Der Anruf
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Seufzend nahm der junge Mann den Hörer seines Telefons ab. Manchmal hasste er seinen Job und heute...heute gehörte mit Sicherheit dazu. Verständnislos schüttelte er den Kopf, als er die Nummer seines jüngeren Bruders, mit dem er sogar blutsverwandt war, wählte. Wie verrückt musste man sein...? Naja, er würde abwarten, was Die zu seinem 'Deal' zu sagen hatte.
Etwas genervt nahm besagter Die, besser Andou Daisuke, den Hörer ab. Er sah gar nicht auf die Anzeige, wer auf der anderen Seite war, sondern fauchte nur ein ungehaltenes: "WAS?"
Ein leises Lachen war zu hören. Manchmal war sein Otouto doch noch ein kleines Kind. "Oi Dai. Wie geht’s?" Er war gespannt auf die Reaktion, wusste Die doch, dass es sich nicht gehörte - vor allem nicht für ihn - sich SO zu melden.
Dementsprechend zuckte der Jüngere auch zusammen, grinste schief: "Ano... Kouhei-nii... tschuldige... ich bin nur etwas..." Er seufzte leise auf: "Naja... gereizt... aber ansonsten geht’s und... wie geht’s dir?"
"Naja, abgesehen davon, dass ich meinen Buchhalter am liebsten ersäufen würde, geht’s mir gut, danke." Der Ältere seufzte leise, strich sich über die Augen. "Hör zu, Die. Du musst mir nen Gefallen tun, ok?"
Ungläubig hakte der zunächst einmal nach: "Deiner auch? Haben die sich abgesprochen?" Dann wurde er aber doch neugieriger: "Gefallen? Was denn für nen Gefallen, Aniki?"
"Offensichtlich. Ich schwör dir, ich leg mir demnächst ne neue Regaldekoration zu..." Kouhei seufzte abermals tief, lehnte sich zurück. "Ja, Gefallen. Pass auf. Ich hab hier ein kleines Problem mit einem Ehepaar. Die haben Schulden bei mir und ich meine große Schulden. 200 Mio. Yen, um genau zu sein. - Tja, wie bezahlen, nicht wahr? Haus wollen sie nicht abgeben, aber..." er lächelte leicht, sah auf das Foto, das vor ihm lag. "Sie haben einen Sohn. 17 Jahre. Ich hab keine Verwendung, aber vielleicht passt er bei dir rein. Gut aussehen tut er..." Er wurde nachdenklicher, "Weißt du… sein wir ehrlich: Für das Haus würd ich ihnen knapp 150 Mio. zahlen. Aber der Kleine… der Kleine ist locker das Doppelte wert. Aber gut, das ist deine Sache. Du weißt, wie ungern ich sowas mache - aber...es wäre eine Schande DEN abzulehnen. Immer vorausgesetzt, wir kriegen seine Persönlichkeit… geregelt."
Daisuke grinste etwas: "Du meinst ne Fingersammlung? Hab ich schon... der Oyabun(1) schickt mir grad einen neuen Buchhalter...“ Er stockte: „Ano..." Dann hörte er allerdings erst einmal seinem Bruder zu, verzog dabei das Gesicht: "Was für Mistkröten, solche Menschen...(2)" Er seufzte leise auf: "Ich müsste mir den Kleinen erst einmal ansehen... erst dann kann ich dir etwas Genaueres sagen... ich kaufe schließlich nicht die Katze im Sack, ist klar ne? Außerdem muss ich wissen, naja... wie talentiert er für den Job ist..." Unwillkürlich leckte Die sich über die Lippen, dann fragte der Rotschopf mit den halblangen Haaren, die sein Gesicht mehr als vorteilhaft umspielten, weiter: "Hast du nähere Informationen, so dass ich mir den mal ganz zwanglos angucken kann?"
Kouhei lachte leise. "Da sieh an, mein kleiner Bruder wird ja doch noch fies..." Er seufzte, lehnte sich zurück. "Ich weiß nicht viel über ihn. Aber frag ruhig: Was ich weiß, kann ich dir sagen."
Nachdenklich nickte der Jüngere: "Nun ja... so etwas wie Schule, oder ein Nebenjob, oder so..."
