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Die Dunkelheit

Eine Altraverse
von

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The shape

Die Angst klebte an ihrem Herzen wie Schimmel und breitete sich kränklich wie ebendieser durch ihren Körper aus. Sie war wie gelähmt vor Panik, als die Zunge immer wieder aufs Neue über ihren Hals leckte. Beinahe neckisch tänzelte die Zungenspitze über die Haut und stupste nach ihrer Halsschlagader.

„Bitte“, krächzte sie.

Der Fremde ließ sich von ihrem Flehen nicht beirren. Stattdessen rieb seine Zunge nur umso hartnäckiger und noch dazu mit beängstigender Zärtlichkeit über ihr nacktes Fleisch. Am ganzen Körper zitterte sie – und das nicht mehr länger vor Kälte.

Sie hatte das Gefühl, dass der Tot selbst sie berührte.

„Werde ich sterben?“, wimmerte sie panisch hervor. Daraufhin lachte der Schemen lediglich und hauchte Grabeskälte über ihren Hals.

Sie verlor fast den Verstand. In Angesicht der Situation wäre das wohl auch eine Gnade gewesen, die ihr anscheinend jedoch nicht zuteil werden würde.

Sie wollte schreien, die Kreatur von sich stoßen und Hals über Kopf flüchten - ihr Körper aber verharrte. Er war steif von der Furcht, die wie eine Decke aus Eis über ihr lag.

Sie war verloren.
 


 

Die Dunkelheit – Eine Altraverse
 

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Die Charaktere gehören mir nicht, sie gehören Rumiko Takahashi. Da ich weder weiblich noch kleinwüchsig bin, schließe ich, dass sie mir auch nie gehören werden.
 

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Kapitel 2 – The shape
 

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I’d give it all away, come take it all away…

You can’t resent the fear...

Somebody tell me how I got here...
 

By Slipknot
 

...
 

Doch selbst jetzt, da ihre Angst am Größten war, scheute ihr Bewusstsein vor der Situation zurück. Ihre Gedanken spielten stattdessen mit dem Regen, dem Licht der Straßenlaterne und - einem eigenartigen Surren.

Absurderweise kam ihr der Vergleich mit einer Wespe in den Sinn oder aber mit dem Summen der Straßenlaternen selbst.

Erst war es noch leise, fast hätte sie es für eine Einbildung gehalten. Innerhalb weniger Augenblicke jedoch wuchs es in seiner Lautstärke und Wildheit an. Was zuvor noch wie eine Wespe klang, nahm jetzt die Ausmaße eines ganzen Stocks an.

Das Monster merkte davon nichts.

Es presste leidlich seine langen, spitzen Zähne gegen ihre weiche Haut. Seine Zunge war verschwunden, doch drückten die erwähnten Zähne jetzt wie Dolche in ihre Haut.

Ukyo machte sich keine Hoffnungen. Bei solchen Zähnen würde ihre Haut nur einen schwachen Schutz abgeben, falls überhaupt. Doch so sehr sie dem Tod jetzt ins Auge blickte – oder es vermied -, so drängte sich ihr das Surren nichtsdestotrotz hartnäckig auf.

Es war allgegenwärtig und ehe sie’s sich versah, war es genau über ihr.

Mit dem Kreischen einer Säge brauste es über sie hinweg, doch erkennen konnte sie nur einen vagen Schemen. Es sah aus – wie eine Scheibe.

Völlig unerwartet traten zwei Dinge in kurzer Abfolge ein. Einerseits endete die widerliche Liebkosung des Wesens und andererseits schloss sich an das bedrohliche Surren ein zweites Geräusch.

Es war ein solches, das man später nie mehr aus dem Kopf kriegt. Egal wie sehr man sich auch bemüht, es bleibt in der Erinnerung eingebrannt wie eine Narbe.
 

