in der kurzen Zeit ist er bis zur Drachenhöhle, zurück und zu den Kiumas, die verteilt im Wald ihre Posten hatten geflogen.“

„Was, echt?“

Erstaunt riss Fynn die Augen auf.

„Und was ist die Fähigkeit der Wasserdrachen? Und der Erddrachen?“

„Auch das hast du schon erlebt“, antwortete Rorax.

„Wir Wasserkiumas haben uns im Wasser versteckt und dafür gesorgt, dass die Menschen nicht vor dem Wasserfall aus dem Fluss kletterten. Wir können schwimmen und sogar Unterwasser atmen. Und weißt du noch, dass sich Xankir hinter einem Stein versteckt hat? Weißt du noch, was für eine Farbe er hatte?“

Wieder überlegte Fynn. Dann sah er vor seinem inneren Auge, wie Xankir hinter einem, dicht mit Moos bewachsenen Felsen verschwand.

„Grün…“

„Genau. Erddrachen können sich praktisch unsichtbar machen, wenn sie wollen und wenn sie sich vor etwas Grünes stellen. Das ist ihre Gabe.“

Fynn war beeindruckt.

„Du siehst also“, belehrte ihn Nexel, „es hätte nichts genutzt, zu fliehen. Mir blieb keine andere Wahl.“

„Ist ja schon gut. Aber wir müssen trotzdem nachsehen! Bitte!“, flehte der Junge.

Als die Drachen sahen, wie ernst es ihm war, gaben sie auf.

„Na gut, steig auf“, seufzte der Feuerdrache und kurz darauf erhoben sich die beiden Drachen samt ihrem Reiter wieder in die Lüfte.
 

Weitere zwei Stunden später sahen sie die Burg wieder, hinter der der Mond bereits schon wieder unterging.

„Hier irgendwo muss es doch gewesen sein“, flüsterte Fynn eine halbe Stunde später, während unter ihm und Nexel die kahlen Bäume vorbeizogen.

„Da!“, rief Rorax im selben Moment.

Der Junge beugte sich gefährlich tief an Nexels Hals hinab und da erkannte auch er die abgebrochenen Spitzen und Äste mehrerer nebeneinander stehender Bäume.

Die beiden Drachen setzten zum Sinkflug an und kurz darauf peitschten Fynn Äste ins Gesicht, zerkratzten seine Haut und zogen an seinen Kleidern.

Doch als sie durch die letzten Äste gebrochen waren und – mit einigen Schwierigkeiten – zwischen den eng stehenden Baumstämmen gelandet waren, sahen sie, dass der weiße Drache fort war.

Sie betrachteten stumm die vielen weißen Schuppen, die dort zwischen abgebrochenen Ästen und dem Moos lagen.

Immer noch schweigend rutschte Fynn von Nexel herunter und bückte sich nach den Schuppen.

Er steckte ein paar davon ein, während seine Freunde nur verständnislos zusahen und drehte sich dann zu ihnen um.

„Hier ist nirgends Blut“, sagte er leise und die drei wussten nicht, ob sie darüber froh oder nicht sein sollten.
 

Als die Sonne aufging, landeten die Drachen weit entfernt von der Burg auf einer kleinen Lichtung.

Müde und erschöpft legten sie sich nieder um auszuruhen; diese Nacht war sehr anstrengend gewesen.

Auch Fynn war total fertig und glitt steifbeinig von Rorax’ Rücken direkt auf den Boden, wo er sitzen blieb.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Fynn leise.

Rorax, der bereits kurz davor war, einzuschlafen, schreckte auf und hob den Kopf.

Nexel blickte in Richtung der Sonne, doch hier zwischen den Bäumen war sie noch nicht zu sehen.

„Meint ihr, er ist noch in der Burg? Irgendwo versteckt?“

Es dauerte einen Moment, bis er eine Antwort bekam. Dann erklang Nexels feurige Stimme, ebenso leise.

„Es ist schwer, so ein großes Wesen vor den neugierigen Augen von Menschen zu verstecken.“

Wieder herrschte einen Augenblick Schweigen.

„Aber Adui hat es geschafft, den weißen Drachen geheim zu halten.“

„Das stimmt“, meinte auch Rorax.

Stille.

„Ich schlage vor, wir kehren erst mal zum Clan zurück. Dann können wir uns einen neuen Plan ausdenken.“, meinte Nexel.

Die Drachen sahen Fynn an, der nachdenklich auf die ersten, grünen Blätter des neuen Jahres starrte.

Dann nickte er, wenn auch schweren Herzens.

Bald darauf schliefen die drei ein und erholten sich von den jüngsten Ereignissen – zumindest körperlich.

Doch durch ihre Träume geisterten zwei Drachen, ein weißer und ein grüner…
 

Sie verschliefen den ganzen Tag und brachen in der Abenddämmerung erneut auf. Es wurde ein ruhiger Tag, obwohl sie sich ständig in der Luft umdrehten, in der Erwartung, einen weißen Fleck am Horizont zu entdecken, der auf sie zuflog.

Doch niemand verfolgte sie und sie kamen unbehelligt am Höhleneingang des Clans an.

Der Mond schien und so fanden sie schnell den Eingang, wo sie bereits von Rax freundlich knurrend begrüßt wurden.

Weiter ging es, den Gang hinab zur Großen Höhle.

Doch auf dem Weg dorthin, konnte Fynn einfach nicht die Finger bei sich behalten, ging neben einer Sanduku-Pflanze in die Hocke und berührte sie sanft.

Die Blätter glühten auf und reckten sich wollig unter seinen Fingern.

Plötzlich taten sie etwas Seltsames. Eine Pflanze streckte sich nicht seinen Fingern entgegen, sondern löste sich zum Teil von der Wand und schwang in Richtung seines Halses.

Bevor er zurückschrecken konnte, hatte die Pflanze Fynn am Hals berührt und er fühlte einen Tropfen warmes Wasser (er glaubte zumindest, dass es Wasser war), seitlich seinen Hals hinunterlaufen, bis es in der Kuhle ankam, die sein Schlüsselbein bildete.

Dort wurde der Tropfen mit einem Mal sehr heiß.

„Autsch!“, rief Fynn und presste sich die Hände auf die Kuhle.

Erschrocken traten Rorax und Nexel näher, die die Szene bisher nur beobachtet hatten.

„Was ist los?“, fragten sie gleichzeitig und Rorax fügte besorgt hinzu: „Tut dir etwas weh?“

„Nein… schon gut…“, kam die Antwort zögerlich.

So plötzlich, wie die Hitze gekommen war, war sie auch schon wieder verschwunden und der Junge zog langsam die Finger zurück.

„Seltsam…“, murmelte er.

Er strich sich noch mal über die Stelle, doch sie war trocken.

„Fynn!“, schrien die beiden Drachen schockiert.

Der Mensch zuckte zusammen. „Wa- was ist?!“

„D…dein…“, stotterte Rorax.

„Dein Hals glüht plötzlich an der Stelle, auf die du die Hände geschlagen hast“, vervollständigte Nexel den Satz erstaunt.

Fynn spürte angenehme Wärme an besagter Stelle, die sich den Hals entlang ausbreitete.

„Was passiert mit mir?“, fragte er die Drachen.

„Da… da wächst eine Sanduku-Pflanze aus deinem Hals heraus!!“, flüsterte Nexel überwältigt, während Rorax nur dastand und mit offenem Maul seinen Freund anstarrte.

„Sie schlingt sich um deinen Hals und Blätter treiben aus“, berichtete Nexel weiter.

Fynn konnte es spüren. Jedes Blatt, das die Sanduku-Pflanze auf seine Haut legte, spürte er durch die angenehme Wärme, die diese abgab. Die Wärme wanderte über seine Haut, die Pflanze schlang sich zweimal um seinen Hals, bis sie sein Gesicht erreichte, über seinen Kieferknochen kroch und ein großes Blatt auf seine rechte Wange wuchs.

Dann kam die Pflanze zur Ruhe.

„Bei allen Göttern“, hauchte Rorax heiser. „das müssen wir Rynd zeigen!“

Während die drei im Eiltempo den Gang hinunterliefen, strich sich Fynn immer wieder über die Wange, doch er konnte – außer der Wärme, die auch langsam abklang – keinen Unterschied fühlen zwischen Pflanze und Haut.

In der Großen Höhle herrschte wie immer gemütliche Unruhe.

Gespräche erklangen von allen Seiten und die warme, etwas stickige Luft nahm sie in Empfang.

Kaum waren die drei Freunde ein paar Schritte in die Höhle hineingegangen, ertönte auch schon eine vertraute Stimme: „Fynn! FynnFynnFynnFynnFynn!!“

Jani stürzte sich begeistert auf den Jungen. Sie war in der kurzen Zeit, in der er weg gewesen war, sehr gewachsen.

Bevor er aufgebrochen war, hatte sie ihm noch bis kurz über die Knie gereicht, doch jetzt konnte sie ihm schon, wenn sie auf allen vier Tatzen stand in den Gürtel beißen, wenn sie den Hals etwas streckte.

Natürlich war sie auch schwerer geworden und so fand sich Fynn – ehe er noch kapierte, was geschah – auf dem Boden wieder.

Jani drückte ihm fast die Luft ab, während sie ihn genüsslich von oben bis unten das Gesicht ableckte wie ein Hund.

„Haaaaaaah“, keuchte der Junge und schnappte nach Luft.

Doch schon war Janis Mutter zur Stelle und packte ihre Tochter mit dem Maul im Nacken.

Die Erdkike schüttelte Jani zur Strafe sanft durch und ließ sie dann wieder runter. Sofort stand das Kijana wieder neben dem Menschen und schmiegte den Kopf an dessen Hose.

„Man, bist du groß geworden, Jani!“, wunderte sich Fynn. „Ist das normal?“

Die Kike lachte leise und nickte. „Ja, bei uns Drachen werden die Kijana schnell groß“, meinte sie.

Fynn zog sich das Herz schmerzhaft zusammen. Die Stimme der Kike war zwar leiser und melodischer, sie ähnelte Xankirs dennoch genug, um die Sehnsucht nach seinem Freund in Fynn heiß und quälend aufflammen zu lassen.

Schnell stand er auf und versuchte den Kloß in seinem Hals los zu werden.

„Ich muss sofort mit Rynd sprechen“, sagte er rau und wandte sich ab.

Er lief zu den Zee-Drachen, die sich in derselben Ecke versammelt hatten, wie schon letztes Mal.

Als er nach Rynd fragte, klang seine Stimme wieder ruhig, doch die Flamme in seinem Innern war nicht erloschen.

Der Ring aus Zee-Drachen öffnete sich und er sah sich dem blinden Drachen gegenüber.

Der Drachenälteste atmete tief ein und sagte: „Hallo, Fynn, hallo, Nexel, willkommen zurück.“

Erst jetzt bemerkte der Junge, dass der Feuerkiuma ihm gefolgt war.

„Also, was kann ich für euch tun, was gibt es so Dringendes?“

Fynn drehte sich wieder zu dem Clanältesten um.

„Rynd! Gerade eben, im Gang den Berg hinunter, habe ich eine Sanduku-Pflanze berührt und sie hat einen Tropfen… Wasser oder so etwas auf meinen Hals fallen lassen. Jetzt ist eine dieser Pflanzen aus meiner Schulter gewachsen!“, erzählte er aufgeregt.

Der alte Drache schien zu überlegen.

„Hm… wurdest du mal von der Erdgottheit berührt?“, wollte er dann wissen.

Fynn erinnerte sich zurück, an die beiden Male, als er Ardhi getroffen hatte.

„Nein…“, antwortete er zögernd. „Ich glaube nicht.“

„Oder hast du mal etwas von Ardhi geschenkt bekommen?“

Wieder dachte der Junge scharf nach.

„Nein. Nein, er hat mir nie… Augenblick! Meinst du so etwas wie Pilze vielleicht?“

„Hat er sie dir gegeben?“

„Nicht direkt, aber er hat sie für mich wachsen lassen, weil ich Jani all meine gesammelten Pilze gegeben hatte.“

Der Drache horchte auf.

„Hast du sie gegessen?“, fragte er scharf.

„J-ja, meine Mutter hat mir daraus ein Abendessen gemacht“, stotterte der Junge, überrascht von Rynds Ton.

Plötzlich merkte er, dass ihn manche Drachen, die dem Gespräch gefolgt waren anstarrten.

Dann fiel ihm auf, dass es nur die Erddrachen waren, während die Restlichen nur verwirrt von ihm zu Rynd und wieder zurück blickten.

„W-wieso? Stimmt… denn etwas damit nicht?“, fragte Fynn erschrocken.

„Du hast tatsächlich ein Geschenk von Ardhi bekommen!“ Rynd war sehr aufgeregt, doch er schien nicht zornig, sondern freudig überrascht zu sein. „Das ist unglaublich!“

„Was? Wieso denn? Erklär’s mir!“

Der Alte beruhigte sich wieder etwas.

„Ardhi hat diese Pilze mit seiner… Kraft…? Magie…? Hm…, nein. Mit seinem Willen wachsen lassen. Ja, das ist das richtige Wort. Er hat sie in sekundenschnelle wachsen lassen, richtig?“

Rynd wartete nicht auf die Antwort, sondern sprach schnell weiter.

„Der Legende nach, kann er alle Pflanzen beherrschen, aber Pflanzen sind nun mal nur Pflanzen. Es hätte keinen Zweck ihnen zu befehlen, schneller zu wachsen, sie können ihre Wachstumsgeschwindigkeit ebenso wenig kontrollieren, wie wir.

Also muss er, wenn er eine Pflanze schnell wachsen lassen will, ihr etwas von sich geben, damit es ihr möglich wird. Und wenn du diese Pilze gegessen hast, dann ist nun etwas von der Gottheit in dir!!

Das haben die Sanduku-Pflanzen sicherlich sofort gespürt und deshalb sind sie nun deine… ich würde es als ‚Freunde’ bezeichnen. Verstehst du?“

Fynn hatte Rynd, als alten und ruhigen Drachen kennen gelernt, doch nun hatte der Alte eher etwas von einem aufgeregten Kijana, denn er war hibbelig, kratzte unruhig mit den Pfoten über das Moos und den Felsen und redete wie ein Wasserfall.

„Ja, ich verstehe. Und was hat es jetzt mit den Pflanzen auf sich? Kann ich sie nun auch als Verbündete an meine Seite rufen?“

Rynds Aufregung hatte den Menschen angesteckt.

„Verstehst du denn nicht? Das hast du bereits unbewusst getan! Die Sanduku-Pflanze ist nun auf deiner Seite! Du trägst das Licht mit dir, mein Junge!“, rief der alte Zee-Drache.

„D-das Licht?“, wiederholte Fynn verwirrt.

„Die Pflanze heißt ja nicht umsonst auch ‚Die Lichtpflanze’ und sie ist es doch, die unsere Höhle erhellt.“

Fynn blickte den Alten traurig an.

„Aber wie soll mir eine einzelne Pflanze durch Licht helfen, mich in eine Burg zu schleichen, einen Drachen zu finden UND auch dort rauszuholen? Zumal sie ja auch noch an meinem Hals wächst.“

„Da gebe ich dir Recht, Licht allein hilft dir nicht gegen deine Feinde. Doch in Verbindung mit Magiza, dürfte dir das bei deinem Vorhaben ein großer Vorteil sein!“

„Magiza?“ Nexel horchte auf.

„Ja, Magiza. Und nur ein Feuerdrache wie du kann dem Menschen dabei helfen, sie zu bekommen. Und jetzt beeilt euch, Xankir wartet schon lang genug“, damit verabschiedete Rynd seine Besucher.

Fynn wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.

Wer oder was ist „Magiza“ und wie sollte ihm das einen Vorteil verschaffen?

Er rannte Nexel nach, der bereits schon wieder bei Rorax war und zum Aufbruch drängte.

Doch Jani war ganz und gar dagegen, dass sie ihr Lieblingsmensch schon wieder verlassen wollte.

Sie jaulte herzzerreißend.

Fynn kniete sich neben sie und strich ihr über den schuppigen Kopf.

„Du musst das verstehen, Jani, Xankir ist nun schon so lange fort. Ich muss ihn endlich zurückholen! Und wenn ich das gemacht habe, dann komme ich – mit Xankir! – wieder zurück und dann spielen wir den lieben langen Tag lang, einverstanden?“

Jani nickte, nun wieder fröhlich.

„Bis baaaald!“, quietschte sie ihnen hinterher.

Nexel war sehr aufgeregt und hatte es ziemlich eilig, wieder an die frische Luft zu kommen.

„Was ist denn ‚Magiza’?“, rief Fynn ungeduldig, während sie am erstaunten Rax vorbeihasteten.

„Gleich“, brummte der Feuerkiuma nur.

Der Junge blickte fragend Rorax an, der ihn ebenso ratlos anblinzelte.

Draußen ging gerade der Mond unter und hinter den Berggipfeln wurde der Himmel schon wieder heller.

„Beeilung“, drängte Nexel. „Es funktioniert nur, solange es noch dunkel ist.“

„Was denn?! Sprich mit uns!“, maulten Fynn und Rorax.

Doch der Feuerdrache spreizte schon die Flügel und schwang sich in die Lüfte.

„Hey! Warte auf uns!“

Fynn kletterte hastig auf Rorax’ Rücken, der sich auch in die Lüfte erhob.

Nexel hielt auf einen großen Felsvorsprung zu und landete auf diesem.

Dort wartete er auf seine Freunde, die er zur Eile antrieb.

„Was ist denn eigentlich los?“, fragte Fynn verärgert, nachdem Rorax gelandet und er von seinem Rücken runtergerutscht war.

„Ich kann ihn nur rufen, wenn es noch dunkel ist“, murmelte Nexel und stellte sich, mit dem Rücken zu seinen Freunden nahe an den Abgrund.

Er holte tief Luft, hielt für einen Augenblick den Atem an und blies dann den größten Feuerball, den Fynn je gesehen hatte, in die Nachtluft.

Die Flammen waren so heiß, dass sie blau waren und der Feuerball löste sich auch nicht auf, sondern brannte IN der Luft weiter.

Dann färbten sich die Flammen erst rot-orange und wurden schließlich weiß.

Eine Gestalt bildete sich aus ihnen und Fynn erkannte den Elementargott des Feuers.

„Moto“, flüsterte er und beobachtete fasziniert, wie die Gottheit in der Luft stand und auf seinen Schützling hinabblickte.

„Du hast mich gerufen, weil du deinem Menschenfreund dabei helfen willst, Magiza, die Dunkelheit zu finden.“

Das war keine Frage, sondern eine ruhige Feststellung.

Moto sah Fynn an.

„Du willst einem Drachen helfen, also helfe ich dir“, prasselte die Stimme des Feuers.

Er öffnete seine feurige Hand und legte sie auf Nexels Kopf.

Der Drache schloss die Augen und das Rot seiner Schuppen wurde heller, bis sie weiß zu sein schienen.

Die Hitze, die von dem Gott und dem Drachen ausging, ließ den Wasserdrachen und den Menschen zurückweichen, das Weiß blendete sie und so standen sie da, mit geschlossenen Augen und warteten darauf, dass die Hitze verschwand, die ihnen auf Haut und Schuppen brannte.

Schließlich verschwand sie, die Haut der beiden kühlte sich ab und es wurde wieder dunkel.

Sternchen blitzen vor ihren, immer noch geschlossenen Augen.

Sie öffneten sie und sahen… Nexel. In seiner ursprünglichen, feuerroten Farbe.

Moto war verschwunden.

Der Feuerdrache lächelte.

„Lasst uns gehen.“
 

Sie flogen über Flüsse und Seen, über große Wälder und Felder, Dörfer und Städte, in denen die Menschen wie Ameisen umherwuselten.

Sie flogen zu hoch, als dass sie von ihnen als Drachen erkannt worden wären.

Die Sonne ging vor ihnen auf, wanderte rechts über ihnen vorbei und ging schon langsam hinter ihnen unter, als Nexel zum Landeanflug ansetzte.

Sie landeten in den Bergen vor einem großen Höhleneingang.

Fynn fror, als er hineinsah, denn obwohl die Sonne direkt hätte rein scheinen müssen, war es, als wäre er blind, wenn er versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen.

„Was ist das?“, fragte Rorax nervös.

„Magiza“, antwortete Nexel.
 

Während dem Flug hatte er erklärt, dass Magiza das Gegenstück zu Sanduku war – eine Pflanze, die Dunkelheit ausstrahlte, die kein Feuerschein, kein Blitz und auch nicht die Sonnenstrahlen vertreiben konnte.

Doch kaum jemand wusste, wo sie wuchs, weshalb er auch den Feuergott gerufen hatte.

Moto wusste, wo diese Pflanze wuchs, da er sie oft verwendete, um mit ihr für die Menschen unsichtbar zu werden, eine Weile unter ihnen zu wandeln und sie zu beobachten.

Jeder Feuerdrache konnte Moto rufen, sobald es dunkel genug war.

Doch dazu musste man die Flammen, mit denen man ihn herbat so heiß machen, dass man für einige Zeit kein Feuer mehr spucken konnte.

Moto hatte ihm durch den Kontakt den Weg gewiesen.

Nexel beschrieb es so: Es war, als hätte Moto aus ihm einen Magneten gemacht, der ihn zu seinem Ziel zog.

So hatte er den Weg hierher gefunden.
 

„Du musst hinein und eine Pflanze bitten, dir einen Ableger zu schenken, wie es auch die Sanduku-Pflanze getan hatte“, sagte der Feuerdrache.

„Was?“, kam es von Rorax. „Aber wie soll er denn eine in dieser Dunkelheit finden? Wer weiß, wie groß diese Höhle ist?“

Doch Nexel lächelte zuversichtlich. „Du hast Fynns Sanduku-Pflanze vergessen. Dadurch, dass sie das Gegenteil voneinander sind, heben sich ihre Wirkungen auf, sobald sie aufeinander treffen.“

„Echt?“, fragte Fynn. „Ist ja klasse! Na dann, geh ich mal“, meinte er freudig erregt.

