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Sei nicht traurig!

Ein Wintermärchen
von

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Tau

Noch bevor die Sonne aufging, rüttelte Lysander seinen Freund wach: „Fynn, steh auf, wir wollen aufbrechen. Im Moment schneit es nicht.“

Verschlafen murmelte der Geweckte etwas Unverständliches, drehte sich um und wollte weiter schlafen, doch Lysander zog ihm rigoros die Decke weg: „Ich habe Lorena versprochen, wir würden fort sein, wenn sie am Morgen hier erscheint, uns zu wecken. Es ist genau der richtig Zeitpunkt.“

Langsam stand Fynn auf und kleidete sich an; es kam ihm vor, als sei er gerade erst zu Bett gegangen – und das war tatsächlich nicht unmöglich.

Die beiden Freunde streiften sich die Mäntel über, in denen sie gekommen waren, und schlichen ohne Licht zu machen zum Schlosstor.

Kaum, da sie in die Kälte traten, fröstelte Fynn. Er war dieses Klima nicht mehr gewohnt und zusätzlich nicht ausgeschlafen. Schwer seufzte er; hätte er sich doch gern noch ein letztes Mal mit Silencius unterhalten; sich bedankt...

Die Sonne tauchte langsam hinter dem Horizont auf und brachte den Schnee zum Glitzern und Funkeln. Das helle Licht irritierte die beiden Reisenden; ließ es doch diese Eiswüste schöner wirken, als den wärmsten Sommertag.

Lysander war der erste, der sich von diesem unglaublichen Anblick losriss und sich auf den Weg machte; Fynn folgte. Doch im Gegensatz zu seinem Freund wandte sich Fynn im Gehen noch ein letztes Mal zu diesem Schloss um, welches sich schwarz von dem orange farbigen Lichtball der aufgehenden Sonne abhob. Er musste lächeln: Auf einem der Türme sah er ein kleines Mädchen mit rotem Haar sitzen, es winkte zum Abschied. Fynn erwiederte den Gruß.

„Wem winkst du?“, fragte Lysander verwirrt und wandte sich ebenfalls zum Schloss um. Doch Aydin war bereits mit der Sonnenkugel eins geworden und verschwunden.

Ein leises Zwitschern, wie von Tausenden von Vögeln, erfüllte die Luft. Überrascht blieb Lysander stehen; und Fynn tat es ihm nach: „Was zum...?“

Vor dem Sonnenball tauchte eine glitzernde Woge auf, die sich über den Himmel verteilte und als sie fast bei den beiden Reisenden angelangt war, erkannten sie, dass es sich um Tausende und Abertausende von goldenen Vögeln handelte, die ihr Lied in fröhlichem Durcheinander in die Welt hinaus schrien – und sie brachten den Frühling mit sich. Unter ihren Schwingen begann der Schnee in Windeseile zu tauen und im gleichen Zuge blickten kleine Pflanzen unter der schmelzenden Eisdecke hervor, die ihre Blüten zum Licht hin öffneten.

Fynn ergriff unwillkürlich Lysanders Hand; sein Herz schlug heftig und er lachte, lachte fröhlich und erleichtert. Der Frühling war eingekehrt, sie würden wieder in ihr Dorf zurückkehren – der Hunger war überstanden.

Fynn lachte aus tiefstem Herzen, sodass ihm bald Glückstränen in den Augen standen. Die Tränen trocknend wandte er sich zu seinem Freund um und schloss ihn in die Arme, herzlicher und fester, als er es in den letzten Jahren getan hatte; genoss den sich ausbreitenden Blütenduft – und den Geruch Lysanders.

Als er sich endlich wieder von seinem Freund löste, blickte dieser ihn zutiefst verwundert an: „Was geht hier vor?“

„Ich werde es dir erklären, werde dir alles erklären, alles – sobald wir wieder in GoldenSun sind, das ist ein Versprechen“, antwortete Fynn ehrlich und lächelte seinem Freund entgegen.

Er würde ihm wirklich alles erzählen – nicht nur, was hier vor sich ging, nein, auch seine tiefsten Gefühle. Spürte er doch, Lysander würde ihnen Stand halten.

Lächelnd nahm er den Schwarzhaarigen erneut bei der Hand; zog ihn rennend über die entstandene Wiese. Dort, wo eigentlich der Horizont hätte sein sollen, schienen sie durch eine Mauer aus Eis zu schreiten und da sie auf der anderen Seite wieder auftauchten, fanden sie sich unweit ihres Heimatdorfes wieder.

Als sie sich umblickten, war das Portal, welches sie in der Dichte des Schneesturms noch vor drei Tagen unbemerkt in eine andere Welt gebracht hatte – jenem geheimen Ort, an dem einer der Jahreszeitenmagier lebte - verschwunden.

Noch einmal dachte Fynn an Silencius zurück. Er hatte sich sich nicht mehr persönlich bei ihm verabschieden können, doch hatte er ihm noch in der letzten Nacht einen Brief geschrieben, den er in das Zimmer ohne Tür auf das Schachbrett gelegt hatte; unter den weißen König und die Schwarze Königin.
 

Silencius,
 

Wenn Ihr diesen Brief lest, werde ich nicht mehr hier sein.

Ich bedanke mich für Eure Wohlbesonnenheit und die Unterkunft. Mögt Ihr auch denken, dies seien leere Worte, ist dem dennoch nicht so. Nachdem Ihr mir Euer Geheimnis anvertraut habt, möchte ich Euch auch eines von meinen erzählen.

Blickt nicht stets zurück und fühlt Euch nicht mehr allein – denn Eure Einsamkeit ist grundlos. Es gibt eine Königin, die jedes Jahr in Euer Schloss einkehrt, seit Anbeginn der Zeit, seit je. Sie ist so ewig wie der Winter – und Ihr seid ihr König.
 

Bedenkt dies und lasst ein Lächeln auf Euren Lippen aufblitzen; nicht für mich, sondern für sie.
 

In tiefster Verbundenheit

Fynn aus GoldenSun



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Teilchenzoo
2011-08-11T11:12:54+00:00 11.08.2011 13:12
Ui, wie süß^^. Aydin ist auch die passende Königin für den Winter, finde ich. So eine zarte und melancholische Liebe ...

Die vögel kamen ziemlich schnell nach Aydins abgang, etwas ZU schnell, aber es ist schön, dass der Frühling und die Not so bald vorbei waren.

Die Geschichte war sehr schön und romantisch, auch, wenn das mit Fynn und lysander meiner Meinung nach nicht zwingend notwendig gewesen wäre. Es wäre für den märchenstil passender gewesen, wären sie "nur" Gefährten gewesen.
Trotzdem, eine sehr schöne Geschichte.

Lg
Von: abgemeldet
2007-08-13T19:05:05+00:00 13.08.2007 21:05
ohhhhhh wie schön ...
Von:  Evidenz
2007-02-11T03:00:52+00:00 11.02.2007 04:00
Kommt natürlich auch in meine Favos ^______^
Von:  Evidenz
2007-02-11T02:59:19+00:00 11.02.2007 03:59
Ich beschreibe jetzt einfach nur wie ich hier sitze:
-übers ganze Gesicht grinsend
-mit Tränen in den Augen
-glückich
-und ein bissl traurig das die Geschichte schon zu ende ist!
;>

Jetzt gehe ich ins Bett und kann wunderbar schlafen!
Nach so einer wunderschönen Geschichte mit SO einen tollen Happü-End....*freu*
*kuller*


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