"Soweit ich weiß geht er nicht mehr zur Schule, aber das kann ich auch falsch verstanden haben.", der Ältere der Brüder grinste. "Und ja, einen Nebenjob hat er: Bei Shion."
Der Rotschopf lachte leise auf: "Gut... dann weiß ich ja, wo ich ihn mir angucken kann... wie heißt er?"
"Ähm...Niimura, Tooru...Frag Shion einfach mal. Aber vielleicht solltest du vorher klarstellen, dass..." Kouhei seufzte. "… du nicht als zukünftiger Wakagashira (3) auftrittst..."
Ungläubig schüttelte Die den Kopf: "Hältst du mich für blöd? Natürlich nicht... Und wie oft soll ich dir sagen, dass du mich nicht so nennen sollst!"
"Ich mein ja nur. bei der Laune, die du hast..." Der ältere Bruder lachte leise auf, seufzte dann aber. "In Ordnung, Otouto(4). Ich muss auch Schluss machen, hab noch einiges zu tun. Unter anderem mich um meine Dekoration kümmern..." Kouhei grinste leicht. "Machs gut, ne?"
Der Rotschopf lachte: "Tu das... und ich guck mir dann mal den Typ an, den mir der Oyabun geschickt hat... und mach ihn nebenbei auf die kleine Trophäe aufmerksam, nicht wahr?"
"Mach das. Viel Glück mit dem Kleinen. Schließlich engagiere ich diese Totschläger doch so ungern..." der Ältere grinste noch ein wenig breiter.
Der Jüngere antwortete noch ein: "Solang du die nur für die Eltern engagierst, wenn der Kleine nicht passt soll es mir egal sein." Damit legte er auf.
Und während sich sein älterer Bruder wieder seinen Geschäften zuwandte, wählte Daisuke selbst sofort wieder eine Nummer, und zwar die von Shions Cafe, die er kurz nachschlug...
(1) Oyabun (bestehend aus den Zeichen für ‚Eltern‘ und ‚Teil‘) oder auch Kumichou (bestehend aus den Zeichen für ‚Gruppe‘ und ‚Vorsitzender/Vorstand‘) ist der Begriff mit dem der Boss eines Yakuza-syndikats angesprochen wird, bzw. mit dem von dem Boss eines Yakuza-Syndikats gesprochen wird… selbst, wenn es sich dabei um den eigenen Vater handeln sollte *hüstel*. Vor allem, da bei den Yakuza die ‚Verbrüderung‘ vor ‚Blutsbanden‘ steht und der Oyabun einen ‚Vaterersatz‘ für alle Mitglieder darstellt.
(2) Da die Yakuza unter dem Motto ‚Giri to Ninkyo/Nin’yô‘ operieren, was übersetzt soviel bedeutet wie ‚Pflichtgefühl (rechter Weg, Moralität, richtiges Verhalten u.ä.) und Anerkennung (Zugeständnis)‘… nun… um es kurz zu machen… sie arbeiten unter dem Prinzip der Ehre und Brüderlichkeit… folglich wäre für Yakuza diese Art mit ‚Familie‘ umzugehen, undenkbar (inwieweit das der Realität entspricht steht auf einem anderen Blatt)
(3) Mit Wakagashira (bestehend aus den Zeichen für ‚jung‘ und ‚Kopf‘ (bzw. Oberhaupt)) bezeichnet man die Nummer 2 in einem Yakuza-Syndikat. Dabei handelt es sich nicht zwingend, aber doch meistens um die Person, die als Nachfolger des Oyabun gehändelt wird. Dabei ist Blutsverwandschaft nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist die Fähigkeit den Clan (Gumi) zu führen.
(4) Otouto ist der kleine Bruder. Otoutobun (was vermutlich später in der Story noch vorkommen dürfte) ist der ‚angenommene‘ Bruder, nach dem Prinzip eines Kouhai (das Gegenteil zu dem vermutlich bekannten Senpai), Zweiteres ist also jemand, der erst später den Yakuza beigetreten ist und folglich einem bereits vorhandenen Mitglied ‚unterstellt‘ ist. Hierbei spielt das Alter KEINE Rolle.