„Hey!“, rief Rorax. „Pass bloß auf dich auf, verstanden?“

„Ja, ja, bin gleich wieder zurück“, sagte Fynn und ging sicheren Schrittes auf den Eingang und die Dunkelheit zu.

Kaum hatte er den ersten Schritt in die Dunkelheit getan, fühlte er ein leichtes Prickeln auf der Haut, dort, wo sich die Sanduku-Pflanze an sein Gesicht schmiegte und schon erhellte sich seine Sicht.

Es war ein seltsames Gefühl. Es war zwar taghell und er konnte alles deutlich sehen, doch es gab keine Lichtquelle. Keine Schatten waren vorhanden.

Fynn blieb stehen und blinzelte ein paar Mal.

„Fynn? Fynn? Alles in Ordnung? Wir können dich nicht mehr sehen!“, ertönte Nexels beunruhigte Stimme hinter ihm.

„Alles in Ordnung!“, beruhigte ihn der Junge und sah sich um.

An den nackten Felsen wuchsen graue Pflanzen. Sie hatten keine großen Blätter, wie die Sanduku-Pflanzen, sondern ihre Stängel endeten in schwarzen Knospen.

Er ging den felsigen, breiten Gang entlang, bis er nach etwa fünfzig Schritten am Ende angekommen war.

Dort, an der rückwärtigen Felswand, wuchs die größte Magiza-Pflanze aus dem Boden bis zur Decke empor.

Zögernd stellte sich der Junge etwa zwei Schritte von ihr entfernt vor sie.

Er dachte an das, was Nexel gesagt hatte: „… eine Pflanze bitten, dir einen Ableger zu schenken…“

„Ähm…“, begann er unsicher. „Äh, könnte ich… ich meine… dürfte ich einen Ableger von dir haben?“

Er kam sich unsagbar blöd vor, wie er da alleine in der Höhle stand und mit einer Pflanze redete.

Doch da kam Leben in die Magiza-Pflanze. Die unteren Knospen, die so groß waren, wie Fynns geballte Faust, reckten sich nach ihm und die Spitze, die nach oben immer dünner wurde und nur fingernagelgroße Knospen trug, löste sich vom Fels und beugten sich zu ihm hinunter.

Die oberste Knospe berührte ihn im Gesicht und plötzlich wurde die Sanduku-Pflanze auf seiner Haut kurz warm und kühlte sich dann wieder ab.

Daraufhin beugte sich die Knospe noch tiefer und tippte auf Fynns Ärmel auf Höhe des rechten Unterarms.

Verdutzt hob der Junge den Arm und schob den Ärmel hoch.

Die Knospe ließ einen Tropfen schwarze Flüssigkeit auf die Ellenbeuge fallen.

Kälte breitete sich unter der Haut aus und Fynn beobachtete gebannt, wie der Tropfen in seiner Haut verschwand, unter ihr aufleuchtete und eine Magiza-Pflanze aus seinem Arm wuchs und sich um ihn schlang.

Die graue Pflanze trieb, wie die anderen Pflanzen auch, schwarze Knospen auf seiner Haut und endete, an der Innenseite seines Handgelenks in einer Knospe, die kleiner war, als sein kleiner Fingernagel.

Dann verschwand die Kälte wieder aus seinem Arm.

Vorsichtig strich der Mensch den grauen Stängel entlang, doch ebenso wie bei Sanduku, konnte er keinen Unterschied zwischen Haut und Pflanze spüren.

Leise und ehrfürchtig bedankte er sich bei der großen Magiza-Pflanze, die sich wieder auf den Felsen gelegt hatte und konnte den Blick nicht von seinem, plötzlich so anders aussehenden Arm wenden.
 

Nun, mithilfe von Sanduku und Magiza, konnte er endlich Xankir retten.

Der verlorene Drache

Jemand jagte durch den Wald.

Flink wie ein Hase schlug er Haken, sprang über Wurzeln und kleine Bäche und zwängte sich durch Dornenhecken und Gestrüpp, ohne darauf zu achten, dass die Dornen und Äste seine Haut zerfetzten.

Hinter ihm ertönte Hundegebell und wütendes Gebrüll von Männern.

‚Gleich!’, dachte Fynn, ‚Gleich bin ich in Sicherheit!’

Dort vorne war schon die große Eiche, bei der er seine Freunde verlassen hatte.

Er stürzte auf den gewaltigen Baum zu und sah sich gehetzt um.

„Nexel! Rorax!“, keuchte er und Panik kroch in ihm hoch.

Wo waren die beiden?

Fynn wusste, dass er keine Chance hatte.

Nach Luft ringend lehnte er sich an die Rinde der Eiche, prasste sich beide Hände in die stechende Seite und lauschte dem Hundegebell, das immer näher kam.

Gleich würden sie ihn haben. Und dann? Was würden sie mit ihm machen?

Verzweifelt sank der Junge auf den Boden und ergab sich seinem Schicksal.

Und dabei wollte er doch nur noch einmal kurz bei seinen Eltern vorbeischauen, bevor er sich mit seinen Freunden erneut an Xankirs Rettung machen wollte.
 

Nachdem er die Magiza-Pflanze hatte, war er wieder hinaus zu seinen Freunden gegangen.

Er hatte ihnen schon vom Höhleneingang aus zugewunken, doch sie schienen ihn überhaupt nicht zu bemerken.

Plötzlich hatten sie sich sehr merkwürdig benommen. Sie waren erschrocken aufgesprungen und hatten sich verwirrt umgesehen, Angst hatte sich in ihren Gesichtern gezeigt und ihre Stimmen klangen verzagt, als sie begonnen hatten, sich gegenseitig zu rufen.

Es hatte eine Weile lang Verwirrung gegeben, bis endlich klar wurde, dass es die Magiza-Pflanze war, die bloß ihre natürliche Wirkung entfaltete.

Fynn hatte versucht, die Pflanze mit seinen Händen abzudecken, oder irgendwie mit ihr zu kommunizieren, doch nichts hatte gewirkt.

Er wollte schon resignieren, die Pflanze als Fluch akzeptieren und hatte wütend den Arm an seinen Körper gepresst, als könnte er die Pflanze dadurch wieder loswerden, da konnten die beiden Drachen mit einem Mal wieder sehen.

Verdutzt hatte Fynn sich daraufhin den Arm vor die Augen gehalten, um zu sehen, ob sich die Pflanze irgendwie verändert hatte, da setzte die Wirkung wieder ein.

Nach kurzem Überlegen, diskutieren und testen fanden sie heraus, dass die Wirkung der Pflanze von dem groben Leinen des Hemdes neutralisiert wurde.

So hatte er sich einen breiten Streifen vom Bauch seines Hemdes Abgeschnitten und ihn sich sorgfältig um den Unterarm gewickelt. So konnte er kontrollieren, wann die Wirkung einsetzte und wann nicht.

Sie hatten die Nacht dort vor der Höhle verbracht, obwohl sie vom Berg-Plateau aus schon von weitem sichtbar waren, da es dort auf den Felsen keine Bäume und nur vereinzelt ein paar kleine Fleckchen Gras gab.

Am nächsten Morgen hatten sie sich auf den Rückweg gemacht und landeten gerade auf der Lichtung des Waldes, der Fynns Dorf umgab, als die Sonne versank.

Bevor der zweite Versuch, Xankir zu retten gestartet werden sollte, sollten sich alle erst mal ausruhen.

Er, Fynn, wollte die Nacht bei seinen Eltern verbringen und sich eine Geschichte zurechtlegen, die er ihnen erzählen wollte, um zu erklären, warum er so schnell schon wieder weg musste. Denn eins war klar: Sollte die Rettung Xankirs nun missglücken oder nicht, Fynn würde nicht so einfach wieder nach Hause gehen können, das Risiko war zu groß, dass ihn irgendjemand entdecken und erkennen würde.

Doch alles war schief gegangen.

Entweder hatten die Soldaten, die ihn beim letzten Mal erkannt und in die Burg gelassen hatten verdächtigt und dem Fürsten gemeldet, oder der weiße Drache war zu seinem Herrn zurückgekehrt und hatte von dem Menschenjungen berichtet, der in die Burg eingedrungen war.

Jedenfalls schaffte er es nicht bis zu seinem Zuhause, ja noch nicht mal aus dem Wald raus und ins Dorf hinein.

Schon am Waldrand waren Soldaten mit Hunden patrouilliert, die auf seinen Geruch abgerichtet worden waren, ihn bemerkt hatten und nun wurde er von ihnen verfolgt.

Und seine einzige Rettung, seine Freunde, waren nicht da, wo er sie noch vor wenigen Minuten zurückgelassen hatte.

Wahrscheinlich hatten sie ein sichereres Versteck für die Nacht gesucht.
 

So saß der Junge nun hilflos auf den Wurzeln der alten Eiche und hatte sich seinem Schicksal ergeben.

Der erste Hund sprang schon auf die Lichtung, auf ihn zu und schnappte nach seinem Bein.

Doch plötzlich winselte er erschrocken auf, zog den Schwanz ein, legte die Ohren an und trat den Rückzug an. Auch die anderen Hunde hatten aufgehört zu kläffen und winselten leise.

Ärgerliche und verwunderte Stimmen drangen aus dem Wald, als sich die Soldaten fragten, was sie Tiere wohl haben könnten.

Jedoch war die Gefahr noch längst nicht vorüber. Was auch immer die Hunde davon abhielt, die Lichtung zu betreten, die Soldaten hatten keine Angst.

Inzwischen war es so dunkel geworden, dass Fynn nur noch Schatten erkennen konnte.

Zwei große Schemen kamen schnell auf ihn zu, packten ihn an dem Armen und zogen ihn hoch.

„Wir haben ihn!“, rief eine dunkle, raue Stimme neben Fynns rechtem Ohr in den Wald.

Die beiden Soldaten lachten heiser und zerrten den Jungen mit sich, doch da erhellte plötzlich etwas die Nacht.

Dann ging alles sehr schnell, die beiden Soldaten schrien laut auf, schmissen Fynn zu Boden und rannten Hals über Kopf davon, die Hände schützend über den Haaren, als könnten sie sie davor bewahren, von Nexels heißem Feuer verbrannt zu werden, der seine Flammen durch die Luft zischen ließ und zur Landung ansetzte.

Kaum hatte er den Boden berührt, da saß der Junge auch schon auf seinem Rücken und der Feuerkiuma schwang sich wieder in den Nachthimmel.

Erleichtert fühlte Fynn die kalte Luft auf seinem Gesicht und hörte die Schreie der erschrockenen Männer unter sich zwischen den Bäumen hinaufwehen.

„Wo wart ihr denn?“, fragte er seinen Freund, der den Berg ansteuerte, der sich hinter dem Wald erhob.

„Wir haben uns einen besseren Platz für die Nacht gesucht“, bestätigte Nexel die Ahnung seines Freundes.

„Doch hoffentlich nicht in der Höhle?“

„Ich weiß zwar nicht, von welcher Höhle du sprichst, aber wir haben uns auf einem hohen Felsvorsprung niedergelassen. Was war denn bloß los? Warum haben dich diese Männer verfolgt? Wer waren sie?“, fragte der Feuerkiuma und setzte zur Landung auf besagtem Felsvorsprung an, der weit über eine tiefe Schlucht hinausragte und auf dem Rorax ihnen verwundert und erschrocken zugleich entgegensah.

Sie landeten und Fynn erzählte seinen Freunden von seiner Vermutung.

„Das sind schlechte Nachrichten. Gut, dass du auf dein schlechtes Gefühl geachtet hast und noch mal los geflogen bist, um nach Fynn zu sehen“, meinte Rorax erleichtert.

Der Feuerdrache nickte nur kurz und sagte dann ernst: „Das sind wirklich sehr schlechte Nachrichten. Das bedeutet, sie sind jetzt vorgewarnt und es wird noch schwerer, wenn nicht sogar unmöglich, in die Burg zu kommen.“

Die beiden anderen senkten bedrückt und verzagt die Köpfe.

„Ich werde es trotzdem versuchen!“, kam es trotzig von dem Menschen. „Und ihr könnt mich nicht davon abhalten!“

Die Drachen sahen ihn überrascht an.

„Was redest du da, Fynn?“, fragte Nexel und zog die Nase kraus, was bei Drachen wohl so etwas Ähnliches war, wie bei Menschen das Stirnrunzeln.

Gerade wollte der Junge anfangen zu schimpfen, er könnte seinen Freund nicht einfach aufgeben, doch Rorax kam ihm zuvor.

„Ja, was redest du da für Unsinn? Natürlich werden wir es trotzdem versuchen. Wir MÜSSEN es versuchen! Schließlich wartet Xankir schon lang genug darauf, von uns gerettet zu werden!“

Dem Jungen blieb der Mund offen stehen.

Er hatte erwartet, dass ihm seine Freunde das ausreden wollten und darauf beharren würden, dass es zu gefährlich wäre, aber das taten sie nicht! Stattdessen war sogar Rorax, der so eine Angst vor Menschen hatte, bereit, in eine gut bewachte Burg zu schleichen um Xankir zu befreien.

Der Wasserdrache grinste.

„Du hast gedacht, wir würden versuchen, dich aufzuhalten und dir raten, es lieber zu einem späteren Zeitpunkt zu versuchen, wenn der Fürst uns nicht mehr erwarten würde, oder?“

Auch Nexel schien zu lächeln.

Der Junge klappte den Mund zu und umarmte wortlos seine Freunde. Was sollte er dazu noch sagen?

„Nun gut“, wurde er wieder ernst. „Dann lasst uns mal einen Plan ausarbeiten. Wo sollten wir anfangen zu suchen? Wann soll es losgehen, wollt ihr mitkommen, oder habt ihr einen anderen Plan?“
 

Nach einigem hin und her entschieden sie sich, dass ein Drache draußen für Ablenkung sorgen, während der andere mit Fynn in die Burg hineingehen sollte. Magiza würde dafür sorgen, dass sie niemand sah.

Fynn, der durch Sanduku sehen konnte, würde seinem Begleiter den Weg weisen. Das hatte den Vorteil, dass, egal, wer ihnen begegnen würde, erstens nichts sehen würde und zweitens, sollte das noch nicht ausreichen, um jeden Feind in die Flucht zu schlagen, so könnte der Drache durch Fauchen und Knurren dafür sorgen, dass auch der Mutigste schleunigst das Weite suchen würde.

Denn wer würde sich schon einem DRACHEN entgegenstellen, den er noch nicht einmal SEHEN konnte?

Als sie ihre Überlegungen beendeten und sich schlafen legten, stand der Mond schon hoch am Himmel.
 

Es wurde gerade erst hell und die ersten Vögel begannen, zaghaft ihre Lieder zu trällern, als Fynn aufschreckte.

Er rieb sich die Augen und sah sich um, genoss den sorglosen Zustand zwischen Schlafen und Erwachen.

Er erblickte seine Freunde, Rorax lag direkt vor ihm, den Kopf auf seine Tatzen gebettet und schnarchte leise, Nexels Haupt war für Fynn nicht zu sehen, der an dessen Bauch lehnte, doch die Schwanzspitze des roten Drachens lag auf seinen Füßen.

Dann wurde der Junge schlagartig wach.

Heute! Heute war der Tag, auf den er schon so lange wartete! Er konnte nicht länger still sitzen und sprang auf, wodurch seine beiden Freunde geweckt wurden.

Dann ging alles sehr schnell.

Fynn aß den Rest seines Proviants, den er immer noch von der Reise übrig hatte und der aus einem Stück trockenem Brot bestand, während Nexel ein paar Äste anzündete und drei kleine Flammen verschlang und Rorax etwas Morgentau von ein paar Blättern leckte.

Keiner von ihnen hatte großen Hunger.

Sie hatten beschlossen, bei Tag anzugreifen, da sie sicherlich nachts erwartet wurden und somit das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatten.

Während die Sonne aufging und langsam höher stieg, besprachen die drei noch einmal den Plan und erklärten, dass sie sich hier auf diesem Felsvorsprung treffen würden, sollten sie getrennt werden.

Dann saß Fynn bei Rorax auf und sie flogen los.

Ein Stück weit vor der Burg trennten sie sich, Nexel flog auf die Burg zu, während der Wasserdrache und der Junge einen Umweg machten, um ungesehen von hinten zu kommen.

Zur Überraschung seiner Freunde hatte sich Rorax heftig dagegen gewehrt, draußen zu bleiben und aus sicherer Entfernung zum Boden die Ablenkung zu spielen. Er wollte an Fynns Seite bleiben und mit in die Höhle des Löwen – in die Burg hinein gehen.

Er war so entschlossen und mutig, wie er es vor seinem Tod gewesen war.

Als sie an der Rückseite der Burg angekommen waren, blieb der blaue Drache beinahe bewegungslos in der Luft stehen und die beiden beobachteten die Burg eine Weile.

Dann sahen sie einen riesigen Feuerball hinter der Burg in die Luft steigen. Das war Nexels Zeichen, er hatte nun die volle Aufmerksamkeit der Dorf- und Burgbewohner und seine Freunde konnten nun ihre Mission starten.

Fynn war etwas besorgt darüber, ob Nexel lang genug durchhalten würde, denn er hatte dem roten Drachen gut eingeprägt, er sollte bloß abhauen, wenn es zu gefährlich für ihn werden würde.

Doch Rorax beruhigte ihn, und meinte, sie sollten sich nun besser voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren.

Sanft landete der Wasserkiuma an der Rückseite der Burg, auf eben jenem Balkon, auf dem Nexel und der weiße Drache des Fürsten gekämpft hatten.

Die Fensterscheiben zum Thronsaal waren noch nicht ersetzt, sondern bloß mit Wandteppichen verhängt worden, durch die der große Drache locker hindurch kam.

Fynn hatte, bevor Rorax den Saal betreten hatte, den Stoff um seinen Arm abgewickelt und somit dafür gesorgt, dass sich Magizas Wirkung voll entfalten konnte.

Er blieb auf Rorax’ Rücken sitzen und flüsterte dem Drachen ins Ohr, wo dieser hin musste und was er tun sollte.

Der Thronsaal war menschenleer, doch vollgestellt mit Tischen – anscheinend hatte der Fürst hier gerade mit seinem Gefolge frühstücken wollen, als Nexel mit seinem Ablenkungsmanöver begonnen hatte.

Vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, ging Rorax, laut Fynns Anweisungen um alle Tische herum und auf die Treppe zu, die in die untere Halle führte.

Auch dort war niemand und so kamen sie unbehelligt in der kleinen Halle an, von wo aus sie auf den Burghof traten.

Dort herrschte heilloses Durcheinander.

Soldaten rannten umher und zeigten in den Himmel, wo Nexel feuerspuckend seine Runden drehte.

Erschrocken ließen die Männer ihre Schwerter, Lanzen und Bogen fallen, als Fynn und Rorax aus der Burg traten und fingen jämmerlich an zu quietschen, als sie, dank der Magiza-Pflanze blind wurden.

Leise flüsterte Fynn Rorax ins Ohr, woraufhin dieser sich in die Luft erhob, über die erstarrten Männer schwebte, um das Hauptgebäude herum, zu der linken Seite, wo, in die Mauer eingelassen, ein schweres Gitter den Weg zu den Kerkern versperrte.

Fynn ließ Rorax die Gittertüre mit seinem Maul herausreißen und auf dem Boden ablegen.

Als die Soldaten das Knirschen und Scheppern hörten, brach Panik aus.

Was könnte das für ein Ungeheuer sein, das sie erblinden ließ und – so wie es sich anhörte – die Burgmauern einriss?

Entsetzt stoben sie von der Quelle dieser Geräusche – dem Drachen und seinem Freund – weg und die beiden betraten in aller Ruhe die Steintreppe, die in die Tiefen der Burg führte.

Fynn war erstaunt, wie ruhig und gelassen der blaue Drache wirkte, obwohl er nichts sehen konnte und auch noch von gefährlichen Menschen umgeben war! Die Entschlossenheit, seinen Freund Xankir zu retten, hatte den alten Rorax, den mutigen, stolzen Wasserkiuma zurückgeholt und den schüchternen, ängstlichen verschwinden lassen!

Als sie das Ende der Treppe erreicht hatten, lag vor ihnen ein langer Gang, gesäumt von Gittertüren, hinter denen sich zerlumpte und krank aussehende Menschen in die Ecken ihrer Zellen drückten und vor denen Soldaten mit Lanzen standen und sich unterhielten.

Diese Unterhaltungen verstummten nun, da die Soldaten von ihrer plötzlichen Blindheit abgelenkt wurden.

„Verschwindet! Raus hier!“, rief Fynn laut.

Daraufhin packten die Soldaten ihre Lanzen und liefen seiner Stimme nach.

„Wer auch immer du bist, wie auch immer du uns geblendet hast, hier kommst du nicht durch!“, rief einer der Soldaten zurück.

Fynn klopfte seinem Freund leicht auf den schuppigen Rücken und dieser ließ ein leises, bedrohliches Knurren hören.

Mit Freude sah der Junge, wie nicht wenige Soldaten ihre Lanzen fallen ließen und schleunigst zurückwichen, wobei einer der Wächter gegen einen anderen stieß, erschrocken aufschrie und die beiden Männer übereinander fielen.

„W-was geht hier vor?“, schrie der vorlaute Soldat von vorhin, doch nun klang seine Stimme seltsam hoch.

