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The New Shinobi

Season One
von

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Die Wahrheit im Angesicht des Todes

“I never made promises lightly,

and there have been some that I’ve broken.

But I swear in the days still left

we will walk in fields of gold.”

- Sting, “Fields of Gold”
 

Nemaru trat aus dem Haus und ging ein paar Schritte um Senshu herum. Jetzt sah er undeutlich ihr Profil in der zunehmenden Dämmerung. Eine Stimme, die er nur als ihre erkannte, weil er sah, dass sich ihre Lippen bewegten, sagte leise: „Bereite dich vor, ihn würdig zu verbrennen. Der Brauch verlangt, dass du dich körperlich und nach Möglichkeit seelisch reinigst. Es klingt seltsam, aber mach dir keine Sorgen. Ich weiß, du hast so was noch nicht gemacht, aber ich sage dir, was du tun musst. Du musst es nur aufrichtig tun. Kannst du das?“

Nemaru schluckte irritiert und bejahte dann, obwohl er nicht wusste, was er zu tun hatte. Diesmal empörte es ihn nicht einmal, dass Senshu an seiner Ernsthaftigkeit in einer solchen Situation zweifelte. „Was...?“

Plötzlich stand Mija neben ihm. Sie war eben nach Hause gekommen und hatte ebenfalls erst den Eindruck ihres Gartens im Licht der untergehenden Sonne überwinden müssen. Sie legte Nemaru eine Hand auf den Unterarm, um auf sich aufmerksam zu machen. Dann übernahm sie die Anweisungen, während sie ihn zurück zum Haus führte.

„Geh erst mal etwas essen und ins Badehaus. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst, keine Hektik. Wasch dich gründlich. Und wenn du isst, freu’ dich daran. Versuch, ruhig zu sein, friedlich. So gut mit dir im Reinen, wie es geht. Wenn dich etwas ärgert oder belastet, versuch, es jetzt zu bereinigen. Auch, wenn du dazu Senshu oder mich in unseren Vorbereitungen stören musst.“

„Aber sie wird mich sprengen, wenn ich sie jetzt anquatsche.“

„Blödsinn.“ Mija lächelte nur. „Ich richte dir Kleider her. Es ist Brauch, ein schlichtes, weißes Gewand zu tragen. Hast du ja gesehen. Wenn du außer dem, was Senshu dir neben dem üblichen Ritual sagt, etwas persönliches dazu beitragen willst, dann mach das, ja? Na los, ich geh auch gleich zum Badehaus.“

Mija kannte nicht den genauen Ablauf des Rituals, es war ohnehin klar, dass Senshu als engste Vertraute des Fürsten es leiten würde, aber sie wusste, welche Bestattungsbräuche Kijukais der Fürst bevorzugt hatte. Dass die Rituale nicht sehr streng waren und persönliche Einflüsse zuließen, war ihm besonders wichtig gewesen.

Das bedeutsamste war die Aufrichtigkeit. Und die Echtheit.

Während Nemaru seine Badesachen zusammensuchte und dabei tief in Gedanken schien, trat Mija noch einmal in den Garten, wo Senshu auf einer Strohmatte saß und tat, was erforderlich war.

„Warum hast du nicht auf uns gewartet, damit wir die Arbeit gemeinsam machen?“

Senshu bewegte sich nicht, antwortete aber sofort, als hätte sie die Frage bereits erwartet. „Die Zeit drängt. Wäre es nicht so, hätte ich gewartet.“ Eine kurze Pause.

Ehrlichkeit.

„Aber ich bin froh, dass ich ihm diesen Dienst alleine erweisen konnte. Und ihn euch ersparen konnte.“

Mija nickte und bedankte sich mit einer Verbeugung, die Senshu nicht sehen konnte, aber höchstwahrscheinlich trotzdem spürte.

Nachdem Mija gegangen war, verging etwa eine Dreiviertelstunde, in der Senshu zweimal die tränennassen Augen aufschlug. Jedes Mal, wenn sich ihre Gedanken zu einer klaren Aussage formten. Manchmal war es überwältigend, sich mit eigenen Wahrheiten zu konfrontieren. Es war mühsam, aber gut, dass sie jetzt dazu gezwungen waren, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Morgen, wenn sie in ihre Heimat aufbrachen, würde es ihnen allen besser gehen.

Dann trat Nemaru wieder in den Garten. Mija war noch nicht da, aber er hatte weiße Gewänder vorgefunden und sie angezogen. Er bemühte sich sehr, ruhig zu sein, nicht nervös zu werden, weil er nicht wusste, was geschehen würde. Die Stille, die über dem inzwischen fast dunklen Garten lag, beruhigte ihn. An Kopf- und Fußende des aufgebahrten Leichnams knisterten jeweils vier kleine Fackeln, die sein Gesicht mit orangerotem Leuchten erhellten.
 

Nemaru setzte sich auf die Strohmatte zu Senshus linker Seite und betrachtete noch einmal alles mit stiller Faszination. All das erschien ihm unwirklich und auf eine traurige Art schön. Es war leise, aber mitreißend. Ein seltsames Gefühl.