Und mit einem Mal war da nicht mehr nur das Geräusch, denn plötzlich stürzte ein Schwall von Wärme über sie hinweg. Es handelte sich um eine klebrigfeuchte Wärme, die ihr auf Hände, Nacken und die rechte Wange spritzte.

Unter einem haarsträubenden Platschen fiel etwas neben ihr in eine Pfütze und der Aufschlag verteilte Wasser in alle Richtungen. Ein wenig davon sprenkelte auch auf sie, was sie am Rand mitbekam und teilnahmslos aufnahm.

Stocksteif lauschte sie ihrem eigenen Atem, der stoßweise ging. In ihren Ohren rauschte das Blut in einem steten Puls und echote das schrille Surren unheilvoll nach.

Allem anderen voraus war es jedoch das Platschen, das ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Dieser hässliche Laut ließ sie nicht mehr los.

Auf der Zunge schmeckte sie Blut und schlug die Augenlider nieder. Die schmutzige Wärme drang bereits durch ihren Ledermantel und kitzelte ihr über Bauch und Brust.

Sie wagte weder aufzusehen, noch sich zu rühren und ganz bestimmt würde sie nicht nach links schielen. Sie wollte gar nicht erst wissen, was da neben ihr in der Wasserlache lag und auch nicht, ob dieses etwas gleichmäßig Wärme verteilte. Es wäre nämlich dieselbe Wärme wie die auf ihrer Haut.

Ein Schluchzen entkam ihrer Kehle.

Denn nicht nur lag links von ihr ein Ding - gleich neben ihr befand sich der Rest. Unschöne Bilder zuckten an ihrem geistigen Auge vorbei und es misslang ihr diese abzuschütteln.

„Fuck! Fuck! Fuck!“, die Worte krochen hochstimmig und zittrig über ihre Lippen.

Was hatte sie nur verbrochen, dass ihr so was widerfuhr?

Widerwillig drehte sie den Kopf nach rechts.

Sei es Panik oder Neugierde, sie hatte dem Drang nichts entgegenzusetzen. Sie musste wissen, was da neben ihr lag. Zuerst würde sie aber das Ding rechts betrachten und wenn’s so übel war wie sie annahm, dann hatte sie zumindest nicht nach links gesehen.

Sie ahnte nämlich, dass dort etwas noch viel Schrecklicheres dahinsiechte.

Unheilvoll mäanderte ein Rinnsal der Wärme von ihrer Wange über die Lippen. Abgelenkt wie sie war, tat sie das natürlichste. Sie leckte es ab.

Der Geschmack glich einer Faust in den Magen. Er war dick und intensiv und sein metallisches Aroma knetete ihre Innereien. Es war zweifelsohne Blut.

„Oh Sch - “

Etwas Dunkles, das ihre nassen Strähnen verbargen, ruhte neben ihr. So wie es dalag, wirkte es völlig leblos und schien mehrere kleine Gliedmassen zu besitzen. Auf den ersten Blick hielt sie es für ein Insekt – wenngleich auch das hässlichste Exemplar, das sie je erblickt hatte -, auf den zweiten Blick jedoch wünschte sie sich, dass es ein Insekt wäre.

Stattdessen war es eine gekrümmte Hand.

Sie kreischte hysterisch auf und wie als könnte sie diesem Anblick entkommen, rutschte sie auf ihrem Hosenboden in die entgegengesetzte Richtung. Dabei stieß sie sich mit beiden Füßen ab, wobei ihr der verletzte linke Fuß Tränen in die Augen trieb.

Es war nur dumm, dass sie in ihrer Panik das zweite Etwas vergessen hatte. Denn gegen ebendieses war sie soeben geprallt und so wich es kurz unter dem Druck ihres Körpergewichts. Gleich darauf rollte es zurück und schmiegte sich wie ein reumütiges Kätzchen an sie.

Aus weiten Augen starrte sie in die Nacht. Um sie herum prasselte der Regen hernieder, der irgendwann zwischen vorher und jetzt zugenommen hatte.