„Zu spät!“, antwortete Fynn. „Nun kann ich euch nicht mehr gehen lassen! Wie ich sehe, ist dort hinten, auf der rechten Seite eine leere Zelle! Wer nicht von mir gefressen werden will, sollte sich schnellstens dort hinein verziehen!“

Rorax grinste bei diesen Worten. Er merkte, dass es seinem Freund mächtig Spaß machte, das menschenfressende, sprechende Ungeheuer zu spielen und den Soldaten seinen Willen aufzuzwingen.

Ängstlich und mit Hilfe von Fynns Anweisungen, sperrten sich alle Soldaten in besagte, leere Zelle ein und warfen sogar den Schlüssel weg.

Der Junge sprang von Rorax’ Rücken und holte ihn. Sicher ist sicher.

Dann packte er seinen Freund an einem seiner Hörner und führte ihn wortlos den Gang entlang.

Als sie an der Zelle der Soldaten vorbei kamen, fragte Fynn mit bedrohlicher Stimme: „Gibt es eine Zelle, in deren Näher keiner von euch darf, sondern zu der nur der Fürst Zutritt hat?“

„Ja!“, erscholl es hinter dem Gitter – der Junge sah mit Vergnügen, wie sich die Männer alle in eine Ecke drängten. „Sie befinden sich einen Stock tiefer, am Ende des Ganges, führt eine Treppe hinunter in das Hochsicherheitsverlies!“

Fynn stutzte.

Irrte er sich, oder hatte das geklungen, als gäbe es mehr als eine Zelle, in die – außer dem Fürsten – keiner hinein durfte?

Er fragte nicht lang, sondern führte Rorax weiter den Gang entlang.

Der ließ es sich nicht nehmen, kräftig mit dem Schwanz gegen das Gitter zu knallen, was die Männer aufschreien ließ.

Als sie auf besagter Treppe waren, lachten sie leise.

Das lief alles einfacher als geplant! Dann wurden sie wieder ernst.

Sie hatten es noch nicht geschafft!

Fynn ließ Rorax einen Moment stehen, sprang die Stufen hinunter und sah sich erst mal um. Doch viel zu sehen gab es nicht.

Im unteren Stockwerk gab es nur zwei massive Eisentüren und keine Wache.

Der Junge holte Rorax nach und versuchte dann, die beiden Türen zu öffnen, doch beide waren mit großen, schweren Eisenriegeln verschlossen, die er nicht bewegen konnte.

Hinter welcher war Xankir?

Es gab keine Fenster und keine Luken in den Türen, durch die man hätte hineinsehen können.

Fynn beschloss, erst mal Rorax seine Sehkraft wieder zu geben und verband sich den Arm.

Dann überließ er es seinem Freund, sich eine Tür auszusuchen.

Rorax wählte die, die ihm am nächsten war – die rechte.

„Bekommst du denn den Riegel einer so schweren Eisentür auf?“, erkundigte sich der Mensch besorgt.

„Keine Sorge. Diese Riegel sind offensichtlich so konstruiert, dass nur zwei starke Menschen sie mit vereinter Kraft öffnen können, aber ich bin ein Drache, ich schaffe das locker alleine.“

„Eigentlich seltsam, dass es kein Schloss, sondern bloß Riegel gibt…“, meinte Fynn.

„Wahrscheinlich hätte der Fürst nicht gedacht, dass es jemand schaffen würde, hier hinunter zu kommen. Ist ja auch egal. Jetzt sehen wir mal, wer hinter dieser Tür ist“, antwortete der blaue Drache und drückte seine Schulter gegen den Riegel, der mit einem metallisch schabenden Geräusch zur Seite glitt.

Angespannt zog Fynn die Tür auf und sie lugten hinein.

Da lag er.

Auf schimmligen Stroh und blinzelte in das flackernde Licht der Fackeln, die den Kerkergang beleuchteten.

„Xankir.“

Es war nichts weiter als ein heiseres Flüstern, das Fynn herausbrachte, doch sein Freund hörte und erkannte seine Stimme.

„Fynn!“, krächzte er und rappelte sich auf.

Der Junge stürzte sich auf den völlig verdreckten und – wie es schien auch abgemagerten Drachen und fiel ihm um den Hals.

Rorax blieb vorsichtshalber draußen stehen, nur zur Sicherheit, doch auch er begrüßte Xankir erleichtert.

Der grüne Drache schien nicht besonders gut behandelt worden zu sein. Überall klebte Dreck und nasses, verschimmeltes Stroh an ihm, mit dem die ganze Zelle ausgelegt war.

Doch er war nicht verletzt, wie er seinen besorgten Freunden schnell versicherte und kräftig genug um zu fliehen.

So traten sie zurück zu Rorax auf den Gang und der war schon auf dem halben Weg die Treppe hoch, als Fynn ihn zurückrief.

„Was ist los? Wir müssen schnellstens hier raus! Wer weiß, ob Nexel nicht schon fliehen musste!“, rief der Wasserdrache.

„Nexel ist auch da?“, fragte Xankir freudig überrascht.

„Ich will wissen, wer hinter der anderen Tür ist“, sagte Fynn.

Rorax klappte das Maul auf, doch dann schien er zu verstehen.

„Du denkst an den weißen Drachen, richtig?“

Der Junge nickte, während Xankir bloß verständnislos von einem zum anderen sah, aber seine Frage runterschluckte.

Jetzt war nicht die Zeit für Erklärungen.

Rorax öffnete auch den zweiten Riegel und Fynn öffnete die Tür.

Die drei sogen scharf die Luft ein.

Dort, auf ebenso vergammeltem Stroh, wie bei Xankir, lag der fremde Drache. Er rührte sich nicht und an einigen Stellen seines Körpers fehlten Schuppen und getrocknetes Blut zeigte dort Verletzungen an.

Doch was die drei so erschreckt hatte, war sein Gesicht.

Es sah so aus, als wären seine weißen Schuppen zu einer grauen Maske verschmolzen und es schien, als hätte ihm diese Maske die Augen verschlossen.

Fynn wollte schon zu ihm laufen, da hörten sie wütende Stimmen und Waffengeklirre aus dem oberen Stockwerk.

Anscheinend hatte sich Nexel inzwischen zurückgezogen und ihr Einbruch war bemerkt worden.

Die drei verschwendeten keine Zeit.

Fynn sprang auf Rorax’ Rücken und die beiden Drachen sprangen die Treppe hinauf.

Der Gang war voller Soldaten, die überrascht aufschrien, als sie die beiden großen Wesen auf sich zurasen sahen.

Sie waren zu überrumpelt, um auch nur daran zu denken, sie anzugreifen und so überrannten die Drachen sie einfach und verschwanden die Treppe in den Burghof hinauf, wo sie sofort ihre Flügel spreizten und, ehe noch irgendjemand auf die Idee kommen konnte, seinen Bogen auf sie zu richten, waren sie auch schon in der Luft und über die Burgmauern Richtung Wald verschwunden.

Fynn drehte sich auf Rorax’ Rücken um und sah erst Xankir an und dann in Richtung Burg. Irgendwie wollte bei ihm keine Hochstimmung aufkommen.
 

Xankir war frei, aber trotzdem hatte er das Gefühl, nicht einen zurück gewonnen, sondern sogar einen Drachen verloren zu haben.

Unglück

Jemand wandelte durch den Wald.

Gedankenverloren setzte er sich auf die Wurzel eines riesigen Baumes und versank in seinen Grübeleien.

Fynn war verwirrt. Sehr verwirrt.

Er freute sich riesig, dass Xankir wieder da war. Wirklich!

Aber ihm ging einfach nicht der weiße Drache aus dem Kopf.
 

Die Rettung Xankirs lag nun zwei Tage zurück. Sie waren sofort zum Clan geflogen und dort hatte sich der erschöpfte Erdkiuma erst einmal ausgeruht.

Einen ganzen Tag lang hatte er geschlafen. Dann hatte er seine Geschichte erzählt und alle Drachen des Clans hatten sich im Großen Raum versammelt und lauschten aufmerksam.

Xankirs Mutter lag dicht neben ihrem Sohn und stupste ihn immer wieder sanft mit der Nase, als wolle sie sicher gehen, dass er kein Traum war.

Fynn saß zwischen Nexel und Rorax ganz in seiner Nähe und erschauerte immer wieder vor Grauen bei Xankirs Erzählung.
 

Vor über drei Wochen wand ich mit den anderen Kiuma des Clans am Fluss und lachte mit ihnen über die ängstlichen Schreie der Menschen, wenn sie ins Wasser schubst wurden.

Da, plötzlich sah ich den Mann – den Fürsten – mit gezogenem Schwert auf mich zukommen.

erst wollte ich ihn zurück zu den anderen drängen, doch er streckte die Hände nach mir aus und bat mit, ihm zu helfen.

Hätte ich „Nein“ sagen sollen, zu jemandem, der meine Hilfe erbittet? („Ja“, brummelte Fynn und seufzte verzweifelt).

Ich erlaubte ihm, sich an meinen Hörnern auf meinen Rücken zu ziehen und dann flog ich los.

Erst saß der Fürst ganz ruhig auf meinem Rücken und ich wollte schon in der Nähe auf einer Lichtung landen, um ihn abzusetzen, doch da begann er mir auf die Schuppen zu trommeln, mir seine Fersen in den Bauch zu treten, als wäre ich ein Pferd und er rief mir zu, ich solle höher steigen, immer höher.

Schließlich waren die Flammenstöße der Feuerkiuma unter mir nur noch kleine, rote Striche inmitten rabenschwarzer Finsternis.

Da sagte mir der Fürst dann, ich solle los fliegen. Wohin sei egal, einfach nur fort. Also flog ich einfach in Richtung des Endes des Drachentals, über die Berge hinweg und folgte dann dem Lauf des Flusses.

Bis zum Morgengrauen ließ mich der Fürst fliegen. Ich versuchte mit ihm zu sprechen, doch er verbat mir den Mund und wenn ich nicht gehorchte, dann trat er mir in die Seite.

Als die Sonne aufging, sagte er mir, ich solle landen. Doch er stieg nur ab, um etwas am Fluss zu trinken, dann wollte er sofort weiterfliegen. Er hatte wohl Angst, wir könnten verfolgt werden.

(„Recht hat er gehabt“, knurrte Rorax grimmig.)

Ich sagte ihm, dass ich wieder zurück müsste, dass ich sicherlich schon vermisst werden würde. Ich spannte die Flügel und erhob mich in die Luft, um wieder heim zu fliegen, da rannte er mit einem lauten Schrei und vor Wut verzerrtem Gesicht unter mich und hieb mit dem Schwert quer über meinen Bauch. Normalerweise prallen Schwerter an Drachenschuppen ab und zerbrechen, doch sein Schwert tat das nicht. Vielleicht ist es verhext, oder aus einem besonderen Material, jedenfalls zerschnitt es meine Schuppen und meine darunter liegende Haut wie Butter.

Es brannte wie Feuer und ich vergaß mit den Flügeln zu schlagen.

Kaum war ich auf dem Boden aufgeprallt, da kletterte der Fürst sofort wieder auf meinen Rücken.

Er schrie mich an, ich hätte gefälligst seine Befehle zu verfolgen“

Was blieb mir anderes übrig? Er ließ mir keine Zeit, mich von meinen Schmerzen zu erholen, sondern zwang mich sofort wieder mit Tritten in die Luft. Seine Fersen in meinen Seiten taten nun noch mehr weh.

Ich musste den ganzen Tag lang fliegen. Doch bereits nach ein paar Stunden war ich total ausgelaugt. Meine Verletzung pochte und ich merkte bald, dass ich durch sie viel Kraft verlor.

Es wurde gerade dämmrig, da erlaubte mir der Fürst endlich zu landen.

Ich landete erneut am Fluss und hatte erst einmal Gelegenheit, mir meine Verletzung anzusehen.

Sie brannte immer noch höllisch und, soweit ich es erkennen konnte, hatte sie sich entzündet, denn die Haut außen rum war dick und die umliegenden Schuppen fielen ab.

Ich versuchte die Wunde abzulecken, doch es gelang mir nicht so recht, da es sehr wehtat, und ich auch nicht richtig dran kam.

Der Fürst hatte inzwischen seinen Durst am Wasser gestillt und nun lief er vor mir hin und her und schimpfte über meinen harten Rücken (Fynn rieb sich unauffällig das Hinterteil) und die „verfluchten Drecksviecher“, womit er natürlich den Clan meinte.

Ich aß, solange er nicht auf mich achtete, einige Äste vom Boden, obwohl ich kaum hungrig war.

Doch ich wusste ja nicht, wie lang mich der Fürst das nächste Mal fliegen lassen würde, also zwang ich mich dazu, so viel zu essen, wie ich konnte.

Schon bald saß der Mensch wieder auf meinem Rücken und ich befand mich wieder in der Luft.

Ich folgte weiterhin dem Flusslauf und hatte keine Ahnung, wo der Fürst eigentlich hin wollte.

Als es so gegen Mitternacht ging, merkte ich, dass der Fürst eingeschlafen war. Er schnarchte sehr laut.

Mit jedem Flügelschlag verlor ich an Kraft und Höhe. Der Fürst ist viel schwerer als Fynn und außerdem stank er bestialisch nach diesem Duftzeugs, dass sich adlige Menschen ansprühen, keine Ahnung, warum…

Jedenfalls, als die Morgendämmerung anbrach, war ich so fertig, meine Flügel fühlten sich taub an und ich hatte Angst, sie würden mir jeden Augenblick abfallen.

Ich landete, auch auf die Gefahr hin, dass der Fürst mich erneut in seiner Wut verletzen würde.

Kaum hatte ich auf dem Boden aufgesetzt wachte er auf und fing nach kurzer Pause der Verwirrung furchtbar an zu schimpfen.

Aber das war mir total egal. Meine Beine knickten ein und ich ließ mich, vor Schmerzen ächzend zur Seite fallen.

Der Mensch merkte wohl, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu schreien, wenn ich nicht mehr weiterfliegen konnte, konnte ich nun mal nicht, das sah er wohl ein. er gestattete mir mit arrogantem Ton, eine Weile Pause. Dann sagte er noch etwas, das ich nicht mehr verstand, denn ich schlief bereits ein.
 

Keine Ahnung, was der Fürst in der Zwischenzeit gemacht hatte, aber als ich wieder aufwachte, saß er eng an meinen Bauch gedrängt und versuchte sich an mir zu wärmen.

Ich rührte mich nicht und tat, als würde ich schlafen. Aber entweder hatte er bemerkt, dass sich meine Atmung verändert hatte oder er hatte einfach keine Lust mehr, länger zu warten, jedenfalls trat er mich, nahe meiner Wunde und ich zuckte jaulend zusammen. Jetzt konnte ich nicht mehr so tun, als würde ich schlafen.

Er wartete, bis ich mich halb aufgerichtet hatte und befahl mir dann, ich solle Fische für ihn fangen. Fische fangen! Ich! Der ich noch nicht mal imstande bin, einen Käfer einzufangen!

Er ließ mir jedoch keine Ruhe und so stellte ich mich also ins eiskalte Wasser und versuchte mit meinen Tatzen die Fische, wenn sie an mir vorbeischwammen, aus dem Wasser an Ufer zu schleudern.

Als ich endlich zwei Fische gefangen und drei Wutanfälle des Menschen hinter mir hatte, war es schon wieder dämmrig.

Zitternd stieg ich aus dem Wasser, nur um den Befehl zu erhalten, Feuer zu machen. Nach einem weiteren Schreikrampf merkte er, dass das nun wirklich über meine Fähigkeiten hinaus ging und versuchte es selbst. Es dauerte lange, bis er das raus hatte und in der Zeit hatte ich mir wieder einige Äste gesucht und gegessen.

Meine Verletzung tat immer noch sehr weg und nun eiterte sie auch noch. Ich glaubte nicht, dass ich das noch lange aushalten könnte.

Keine Ahnung woher ich die Kraft nahm, doch ich hielt es drei Wochen lang mit der Wunde, die mehr schlecht als recht abheilte und diesem furchtbaren Menschen aus.

Mehr als einmal hoffte ich, ich würde einschlafen und nicht mehr aufwachen, doch jedes Mal brachte mich ein schmerzhafter Tritt oder ein ohrenbetäubender Schrei wieder zurück aus dem Vergessen.

All die Tage ließ mich der Fürst nur landen, wenn er nicht mehr sitzen konnte oder Hunger bekam.

Oft war ich einen ganzen Tag lang nur in der Luft. Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe, obwohl ich noch niemals zuvor so lang am Stück geflogen bin. Ich nehme an, es stimmt, was man sagt: Erst in der Not zeigt sich, wo man seine Grenzen hat.

Die erste Woche verging wie die zwei Tage davor. Ich folgte dem Fluss und fing Fische – darin habe ich jetzt eine Menge Übung.

Dann kamen wir zu einem großen Wald, durch den der Fluss floss. Wir folgten ihm noch etwa zwei Tage lang über den Bäumen, dann befahl mir der Fürst, mich nordöstlich zu halten und nicht länger nach Süden zu fliegen, dem Fluss folgend.

Ich wusste nicht, was „nordöstlich“ heißt, aber er sagte mir, ich solle einfach Richtung aufgehende Sonne fliegen, beziehungsweise die Sonne sollte, wenn sie aufgeht nicht direkt vor mir, sondern etwas rechts von mir sein. Also flog ich in diese Richtung.

Jetzt wurde die Zeit härter für mich.

Ich flog also „nordöstlich“ und er ließ mich nur noch landen, wenn wir auf einen Fluss oder einen Bach oder See trafen. Doch der Wald unter mir endete bald wieder und wir flogen über eine leere, große Grasfläche. So kam es einmal vor, dass ich über zwei Tage lang nur flog, da nur zwei Flüsse unseren Weg kreuzten, Bäche fand ich auch nur wenige und Seen gar keine. („Kein Wunder, dass wir euch nicht einholen konnten“, rief Fynn schockiert.)

Zehn Tage lang hielt ich das aus, dann kamen wir an einen weiteren Wald und ich landete an einem kleinen See.

Der Fürst konnte gerade noch von meinem Rücken springen, da brach ich auch schon zusammen. Ich konnte nicht mehr. Drei Tage lang blieben wir an dem See.

Wenn ich nicht schlief, knabberte ich Äste. Der Mensch klaute sich, glaube ich, Nahrung von einem nahe gelegenem Dorf.

Als ich mich nach den drei Tagen wieder soweit erholt hatte, dass ich wieder fliegen konnte, überraschte mich mein Begleiter mit dem Auftrag, das nahe gelegene Dorf zu zerstören!

Ich dachte, ich würde nicht richtig hören. Ich konnte doch nicht ein Menschendorf angreifen und damit riskieren, dass erneut ein Krieg zwischen Menschen und Drachen ausbricht!

Ich weigerte mich strikt, seinen Befehl auszuführen. Doch das war ihm total egal, er setzte sich auf mich und zwang mich mit Tritten und Androhungen in die Luft.

Erst wollte ich das Dorf einfach überfliegen, doch dann, gerade, als ich über dem Marktplatz war, merkte der Fürst, dass ich keineswegs vor hatte anzugreifen oder zu zerstören und er stieß mir das Schwert in mein Fleisch an meiner Flanke.

Vor Schmerzen geblendet und brüllend ließ ich mich fallen und landete auf einem Haus. Ich spürte auch, dass ich mit meinem Schwanz, den ich wild um mich schlug, mehrere Sachen traf, die krachend zerbarsten.

Ich wollte wieder abheben und davonfliegen, doch kaum war ich in der Luft, schlug mir der Fürst die Breitseite seines Schwertes über den Schädel, dass ich Sterne sah und wieder abstürzte, direkt auf das nächste Haus.

Es ging alles so schnell und ständig fügte mir der Mensch neue Schmerzen zu, und als ich wieder einigermaßen zu Besinnung kam, war das ganze Dorf zerstört und überall liefen schreiende, verletzte Menschen herum. Es war schrecklich zu wissen, dass das meine Schuld war… ich bin dann so schnell ich konnte abgehauen. Und in meinen Ohren dröhnte das hämische Lachen des Fürsten.

Ich war so schockiert und erschrocken, dass ich erst erkannte, wo ich war, als ich an dem Berg mit der Höhle vorbei flog, in der wir uns kennen gelernt haben, Fynn.

Doch der Fürst befahl mir, Richtung aufgehende Sonne zu fliegen und ich ließ dein Dorf links liegen.

Bald schon tauchte eine Burg vor mir auf und im Wald davor, auf einer Lichtung, ließ mich der Fürst landen.

Wir warteten dort die Dämmerung ab und dann führte er mich an die hintere Seite des Schlosses, auf der ein großer Balkon war.

Dort, unter dem Balkon, war in der Mauer ein Geheimgang, den der Fürst öffnete und so brachte er mich ungesehen in die Burg hinein.

Gleich hinter der Geheimtür wandte sich eine breite Steintreppe hinunter in die Tiefe. Es ging sehr tief hinab und am Ende gab es noch eine Geheimtür, die genau vor den beiden Kerkern endete, in denen ich und der weiße Drache eingeschlossen waren.

Ich musste mit eigener Kraft den Riegel zu meinem Kerker öffnen und hineingehen. Völlig entkräftet ließ ich mich auf das Stroh fallen und ruhte mich aus.

Der Fürst schloss die Türe und ich hörte ihn dumpf hinter dem Eisen nach zwei Soldaten rufen, die dann den Riegel wieder vor die Tür schoben und mich einschlossen. Aber das war mir in dem Moment egal, alles tat mir weh und ich war so müde, dass ich sofort einschlief.

Ich weiß nicht, wie viele Tage ich dort in dem dunklen Kerker verbrachte, doch es passierte nichts in der Zeit, außer, dass mir einmal etwas vergammeltes Fleisch vorgeworfen wurde, dass ich niemals gegessen hätte, wenn ich nicht so ausgehungert gewesen wäre.
 

„Hast du nicht gesagt, du wärst unverletzt, als wir dich da raus holten?!“, rief Rorax halb erschrocken, halb wütend.