Die Fackeln waren nicht nur Zeichen der Vergänglichkeit, sondern standen für das Element seines Herren – und sein eigenes, das wusste er längst. Ihm waren ja schließlich nicht umsonst die Feuerkünste beigebracht worden. Viel davon war bereits in ihm vorhanden – abgesehen von seinen tiefroten Augen, dem roten Haar und seinem energetischen Wesen. Das Feuer war sein Element.

Der Leichnam lag in seinen duftenden Tüchern auf einem aus kräftigen Birkenästen gefertigten Gestell. Darunter, inzwischen in der Dunkelheit kaum noch sichtbar, war ein kompliziertes Windspiel aus Fäden, Perlen, Federn und Klangkörpern gespannt worden. Es war kaum hörbar, weil sich die Luft selten regte, aber es war anzunehmen, dass der leise Klang des Spiels die Stille nicht stören, sondern sogar ergänzen würde.

Es war das Symbol für den Wind, der alle Elemente bewegt. Der die Erde voranträgt und das Feuer nährt. Mijas Element, obwohl sie überdies auch das Feuer in ihren Zeichen stehen hatte. Zeichen für ihre Freundlichkeit, die Lebensfreude, die sie ihren Gefährten schenkte, das Lächeln, das Menschen überkommt, wenn sie aufblicken und die Wolken über sich vorüberziehen sehen.

Das zweite reine Element ihrer Gruppe war Senshu. Die Erde. Die Beständigkeit der Wälder Kijukais, die der Fürst einst mitregiert hatte. Die Vernunft.

Die Ausdauer und der Rücken, der sie trug, wenn das Feuer sie verzehrte und der Wind sie in ferne Länder trieb.

Die Efeuranke auf dem Leichnam.
 

„Sag es mir jetzt. Was du mir bisher nicht sagen wolltest.“

„Beschäftigt dich so sehr, was ich nicht sagen kann, weil ich bezweifle, dass es dir wichtig ist?“

Nemaru schwieg verwirrt. Wie so oft verstand er nicht, was sie sagen wollte. Aber er wollte ruhig bleiben, also...

„Sag es mir einfach.“

Nemaru sah, wie die zwei Federn in ihrer rechten Hand, die rot und wund auf der Linken lag, sich bewegten. Dann waren sie wieder ruhig, und Senshu, die zwar die Augen geöffnet hatte, aber geradeaus auf den Leichnam blickte, wie um sich zu vergegenwärtigen, dass es im Angesicht des Todes nichts zu verheimlichen gab, seufzte.

„Nimm es, wie ich es dir sage und mach dir deine eigenen Gedanken dazu. Ich kann es nicht anders erklären. Ich habe meine Zeit mit jemandem geteilt, der mir egal ist, um zu vergessen, wen ich liebe. Sanguchi wusste die Wahrheit, aber das ändert nichts daran. Ich konnte nicht akzeptieren, dass man manchmal nicht bekommt, was man will. Für dieses Verhalten wollte ich mich bei meinen engsten Freunden entschuldigen. Bei Mija habe ich es getan, nur bei dir noch nicht.“ Ihre Augen schimmerten verdächtig im Schein der Fackeln, aber sie sah immer noch geradeaus. „Es tut mir leid.“

Dann wandte Senshu sich Mija zu, die gerade zu ihrer rechten Seite Platz nahm, ohne die Unterhaltung zu stören, nickte kurz und schloss dann wieder die Augen, um sich zu konzentrieren.

Nemaru ließ sich durch den Kopf gehen, was Senshu gesagt hatte, während er in die Flammen starrte.

Mija hatte sich wie Senshu im Schneidersitz niedergelassen und formte das Meditationszeichen für Wind, woraufhin Senshu, obwohl sie es nicht gesehen hatte, mit den Federn zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, das Erdzeichen formte.

Ohne dazu aufgefordert werden zu müssen, schloss Nemaru die Augen und formte das Feuerzeichen. Er würde Anweisungen brauchen, ja. Aber manche Dinge musste man ihm nicht sagen. Schließlich waren sie vom Schicksal verbundene Kameraden.
 

Als die drei so dasaßen, ließ ein milder Windstoß das Klangspiel ertönen, woraufhin Mija mit tragender Stimme sagte: „Rein? Nemaru?“

„M-hm.“, antwortete er und spürte, wie ungewöhnlich ausgeglichen er sich in diesem Moment fühlte. Wie fest und sicher und richtig.

„Senshu?“

„Eins noch. Vor unserem Fürsten, der im Tod Zeuge ist. Weil ich sonst nicht dazu komme, manche Wahrheiten zu sagen, die mich ständig beschäftigen. Ich vermisse meinen Meister. Und meinen Bruder. Ich habe sie geliebt, ohne es ihnen je zu sagen, aber ich hoffe, sie wussten es trotzdem. Ich hoffe, ihr wisst es auch.“

Die Antwort war ein unterdrücktes Schluchzen von links und ein Lächeln von rechts.