Ihr Herz hämmerte gegen den Brustkorb, ihr Haar hing strähnig und nass wie eine alte Schilfmatte vor den Augen und ein paar der Strähnen hatten sich in ihren Mund verirrt. Sie fand nicht mal die Kraft diese hervorzupullen.
 

Unerwartet knirschte es und sie fuhr zusammen.

Das konnte doch nicht wahr sein! Kaum war einer fort, da kam der Nächste?

Panisch stierte sie in den Tintentopf, der sich Dunkelheit nannte. Der schwere Niederschlag in Verbindung mit der mondlosen Nacht machte es nahezu unmöglich etwas zu erkennen. Trotzdem erfasste sie eine Bewegung – und reagierte.

Ohne Rücksicht auf ihren Fuß zu nehmen, warf sie sich auf den Bauch und robbte los. Die Scherbe in ihrer Handfläche beachtete sie dabei gar nicht weiter und ebenso wenig die dickliche Flüssigkeit, die aus ihrem Haaransatz über ihre Stirn kroch.

„Verdammt, lass’ mich doch in Ruhe! Lass mich!“, quäkte sie und zog ihren ausgekühlten Körper weiter ins Licht.

Oh Gott, ihr war so todübel!

Es knirschte erneut, fast drängend, genau hinter ihr.

„Weg! Hau ab!“, brüllte sie und kniff die Augen zusammen. Sie wollte nicht sehen, was da kam, um sie zu holen. Diese kalte Hand zu erblicken, hatte ihr völlig ausgereicht.

Oh Gott, sie hatte solche Angst!

Das letzte Knirschen ging fast im Stakkato des Regens unter und was sich anschloss, war eine bleierne Stille, die geradezu fühlbar war.

„Hey, alles in Ordnung?“, fragte eine fremde Stimme.

Sie war eindeutig männlich – und klang menschlich

Ihr Herz setzte aus und für ein paar Takte schien es gar nicht mehr schlagen zu wollen. Eine Erleichterung, die sich aus ihrer Fassungslosigkeit schälte, brach über sie hinweg und ein Schluchzen befreite sich aus ihrer Kehle.

Hatte sie es überstanden? Hatte diese schreckliche Nacht wirklich ein Ende?

Jemand kniete sich neben sie, soviel konnte sie aus ihrer Position erkennen. Um ihren Retter besser mustern zu können, versuchte sie vergeblich sich umzudrehen. Ihr Körper war an seine Grenzen gestoßen, ihr fehlte dafür die Kraft.

Der Unbekannte half ihr völlig unerwartet und rollte sie behutsam auf den Rücken. Dankbar nickte sie ihm zu, ihrer Stimme traute sie nicht so recht.

Er hatte sich über sie gebeugt und von hinten strahlte ihn orangegelb der Leuchter an. Dadurch war sein Gesicht für sie so unkenntlich wie in tiefster Nacht und seine Silhouette verschwommen, dennoch – das Licht perforierte ihn wie einen Heiligenschein.

Sie lächelte kümmerlich und fühlte seine Fingerspitzen auf der Stirn, mit denen er ihr einige Strähnen fortkämmte. Erst jetzt fiel ihr auch auf, dass ihr Haar ungewohnt schwer und klebrig war. Ob sie überhaupt wissen wollte, wie das kam?

„Es wird alles gut. Ich habe einen Freund, der kümmert sich um dich“, flüsterte ihr der Fremde zu, während er sie mit seinem Körper vor Regen schützte.

Seine Worte klangen so wunderschön.

Jede Silbe hallte in ihren Ohren als Versprechen wider und so schloss sie die Lider. Aber wer war ihr Retter, war er ein Engel? Sie schluchzte leise und griff linkisch nach ihm.

Eine warme, kräftige Hand umschloss zur Antwort die ihre und drückte sanft zu.