Xankir zwinkerte. „Kleine Notlüge! Aber meinen Wunden geht es schon besser, keine Sorge.“

Er stand auf und zeigte ihnen die schlecht verheilte Narbe am Bauch und die, gerade noch heilende zweite Wunde an seiner Flanke.

Seine Mutter sprang auf und holte sofort eine Salbe, mit der Fynn dann vorsichtig beide Wunden bestrich.

„Ich fürchte, die Narbe am Bauch wird dir bleiben, aber die Wunde an deinem Bein ist noch nicht ganz verheilt und mit dieser Salbe wird es keine Narbe geben“, meine Xankirs Mutter.

„Danke, Mama.“
 

Und nun, einen Tag später, saß Fynn also auf der Wurzel dieses Baumes und dachte an den weißen Drachen.

Er konnte einfach nicht sein maskenähnliches Gesicht vergessen…

Wie es ihm wohl ging – ob er überhaupt noch lebte?

Es ließ ihm keine Ruhe, er musste ihn befreien!

Der Junge stand auf und kehrte zur Clanhöhle zurück, was zu Fuß gar nicht so einfach war, da er den Berg hinauf, bis zum Felsvorsprung mit dem versteckten Eingang klettern musste.

Keuchend kam er dort an und wurde von der Wache – diesmal war es nicht Rax – hineingelassen.

Erst sah er in der Wohnung von Xankir und dessen Mutter nach, doch da waren sie nicht und so lief er weiter zum Großen Raum.

Dort lag er, umgeben von Rorax, Nexel und vielen anderen Drachen des Clans und sah schon wieder recht vergnügt aus.

„Xankir!“

„Hallo, Fynn, wo warst du denn? Wir haben dich schon vermisst!“, antwortete sein Freund.

„Ich muss mit euch reden, Leute.“

„Ja, was gibt’s denn?“; jetzt hoben auch Rorax und Nexel aufmerksam die Köpfe.

„Wir… wir müssen den weißen Drachen befreien!“, platze er heraus.

„Was?!“; die Drachen sahen ihn erstaunt an.

Doch dann lachte Nexel und schüttelte lächelnd den Kopf.

„Ich habe das irgendwie schon erwartet… Du bist einfach zu gutmütig, Fynn.“

„A-aber wie sollen wir noch mal in die Burg kommen? Der Fürst wird sicherlich alle Eingänge bewachen, und er kennt dich!“, rief Rorax.

„Oh, ja, das hatte ich ganz vergessen!“, sagte Xankir plötzlich.

Die Anderen sahen ihn verwirrt an. „Was hast du vergessen?“

„Als ich noch im Kerker war, kam der Fürst plötzlich zu mir rein. Und er fragte mich über dich aus! Seit wann du bei uns bist; wie du uns kennen gelernt hast; warum du uns verstehen kannst… aber ich habe keine Antworten gegeben.

Dann fing er an, zu erzählen, was er über dich weiß. Er hat mir erzählt, dass du der Sohn des Bauers bist, der schon oft auf der Burg warum Holz zu bringen. Er wusste auch, dass du Fynn heißt und wo du wohnst, wusste er ebenfalls. Er kennt dich also, wie du aussiehst und bestimmt hat er den Soldaten Anweisungen gegeben, dich nicht rein zu lassen, oder dich sogar einzufangen!“

„Das ist kein Problem. Wir gehen einfach durch den Geheimgang des Fürsten!“, meinte Fynn.

„Aber den wird er doch bestimmt versperrt haben!“, sagte Xankir.

„Wieso sollte er? Er glaubt, ich hätte, was ich wollte, nämlich dich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er denkt, ich würde den Drachen befreien wollen, der uns angegriffen hat, meint ihr nicht auch?“

„Du könntest Recht haben, aber auch nicht. Es ist riskant“, sagte Rorax leise.

„Aber-!“

„Aber du kannst nicht einfach stillsitzen, wenn du weißt, dass er möglicherweise leiden muss, schon klar“, vervollständigte Nexel lächelnd Fynns angefangenen Satz.

Xankir stand auf. „Also los!“

„Oh nein! Du nicht.“, sagte der Junge bestimmt.

„Was? Wieso nicht?“

„Du hast gerade erst über drei Wochen Überlebenskampf hinter dir, du bist nicht stark genug. Du bleibst hier und ruhst dich aus!“

„Aber wer soll euch zeigen, wie man den Geheimgang öffnet?!“

„Du wirst es uns beschreiben. Wir finden das schon.“

„Na gut“, gab Xankir klein bei. „Aber seid bloß vorsichtig!“
 

Eine gute halbe Stunde später saß Fynn auf Nexels Rücken und neben ihm flog Rorax durch den Sonnenschein.

Unter ihm war inzwischen alles wieder grün geworden und eine frische Frühlingsbrise begleitete die Drei auf ihrer Reise.

Sie hatten vor, bei Ankunft am späten Abend noch zu warten, bis der Mond am höchsten stand, damit sie auch den geheimen Eingang in die Burg finden würden.

Xankir hatte ihnen erklärt, dass der Stein, den sie herausnehmen mussten, um an den dahinter liegenden, verstecken Schalter zu kommen, der die Tür öffnete, ein sehr kleines Symbol in der oberen rechten Ecke hatte. Er hätte es damals fast selbst übersehen.

Und um das zu finden, brauchten sie so viel Licht, wie nur möglich, sonst würden sie das Symbol niemals finden.
 

Sie landeten, in dieser Nacht auf der Lichtung, auf der Fynn und Jani vor scheinbar einer Ewigkeit gespielt hatten, einen Tag, nachdem er das erste Mal Ardhi begegnet war.

Die Drachen falteten die Flügel und legten sich hin um auszuruhen – man konnte ja nie wissen, ob alles nach Plan laufen würde, oder ob sie Schwierigkeiten haben würden und vielleicht kämpfen mussten. Und Fynn machte sich auf den Weg nach Hause.

Doch er erinnerte sich noch genau an den Tag, als die Soldaten des Fürsten ihn bereits am Waldrand mit Hunden aufgespürt hatten und so schlich er langsam und leise Richtung seines Dorfes, immer in Bereitschaft, so schnell wie möglich zu den Drachen zurück zu kehren, sollte er etwas Verdächtiges bemerken.

Doch alles blieb ruhig und er kam unbehelligt am Waldrand an.

Er sah sein Haus dunkel und ruhig ein wenig abseits der anderen Häuser stehen und war sehr froh, dass er gleich seine Eltern wieder sehen könnte.

Er hatte zwar noch keine Ahnung, was er ihnen erzählen sollte – vielleicht ja sogar die Wahrheit? – doch er würde sich schon was einfallen lassen.

Leise öffnete er die vertraut knarrende, schlichte Holztür und trat ein.

Fynn hatte plötzlich ein komisches Gefühl im Bauch. Irgendetwas stimmte nicht.

Eiskalt rannte es ihm den Rücken herunter und er bekam eine Gänsehaut.

Alle Vorsicht fahren lassend, rannte er auf die andere Seite der Wohnstube und riss die Tür zum Schlafzimmer seiner Eltern auf.

Entsetzt keuchte er auf.

Das Bett seiner Eltern war leer!

Wo um aller Elemente Willen konnte sie um diese Uhrzeit sein?!

Panisch rannte er in den einzigen weiteren Raum, den das Haus hatte – sein Zimmer und nachdem er verdaut hatte, dass auch das leer war, jagte er hinaus zum kleinen, angrenzenden Stall, in dem die alte Stute und, seit Ende Herbst auch der Apfelschimmel schlief, dass er, zur Anerkennung seines Erwachsenendaseins vom Dorf geschenkt bekommen hatte.

Doch auch im Stall herrschte gähnende Leere und so sehr er auch im Stroh herumwühlte, seine Eltern waren hier auch nicht.

Schockiert fiel ihm ein, was Xankir gesagt hatte:

„Er wusste auch, dass du Fynn heißt und wo du wohnst, wusste er ebenfalls.“

Oh nein… hatte der Fürst etwa seine Eltern entführt?

Während Fynn zurück zu seinen Freunden rannte, Tränen der Angst um seine Familie in den Augen, schoss ständig ein Gedanke durch seinen Kopf:
 

„Hatte er an all dem Unglück vielleicht sogar selbst schuld?!“

Fehlalarm

Jemand hetzte durch den Wald.

Am ganzen Leib zitternd hielt er auf die Lichtung zu, auf der seine Freunde ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten.

Warum bei allen Elementen hatte er nicht gleich daran gedacht?

Gleich, als Xankir erzählt hatte, dass der Fürst ihn und damit auch seine Eltern kannte, hätte er daran denken müssen, dass sich Fürst Adui an seinen Eltern vergreifen würde, wenn er ihn, Fynn, nicht erreichen konnte.

Er hätte sie niemals anlügen dürfen! Er hätte sie gleich von Anfang an über alles aufklären sollen! Dann wäre das nie passiert!

Der Junge schniefte und wischte sich mit seinem Ärmel über die Augen, doch die waren trocken.

Zwar brannten sie wie Feuer, doch da waren keine Tränen.

Seine Freunde musste ihn schon von weitem gehört haben, denn sie kamen ihm entgegen.

„Fynn? Was- was ist los? Was ist passiert?“, fragte Rorax besorgt und trat aus den Büschen.

Hinter ihm folgte Nexel dicht auf und blickte ebenso erschrocken drin, wie der Wasserkiuma.

Der Mensch blieb stehen und sank in die Knie, während er das Gesicht in den Händen vergrub.

„Meine... meine Eltern...“, stotterte er heiser.

„Was ist mit ihnen?! Hat dieser widerliche Abschaum von einem Menschen-Fürsten ihnen etwas angetan?!“, knurrte Nexel bedrohlich.

Fynn schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

Die Drachen mussten sich zu ihm hinunter beugen, um ihn zu verstehen.

„Sie... sie sind einfach nicht mehr da...“

„Hast du Spuren eines Kampfes gesehen?“ erkundigte sich Rorax.

Kopfschütteln.

„Bist du dir sicher, dass sie nicht da sind? Vielleicht sind sie nur bei einem Nachbarn zu Besuch?“

Ein Ruck der Erleichterung ging durch den Körper des Verzweifelten.

Ja! Ja, genau! Sie waren bestimmt nur bei einem... aber halt! Sein Pferd und die alte Stute im Stall waren auch verschwunden. Warum hätten seine Eltern die Pferde mitnehmen sollen?

Andererseits... warum hätte Adui das tun sollen? Er hatte genug Pferde. Den Apfelschimmel hätte er vielleicht noch aus Gier genommen, doch die alte Stute? Nein, sie hätte er sicherlich nicht gestohlen.

„Fynn? Sag doch etwas“, bat der blaue Drache ängstlich.

Der Junge hob den Kopf so schnell, dass ein Nackenwirbel leise knackte.

„Ich werde ins Dorf zurückgehen! Wenn Adui sie wirklich gefangen genommen hat, muss das einer unserer Nachbarn mitbekommen haben!“

Er sprang auf und lief los.

„Hey! Warte!“, rief Nexel verdattert, doch der Junge war schon verschwunden.

Wieder im Dorf angekommen rannte er zum nächstgelegenen Haus seines Zuhauses und hämmerte wie von Sinnen auf die Tür ein.

Drinnen ertönten ein Poltern und ein lauter Fluch, dann wurde die Tür aufgerissen.

„Wer zum Teufel stört mitten in der Nacht!“, schimpfte der Besitzer des Hauses so leise, wie es seine Wut zuließ.

Es war der Schmied des Dorfes, der damals, beim ersten Treffen zwischen Fynn und Rorax mit seiner Reiterschar hereinplatzte.

„Ich bin's, Fynn!“

Einen Moment herrschte Stille.

„Fynn? Was ist los? Ist was passiert?“

„Meine Eltern... sie sind nicht da!“, Fynn konnte nicht verhindern, dass er wie ein verängstigtes Kind klang.

Nun wurde die eben noch so raue Stimme mit einem Mal sehr sanft und beruhigend.

„Hey, nur keine Panik. Sie sind nicht von Moto gefressen wurden“, ein leises Lachen wurde hörbar. „Sie sind für eine Weile rüber ins Dorf auf der anderen Seite gegangen. Wenn du nicht ständig in der Welt herum geistern und dich öfters mal zu Hause blicken lassen würdest, hätten sie dir das bestimmt gesagt. So haben sie mir aufgetragen, dir diese Nachricht zu überbringen.

Treib dich in Zukunft nicht so lange in der Wildnis rum, deine Eltern vermissen dich. Sollte dir noch etwas fehlen, kannst du gerne nochmal zu mir kommen. Ansonsten geh schlafen und mach dich am Besten morgen auf den Weg rüber ins andere Dorf zu deinen Eltern.“

„Ja... gute Nacht. Danke... und entschuldige bitte die Störung...“, stammelte Fynn, dem vor Glück die Knie zitterten.

Er drehte sich um und ging Richtung Zuhause, bis er eine Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Dann änderte er die Richtung und lief zum Waldrand, wo die Drachen warteten, die ihm gefolgt waren.

„Alles in Ordnung“, rief er leise. „Sie sind in Sicherheit!“

Die drei kehrten zur Lichtung zurück, da Fynn nicht alleine im Haus schlafen wollte und nach der ganzen Aufregung schliefen sie alle schnell ein.
 

Sie verschliefen den Rest der Nacht und auch den darauf folgenden Tag bis zum Abend.

Dann setzten sie sich nochmal zusammen und gingen den Plan durch.

Diesmal sollte es eine Nacht-und-Nebel-Aktion werden.

Kein Ablenkungsmanöver, kein Feuer am Himmel, niemand sollte merken, dass sie da waren.

Wie beim zweiten Eindringen in die Burg sollte nur Rorax mitkommen.

Er war kleiner und wendiger.

Nexel sollte draußen bleiben und den Geheimgang bewachen.

Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass der Fürst ihn diese Nacht benutzen wollte, würde Nexel das schon zu verhindern wissen.

Dann zogen sie los.

Fynn ging mit leichtem Schritt voran.

Er hatte sich schon Sorgen gemacht, was passieren würde, wenn der Fürst nun auch noch seinen zweiten Drachen verlieren würde. Sicherlich würde er an jemandem seine Wut auslassen und wer wäre da besser geeignet, als die Eltern desjenigen, der ihm seine Drachen stahl.

Zwar hätte Fynn bis vor kurzem niemals in Betrachte gezogen, der Fürst könnte seinen Eltern ernsthaft Schaden zufügen, sie gar entführen, doch er hatte befürchtet, er würde seinem Vater vielleicht weniger Geld für seine Holzlieferungen geben oder mehr Steuern von ihm verlangen.

Fynn Familie war zwar nicht gerade arm, aber sie konnten es sich dennoch nicht leisten, höhere Steuern zu zahlen, oder weniger Lohn zu erhalten, denn zwei Pferde zu unterhalten war nicht billig.

Doch sie waren ja in Sicherheit.

Das Dorf auf „der anderen Seite“. Damit war die gegenüberliegende Seite des Waldes gemeint.

Sie gehörte einem anderen Fürstentum an, dem Fürsten Jirani.

Fynns Eltern hatten dort Freunde und gingen hin und wieder für einige Zeit rüber, um sie zu besuchen.

Und so machte er sich beruhigt daran, den weißen Drachen zu retten.
 

Die Burg wurde hell vom Mond, der voll und rund am Himmel stand, beleuchtet.

Die Drei näherten sich von hinten. Der Balkon hoch über ihnen, lag ruhig und dunkel da.

Nexel blieb im Dickicht auf der Lauer, während Rorax und Fynn aus dem Wald traten und begannen, die Mauer der Burg nach dem Symbol abzusuchen.

Doch genau in diesem Moment wurde es dunkel.

Eine große Wolke hatte sich vor den Mond geschoben und schluckte das Licht, dass die Beiden so dringend brauchten.

Der Mensch wollte schon verzweifelt fluchen, da spürte er mit einem Mal, dass seine Haut anfing zu brennen.

Sein Hals und seine rechte Wange begannen sanft zu leuchten.

Rorax nickte Fynn begeistert zu.

Sanduku war ihre Rettung!

Es dauerte zwar noch eine Weile, doch dann schlug Fynn Rorax' Schwanz gegen die Beine und der Kiuma deutete auf einen Stein in der Mauer.

Der Junge trat zu ihm hinüber und entdeckte tatsächlich das Zeichen, das Xankir ihnen beschrieben hatte.

Ein Halbkreis, ganz oben, rechts in der Ecke des Steines.

Fynn zog den Stein, rechts neben dem Markierten heraus und schob dann den Symbolstein in die entstandene Lücke.

Leise knirschend schob sich die Geheimtür von der Größe zwei erwachsener Männer nebeneinander in den Boden.

Sanduku leuchtete weiterhin auf der Haut des Menschen und so ging Fynn vor und erleuchtete Rorax, der folge, den dunklen Gang.

Wie es Xankir beschrieben hatte, dauerte es eine ganze Weile, bis die das Ende der Steintreppe und damit die zweite geheime Tür erreicht hatten.

Ihre Tritte waren lautlos, nur ihr Atmen und Rorax leise schleifender Schwanz waren hörbar.

Sie hielten einen Augenblick vor der Tür und bereiteten sich mental auf alles vor, was kommen konnte.

Vielleicht stattete der Fürst gerade seinem Gefangenen einen Besuch ab? Warf ihm etwas vergammeltes Fleisch hin oder so.

Dann mussten sie ihn schleunigst überrumpeln und außer Gefecht setzen, sonst würde er die Wachen rufen.

Doch eigentlich gingen sie davon aus, dass der Fürst friedlich und nichtsahnend in seinem Bett schlief und sie wirklich ungesehen den weißen Drachen befreien konnten.

Fynn atmete schließlich tief ein und öffnete nach einem kurzen Seitenblick auf seinen Begleiter, der zustimmend nickte, die Geheimtüre durch einen Hebel, der in der Wand eingelassen war.

Und wie beim ersten Mal glitt die Tür beinahe geräuschlos in den Boden und gab den leeren Gang mit den beiden Hochsicherheitsverliesen frei.

Vor der linken der beiden Eisentüren blieb er stehen und Rorax öffnete den Riegel so langsam und leise wir möglich.

Mit einem leise scharrenden Geräusch öffnete sich die schwere Tür und Fynn lugte ins Dunkle hinein.

Als er und Rorax aus dem finsteren Geheimgang getreten waren, war Sandukus Licht erloschen, doch nun, da er einen Schritt hinein in das lichtlose Verlies tat, entfaltete sich ihr matter Schein erneut.

Ein weißer Hügel lag, wie Fynn ihn vor drei Tagen zurückgelassen hatte, inmitten eines Haufens vergammelten Strohs. Das Einzige, das sich verändert hatte war, dass die Schuppen des Drachen matter aussahen und sich eine Menge unangetastetes Fleisch neben der Tür stapelte.

Offensichtlich wusste der Fürst nicht, dass kein Drache Fleisch fraß.

Und wie schon beim letzten Mal pochte das Herz des Menschen ängstlich härter in seiner Brust, als er die natürliche Maske sah, die Nexel dem Drachen verschafft hatte.

Schritt für Schritt, jeden Moment bereit von dem ehemaligen Feind zurück zu weichen, trat er an ihn heran, bis er schließlich die Hand ausstrecken und ihn berühren konnte.

Kühl waren seine Schuppen – zu kühl für einen gesunden Drachen.

Er wusste nicht, ob er seine Wärme nicht spürte, ob er bei Bewusstsein war, oder nicht, oder ob er nicht reagierte, weil er nach all den Verletzungen, dem Schock und dem Martyrium der letzten Tage zu erschöpft, zu kraftlos war.

Nur ganz wenig, kaum spürbar, hob und senkte sich der Berg aus Schuppen.

Fynn war besorgt – sehr besorgt.

Wie sollten sie den Drachen hier raus schaffen, wenn er nicht aus eigener Kraft gehen, geschweige denn fliegen konnte.

Er hätte nicht gedacht, ihn in so schlimmen Zustand zu finden.

Plötzlich bewegte sich links von ihm etwas. Er zuckte zusammen, alle Muskeln spannten sich.

Doch dann seufzte er erleichtert.

Rorax war neben ihn getreten und betrachtete nun seinerseits den geschundenen Körper des Gefangenen.

Dann schob er sich vor und beugte sich über das weiß-graue, maskenhafte Gesicht, drückte sanft seine Schnauze an die verformte, geschmolzene Schuppenhaut und Fynn hörte, wie er tief und langsam ausatmete, die warme Atemluft an den Körper blies.

Der weiße Drache atmete mit einem Mal tiefer, stärker und begann sich zu rühren.

Erleichterung machte sich bei Fynn breit. Der Drache hatte geschlafen!

Langsam hob er den Kopf und drehte sein Gesicht zu den beiden Besuchern.

Im Lichte Sandukus konnte der Mensch nun zum ersten Mal den ganzen Kopf des Gefangenen sehen und er erkannte, dass sein Gesicht nicht vollständig verschmolzen war.

Zwar hatte die gräuliche Maske, die einst seine strahlend weiße Schuppen waren, sein rechtes Auge völlig überdeckt und verschlossen, doch sein linkes Auge war noch durch einen schmalen Schlitz zu erkennen, doch es war nicht mehr eisblau, wie bei allen Luftdrachen, sondern gelb.

Dieses eine Auge blinzelte sie nun verwirrt und müde an.

Schnell bedeutete Fynn ihm, leise zu sein.

Der weiße Drache richtete sich leise ächzend auf und sah sie mit immer größer werdendem Auge an. Langsam schien er zu verstehen und dennoch blieb sein Blick misstrauisch und ungläubig.

Er drehte den Kopf zu dem Menschen um und fixierte ihn.