Nemaru spürte eine Hand an seiner Schulter, doch als er einen kurzen Blick zur Seite wagte, sah er, dass Senshu sich nicht bewegt hatte.

Mijas Antwort hallte in Senshus Gedanken wider, woraufhin diese sich erhob und ans Fußende der Leiche trat.

Mija wirkte kurz verwundert, schien dann aber zu verstehen: „Er?“

„Ja. Nemaru, geh bitte zu seinem Kopf. Du stehst über seiner rechten Schulter, Mija über der linken. Nachdem die Federn gefallen sind, ist es deine Aufgabe, Kagyo anzuwenden.“ [ka = Feuer, gyo = gehen]

„Kagyo?“

„Die Kunst ähnelt der Yu-Sozo-no-jutsu.“ [yu = Öl, sozo = schöpfen]

„Verstehe. In Ordnung.“
 

Die Yu-Sozo-Kunst hatte er erst vor einigen Monaten erlernt. Es ging darum, das Chakra eines Gegners im Inneren seines Körpers so zu irritieren, dass er sich selbst entzündete. Eine Kunst, die Menschen, denen das Feuerelement im Blut lag, relativ leicht von der Hand ging, für andere Elemente aber schwer zu erlernen war, weil das Elementgefühl schwierig umzusetzen und dann in das Chakra eines Gegners zu transferieren war.

Es war weithin bekannt, dass nach dem Tod zumindest für eine gewisse Zeit Reste des Chakras im Körper blieben, trotzdem würde er wohl etwas von seinem eigenen in den Leichnam des Fürsten fließen lassen müssen. Aber eigentlich war Senshu die ranghöchste Angestellte ihres Herren gewesen, auch wenn sie keine Rangauszeichnungen besaßen. Und er wusste genauso wie Mija, dass sie Yu-Sozo-no-jutsu trotz ihrer Elementzugehörigkeit beherrschte. Da sie überdies die Abwandlung dieser Kunst kannte, die zur Leichenbestattung verwendet wurde (in eher persönlichen Fällen), wäre es eigentlich nicht naheliegender, wenn Senshu die Verbrennung vornahm?

Mija räusperte sich kurz: „Er würde wollen, dass du es machst.“

Senshu wartete, ob Nemaru etwas erwidern würde, aber ihre beiden Kameraden blieben still.

„Es dauert mit Kagyo nicht so lange wie normalerweise, einen Körper zu verbrennen. Unsere Aufgabe während der Verbrennung besteht vor allem darin, die Seele, die der Verbrennung beiwohnen soll, zu beruhigen.“

Mija und Nemaru nickten. Ihr Glaube besagte, dass Seelen verschieden auf ihren Tod reagierten, je nach Charakter des Verstorbenen und den Todesumständen. „Die Seele beruhigen“ hieß, ihr mitzuteilen, dass nichts unrechtes mit den sterblichen Überresten angestellt würde, dass der Tote würdig verabschiedet und geehrt wurde. Damit gab man der Seele Ruhe und löste sie (oder zumindest ihre negativen Einflüsse) vom Leichnam (oder der zurückbleibenden Asche). Es gab genügend Geschichten von den Seelen Verstorbener, die ihren Wirkungskreis, ihr Grab oder die Stelle, an der sie gestorben waren, heimsuchten. Es gab selbstverständlich auch Geschichten von guten Geistern, aber fraglos waren die von bösen um Einiges spektakulärer.

„Konzentriert euch auf die guten Wünsche für den Fürsten und darauf, was wir hier machen. Wie bei der ersten Bestattung, nur diesmal ist es ernst. Ihr wusstet, dass wir ihn noch Mal bestatten müssen. Aber wundert euch nicht, wenn jetzt unerwartete Gedanken auftauchen oder das Gefühl seiner Gegenwart – oder der eines anderen Geistwesens. So etwas passiert, vor allem, wenn eine Gruppe wie wir so ein Ritual abhält. Egal was kommt, nehmt es einfach an und konzentriert euch auf die Bestattung.“

Die beiden anderen nickten, woraufhin Senshu die rechte Hand über den Füßen des Toten ausstreckte. Die Federn schwebten kurz über den Füßen der Leiche, dann trat sie zurück und ließ sie fallen.

Ein Ritual, das den Weg der verstorbenen Seele zeigen sollte. Zeigte die Spitze der weißen auf den Leichnam, würde sie ein Glaubensäquivalent des Garten Eden erreichen, ein persönliches- oder religiöses Paradies, wer wusste das schon? Oder die Seele würde ein guter Geist, etwas wie ein Schutzengel oder dergleichen werden. Und die Schwarze Feder würde die andere Seite anzeigen. Eine Art Hölle, einen Rachegeist oder einen Fluch.

Nemaru beugte sich ein wenig zur Seite, um zu sehen, wie die Federn landeten. Mija tat es ihm auf ihrer Seite gleich.

„Und? Was bedeutet das?“, fragte Mija Senshu, die ebenfalls zu Boden starrte. Die Federspitzen zeigten von der Leiche weg.

„Hm, das heißt, er bleibt. Ob gut oder schlecht, er bleibt hier.“



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