Obwohl ihre Haut brannte und sie selbst bitterlich fror, verspürte sie einen tiefen Frieden und Trost. Das Gelborange wurde peu à peu dunkler und schließlich schwarz.

Sie entschwand in einen tiefen, festen Schlaf.
 

Breite Hände hoch über ihr vollführten die tollsten Bewegungen. Ein glänzendes Ding – ihr Vater nannte es Spathula - zog dabei die ganze Zeit wie der Schweif einer Sternschnuppe hinterher.

Es schabte, kratzte und rieb, außerdem roch es einfach köstlich.

Eine Deckenlampe verteilte großzügig ihren Schein auf die harten Züge eines Mannes. Seine Gestalt war hochgewachsen und muskulös, seine Augen blau und seine Lippen blass.

Freundlich beugte sich der Hüne zu ihr herunter und gab ihr einen feuchten Kuss auf den Kopf. Selbst durch ihr dichtes Haar spürte sie seinen kratzigen Stoppelbart und lachte auf. Der Mann erwiderte das Lachen und betrachtete sie zärtlich.

Der Mann war ihr Vater.

Nach der kleinen Liebkosung wandte er sich erneut dem Backen zu.

Kleine Schweißperlen glitzerten auf seiner Haut und seine Stirn warf Furchen unter dem vollen Haar. Hier und da zeichneten sich schon erste graue Strähnchen ab, weswegen ihr Vater trotzdem noch sehr jung wirkte. Er war zwar vom Leben geprägt, doch hatte er sich in keiner Weise unterkriegen lassen.

In ihren kindlichen Augen war ihr Vater ein wunderbarer Mann – und irgendwann wollte sie genauso werden wie er.

Die Hitze des Grills loderte so heiß, dass sie sogar zu ihr herabreichte. Es war eine richtig dicke Schwüle. Mit ihren kleinen Händen wischte sie den Schweiß aus ihrem Gesicht und pustete eine lästige Strähne von der Nase, die trotzig wieder auf ihre Nasenspitze fiel.

Nichtsdestotrotz wich sie nicht von der Seite ihres Vaters und starrte aus großen Augen zu ihm hoch.

Irgendwann würde sie einmal das Familienrestaurant weiterführen; dafür musste sie alle Tricks und Kniffe kennen.

Das ruhige Atmen ihres Vaters, das Schaben des glänzenden Dings in ihren Ohren, der Geruch von so vielen fremden Gewürzen und des backenden Teigs in der Nase, das Gefühl von warmen Schweiß auf ihrer blassen Haut und der Anblick der graziös huschenden, vom Feuer angeleuchteten Hände über ihr. Diese Hände, die so viel Geschick und zugleich soviel Zärtlichkeit auszudrücken vermochten, waren die ihres Vaters.

Und sie bewunderte sie.

Auf den Zügen ihres Vaters deutete sich ein Lächeln an, während seine große Hand mit dem schönen Ding auf dem Grill tätig war. Ukyo fand es schade, dass sie sich diesen noch nicht angucken durfte. Aber ihr Papa meinte, dass es so sicherer wäre. Er wollte nicht, dass sie sich verbrannte.

„Ich bin doch ein großes Mädchen“, hatte sie mal schmollend gemurmelt, woraufhin ihr Vater lange und laut gelacht hatte.

„Und ob du das bist. Aber du musst noch viel größer werden.“

„Wie groß denn?“, hatte sie nachgehakt und ihn mürrisch gemustert.

„Das wirst du dann schon sehen.“

Damit war das Gespräch beendet gewesen und ihr Vater hatte den gebackenen Teig vom Grill genommen. Auf der Theke, die sie ebenfalls nicht einsehen konnte, war er dann Zuwerke gegangen.

Es dauerte eine Minute, ehe er einen Teigfladen auf ihren weißen Porzellanteller gleiten ließ. Das ausgehende Aroma stach ihr zärtlich in die Nase und füllte ihren Mund mit Speichel. Gierig biss sie hinein und erntete ein Lächeln ihres Vaters.