„Wir wollen dir helfen. Komm mit“, flüsterte Rorax so leise, wie es nur möglich war.

Mühsam rappelte sich der Gefangene vollends hoch und kam schwankend zum Stehen.

Rorax entfaltete einen Flügel und legte ihn für einen kurzen Augenblick auf den zitternden Rücken des weißen Drachen.

Dieser schleppte sich auf die offene Tür zu, durch die Fynn zuerst trat und sich vergewisserte, dass die Luft rein war.

Sie kamen nicht sehr weit.

Kaum, dass der weiße Drache aus der Verliestür kam, brach er keuchend zusammen.

Fynn eilte zu ihm und legte sanft seine Hand auf die graue Schnauze, blickte ihm ermutigend und fest ins Auge.

Doch es half nichts. Der Drache war zu geschwächt.

Der Mensch dachte schnell nach.

Dann deutete er Rorax, der immer wieder ängstlich die Treppe hinauf, zu den Kerkern des Fürsten sah, bei dem Drachen zu bleiben und eilte die geheime Treppe hinauf, hinaus ins Freie.

Die Geheimtüre hatte sich inzwischen wieder geschlossen, doch kaum, dass er sich ihr näherte, versank sie von selbst im Boden und gab den Blick auf den Waldrand frei.

Leise pfiff er und der rote Drache löste sich aus den Schatten und kam schnell zu ihm.

„Wir brauchen Hilfe. Er ist zu schwach um selbst zu gehen“, wisperte er dem Kiuma zu.

Dieser nickte und folgte ihm den Gang hinunter, wo Rorax ungeduldig wartete.

Das ging nicht schnell, da er größer war als Rorax und seine Rückenstacheln und seine Flanken an der Decke und den Wänden schabten.

Doch er kam ohne stecken zu bleiben am Ende der Treppe an.

Als der weiße Drache ihn entdeckte, kam wieder Leben in ihn.

Er starrte ihn entsetzt an und zischte verängstigt.

Er versuchte vor Nexel zu fliehen, trotz seiner Kraftlosigkeit.

Daraufhin schritt Nexel neben ihn, was nicht gerade einfach war, da der Gang nicht für drei große Drachen gebaut war, senkte seinen Kopf hinunter zu dem des Weißen und flüsterte ihm etwas zu.

Nun entspannte sich der Erschöpfte wieder und lies es zu, dass Nexel seinen langen Schwanz um seinen Rumpf wickelte.

So durch ihn gestützt rappelte er sich ein weiteres Mal auf.

Rorax biss in seinen Schwanzansatz, in die dicke schuppige Haut und so stützen, zogen und schleppten sie ihn die geheime Treppe rauf.

Nexel voraus, danach der weiße Drache und schlussendlich Rorax.

Fynn kam hinterher.

Wäre das nicht so furchtbar ernst und gefährlich gewesen, hätte er bei dem Anblick der Drachen lachen müssten.

Doch so ging er hinter ihnen her und zog erleichtert an dem Hebel in der Wand, der die Geheimtüre hinter ihnen schloss.

Sie seufzten alle froh auf, als sie aus dem dunklen, nur schwach durch Sandukus Licht erhellten Gang an die erfrischend kühle Luft traten.

Doch noch waren sie nicht in Sicherheit. Nein, im Gegenteil, der schwierigste Teil der Nacht kam noch.

Es war absolut klar, dass sie den weißen Drachen niemals ohne Hilfe bis zum sehr weit entfernten Drachenclan bringen konnten.

Doch sie brauchten dringend ein Versteck. Möglichst in der Nähe.

„Wohin sollen wir ihn nur bringen?“, fragte Nexel.

Betretenes Schweigen.

„Lasst ihn uns zu der Lichtung bringen“, schlug Fynn vor. „Sie liegt gut verstecke, aber ist nicht zu weit entfernt.“

„Aber wir können nicht den ganzen Weg dorthin gehen!“, meinte Nexel.

„Wahrscheinlich werden wir es nicht schaffen, aber hier bleiben können wir nicht, also, hören wir auf zu reden und gehen wir los. Wir müssen so weit wie möglich von der Burg entfernt sein, wenn der Fürst merkt, dass nun auch noch sein zweiter Drache verschwunden ist.“

Sie setzten sich in Bewegung und Fynn ging vor, um ihnen einen Weg durch das Gestrüpp zu bahnen.

Sie zwängten sich durch Unterholz, stolperten durch Wasserlöcher und Bäche, fielen über Bodenerhebungen und hatte das Gefühl, einfach nicht vom Fleck gekommen zu sein, als sich der Himmel über ihnen schon wieder erhellte.

„Es nützt alles nicht, wir sind zu nah an der Burg. Wie müssen fliegen! Egal, wie weit wir kommen, egal, ob uns diese Anstrengung schier die Flügel abreißen wird“, ächzte Nexel schließlich schweißüberströmt.

Zweifelnd sah Fynn den weißen Drachen an.

Sie hatten auf einer kleinen Lichtung angehalten und kaum, dass sie stehen geblieben waren, war er zusammengeklappt und lag mit geschlossenem Auge zitternd auf der Erde.

Der Junge kniete sich neben ihn.

„Hey, glaubst du, du kannst fliegen?“, fragte er ihn besorgt.

Anstatt einer Antwort, entfaltete er die Flügel und schlug damit probeweise.

Die Bewegung wirkte matt und ungewohnt.

Er hatte sie wohl nicht mehr benutzt, seit er vor drei Tagen verletzt von Fürsten eingesperrt worden war.

Rorax schlang nun auch seinen Schwanz um die Vorderpfoten des Drachen.

„Gemeinsam werden wir es schon schaffen.“ Auch er war müde und erschöpft.

Wortlos stieg Fynn auf Nexels Rücken und die drei Drachen begannen mit den Schwingen zu schlagen.

Nexel und Rorax erhoben sich in die Lüfte und zogen den weißen Drachen mit sich hoch.

„Wenn wir hoch genug kommen, muss er nur noch die Flügel in der Waagerechte halten um zu schweben, wir würden für den Antrieb sorgen“, krächzte der Wasserkiuma vor Anstrengung.

Vor Fynns Augen erschien ein kleiner grüner Drache, der sanft, die Flügel weit gestreckt auf die Erde zu schwebte.

Er wünschte, er könnte etwas tun.

Helfen.

Doch im Moment war er nicht weiter als eine weitere Last auf Nexels Rücken.

Langsam aber stetig stiegen sie höher.

Endlich konnte der Junge über die frühlingsgrünen Wipfel der Bäume sehen.

Er blickte in Richtung Burg und erschrak.

Sie war noch so nah!

Dann wendete er den Blick hinab auf den weißen Drachen.

Er flatterte tapfer mit den Flügeln, doch obwohl er durch die natürliche Maske keine Mimik mehr hatte, konnte Fynn deutlich an seinen gefletschten Zähnen und sein fest geschlossenes Auge erkennen, dass er starke Schmerzen hatte.

Dann setzte der Schlag der Flügel aus und er hielt sie mit viel Mühe so waagerecht wie nur möglich.

Auf diese Weise flogen die drei großen Wesen eine Weile, während es immer heller und damit auch immer gefährlicher für sie wurde.

Schon spähte die Sonne über die Baumkronen und sie konnte es nicht länger riskieren, gesehen zu werden, geschweige denn, dass sie überhaupt die Kraft hatten, weiter zu fliegen.

Vollkommen erledigt landeten sie auf einer weiteren, jedoch kleinen Lichtung als die, von der sie gestartet waren.

Kurz, bevor sie hinter den Bäumen verschwunden war, hatte Fynn noch einen Blick Richtung Burg geworfen und erleichtert festgestellt, dass nur noch die Fahne, die auf dem höchsten Turm befestigt war, von hier aus zu sehen war.

Mit lautem Knacken, Knirschen und viel Geächze und Gestöhne, landeten die Drachen im Gehölz.

Sofort ließen sie die Köpfe auf die trockene Erde, oder in das grüne Gras fallen, das hier stellenweise wuchs.

Augenblicklich war Fynn wieder bei dem weißen Drachen und prüfte mit einer Hand auf dessen Schnauze seinen Atem.

Er ging schnell und flach, doch sonst schien es ihm gut zu gehen.

Plötzlich hob Nexel entsetzt den Kopf. Auch die Anderen hatten es gehört.

Stimmen!

Menschliche Stimmen drangen aus dem Wald ringsumher!

Von überall her!

Sie saßen in der Falle!

Sie hatten keine Kraft um zu fliehen!

Fynn hob einen morschen, jedoch großen Ast auf und drehte sich in die Richtung der Stimme, die am lautesten klang, also am Nächsten bei ihnen war.

Gleichzeitig packte er den Stoff, der Magiza an seinem Arm verhüllte.

Doch bevor er noch den Knoten lösen und ihre Kraft freisetzen konnte, trat ein junger Mann durch ein dichtes Gestrüpp auf die Lichtung und starrte sie mit großen Augen an.

Dann drehte er sich um, formte die Hände vor dem Mund zu einem Trichter und rief, bevor sich die Drachen oder der Junge von dem Schreck erholen und ihn daran hindern konnten in den Wald:
 

„Fehlalarm, war wohl bloß eine Wildschweinfamilie, die da so einen Lärm gemacht hat, wir treffen uns am vereinbarten Ort!“

Der Feind meines Feindes...?

Jemand stürmte durch den Wald, direkt auf zwei sehr verdutzte Menschen zu.

Dann ging ein Leuchten des Erkennens über die Gesichter der beiden, sie breiteten ihre Arme aus und der Heranstürmende flog in ihre Umarmung.

„Mama! Papa!“, schluchzte er. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“

„Fynn...?“, stammelten seine Eltern. „Wir uns auch!“, rief seine Mutter bewegt. „Aber, was ist denn mit seinem Gesicht passiert? Was ist das für ein komisches Muster?“

Sie strich zögernd über Sanduku.

„Das ist eins von diesen kunstvollen Mustern, die man sich in die Haut einbrennt, oder?“, fragte sein Vater gleichzeitig erstaunt und beeindruckt. „Sieht gut aus! Wusste gar nicht, dass du soetwas magst, hättest ruhig was sagen können. Das hat doch bestimmt weh getan?“

„Schon gut, Vater“, murmelte Fynn abwehrend.

„Na, dann ist ja jetzt alles wieder gut“, seufzte sein Vater und klopfte ihm auf die Schulter.

Dann ging er auf den jungen Mann zu, der die Szene aus der Entfernung lächelnd beobachtet hatte.

„Fürst Jirani! Erst gewährt Ihr mir und meiner Frau samt unserem Hab und Gut Unterkunft und dann bringt Ihr mir sogar meinen Jungen zurück. Wie kann ich euch nur danken?“

Der Fürst hob ablehnend die Hände.

„Bitte, das war doch selbstverständlich, dass ich euch nicht abgewiesen habe, als ihr vor meinen Burgtoren standet und um Hilfe batet. Und euren Sohn habe ich nicht gefunden, sondern er ist mir nur rein zufällig bei der Jagd über den Weg gelaufen.“

Er zwinkerte Fynn verschwörerisch zu, was dieser mit einem Grinsen beantwortete.
 

Nachdem der Fürst seine Jagdgefährten abgelenkt und zurück zum Sammelpunkt befohlen hatte, hatten sich die Drachen beruhigt und Fynn hatte den morschen Ast fallen lassen.

Der Fürst hatte ihnen schnell und leise versichert, dass er ihnen bestimmt nichts tun, sondern sogar helfen wolle.

Fynn hatte sich erst gar nicht mit seinen Freunden beraten, im Grunde hatten sie keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Sie konnten ihn nicht vergessen lassen, was er gesehen hatte und seine Reaktion sprach eindeutig für ihn.

Außerdem konnten sie mit dem geschwächten Drachen unmöglich weitergehen, sie mussten rasten.

Und als Fürst Jirani dann auch noch erzählte, dass vor wenigen Tagen eine Frau und ein Mann bei ihm Unterschlupf gefunden hatten, die ihm sehr ähnlich sahen, da beschlossen die Drachen und der Junge, ihm zu vertrauen und sich von ihm helfen zu lassen.

Die Drachen waren auf der Lichtung zurückgeblieben, der Weiße konnte keinen Schritt weiter.

Sie hatten sich bloß in das dichte Gestrüpp zurückgezogen, dass die Lichtung umgab, damit sie von der Luft aus nicht gesehen werden konnten.

Wer konnte denn schon sagen, ob der Fürst nicht noch einen Drachen aus dem Ärmel zaubern würde!

Dann waren Fürst Jirani und Fynn mit dem Versprechen los gezogen, bald wieder mit Medizin und Verbänden zurück zu kommen.

Etwas besorgt hatten Rorax und Nexel den beiden nachgesehen, der weiße Drache war bereits erschöpft eingeschlafen.

Und nun hatte er tatsächlich hier seine Eltern beim Holz hacken und Beeren sammeln vorgefunden!
 

„Nun komm, Fynn, ich habe auch für dich eine Aufgabe!“, meinte Fürst Jirani nun.

„Ja, Fynn! Der Hohe Herr ist so gut zu uns, da ist es das Mindeste, dass wir uns nützlich machen!“, sagte auch sein Vater.

„Gut. Wir sehen uns dann also später. Bis dann!“, rief Fynn und folgte Jirani zur Burg.

„Wir werden nun deinen Freunden bringen, was wir ihnen versprochen haben“, erklärte er unterwegs.

Vor der Burg lag ein Dorf. Es war um einiges größer, als das, aus dem Fynn stammte.

Überall war geschäftiges Treiben und an wem auch immer der junge Fürst vorbei ging, ob arbeitender Mann, tratschende Frauen, spielende Kinder oder schläfrige Greise, jeder begrüßte ihn freundlich und mit Hochachtung. Jeder schien sich zu freuen, dass er da war.

Das kannte Fynn nicht. Fürst Adui hatte sich nie im Dorf gezeigt.

Nur seine Schergen waren hin und wieder vorbei gekommen um die Abgaben einzusammeln, oder einen Streit zu schlichten.

Und wann immer er den Fürsten innerhalb der Burg gesehen hatte, immer waren die Menschen vor ihm ausgewichen, hatten sich schweigend verneigt und dann zurückgezogen, während er meist tat, als wären sie gar nicht da. Wenn er Befehle oder Wünsche geäußert hatte, so hatte er immer in den Raum hinein gesprochen, niemals hatte er dabei Jemanden angesehen oder direkt angesprochen.

Doch Fürst Jirani schien... beliebt zu sein.

Er erwiderte auch jeden Gruß freundlich.

Mit einem Mal war Fynn richtig froh, ihn getroffen zu haben.

In der Burg brachte der Fürst seinen Begleiter in den Thronsaal und bat auf dem Weg dorthin einen Botenjungen, seine „Vertrauten“ zu ihm zu bestellen.

Es dauerte nicht lange, da hatten sich im Saal an die zehn Männer versammelt, die stillschweigend der Dinge harrten, die da kommen sollten.

Fynn stand ebenfalls schweigend und eingeschüchtert neben dem Fürsten, vor dem Thron.

Er sah sich die Männer heimlich an. Diese „Vertrauten“ des Fürsten.

Es gab junge und alte, freundlich und grimmig dreinblickende und jeder war vornehm und edel gekleidet. Fynn kam sich ganz ärmlich vor, in seinen Sachen aus grobem Leinen, mit dem dreckigen, zerschlissenem Stück Stoff um den Arm, der Magiza verdeckte.

Einige betrachteten verwundert Sanduku, andere hatten selbst solche Muster im Gesicht oder auf den Armen.

„Hört gut zu, meine Freunde!“, hob nun der junge Fürst an. „Dieser Junge hier an meiner Seite und seine Freunde, die draußen im Wald auf uns warten, brauchen unsere Hilfe. Und sie werden diese Hilfe von uns bekommen.“

„Wie viele sind es, die draußen im Wald warten?“, fragte ein rotbärtiger großer Mann mit einem sehr breiten Kreuz.

„Noch drei weitere.“

„Warum sind sie nicht mit hergekommen?“, erkundigte sich ein schmaler junger Mann mit langen blonden, kunstvoll geflochtenem Haar und vornehmen Gesichtszügen.

„Weil sie Angst vor uns Menschen haben.“

„Was heißt 'Vor uns Menschen'?“, fragte der Blonde sofort stirnrunzelnd.

Der Fürst lächelte und Fynn begann zu schwitzen. Er wollte ihnen doch nicht die Wahrh-!?

„Das heißt, dass Drachen nun mal sehr menschenscheu sind!“

Fynn fiel die Kinnlade runter.

Hatte er einen Fehler begangen? Konnte er dem Fürsten nun doch nicht trauen? Was hatte er vor?“

Ein alter Mann mit weißem, langen Bart und einer grünen Kutte durchbrach die Stille, die diesem Satz gefolgt war.

„Drachen? Des jungen Mannes Freunde sind Drachen? Erlaubt Ihr Euch auch keinen Scherz mit uns, Hoher Herr?“

Sofort verschwand das Lächeln auf Jiranis Gesicht.

„Nein! Kein Scherz. Einer der Drachen ist schwer verletzt. Er braucht Medizin und Verbände. Ich möchte nun von euch, dass ihr alles Nötige auftreibt. Wir werden den Drachen im Wald behandeln und ihn und seine Freunde dann hierher bringen.“

„Wo sollen wir ein so großes Wesen unterbringen?“, fragte ein schwarzhaariger Mann, der in voller Rüstung erschienen war, als würde es jeden Moment in eine Schlacht gehen.

„Im Stall wäre Platz genug. Ich habe noch eine Box frei! Dort ist es warm, trocken und es gibt genügend Heu. Die Box ist groß, eigentlich für Stute und Fohlen gedacht, aber zur Zeit kein Pferd gefohlt. Die Wände sind hoch, keiner kann hinein schauen, auch nicht im Vorbeigehen.“

„Gut, danke.“ Der Fürst nickte dem jungen, braunhaarigen Mann zu, auf dessen Umhang ein weißes Pferd und ein Huf abgebildet waren. Er blickte grimmig drein, als wäre er mit etwas nicht einverstanden.

Fynn kam sich überrumpelt und überflüssig vor.

Die Männer wandten sich ab um zu tun, wie ihnen befohlen wurde. Doch der Fürst rief sie zurück.

„Wartet! Wir haben zwar die Möglichkeiten und die Mittel um ihnen zu helfen, aber das heißt noch nicht, dass wir das Recht haben, zu handeln, wie wir es für richtig halten.“

Er wandte sich Fynn zu.

„Sieh das alles als ein Vorschlag an. Nimmst du ihn an?“

„Ich... ich weiß nicht...“, Fynn musste an Rorax' frühere Angst vor Menschen denken.

E hatte zwar sein altes Selbstvertrauen wiedergewonnen, doch würde die Panik zurückkehren, wenn so viele Menschen um ihn herum wären?

„Ich weiß nicht, ob meine Freunde da mitmachen werden. Sie sind, wie Ihr schon sagtet, menschenscheu.“

„Nur keine Sorge, wenn du sie nicht beruhigen kannst, werden wir sie einfach, mach dir keine Sorgen, wir-“

„Einfangen?!“, rief Fynn entsetzt.

„Wir werden ihnen nicht weh tun, versprochen!“

„Nein! Niemand fängt sie ein!“

„Aber Fynn, wir wollen dir deine Drachen doch nicht weg nehmen. Wir werden sie nur-“

„Keiner fängt sie ein! Verstanden!!“

Jirani und seine Vertrauten waren sehr verdutzt.

„Aber, wie wollen wir sie sonst hierher bekommen? Sie sind sicherer hier, vertrau mir.“

„Ich werde sie fragen, ob sie das wollen, aber wenn sie ablehnen, will ich Niemanden mit einem Netz oder einer Waffe sehen!“

Wenn sie nicht so sehr auf die Hilfe des Fürsten angewiesen wären, wäre Fynn mit seinen Freunden auf der Stelle verschwunden und nie wieder gekommen!

„Sie... sie fragen?“, stotterte der Fürst.

„Du sprichst von diesen Drachen, als könnten sie verstehen, was du sagst und eigene Entscheidungen treffen“, sagte der vornehme Blonde.

Jetzt verstand Fynn.

Diese Menschen sahen – wie so viele – Drachen als Tiere an, die ihrem Instinkt folgen und nicht denken können.

Sie glaubten, sie wären für Fynn soetwas wie Haustiere, als hätte er sie gezähmt.

„Sie sind intelligente Lebewesen und ich kann mit ihnen sprechen. Sie sind nicht meine Haustiere, sondern gleichwertige Freunde, mit eigenen Meinungen, die ich respektiere!“

Die Männer sahen ihn verblüfft an.

„Und wenn auch nur einer der Drachen dagegen ist, dass ihr euch ihnen nähert, dann darf keiner von euch es wagen, an sie heranzutreten!“ Fynn merkte, dass seine Stimme laut und gebieterisch war, völlig unangemessen diesen höher gestellten und adligen Leuten gegenüber, aber das war ihm egal. Sie hatten seinen Regeln zu befolgen, wenn sie dem weißen Drachen wirklich helfen wollten.

„Du... du kannst mit ihnen sprechen?!“, fragte Fürst Jirani erstaunt.

Seine Vertrauten sahen ihn zweifelnd an, als Fynn entschlossen nickte.

„Nun gut, dann werden wir ihre Entscheidung akzeptieren.“

Der Fürst gab den anderen Männern ein Zeichen und diese verschwanden wortlos.

Dann bedeutete er dem Drachenfreund, ihm in den Burghof zu folgen, wo der grimmig dreinblickende Braunhaarige bereits die Pferde hatte satteln und bereitstellen lassen.

Fynns Herz schlug gleich höher, als er unter all den edlen Rossen auch sein eigenes, schlichtes Apfelschimmelpferd entdeckte.

Schon bald saß er im Sattel und lenkte sein Pferd Richtung Wald, gefolgt von den Männern, die große, lederne Taschen mit allem Nötigen darin trugen.

Ihm war immer noch sehr mulmig bei dem Gedanken, all diese Menschen an seine Freunde heran zu lassen. Doch das offene, aufrichtige Lächeln des Fürsten hatte ihn schon längst in seinen Bann gezogen und obwohl er sich nicht getraute, es sich einzugestehen, so hatte er Vertrauen zu ihm.

Etwa zwanzig Pferdelängen vor der Lichtung hieß Fynn die Reiter anzuhalten und warten und näherte sich allein dem Ort, an dem sich die Drachen versteckt hielten.

„Fynn! Endlich! Wir haben uns Sorgen gemacht!“

Nexel trat aus dem Gebüsch hervor.

„Freunde, ich habe die versprochene Hilfe mitgebracht. Aber ich weiß nicht, ob sie euch gefallen wird.“

„Was meinst du damit?“ Nun streckte auch Rorax seinen blauen Kopf durch die Äste.

„Es ist nicht nur der Fürst, sondern auch seine 'Vertrauten'. Etwa zehn Männer warten da hinten darauf, dass ihr ihnen gestattet, euch zu helfen.“

„Was?!“, kam es zweistimmig zurück.

„Es sind enge Freunde des Fürsten, er vertraut ihnen!“

„Das ist ja schön und gut, aber vertraust du ihnen?“, fragte Nexel scharf.

Einen Moment zögerte Fynn. Dann aber sah er dem Kiuma fest in die Augen und sagte deutlich: „Ja!“

Da nickten die beiden Drachen. „Dann tun wir das auch.“

„Okay, ihr bringt den weißen Drachen auf die Lichtung, da ist genügend Platz. Ich hole die Männer.“ Damit verschwand Fynn.
 

Die Männer traten langsam und mit Ehrfurcht auf die Lichtung.

Die Drachen stellten ein imposantes Bild dar.

In der Mitte der Lichtung lag der weiße Drache, flach atmend und sein übrig gebliebenes Auge war halb geschlossen. Keiner konnte sagen, wie viel er noch von dem mitbekam, was um ihn herum vor sich ging.

Neben ihm hatten sich die beiden Kiuma in voller Größe aufgestellt, als wären sie seine Leibwächter.

Dem Fürsten rutschte ein leises „Unglaublich“ heraus.

Fynn lief schnell auf den verletzten Drachen zu und ließ sich neben seinem Kopf nieder. Sanft streichelte er über die grauen, geschmolzenen Schuppen, während sich die übrigen Männer langsam näherten.

Der Greis mit den weißen Haaren tastete vorsichtig die Brust des Verletzten ab.

„Wie... ist das mit seinem Gesicht passiert?“, fragte ein dunkelblonder, etwas schmächtiger Mann mit seltsamen schwarzen Augen.

„Er hat uns angegriffen, da hat Nexel uns verteidigt“, antwortete Fynn.

„Wer ist Nexel?“

„Ich!“, knurrte der Feuerkiuma.

Erschrocken zuckten alle Männer zusammen und wichen vor ihm zurück.

„Keine Angst“, meinte Fynn.

„Aber... er... er hat uns angeknurrt!“

„Er hat deine Frage beantwortet. Er ist nämlich Nexel.“

„Er kann uns verstehen?“, fragte der edle Blonde mit der kunstvollen Frisur.

„Ich hab euch doch gesagt, es sind intelligente Lebewesen, sie verstehen was Menschen sagen.“

Immer noch etwas beunruhigt traten die Männer wieder näher.

„Wie geht es ihm?“, fragte der Fürst den Greis, der erneut den Drachen abtastete.

„Er ist schwach, Mylord.“

„Kann er bis zur Burg laufen?“

„Die Drachen werden ihn tragen“, antwortete Fynn.

Mit einem Mal kam Bewegung in den weißen Drachen.

Er hob den Kopf, sah die vielen Menschen um ihn herum und sprang brüllend auf.

Sofort brachten sich die Männer in Sicherheit, nur Fynn blieb und versuchte beruhigend auf den verängstigt fauchenden Drachen einzureden.

Er ging zögernd einige Schritte auf den Jungen zu, neben dem sich die beiden anderen Kiuma als Vorsichtsmaßnahme postiert hatten.

Der Weiße trat einen weiteren, schwankenden Schritt auf Fynn zu und streckte ihm sein entstelltes Gesicht entgegen.

Fynn lief ihm entgegen und fing seinen Kopf auf, als er erschöpft zu Boden sank.

Auch Rorax und Nexel traten näher, stupsten ihn sanft mit ihren Schnauzen oder strichen mit ihren Flügeln über seinen zitternden Körper.

Der Weiße sah schnaubend zu Nexel auf.

„Das sind Freunde von Fynn. Freunde von uns. Sie wollen dir nur helfen. Du musst keine Angst vor ihnen haben“ erwiderte er mit seiner knisternden Stimme.

Da schloss der Luftdrache sein Auge und das Zittern seines Körpers wurde schwächer.

Beruhigend strich Fynn noch einige Male über die graue Schnauze, dann bedeutete er den Männern, die das alles erstaunt mitangesehen hatten, dass sie sich wieder gefahrlos nähern konnten.

Die Drachen hatten sich eng neben ihren verletzten Artgenossen gelegt.

„Wa-warum hilfst du diesem Drachen, wo er dich doch angegriffen hat?“, fragte der Fürst zögernd.

„Der Fürst Adui ist ein grausamer Mensch. Er hat einen meiner Freunde entführt und drei Wochen lang durch die Hölle gehen lassen. Ich weiß nicht wieso, aber dieser Drache hier hat dem Mistkerl geholfen und uns daran gehindert, unseren Freund zu retten.“

„Ja, aber warum dann so viel Mitleid für ihn?“

„Die Geschichte geht noch weiter. Er hat uns gehindert und Nexel hat ihn dafür gestraft. Wir haben eine neue Rettungsaktion gestartet und unseren Freund befreien können. Aber in dem Verließ neben dem meines Freundes... da lag er. In genau dem erbärmlichen Zustand, wie ihr ihn hier seht. Wir wurden entdeckt und hatten keine Zeit, ihn zu retten. Aber als ich sah, dass Adui ihn genauso mies behandelt, wie den armen Xankir, da musste ich ihn einfach da raus holen! Ich konnte ihn doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen! Wahrscheinlich wäre er aufgrund der schlechten Luft da unten bald verhungert! Dieser Fürst glaubt, er könnte machen, was er wolle, aber er weiß nichts über die Drachen! Wahrscheinlich hätte er noch nicht mal gemerkt, dass der arme Kerl verhungert, da unten in diesem Drecksloch von einem Verließ!“ Fynn redete sich all seine Sorgen und seine Wut von der Seele.

„Er- er hat die Drachen nicht gefüttert?“, entsetzte sich der Greis.

Fynn lachte schnaubend auf. „Doch, hat er – mit Fleisch!“

„Na und, was ist dagegen einzuwenden?“, fragte der grimmig aussehende Braunhaarige.

„Man merkt, dass ihr genauso wenig Ahnung von Drachen habt“, lächelte Fynn.

„Woran?“

„Drachen fressen kein Fleisch!“

„Waas?“, riefen die Männer im Chor und musterten die Wesen die sie da vor sich hatten skeptisch.

„Schwer zu glauben, nicht wahr?“

„Was fressen sie denn dann?“, wollte der blonde Adlige wissen.

„Wahrscheinlich Beeren und Wurzeln“, meinte der Fürst.

„Nein. Weder noch. Sie ernähren sich ihrer Art entsprechend.“

„Das verstehe ich nicht“, meinte der Blonde.

„Der Junge will uns doch nur hoch nehmen“, sagte der Rothaarige in Rüstung.

„Ruhe jetzt! Momentan ist es egal, was sie fressen. Gebt mir die Verbände und die Medizin!“, befahl der Alte.

Dann gab er dem weißen Drachen einige Herz und Atmung stärkende Tränke, strich kühlende Salbe auf die geschmolzenen Schuppen und wickelte Verbände um den Rumpf um den wund gelegenen Bauch vor Dreck und Nässe zu schützen. Nur die Vitaminpillen, die er ihm verabreichen wollte, nahm der Drache partout nicht an.

„Keine Sorge, die frische, gute Luft hier draußen, gibt ihm alles, was er benötigt“, sagte Fynn mit einem Lächeln.

Der Alte gab auf und befahl den Männern nun, den Drachen zur Burg zu bringen.

Da näherten sich Rorax und Nexel, die dem weißen Drachen von der Seite gewichen waren, als der Alte Platz brauchte, um die Verbände anzulegen.

Sie halfen dem Verletzten auf, stützten ihn mit ihren Körpern und Schwänzen und folgen Fynn, der ihnen den Weg wies.

Die Männer kamen erstaunt hinterher.

Inzwischen neigte sich der Tag schon wieder dem Ende zu und nach einigen Pausen und Umwegen um Bäche und dichtes Gestrüpp herum, näherte sich die seltsame Prozession im Dunkeln der Heimat des Fürsten.

Der grimmige Braunhaarige schickte die Knappen, die diensteifrig herbei gelaufen waren, um den hohen Herren die Pferde abzunehmen, ins Bett und zeigte den Drachen den Weg zum Stall.

Warme, herb nach Pferd und Heu duftende Luft kam ihnen aus dem Holzgebäude entgegen.

Alle Pferde streckten neugierig ihre Köpfe aus den Boxen, als die Drachen im Gänsemarsch – Nexel, der Weiße und zum Schluss Rorax – an ihnen vorbei liefen.

Um nebeneinander zu laufen war nicht genug Platz, aber Fynn und der Braunhaarige quetschten sich an ihnen vorbei und letzterer geleitete sie zur letzten Box, die voll frischem Stroh war und der weiße Drache brachte seine letzte Kraft auf, wankte hinein und legte sich erschöpft aber zufrieden seufzend auf das weiche Lager.

Rorax und Nexel sahen hinein, während Fynn ihm etwas Stroh zurecht schob, sodass er den Kopf darauf legen konnte.

Der Stall war tatsächlich perfekt. Groß genug, hohe Wände, von innen und außen verriegelbare Türen.

„Habt Ihr auch Boxen für Rorax und Nexel?“, fragte Fynn.

„Gegenüber und gleich nebenan stehen eigentlich die Pferde des Fürsten, aber ich denke, da kann man was dran ändern.

Und schon kurz darauf machten es sich die beiden anderen Drachen ebenfalls im Stroh bequem. Zwar waren diese Boxen nicht ganz so groß, wie die Erste, aber es ging.

Fynn danke den Männer und dem Fürsten für ihre Hilfe.

Der Braunhaarige nickte nur grimmig, als Fynn sich für die Bereitstellung der Boxen und für Pflege seines Pferdes bedankte; der Fürst versprach, den Eltern ausrichten zu lassen, dass ihr Sohn im Stall bei seinem Pferd schlafen wolle.

„Sie kennen das schon von mir, das mache ich Zuhause auch öfters. Ich halte es einfach nicht lange in Gebäuden aus“, lachte Fynn, als Jirani ihn fragte, ob sich seine Eltern über seinen Entschluss nicht wundern würden.

Dann kehrte Ruhe in den Stall ein.

Nur die Pferde wieherten hin und wieder leise oder bewegten sich in ihren Boxen.

Fynn schloss die Türen der Boxen und legte sich dann zu dem Weißen – der schon längst wieder schlief – ins Stroh, den Rücken an den verbundenen Rumpf gelehnt.

„Fynn?“, kam es leise aus der gegenüberliegenden Box.

„Ja, Rorax?“

„Ich... ich hatte keine Angst... wirklich nicht!“

„Das ist doch toll“, antwortete Nexel.

„Ich kann es noch gar nicht fassen. All diese Menschen um mich rum gehabt zu haben. Meinst du, wir können ihnen wirklich vertrauen?“
 

„Ich weiß nicht, Rorax. Aber wie heißt es so schön? Der Feind meines Feindes...?

Janis Alleingang

Jemand schwebte durch den Wald.

Sanft strich er mit einer Hand durch hohes, weiches Gras.

Dann entfernte sich der Körper immer weiter vom Boden und flog durch die Bäume dem Himmel entgegen.
 

Während Fynn noch fest schlief und dabei träumte, mit seinen Freunden der Sonne entgegen zu fliegen, war jemand anderes schon seit einiger Zeit unterwegs.
 

Hin und wieder spreizte der kleine Grünling seine, im Vergleich zum Körper überdimensionalen Flügel, schwang sie, wobei er kurz vom Boden abhob, sofort wieder zurück plumpste und dabei vergnügt quietschte.
 

Als Jani vom Clan aufgebrochen war, war ihre Laune gar nicht so gut gewesen.

Sie hatte sich sogar sehr zusammenreißen müssen, um dem armen Rax, der am Eingang Wache gestanden war, nicht vor Wut in die Zehen zu beißen – wobei dieser das wahrscheinlich aufgrund seiner dicken Schuppen kaum gespürt hätte – doch dann hätte er sie sicherlich zurück zu ihrer Mutter gebracht und das wollte sie auf gar keinen Fall.

So hatte sie sich an der dösenden Wache vorbei geschlichen und war abgehauen.

Schuld an ihrer Wut war nur einer: Fynn!

Seit Tagen war er schon wieder unterwegs! Wahrscheinlich hatte er irgendwo ein anders, süßeres Kijana gefunden, mit dem er gerade in diesem Augenblick spielte!

Deshalb hatte sie sich auch dazu entschlossen, ihn zu suchen und zurück zu holen, wenn nötig auch mit Zahngewalt!

Was konnte ein mickriger Mensch schon gegen eine große, starke Drachenkike ausrichten! Und sollten Rorax, Xankir oder Nexel versuchen, sie aufzuhalten, würden sie schon sehen, was sie davon haben!

Längst schon war Jani klar geworden, dass die Drachen und ihr Mensch nicht ausgezogen waren, um irgendwelche Artgenossen vor bösen Menschen zu retten – wer sollte es auch wagen, einen großen, starken Drachen zu entführen? Alles Unsinn! - sondern, dass sie fortgingen, um mit anderen Kijana zu spielen!

Aber das würde sie ihnen schon austreiben! Und wenn sie glaubten, sie könnten sie täuschen, indem sie Xankir da und den Kranken spielen ließen, dann unterschätzten sie ihre Intelligenz!
 

Mit diesen düsteren Gedanken war sie aufgebrochen.

Doch inzwischen hatte eine warme Frühlingsbrise und das schöne Grün der Umgebung ihre Wut eingeschläfert und sie freute sich schon sehr auf das bevorstehende Treffen mit ihren Freunden.

Sie schnupperte schon den Fluss und tatsächlich, als sie den nächsten Baum umwandert hatte, stand sie am Ufer.

Einen Augenblick lang blieb sie ratlos stehen.

Hinüber konnte sie nicht. Sie konnte nicht weit genug fliegen und wegen der Strömung auch nicht hinüber schwimmen – abgesehen davon war das auch nicht gerade ihr Lieblingselement!

Stromaufwärts ging es zum Wasserfall, dort war auch Sackgasse, also blieb ihr nur, stromabwärts zu gehen.

Sicherlich war Fynn zu demselben Ergebnis gekommen, als er vor einer halben Ewigkeit losgegangen war, um „den weißen Drachen zu retten“ - wie er damals behauptet hatte.

Und so wandte sie sich um und wanderte brav weiter den Fluss entlang, hier mal einen Schmetterling nachsehend, dort mal ein Stückchen saftigen, jungen Ast fressend.

Nach einiger Zeit erreichte sie den Eingang zum Tal, den der Clan nach der Vertreibung des Fürsten und seiner Jäger verbarrikadiert hatten.

Vor ihr türmte sich eine riesige verschmolzene Felswand auf.

Die Kiuma des Clans hatten so viele Felsbrocken, wie möglich hierher, zur einzigen, für Menschen zugänglichen Öffnung zwischen den hoch aufragenden Bergen, die das Tal umschlossen, gebracht und alle Feuerdrachen hatten, mit vereinter Hitze die Brocken schmelzen lassen und zu einer harten Barriere geformt, die die Luftdrachen dann gekühlt und ausgehärtet hatten.

Damit konnte kein Mensch jemals wieder ohne Hilfe eines Drachen in dieses Tal eindringen.

Doch Jani störte dieses Hindernis überhaupt nicht.

Sie lief zu einem kleinen grünen Gebüsch, dass an der geschmolzenen Wand wuchs, scharrte probeweise in der wichen Erde an der Wurzel und hatte im Nu die Stelle gefunden, an der sich die Erdhöhle befand, die ein Dachs gebuddelt hatte und die unter der Felswand bis auf die andere Seite führte.

Durch Zufall hatte sie einmal bei einem ihrer Ausflüge den Dachs beobachtet, der gerade hindurch schlüpfte. In mühevoller Arbeit hatte sie den Gang etwas erweitert, sodass sie durch passte.

Als sie den Kopf in das Loch steckte, merkte sie jedoch, dass sie schon wieder stark gewachsen war – sie blieb mit den Schultern stecken.

Leise knurrend zog sie sich wieder zurück und begann mit den Pfoten den Eingang erneut zu erweitern.

Nach einigen Minuten versuchte sie noch einmal, durch zu krabbeln, doch sie war einfach zu groß!

Nun richtig wütend knurrend und fauchend lief sie vor dem Loch hin und her und Zornestränen rannen ihr die schuppigen Wangen hinunter.

Wie sollte Sie jetzt zu Fynn kommen?! Er spielte doch mit einem anderen Kijana!

„Na, na, wer wir denn gleich weinen, meine Kleine?“, ertönte eine leise Stimme hinter ihr.

Jani wirbelte herum und erstarrte.

Es war niemand zu sehen!

Lachen erklang scheinbar aus dem Nichts.

Erschrocken jaulte das kleine Kijana auf, als sie die braunen Augen entdeckte, die ihr AUS einem Baum heraus zublinzelten.

„Du musst keine Angst haben. Ich werde dir helfen.“

„Wirklich?“, quiekte Jani und im Nu wich das Entsetzen, das sie eben noch empfunden hatte, erstaunter Freude.

Der „Baum“ bewegte sich, seine Rinde brauch auf und eine große, mit Ästen bekronte Gestalt trat auf den kleinen Grünling zu.

Vertrauensvoll hüpfte Jani auf Ardhi zu und umsprang seine Wurzelfüße.

Dieser lachte leise knackend, hob einen Rindenarm und die Wurzeln des Gebüschs, das am Eingang des Ganges wuchs, wurden länger, kräftiger und begannen das Erdreich auseinander zu drücken, sodass Jani ohne Probleme hindurch schlüpfen konnte.

Auf der anderen Seite drehte sie sich um und erwartete, den freundlichen Baumbewohner – für den sie ihn hielt – hinter sich aus der Erde hervor kriechen zu sehen, doch da war nichts.

Etwas knackste und sie blickte zu der, von Drachen erschaffenen Barriere, über die Ardhi gerade gemütlich hinüber stieg.

Seine Wurzeln gruben sich in den beinharten Stein, als wäre es lockere Erde und lösten sich bei jedem weiteren Schritt wieder, wobei sie kleine, ganz feine Risse hinterließen.

Als er bei Jani angekommen war, fragte er: „Und, was machen wir jetzt?“

„Wir suchen weiter!“, rief sie vergnügt.

„Und was suchen wir?“

„Nicht was“, kicherte der Grünling. „Wen! Wir suchen Fynn! Meinen Freund Fynn!“

„Fynn, den Menschen?“

„Ja, genau den! Kennst du ihn?“

„Ich habe ihn tatsächlich schon einmal getroffen. Hast ihn denn verloren?“

„Nein. Er hat mich verloren! Er ist vor laaaaaaanger Zeit los, um jemanden zu retten. Das hat er zumindest behauptet!“

„Behauptet? Glaubst du ihm etwa nicht?“

„Nein! Ich weiß, dass er etwas anderes vorhat. Er sucht ein anderes Kijana, mit dem er spielt und dem er tollte Geschichten erzählt!“, rief sie empört.

„Ach so? Das ist aber nicht gerade nett, dass er sich anlügt“, meinte Ardhi ruhig.

„Nein, ist es gar nicht! Und deswegen suche ich ihn und dann hole ich ihn zurück und dann darf er nur noch mit mir spielen!“

Daraufhin drehte sich Jani um, schluckte die Zornestränen hinunter und stapfte trotzig weiter.

Leises Rascheln und Knacken sagte ihr, dass Ardhi ihr folgte, doch sie sah sich nicht nach ihm um.

So wanderten die zwei eine Weile durch den Wald, bis Jani ihre Wut vergessen hatte und sich wieder mehr der Umgebung widmete.

Plötzlich raschelte etwas im Gebüsch und zwei Eichhörnchen sprangen ihnen in den Weg, jagten um Jani herum und kletterten schnell an Ardhi herauf.

Dann raschelte es ein weiteres Mal und ein drittes Eichhörnchen erschien, betrachtete den Drachen und die Gottheit einen Moment, hob dann schnuppernd die Nase, rannte auf Ardhi zu und quiekte triumphierend.

Die beiden Eichhörnchen in Ardhis Astkrone antworteten übermütig und sprangen zu ihrem Freund herunter.

Jani beobachtete das Treiben begeistert.

„Spielt ihr Verstecken und Fangen? Darf ich mitspielen? Bitte, bitte!“, fragte sie und als die drei Tierchen daraufhin los liefen sie jagte ihnen nach.

Fröhlich spielte Jani eine Weile unter Ardhis Obhut.

Sie war eine Meisterin des Versteckens, jedes grüne Blatt, jeder moosbewachsene Stein war für sie, dank ihrer Gabe ein ideales Versteck und so überfiel sie die drei kleinen Eichhörnchen oft, um ihnen dann von neuem nachzujagen.