Sie erwiderte ihrerseits mit einem Lächeln, vollmundig und kindlich.
 

Ein grellweißer Lichtschein schreckte sie auf. Kurz schnellte ihr Herzschlag hoch, doch sie war es schon gewohnt, unruhige Nächte zu haben.

Daher tat sie das, was sie sonst auch tat - sie drehte sich konsequent zur Seite.

Erst als ihr das misslang, registrierte sie die Hand auf ihrer Schulter, die sie davon abhielt.

„Papa?“, murmelte sie schlaftrunken.

Das helle Weiß von vorhin war verschwunden. Ihr Sichtfeld offenbarte ihr eine schmutzigweiße Zimmerdecke aus Rauputz. Mühsam wollte sie den Kopf heben, sackte jedoch kraftlos zurück.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte eine ihr unbekannte Stimme. Sie war hell und beruhigend und erinnerte sie eigenartigerweise an die ihres Vaters. Dabei waren die Stimmen so grundunterschiedlich wie sie nur sein konnten.

„Als hätte ich die schlimmste Nacht meines Lebens hinter mir“, schnaubte sie erschöpft, bevor sie nachhakte. „Wo bin ich hier eigentlich?“

„In meiner Praxis. Verzeihen Sie bitte das helle Licht. Ich wollte nur prüfen, ob ich mit Bewusstlosigkeit oder einem spezielleren Zustand zu rechnen habe“, bemerkte der Mann im scherzhaften Ton. Nichtsdestotrotz könnte Ukyo schwören, dass da eine Nuance Ernsthaftigkeit mitschwang.

Fürs Erste würde sie das zugunsten anderer Fragen ignorieren.

„Fühl’ mich grässlich. Wie bin ich hierher gekommen? War - “, sie zögerte, fasste jedoch Mut - der Regen, die Geräusche, das alles nur Einbildung?“

Irgendwie fürchtete sie die Antwort, zwang sich jedoch zur Ruhe. Jetzt war sie ja in Sicherheit, also bestand kein Grund mehr zur Beunruhigung. Immerhin hoffte sie das.

Der Arzt – sie schätze, dass der Fremde ein solcher war – schwieg für eine Weile. Gerade als sie nochmals nachforschen wollte, räusperte er sich und sie fühlte seinen Blick auf sich ruhen.

„Nun, wissen Sie. Sie sind nicht die Erste, der so etwas widerfahren ist.“
 

Die Worte sollten wahrscheinlich beruhigend wirken. Das taten sie jedoch nicht.

„Das is’ schon mal passiert?“, flüsterte sie und drehte unter Schmerzen den Kopf. Sie wollte wissen, mit wem sie da sprach.

Ihre Augen fanden eine unscheinbare Gestalt im dunkelbraunen Gi. Dazu trug der Mann eine schmucklose Brille, die seine Augen hinter einem undurchsichtigen Schimmer verbargen. Sein Kopf war kahl und seine verschränkten Arme wirkten unnatürlich schmächtig.

War der Mann krank?

Unangenehm berührt wendete sie den Blick ab und richtete ihn aufs spärliche Mobiliar. Da war einerseits ein schwarzer Holzschrank, der neben einer hellbraunen Tür stand. Er wies einige Schrammen und einen runden, pechschwarzen Türknauf auf.

Sie vermutete, dass er die medizinischen Instrumente oder Medikamente enthielt.

Die Beleuchtung des Raumes stützte sich auf eine einzige nackte Glühbirne, die ärmlich von oben herabhing. Unmerklich pendelte sie, was bedeutete, dass irgendwo außerhalb ihres Sichtfelds ein oder zwei Fenster angekippt sein mussten.