Diese hatten keinerlei Angst vor dem Drachen und flohen daher auch nicht auf die Bäume, wo Jani ihnen nicht folgen konnte.

Gerade verschwand Jani mal wieder hinter einer dicken Baumwurzel, da plumpste sie direkt vor die Füße eines großen Mannes.

Er ragte hoch über ihr hinauf und sah sich suchend um.

Schlank und sehnig war er, seine muskulösen Unterarme und Handgelenke wurden von dicken Lederarmbändern verdeckt, sein Lederhemd war mit Metallplatten verstärkt und seine Stiefel gingen hoch, bis zu den Knien, wo sie ebenfalls die Gelenke mit Metallplatten schützten.

Jedoch achtete Jani weder auf seine Kleidung, noch auf sein Gesicht, das von zwei schwarzen, kalten Augen, einem schmalen Mund und kurzen, schwarzen Haaren beherrscht wurde, sondern die zwei großen, silbern glänzenden Dinger, die wie ein Kreuz auf seinem Rücken befestigt waren und nach oben in zwei Holzgriffen endeten und das seltsame hölzerne Ding, dass er in der Hand hielt und auf dem ein schmales Stöckchen, mit silberner Spitze zwischen Rahmen und einem Band befestigt war, zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich.

Ardhi erschien neben ihr und legte eine Hand an die borkigen Lippen, um sie ruhig zu halten, drückte sie sanft mit einer beblätternden Hand an sich und gespannt beobachteten die beiden den komischen Menschen.

Die Erdhörnchen waren verschwunden.

Jani wunderte sich – der Mensch musste blind sein, denn er sah sich zwar um, konnte den kleinen Drachen und die Erdgottheit aber offensichtlich nicht sehen!

Dass Ardhi für den Menschen nur als Baum zu erkennen war und sie aufgrund ihrer Gabe, sich vor grünem oder erdig-braunem Hintergrund nahezu unsichtbar zu machen, für ihn gar nicht zu sehen war, begriff sie nicht.

Der Mann stand nun also direkt vor ihnen und sah sich misstrauisch um und suchend um.

Er hatte sie anscheinend gehört – Jani war nicht gerade leise durchs Gebüsch geplumpst – und ihm schien auch etwas plötzlich seltsam verändert zu sein – aber wer bemerkt in einem Wald schon, wenn auf einmal ein Baum mehr als eben neben ihm stand – doch er schien nicht wirklich greifen zu können, was jetzt anders war.

Er begann damit – das hölzerne Ding mit dem Stock in der Hand – das Gebüsch zu durchsuchen und Jani versteckte erschrocken die Schnauze zwischen den Pfoten, als er auch auf Ardhi zutrat, hinter seinen Stamm sah und seine Astkrone misstrauisch beäugte, doch dann knurrte er etwas und entfernte sich, mit erschreckend lautlosem Schritt.

Ardhi hielt Jani noch lange, nachdem er weg war fest, erst, als er sicher war, dass der Mensch verschwunden war, ließ er sie knackend aufatmend los.

„Was war das Komisches in seiner Hand? Wie heißt das Ding auf seinem Rücken, das so schön geglänzt hat? Wozu braucht er das? Meinst du, er hat uns gesucht, wie bei Verstecken und Fangen?“, ließ Jani ihrer Neugier freien Lauf.

„Das in seiner Hand nennen die Menschen 'Armbrust' und die silbernen Dinger sind 'Schwerter' Er braucht das, um zu jagen.“

„Jagen?“ Janis Augen wurden ganz groß. „Was jagt er denn?“

„Keine Tiere, fürchte ich“, murmelte Ardhi in seinen Blätterbart.

Leicht beunruhigt sah die Gottheit dem Jäger nach, der natürlich längst nicht mehr zu sehen war.

Jani dachte gerade darüber nach, ob dieser Mensch ein Freund von Fynn war, da fiel ihr wieder ein, weshalb sie eigentlich unterwegs war.

Die knorrige Gottheit sah milde überrascht auf, als Jani wütend aufsprang und dem Jäger hinterher hopste, laut rufend: „Hey, komm zurück! Ich will zu Fynn, sofort!!“

Ardhi seufzte und hob das zornige Kijana hoch. „Komm, es ist besser, ich bringe dich nach Hause zurück. Hier ist es nicht mehr sicher.“
 

Und so endete Janis Alleingang – den Göttern sei Dank – glücklich, was Jani allerdings etwas anders sah.

Frieden

Jemand stritt durch den Wald.

Ihm nach folgten zwei große Wesen, ein rotes und ein blaues.

Die drei machten am Waldrand Halt und beobachteten die kleine Wiese vor ihnen, die zwischen ihnen und der Rückseite der Burg lag, eine Weile.

Dann, wie auf ein lautloses Kommando, stürmten die beiden Drachen und Fynn los und waren nur Augenblicke später an der Holztür, die der einzige Eingang auf dieser Seite des Gemäuers war, und sogleich hinter ihr verschwunden.

Im Hof war es einfacher ungesehen zum Stall zu gelangen, da sich hinter der Holztür nur die kleine Pferdekoppel für die kranken Pferde befand, die von den anderen, gesunden Pferden getrennt werden mussten. Doch zur Zeit erfreuten sich alle Pferde des Fürsten Jirani bester Gesundheit und somit war die Koppel leer.

Die Freunde kamen also ungesehen im Stall an und Fynn stürmte sogleich in die Box des weißen Drachen.

„Hey, da sind wir wieder!“, teilte er der grauen Schuppenmaske mit, als er eintrat – Xarix' Auge war von ihm abgewandt, sodass er nicht sehen konnte, ob der Drache wach war, oder schlief.

Doch sogleich hob sich der Kopf, drehte sich zu ihm und ein gelbes Auge blitzte ihn an. Leises, ruhiges Schnauben ertönte.

Nexel schob seinen Kopf über die Trennwand der Nebenbox und sah zu dem Artgenossen herunter. „Wir waren nur kurz frühstücken und wollten dich nicht wecken. Hast du dir Sorgen gemacht?“, fragte er.

Nach kurzem Zögern schüttelte der weiße Drache den Kopf und fauchte und knurrte dann.

„Nein, das geht nicht“, antwortete Nexel. „Ich kann hier drin unmöglich Feuer anzünden, um zu frühstücken, es ist doch alles voller Holz und Heu hier! Und Rorax weigert sich – verständlicherweise – wie ein Pferd aus einer Tränke oder einem Eimer zu trinken. Aber wir waren doch nicht lange fort, dachtest du etwa, wir würden dich alleine lassen?“

Der weiße Drache antwortete nicht.

„Xarix!“, rief Fynn. „Wie kannst du das bloß von uns denken! Wir haben alle die letzten zwei Tage an deiner Seite verbracht und weder Nexel noch Rorax haben Nahrung zu sich genommen, aus Sorge um dich!“
 

Tatsächlich hatte der Drache ganze eineinhalb Tage durchgeschlafen.

Ernähren tat er sich ja sowieso bei jedem Atemzug und als er endlich wieder erwacht war, hatte er zu seiner großen Überraschung den schlafenden Menschen dicht neben sich gefunden.

Sein erster Reflex war Flucht gewesen, es roch scharf nach Pferden und noch schärfer nach Menschen, doch der Junge lag so friedlich neben ihm, dass er sich doch nicht rühren wollte.

Doch dann hatte der rote Drache, der anscheinend gehört hatte, dass er vor Überraschung geschnaubt hatte, über die Trennwand geschaut und als der weiße Drache ihn gewahr wurde, war er erschrocken und ängstlich brüllend aufgesprungen.

Glücklicherweise war Fynn sofort wach und entsetzt ebenfalls aufgesprungen, denn ansonsten wäre er im nächsten Augenblick unter dem weißen Körper des Drachen begraben worden, der vor Schmerzen jaulend wieder zusammen gebrochen war.

Trotz der Schmerzen hatte der weiße Drache erneut den Kopf gehoben und in Nexels Richtung gefaucht. Doch der hatte sich klugerweise schnell geduckt und war für den Verletzten nicht mehr zu sehen.

Aus der gegenüberliegenden Box drangen Geräusche und kurz darauf schob sich ein erschrockener, noch ziemlich verschlafen drein blickender Rorax seinen Kopf durch die Tür.

„Es ist alles in Ordnung! Du bist in Sicherheit!“, versuchte Fynn derweil den Drachen zu beruhigen. „Wir sind Freunde! Wir sind alle deine Freunde! Der rote Drache wird dir nichts tun! Du bist in Sicherheit!“

In dem Augenblick ertönte die Stimme von Kubwa, dem Stallmeister. „Fynn?! Alles in Ordnung? Was ist passiert?“

„Alles in Ordnung, Kubwa! Der weiße Drache hat sich nur erschreckt. Mir geht’s gut!“

Brummeln war zu hören und dann leise, beruhigende Worte, mit denen der braunhaarige, muskulöse Mann die aufgebrachten Pferde besänftigte.

Der weiße Drache wandte sich unruhig, sein Kopf schwang schnell hin und her, als er versuchte, mit seinem einzigen, verbliebenen Auge alles im Blick zu behalten.

„Schon gut, schon gut“, sprach Fynn beruhigend auf ihn ein. „Alles ist in Ordnung, niemand wird dir wehtun! Ich kann verstehen, wie du dich jetzt fühlst, von Menschen umgeben, die du fürchtest, von Drachen umgeben, die dich verletzt haben, diese Situation ist sehr beängstigend. Du hast Schmerzen, dir fehlt die Hälfte deines Blickfeldes, die ganze Welt ist bedrohlich und unübersichtlich. Aber bitte, bitte vertrau mir! Ich will dir nur helfen!“

Die Atmung des weißen Drachen beruhigte sich wieder, auch wenn seine Schwanzspitze noch immer nervös zuckte. Er blickte noch einmal zur Trennwand, zu Nexels Box und schnaubte leise.

„Nein“, antwortete Rorax sanft. „Auch Nexel wird dir nichts tun. Du bist nicht länger unser Feind, wir wollen dir ALLE nur helfen.“

Leises Fauchen des Weißen erklang.

„Wir haben Mitleid. Unser Freund Xankir wurde genauso schlecht von Adui behandelt wie du, das hat niemand verdient!“, sagte Rorax.

Erleichtert seufzend senkte der Verletzte den Kopf auf das Stroh und ließ es sogar zu, dass Fynn ihm über den verstümmelten Kopf strich.

„Mein Name ist Fynn. Das sind Rorax und der Feuerkiuma heißt Nexel“, stellte der Mensch vor.

Der Weiße schnaubte.

„Xarix? Das ist ein schöner Name“, sagte Rorax. Und dann entspannte sich der geschuppte Körper und ihr neuer Freund war wieder eingeschlafen.
 

„Hey, Fynn“ Alles in Ordnung mit dir? Kann ich reinkommen?“, rief jemand von Eingang des Stalles herüber.

„Guten Morgen, Fürst Jirani. Moment! Es ist besser, ich komme raus“, antwortete Fynn.

Er strich noch einmal sanft über Xarix' Hals und stand auf. Als er die Box verließ, schob Nexel vorsichtig seinen Kopf durch die Tür – er wollte Xarix' Vertrauen gewinnen und sich um ihn kümmern.

Fynn lief zu Jirani, der draußen auf ihn wartete und ihn erwartungsvoll entgegen sah.

„Wie geht es dem Drachen?“, fragte er.

„Xarix ist sehr verwirrt und schüchtern, er hat Angst, er befindet sich schließlich in einem Gebäude der Menschen und ist verletzt und wehrlos. Deswegen möchte ich Euch bitten, nicht in den Stall zu kommen, das würde die Situation vielleicht eskalieren lassen.“

„Gut. Ich werde anweisen, dass sich niemand dem Stall nähern darf, außer Kubwa – jemand muss sich ja um die Pferde kümmern.“

„Vielen Dank.“

In dem Augenblick kam der junge, blonde Adlige vorbei.

„Ah, Kuponya! Bitte komm kurz herüber!“, rief Jirani.

„Wie kann ich Euch zu Diensten sein, mein Fürst?“, fragte der junge Mann, als er näher trat.

„Fynn, Kuponya ist ein hervorragender Heiler, Er hat viel von Pole, dem Weisen Alten gelernt, ihn inzwischen sogar übertroffen, was das Wissen von Heiltränken und Kräutern angeht. Er steht dir zur Verfügung, solltest du irgendetwas brauchen, um die Verletzungen und Schmerzen deines... Freundes zu lindern.“

„Das ist sehr großzügig, vielen Dank!“, meinte Fynn erfreut.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn ich deinem Freund mit meinem Wissen helfen kann“, sagte Kuponya freundlich.

Plötzlich erklang aus dem vorderen Bereich des Hofes – der mit einer Holzpalisade vom hinteren Teil getrennt war – ein lautes, metallenes Geräusch und zwei laute Stimmen folgten. Offensichtlich stritten sich zwei Männer. Der Fürst stöhnte, entschuldigte sich und verschwand in Richtung des Streites.

Fynn war anfangs beunruhigt und sogar erschrocken gewesen, als er das erste Mal einen Streit zwischen Kubwa, dem Stallmeister und Salama, dem schwarzhaarigen Ritter mit dem großen Schwert mitbekommen hatte.

Doch inzwischen wunderte er sich mehr darüber, dass jeder, den er fragte behauptete, die beiden wären die besten Freunde.

Kuponya schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Fynn zu.

„Brauchst du etwas? Kann ich helfen?“

„Ja. Xarix hat Schmerzen. Hättet Ihr vielleicht ein schmerzstillendes Mittel für ihn?“

„Ich werde ein paar Kräuter sammeln und eine Salbe herstellen. Deinem Freund wird es bald wieder bes-“

„Kuponya!! Wo bleibst du denn? Lässt man seinen Meister etwa warten? Ich dachte, ich hätte dir Manieren beigebracht!“, rief eine brüchige Stimme aus dem Turm, der den Hof überragte.

Die beiden hoben die Köpfe und sahen den alten Mann aus dem obersten schmalen Fenster zu ihnen hinunterblicken.

„Verzeiht mir, Meister Pole, ich bin schon unterwegs!“, antwortete Kuponya, verabschiedete sich schmunzelnd von Fynn und machte sich eiligst auf den Weg.

Kaum hatte sich die Tür hinter dem blonden Adligen geschlossen, rauschte Kubwas jüngerer Bruder Dogo um die Ecke, auf Fynn zu.

In der Morgensonne glänzte das Profil des Adlers, das in seine leichte Rüstung gestanzt war, besonders schön. Doch sein roter Kinnbart zuckte und er starrte grimmig, sodass die Ähnlichkeit mit seinem Bruder noch mehr hervortrat.

„Hey, Fynn! Hast du Kuponya gesehen? Fürst Jirani meinte, er wäre eben noch hier gewesen!“

„Ja“, nickte der Angesprochene und deutete auf den Turm.

„Er ist dort drin, bei Meister Pole.“

Ohne ein weiteres Wort verschwand Dogo, wie zuvor der Heiler hinter der Holztür und Fynn beschloss, mal nachzusehen, wie es den beiden Streitenden ging.

Er setzte sich in die Richtung in Bewegung, aus der vor kurzem noch Streitgeschrei zu hören gewesen war, jetzt aber eine verdächtige Stille herrschte.

Als er an der Holzpalisade vorbeikam, sah er die Streithähne.

Sie saßen jeder auf einem Holzschemel und beäugten sich wütend.

Salama presste sich ein blutiges Tuch gegen seinen schwarzen Schopf, während Kubwa versuchte, ein viel zu kleines Stofftaschentuch um einen großen Schnitt am Arm zu wickeln.

Salama hielt noch immer das Schwert fest, ohne das ihn Fynn noch nie gesehen hatte. Neben Kubwa auf dem Boden lag eine Mistgabel.

Offensichtlich war dieser Streit nicht nur verbal ausgetragen worden, wie es sonst der Fall war.

Muziki, der Musiker der Burg, lief gerade mit einem Eimer Wasser auf den doch recht stark blutenden Stallmeister zu und wirkte ziemlich fehl am Platz mit seiner bunten Kleidung und dem wagenradgroßen Hut auf dem Kopf.

Die Glöckchen an seinen spitzen Schuhen klingelten hektisch bei jedem Schritt.

Jirani stand zwischen den beiden Kontrahenten, hielt eine Strafpredigt und verbot es den beiden strengstens, noch einmal Waffen gegeneinander zu erheben.

„Ach du meine Güte Kann man die beiden denn nie alleine lassen?“, rief Kuponya und stürmte an Fynn vorbei, energisch in seiner großen Tasche wühlend.

Er beugte sich über Kubwa, zog das nutzlose Taschentuch beiseite und presste dem laut fluchenden Mann eine halbe Wurzel auf den Schnitt.

„Halt das fest!“, befahl er.

„Verflucht, das tut doch weh, Mann!“, war die wimmernde Antwort.

Gerade als Salama anfangen wollte, laut zu lachen, zog Kuponya ihm die Hand von der Stirn und klatschte die zweite Hälfte auf die kleine Platzwunde. Darauf ertönte ein weiterer Fluch.

Fynn wandte sich von der Szene ab und beobachtete interessiert das Verhalten der Bediensteten, die geschäftig über den Hof liefen.

Einige Küchenjungen standen grinsend am Rand und verfolgten das Schauspiel, andere wiederum schienen das zu kennen. Mit ausdruckslosen Gesichtern gingen sie ihrer Wege, ohne ihren, immer noch schimpfenden Herrn oder dessen Vertrauten zu beachten.

Gerade, als Fynn wieder zurück zu seinen Freunden wollte, legte sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter und er fuhr erschrocken herum.

Zwei undeutbare, schwarze Augen blickten knapp an seiner Schulter vorbei.

„H-Habari, Ihr habt mich vielleicht erschreckt!“, keuchte Fynn.

Doch der Spion des Fürsten antwortete nicht.

Fynn hatte ihn seit dem Tag, als er mit den anderen Vertrauten Xarix half, in die Burg zu gelangen, nicht mehr gesehen, doch seine mysteriösen tiefschwarzen Augen hatte er nicht vergessen können.

„Du solltest mal wieder deine Eltern besuchen. Seit du hierher kamst, warst du nur einmal bei ihnen. Sie sorgen sich um dich“, sagte Habari dann mit seiner tonlosen Stimme.

Ein Schauer lief über Fynns Rücken. Hatte der Mann ihn etwa die ganze Zeit über beobachtet?

„Es ist meine Aufgabe, alles zu wissen, was hier am Hofe vor sich geht.“

Ein zweiter Schauer ließ Fynn erzittern, als er das sagte. Konnte er Gedanken lesen?

Habaris schmale Lippen verzogen sich und deuteten ein Lächeln an, das ihn kein Stück sympathischer erscheinen ließ.

Dann drückte er Fynns Schulter kurz und ging davon – weg von den Verletzten, die Kuponya gerade verarztete und sein heller, fast schon farbloser Kopf verschwand hinter der Holzpalisade in den hinteren Hof.

Fynn konnte ihn auf Anhieb nicht leiden, was Habaris Angewohnheit, einem niemals direkt in die Augen zu sehen auch nicht besser machte, beschloss aber dennoch, seinen Rat zu befolgen und seine Eltern am Nachmittag zu besuchen.

Als er wieder beim angelangte, hörte den nächsten Streit.

Er trat in das Holzgebäude und fand Rorax und Nexel vor, die sich im Gang gegenüber aufgebaut hatten und sich anstarrten.

„Du bist ziemlich kalt für einen Feuerkiuma!“, knurrte Rorax aufgebracht.

„Ich bin nicht kaltherzig. Ich sage nur, dass ich nichts weiter getan habe, als das, was getan werden musste!“, antwortete Nexel weitaus ruhiger und betont lässig.

„Was ist hier los?“, fragte Fynn und beobachtete beunruhigt, wie Rorax' Schwanz (der Wasserkiuma stand mit dem Rücken zum Eingang) aufgebracht hin und her schwang und dabei bedrohlich nahe an die Türen der Pferdeboxen kam. Sollte er eine treffen, war es nicht unwahrscheinlich, dass er sie versehentlich beschädigte.

Nexel sah ihn über Rorax' Rücken hinweg an – was ihm nicht schwerfiel, da der Wasserkiuma kleiner war und zudem den Kopf in Angriffshaltung gesenkt hatte – und öffnete die Schnauze, um zu antworten. Doch der Blaue war schneller.

„Wir reden gerade über den Vorfall in der Nacht, als uns Xarix verfolgte und über Nexels Schuld an seinem Zustand!“, knurrte er.

„Was unsinnig ist“, ergänzte der Feuerdrache, „da ich keine Schuld habe!“

Fynn überkam das Verlangen, Rorax' Schwanz einzufangen und festzuhalten, doch er hatte Angst, sich zu verletzen. Stattdessen behielt er die Schwanzspitze im Auge, bis ihm von dem schnellen Hin und Her fast schwindlig wurde.

„Schluss jetzt!“, rief er laut, als Rorax nun doch eine Box traf und es laut krachte. Das Pferd in der Box wieherte erschrocken. „Raus mit euch! Alle beide!“

Endlich ließ Rorax Nexel aus den Augen und drehte seinen langen Hals, bis er seinen Freund hinter sich stehen sah. Das letzte Mal hatte er Fynn so wütend gesehen, als sie Xankir verfolgt hatten und er sich im Dornenbusch einen Dorn in den Fuß getreten hatte.

„A-aber Fynn...!“, wollte er protestieren, doch der Mensch ließ ihn nicht ausreden.

„Wir sind hier Gäste! Und es gehört sich nicht für Gäste, das Eigentum von Gastgebern zu beschädigen oder deren Pferde scheu zu machen! Ihr wollte euch streiten? Dann tut das draußen, wo ihr genügend Platz habt und vor allem Xarix nicht stört!“

Betroffen blickte Rorax zu Boden.

„Entschuldige, daran habe ich gar nicht gedacht...“

Nexel verzog keine Miene und sah auch nicht aus, als wollte er sich entschuldigen. Das machte Rorax sofort wieder wütend.

„Lass mich raten. Du bist dir keiner Schuld bewusst!“, fauchte er.

„RAUS!“, befahl Fynn und beide Drachen zogen die Köpfe ein.

Dann setzten sie sich in Bewegung. Rorax drehte sich so vorsichtig wie möglich in dem – für ihn – engen Flur um und die beiden sahen ihrem Freund nicht in die Augen, als sie an ihm vorbei hinaus gingen.

Fynn lief den Gang hinunter und sah in Xarix' Box hinein.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er besorgt. „Kann ich dir was Gutes tun?“

Die graue Maske hob sich und ein gelbes Auge blinzelte ihn müde an. Er schnaubte leise und schüttelte den Kopf. Der Mensch tätschelte ihm die Stirn und lächelte in das verzerrte Gesicht.
 

Die geschmolzenen Schuppen verdeckten nicht nur sein rechtes Auge, sondern auch zum großen Teil seine Nüstern – wobei es die rechte Seite schlimmer erwischt hatte, als die linke, durch die er hauptsächlich atmete – sondern auch sein Maul, das, wenn er es öffnete rechts vollständig von Schuppenmasse verschlossen wurde, links jedoch teilweise frei war, was ihm erlaubte zu sprechen, also zu fauchen und zu knurren. Den Göttern sei Dank brauchte er jedoch keine feste Nahrung, sondern ernährte sich von Luft, sonst wäre er längst verhungert.
 

„Schlaf noch ein bisschen, ich kümmere mich um die Streithähne. Und heute Abend hole ich einen Zuber heißes Wasser und dann wirst du mal gründlich geschrubbt. Wie findest du das?“

Unter der Maske zeigten Verdickungen an, wo früher seine Lefzen waren und diese verzogen sich nun zu einem eindeutigen Lächeln, als der Weiße Fynn zunickte.

Dann lief Fynn seinen Freunden hinterher, die sich durch die Holztür in den Wald verzogen hatten, durch die sie am Morgen gekommen waren.

Es war ganz einfach, sie zu finden, als er Burgmauer hinter sich gelassen hatte, denn die streitenden Stimmen waren nicht zu überhören.

Sie standen mitten im Dickicht einander gegenüber und nun schien sogar Nexel wütend zu sein.

Fynn trat zwischen sie – nur um sicher zu gehen, dass sie nicht aufeinander losgingen.

„Jetzt hör endlich damit auf!“, rief Nexel. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen! Es war Notwehr! Ich habe euch beschützt. Ich habe DICH beschützt!“

„Fynn hat es damals schon gesagt, und ich wiederhole es: Es hätte eine andere Lösung geben müssen!“

„Es gab keine! Keine, die euch nicht gefährdet hätte!“

„Jetzt beruhigt euch erst mal!“, rief Fynn dazwischen.

Dann wandte er sich Rorax zu.

„Was passiert ist, ist passiert. Man kann es nicht rückgängig machen. Lass uns nach vorne blicken und versuchen, Xarix zu helfen.“

„Ach, und das war's? Einfach vergeben und vergessen?“

„Was willst du? Eine Bestrafung?“, fragte Fynn, jetzt auch leicht verärgert.

„Eine Entschuldigung wäre das Mindeste!“

„Aber ich habe es nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Notwehr getan! Seit wann muss man sich für Notwehr entschuldigen?“, antwortete Nexel überheblich.

„Du-!“, fauchte Rorax wieder los.

„Schluss jetzt! Streiten hilft doch nichts! Wenn Nexel nicht der Meinung ist, sich entschuldigen zu müssen, dann können wir ihn nicht zwingen!“

„Aber-!“

„Nein, Rorax. Hört auf, euch zu streiten, es bringt doch nur Unfrieden. Und wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, Xarix auf die Beine zu helfen und mit seiner... seiner Situationen zu leben.“

Dann drehte Fynn sich zu Nexel um.

„Aber ich möchte dir trotzdem sagen, dass ich es auch nicht in Ordnung finde, wie du dich verhältst. Du warst zwar gezwungen zu tun, was du getan hast, aber ich glaube, dass auch Xarix nicht aus freien Stücken gehandelt hat. Ich bin sicher, auch er war gezwungen zu tun, was er tat.“

„Und von ihm verlangt keiner eine Entschuldigung!“, warf Nexel ein.

Bevor Rorax wieder loswettern konnte rief Fynn laut: „Das führt zu nichts! Lasst uns aufhören zu streiten! Konzentrieren wir uns auf Xarix! Ich werde jetzt nachsehen gehen, ob Kuponya mit dem Heilmittel für ihn fertig ist. Und ihr zwei...“, seine Stimme nahm einen drohenden Unterton an, „...vertragt euch entweder und leistet Xarix Gesellschaft, oder ihr kühlt euch im Wald ab. Aber ich will keine weiteren Streitigkeiten mitbekommen! Klar?!“

Mit einem letzten Blick zum jeweils Anderen, gingen die beiden getrennte Wege – Rorax Richtung Burg, Nexel in den Wald.

Fynn schüttelte den Kopf. „Wie auf dem Dorfplatz*.“

Dann wandte er sich ebenfalls der Burg zu und kehrte in den Hof zurück. Als er am Stall vorbeikam, konnte er die leise Unterhaltung zwischen Rorax und Xarix hören.

'Hoffentlich stachelt Rorax ihn nicht wieder gegen Nexel auf!', dachte Fynn besorgt.

Dann betrat er den vorderen Hof, doch dort ging alles wieder seinen gewohnten Gang und keiner von Jiranis Vertrauten war zu sehen. Ratlos blieb Fynn stehen, wo sollte er Kuponya suchen?

Er beschloss Meister Pole zu fragen, der sicherlich noch in seinem Turm saß – diesen verließ er selten, wie er in der kurzen Zeit, in der er hier war, festgestellt hatte.

Er ging zurück in den hinteren Hof und öffnete die Tür zum Turm, um neugierig hinein zu blicken.

Er erblickte eine lange Treppe, die sich spiralförmig nach oben wand. Alles war aus Stein und es hing kein Schmuck an der Wand.

Fynn fühlte Unsicherheit in sich aufsteigen – durfte er einfach den Turm betreten?

Nach kurzem Zögern überwand er sich, schloss die Tür hinter sich und betrat die Treppe. Er würde es nicht herausfinden, indem er hier unten stand und darüber nachdachte.

Er fühlte sich wie ein Einbrecher, oder ein Dieb, als er leise die Stufen erklomm, und das gefiel ihm gar nicht.

Endlich hatte er die letzte Stufe erreicht und stand vor einer dunklen, schweren Holztür.

Schnell wischte er sich die feuchten Hände an der Leinenhose ab – dann klopfte er zaghaft.

Einen Moment lang hielt er gespannt die Luft an, dann öffnete sich die Tür mit einem Ruck und Kuponya sah ihn erstaunt an.

„Ach, du bist es? Du hast so leise angeklopft, ich dachte, ich hätte mir verhört. Du kommst wegen deiner Heilmittel, nicht wahr? Komm rein“, sagte er und öffnete die Tür weit, um Fynn mit einem freundlichen Lächeln herein zu lassen.

Hinter ihm schloss der blonde junge Mann die Tür wieder und wandte sich einem Tisch zu, dessen Platte man vor lauter Kräutern, Messern, Körben voller Wurzeln und Schneidebrettern kaum noch sehen konnte.

„Ich bin gleich fertig, wenn du bitte noch einen Moment Geduld hast“, sagte Kuponya und begann damit, einige Kräuter und seltsam schimmernde Flüssigkeiten aus kleinen Tonkrügen in eine Schale zu geben und mit einem Stößel zu zerstampfen.

Während er wartete, sah sich Fynn um.

Ausgenommen des Tisches, an dem der Heiler arbeitete, war es sehr ordentlich in dem runden Raum. Die steinernen Wände waren mit vielen Pergamenten beklebt, auf denen Mondtabellen und Zeichnungen von Pflanzen zu sehen waren.

An einer Wand war ein riesiges Bücherregal mit dicken Wälzern und von der Decke hingen Pflanzen zum Trocknen.

Durch drei große Fenster kam Licht herein, die Mitte des Raumes war mit einem großen Teppich belegt und in einer Ecke entdeckte der Besucher eine Falltür.

Fynn ging zum Bücherregal und zog vorsichtig eines der Schriftstücke heraus, um es zu öffnen.

Verwundert sah er auf die seltsamen Zeichen, die die Seiten bedeckten.

„Die sind alle von Meister Pole persönlich verfasst worden“, sagte Kuponya, der hinter ihn getreten war und über seine Schulter sah.

„Was steht da drin?“, fragte Fynn und drehte sich zu ihm um.

„In diesem Buch hier“, Kuponya deutete auf das in Fynns Hand, „stehen giftige Pflanzen und ihre Wirkung auf den menschlichen Körper.“

„Aha.“ Fynn starrte fasziniert die winzigen Zeichen an.

„Sag, Fynn...“, begann Kuponya nach kurzem Zögern. „Kann es sein, dass du... nicht lesen kannst?“

Der Besucher blickte überrascht auf. „Nein, natürlich nicht.“

„Na- natürlich nicht?!“, stotterte Kuponya. „Wieso ist das so natürlich?“

Fynn grinste.

„Entschuldigt, für Euch muss das seltsam klingen, weil Ihr ein Gelehrter seid. Aber einfache Bauern und Dörfler wie meine Eltern und ich, wir brauchen keine Schrift. Wozu also so etwas lernen?“

„Ich denke, das verstehe ich. Irgendwie... Aber gibt es denn in eurem Dorf keinen, der Lesen und Schreiben kann?“

Fynn dachte einen Moment lang nach.

Hm, ich glaube, ich habe mal gehört, dass unser Dorfältester lesen und schreiben kann – aber sicher bin ich mir nicht.“

„Ach so... Nun, hier ist jedenfalls dein schmerzstillendes Mittel. Trag es auf die schmerzenden Stellen auf, und es wird deinem schuppigen Freund Linderung verschaffen.“

Fynn bedankte sich und nahm den Tonkrug entgegen, der mit einem Korken aus geschnitztem Holz verschlossen war.

„Wenn du noch etwas brauchst, kannst du gerne wieder anklopfen.“

„Danke, mach ich“, antwortete Fynn und wandte sich der Tür zu.

Im Stall angekommen, bemerkte er, dass Nexel noch nicht zurückgekommen war, doch Rorax leistete Xarix noch immer Gesellschaft.

„Hier hab ich deine Medizin. Die wird dir helfen“

Fynn bestrich Xarix' Kopf mit der klebrigen Paste, die einen starken Kräuterduft verbreitete und der Drache schloss wohlig auf seufzend das Auge.

„So“, sagte Fynn und stellte den Krug in ein Regal neben eine Bürste zum Striegeln eines Pferdes und einen Hufauskratzer.

„Den Rest bekommst du heute Abend nach dem Waschen. Ich geh jetzt meine Eltern besuchen. Und keinen Streit, wenn Nexel wieder auftaucht“, warnte er Rorax.

Dann verließ er den Stall, durchquerte den hinteren und den vorderen Hof und machte sich auf zu seinen Eltern.

Auf dem Word zu ihrem Haus kam er nahe am Wald vorbei.

„Psssst! Fynn!“, zischte eine Stimme aus nächster Nähe, sodass der Angesprochene heftig zusammenzuckte.

Er spähte in den Wald, konnte aber Nichts und Niemanden entdecken.

Wieder hörte er die Stimme und sie klang ganz nah.

„Ich bin's, Xankir!“

„Xankir?“, Fynn ging auf die vermeintliche Quelle der Stimme zu und seine tastenden Hände stießen gegen kühle Schuppen.

Da, zwischen den sprießenden, grünen Zweigen und dem dunklen Braun der Baumstämmen blickte er in zwei große Augen. Der Rest des Drachen war aufgrund seiner perfekten Anpassung an das Grün und Braun nicht auszumachen.

„Da bist du ja endlich! Ich warte hier schon seit gestern! Seit ich über diese Burg geflogen und deine Eltern auf dem Acker davon hab arbeiten sehen. Ich hatte gehofft, du würdest sie bald aufsuchen. Ich hab mir Sorgen gemacht! Hättest mir ruhig eine Nachricht zukommen lassen können, ob alles gut gelaufen ist!“

„Tut mir Leid. Entschuldigung“, sagte Fynn immer noch perplex.

Ein Gedanke drängte sich ihm auf.

Habari, der Spion, hatte ihm geraten, seine Eltern zu besuchen. Wusste er, dass Xankir auf ihn wartete?

Dann verdrängte ein anderes Gefühl die Unruhe, die ihn bei diesem Gedanken befiel: Freude.

Xankir war wieder bei ihm, die vier Freunde waren wieder vereint. All seine Probleme hatten sich in Luft aufgelöst.
 

Und er hoffte, dass endlich wieder Frieden in sein Leben einkehren würde.
 

*Fynn bezieht sich darauf, dass bei guten Wetter auf dem Dorfplatz die Kinder betreut werden, gleichzusetzen mit unserem „Kindergarten“



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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von:  Olschi
2009-09-05T20:57:16+00:00 05.09.2009 22:57
endlich kam ich dazu den kapi zu lesen.

ich muss sagen, dass ich immer erst überlegen muss, wie der stand der dinge ist, weil es so selten updates gibt. aber inzwischen weiß ich wieder alles und ich weiß ja, dass mna nicht immer zeit zum schreiben hat. das negative davon ist manchmal bloß, dass man leser verliert... habich zumindest bei mir festgestellt, wenn ich zu lange nichts hochgeladen hab.

jetzt komm ich aber zum eigentlichen kommi: ich fand es leicht nervig, wie die menschen über die drachen unteilten, aber das scheint sich ja zu ändern. endlch haben sie hilfe, auf die sie sich hoffentlich auch verlassen können. Ich persönlich bin noch leicht skeptisch... mal schauen.
der weiße drache tut mir leid. wüsste zu gern, warum er den fürsten gehorcht hat... weil der fürst vll sein blut getrunken hatte?

hoffe das nächste update kommt etwas schneller, aber lass dich nciht hetzen. Huptsache man mag den kapi.
Von: abgemeldet
2009-04-06T15:44:29+00:00 06.04.2009 17:44
das war ja echt knapp. aber was passiert weiter? was macht der mann, will er sie erpressen oder helfen? will wissen!!!!! bitte schreib schnell weiter. sonst zerplatze ich noch vor neugierde.
du schaffst es, dass die spannung nie abbricht. find ich gut. mach weiter so, ich wüsst überhaupt nichts zum aussetzen....
Von:  Olschi
2009-04-04T18:34:42+00:00 04.04.2009 20:34
Huch. Das Ende kam aber überrascvhend. Dann gibt es also auch gute Menschen auf der Welt.
War spannend, der Kapi. Ihc saß die ganze Zeit angespannt da. Und der weiße Drache tut mir echt leid, was der Fürst ihm angetan hat. Wie kann man nur so wunderbaren Wesen, so etwas furchtbares antun;__; Wo sie nicht einmal Fleisch essen.
Ich finde es unglaublich wie Fynn und seine Freunde sich bemühen, den Drachen zu befreien. Ich hoffe stark, dass seine Eltern auch wirklich in Sicherheit sind, aber irgendwie hab ih ein ungutes GefühlO__o
Jedenfalls hat es mich gefreuit, dass endlich ein neuer Kapi kam. Freu mich schon aufs nächste.
Von:  Olschi
2008-09-12T11:17:25+00:00 12.09.2008 13:17
AAAArrrr cih könnt den fürsten aufschlitzen!!!! Was fällt ihm eine, den süßen Xankir zu quälen. Stirb, verrecke, kratz ab du sau!
eh...O__O
ich hab mich mitreisen lassen.
Es wird echt spannend. Ich frag mich woher der Fürst Fynn kennt und was er von ihm will. Ich weiß, du hast wenig zeit aber ich schreibs trotzdem: mach schnell weiter8>.<8
Von:  Thuja
2008-05-21T13:33:35+00:00 21.05.2008 15:33
Hi
Sorry hab schon damals gesehen, dass es weiter geht, dann wollt ich am nächsten Tag lesen und da hat ich’s dann vergessen
„seufz“
hoffe du verzeihst mir
war auf jeden Fall ein schönes und sehr spannendes Kapitel

Schon beim Einstieg ging es ja aufregend los. Einen Moment lang dachte ich schon, dass Fynn verloren hat und ebenfalls eingesperrt wird, aber glücklicherweise hat er so gute Freunde, die ihn nicht einfach im Stich lassen
Die Drachen sind eben echt gute Wesen, umso schlimmer ist es, dass der Fürst sie missbraucht. Dafür hat er echt ne Strafe verdient :D

Die Rettungsaktion fand ich cool und auch ein wenig lustig. Vor allem das im Kerker. Lol Die Soldaten wurden voll verarscht

Richtig toll war auch, wie du das Elend der eingesperrten Wesen beschrieben hast. Sehr anschaulich!
Nur warum der Fürst Xankir überhaupt einsperrt. Ich dachte er würde den Drachen für seine Zwecke nutzen wollen, da hät ich schon dafür gesorgt, dass er nicht kurz vorm verrecken ist, zumal es dem weißen ja damals scheinbar besser ging. Aber inzwischen muss auch er leiden

Fynn hat mal wieder sein gutes Herz bewiesen
Ich wünsch mir eigentlich, dass der weiße auch gerettet wird
Er tat mir so Leid

Also mach bald weiter

Von:  blacksun2
2008-05-14T12:00:17+00:00 14.05.2008 14:00
hey, du hast ja kein Ton gesagt, dass es weitergeht *grummel*

also ich find es toll, wie sich Fynn um seinen Freund sorgt und freu mich, dass er es endlich geschafft hat Xankir zu retten.
er ist ja mehr als nur gutherzig, dass er den andren Drachen auch noch am liebsten gerettet hätte, bei dem Anblick kann ich das allerdings verstehen, deine Beschreibung da war gut, konnt mir das Bild des Elends richtig gut vorstellen
die Anfangszene war spannend auch wenn Fynn sich da etwas doof angestellt hat, er hätte ja die Kraft von Magiza nutzen können um zu entkommen, war wohl die Aufregung . . .

wenn es weitergeht sag mir bitte Bescheid
Von:  blacksun2
2008-02-24T18:46:25+00:00 24.02.2008 19:46
das Kapitel war toll, icht nur vom Inhalt sondern auch vom Ausdruck, du hast alles sehr gut beschrieben und viele tolle Einfälle eingebaut

hmm, Fynn ist ein sehr mitleidiger junger Mann, ob das gut oder schlecht ist, wird sich noch zeigen (aber ich nehme mal an es kann nie schaden auch für seine Gegner sowas wie Mitleid zu empfinden)

Jani ist immer noch so niedlich, ihre kindliche naive Art ist richtig putzig

hmm schwer vorzustellen, dass er jetzt so bewachsen ist

na hoffentlich schaffen sie es jetzt Xankir zu befreien, falls er überhaupt im Schloss ist und auf den weißen Drachen werden sie bestimmt auch nochmal treffen

freu mich auf die Fortsetzung, also lass uns nicht wieder so lange warten ^^
Von:  Thuja
2008-02-06T17:51:21+00:00 06.02.2008 18:51
Respekt für deine Einfälle. War ein sehr kreatives Kapitel.
Coole Idee mit den Pflanzen. Ich hoffe sehr, dass sie helfen werden Xankier zu retten.
Fynns Mitleid auch für Geschöpfe, die seine Gegner sind, finde ich beeindruckend und lobenswert. Sicher es war gefährlich zurück zugehen, aber ich fand es toll von Fynn, dass er das trotzdem gemacht

das Kapitel war wirklich cool. Auch vom Ausdruck her.
Jani ist auch so ein richtig süßer Spatz. Äußerlich mag sie gewachsen sein, innerlich eher nicht :D

erstaunlich fand ich auch, dass Fynn jetzt Kräfte der Gottheit in sich hat. Sicher nur einen kleinen Teil, aber dennoch.... Er ist inzwischen ein wirklich ganz besonderer Mensch. Er kann sich mit den Großteil der Drachen unterhalten und er besitzt, naja ist vllt. ein wenig übertrieben das zu sagen, übermenschliche Kräfte. Gut, dass er ein sehr bescheidener Junge ist und diese Macht nicht missbraucht, sondern sie nur zum Guten nutzt

also Fynn Go. Rette Xankir endlich :D

Ich hoffe sehr das nächste Kapitel kommt schneller. Also quäl mal ein wenig deine Tastatur
Von:  Olschi
2008-02-03T22:30:18+00:00 03.02.2008 23:30
uuuuuuuuuuuuui, jetzt ist er mit Pflanzen bewachsenXDDDD Boah, was du alles für Ideen hastO.O Echt krass. ich mag dier story^^ hab es bestimmt shcon mal erwähnt
hoffentlich können sie bald Xankier (uff, wie wird das geschriebenO.o) retten
Von:  blacksun2
2007-11-07T09:23:18+00:00 07.11.2007 10:23
joa fand das Kapitel auch spannend

wie viele Drachen hat der Fürst den noch und vor allen was hat er vor? ich bezweifle mal, dass er ne Drachenzucht aufmachen will
na wenigstens versteht Fynn jetzt Nexel (frag mich gerade ob Drachenblut wohl schmeckt)
ist der silberne Drache jetzt tot oder nur getroffen (werd ich ja sicher bald erfahren)
die Flucht fand ich cool (nur ob sie es nochmal schaffen in die Burg zu kommen o.O)


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