Ein spitzbübisches Grinsen setzte die blassen Lippen des Arztes in Bewegung, während er die Verschränkung seiner Arme lockerte und auf sie zuschlenderte. Er schienen ihre Musterung mitbekommen zu haben.

„Entschuldigen Sie das etwas rustikale Ambiente meiner Räumlichkeiten.“ Er zuckte mit den Schultern und lächelte freundlich. „Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass für Hygiene gesorgt ist.“

Unsicher erwiderte Ukyo sein Lächeln, doch schon im nächsten Moment überkam sie ein Hustenreiz. Ihre Kehle war ganz trocken, denn zuletzt hatte sie in der Bar was getrunken.

„Hier, bitteschön.“

Die zierliche Hand des Mannes reichte ihr einen Plastikbecher, randvoll mit Wasser. Behutsam stützte er sie mit einem Arm und ermöglichte ihr unter Zuhilfenahme ihres rechten Fußes zu einer sitzenden Haltung zu gelangen.

Hastig schluckte sie das angebotene Nass runter und kaum hatte sie den Becher geleert, da drückte sie der Arzt auch schon wieder zurück auf die Matratze. Ukyo ließ ihn gewähren.
 

„Mein Name lautet Tofu, Tofu Ono. Sie dürfen mich natürlich Tofu nennen“, meinte der Mann und lehnte sich erneut an die Raufasertapete. Er schien den Platz zu mögen.

Zaghaft schmunzelte sie.

„Wie die Zutat?“

Der hagere Mann lachte laut auf und kleine Grübchen fraßen sich in seine Wangen.

„Ganz genau so. Tofu, wie die Zutat“, feixte er und streichelte gedankenverloren über seine Glatze. Sie konnte nicht anders, ihre Augen folgten der Geste.

Seine nackte Kopfhaut schimmerte unter der Glühbirne und seine Finger gingen wie Spinnenbeine darüber hinweg. Es war ein sonderbarer Anblick.

Tofu fing ihr Starren auf und hielt inne.

Ertappt schnappte Ukyo nach Luft und fixierte ihre Bettdecke, die mit blauen und gelben Karos übersät war. Nervös knautschte sie den Stoff zwischen ihren Fingern zusammen.

„Ist schon gut“, plauderte Tofu unbekümmert und legte seine Hand auf eine der ihren.

Er war erstaunlich warm und fast augenblicklich vergaß sie das leichte Pochen in ihrer verletzten Hand. Wie viel Betäubungsmittel er ihr wohl gespritzt hatte, damit die Schnittwunde in ihrer Handfläche schwieg?

Sie hatte keinen Bedarf daran das herauszufinden.

„Wissen Sie, viele der Blicke meiner Mitmenschen wandern irgendwann drauf. Ihnen allen erzähle ich dieselbe Geschichte und zwar, dass selbst der Gläubigste sich dem Willen Gottes unterwerfen muss.“ Sein Lächeln blieb unverändert, als er undramatisch ergänzte: „Ich habe seit drei Jahren Krebs.“

„Das tut mir leid, ich…“, Ukyo rang mit Worten.

„Ist schon gut“, erwiderte er kulant und beobachtete sie durchs Brillenglas.

Seine Augen schienen sie genau zu sondieren. Ihr wurde ein wenig mulmig.

„Waren Sie es, der mich - “, stammelte sie unbeholfen.

Wie sollte sie es ausdrücken? Irgendwie klang es ja wie der Stoff aus einem drittklassigen Trivialroman, aber sie musste wissen, ob er ihr Retter war. Wenn ja, dann schuldete sie ihm sogar noch viel mehr als ein Dankeschön.

Tofu schüttelte betont den Kopf.

„Sie hatten großes Glück, dass er zugegen war“, teilte er ihr im ruhigen Tonfall mit.

Also war es nicht der Doktor gewesen, der ihr zur Hilfe gekommen war? Wer aber war es dann gewesen?

„Ryoga hat Ihnen vermutlich das Leben gerettet. Nicht viele haben soviel Glück - “, und mit einem unbestreitbaren Maß an Anerkennung in der Stimme fuhr er fort, „ - und Überlebenswillen. Viele hätten früher aufgegeben und wären - “, er verstummte. Für einige Sekunden schien er nach geeigneten Worten zu suchen, begnügte sich dann jedoch damit sie eindringlich über den Brillenrand hinweg anzulinsen.

Das genügte ihr schon völlig. Mehr Details musste und wollte sie gar nicht wissen.

Doktor Ono wandte sich daraufhin von ihr ab und schritt in Richtung des mannshohen Schranks. Seine wächsernen Hände verschwanden aus ihrem Beobachtungsradius und sie drehte den Kopf zurück in seine Ausgangslage.

So war es weitaus bequemer. Ihr Nacken begann bereits zu schmerzen.

Neben ihr raschelte es, als Papier zerrissen wurde. Schritte näherten sich ihr.

„Wer ist er, dieser Ryoga?“, raunte sie. Zur Antwort drückte sich eine Nadel in ihren Unterarm.

„Schlafen Sie.“

Tofu überging ihre Frage und strich ihr stattdessen sanftmütig eine Strähne von der Nasenspitze.

Die Spritze wirkte beinahe sofort und die Gestalt des Doktors verschwamm zu einem Aquarell aus Farben. Der Braunton seines Gi verschluckte alles andere, bis dieser schließlich selbst immer dunkler wurde.

Das Aufblitzen der Brillengläser war das Letzte, was sie noch bewusst wahrnahm. Danach wurde alles schwarz und ihr Körper erschlaffte. Zu einem Wort reichte es allerdings noch.

„Ryoga“, huschte es über ihre Lippen – dann schlief sie ein.
 

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Erstaunlich.

Jetzt hat die Überarbeitung des 2. Kapitels doch geklappt.^^°

Ehrlich gestanden, hatte ich hier und da meine Zweifel bei der Korrektur. Doch jetzt glaube ich, dass das Kapitel dank der Änderungen besser und übersichtlicher geworden ist.

Sollte noch jemand hierüber stolpern, so wünsche ich ihm oder ihr viel Spaß und Lesegenuss.^^
 

Die neuen Kapitel werde ich dann nach der Korrektur von Kapitel 4 ins Netz stellen. Es kann also noch ein klein wenig dauern.
 

Ich wünsche einen schönen Mittwochmorgen,
 

euer Deepdream.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2006-10-30T13:32:33+00:00 30.10.2006 14:32
Hey Ming-Ling, bist nicht der einzige Fan dieser FF. Ich war erstmal nur zurückhaltend, um zu sehen, wie es weitergeht.

Also ich ... ich finde es zu blöde, bei dieser FF zu schreiben: Ich mag sie! Das passt hier irgendwie nicht so ganz. Also, wie fang ich an?

Erstmal beeindruckt es mich ungemein, wie detailgetreu, wortgewandt und ausdrucksvoll du schreiben kannst. Du kannst mir glauben: Ich hab beim Lesen nicht weniger gefroren als Ukyo in der Gasee! Wirklich war: Ich hab auch angefangen zu frieren!

Nach dem zweiten Kapi bin ich echt neugierig, wie es weiter geht. Kennt sie Ryoga nicht? Wenn das so ist, bin ich gespannt, wie du das alles im Ranma1/2-Universum einbaust!

*beide Daumen hoch* Weiter so!

LG, Flora
Von:  Ming-Ling
2006-10-29T14:02:45+00:00 29.10.2006 15:02
Hi!! Ich finde deine Ff echt super bis jetzt!! Du kannst echt super spannend erzählen!!!
Ich verstehe nur nicht warum nur so wenige deine Arbeit kommentieren!!1
Naja, ich werde es jedenfalls auch weiterhin machen, wenn du weiter schreibst!!!
Liebe Grüße Ming


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