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Abgrund

Eine Kurzgeschichte
von

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Abgrund

Trauer...

Verzweiflung...

Angst...

Leid...

Hass...

Mein ganzes Leben lang begleiten mich diese Gefühle. Ich werde wohl nie etwas anderes fühlen können, aber das ist nun nicht mehr von Bedeutung, denn Heute ist der Tag, an dem ich mein Leiden beende.

So stehe ich nun hier am Abgrund meiner Selbst. Bereit alles hinter mir zu lassen und mich in die Arme des Todes zu begeben, weil der Tod ist der einzige, der mich versteht.

Wie bin ich hierher gekommen?

Meine Beine haben mich ganz allein an diesen Ort gebracht. Mein Hirn hat sich abgeschaltet und meinen Beinen die Kontrolle überlassen. Sie haben den Weg gefunden der mich zu meiner Erlösung führt.

Ich senke den Blick und schaue hinab in das kalte Dunkel des Abgrunds, der vor mir liegt. Wind sammelt sich zwischen den Hochhäusern und streichelt mir über die blassen Wangen. Es ist so, als ob der Tod seine Hände nach mir ausstreckt und mir über die Wangen streichelt.

Er ruft mich.

Komm zu mir. Ich weiss was dich quält und werde dich davon befreien. Es ist ganz einfach. Lass dich fallen.

Ganz leise, kaum hörbar flüstert der Wind mir dies ins Ohr und ich glaube ihm. Ich vertraue ihm.

Von allen Seiten umhüllt mich der Wind und lässt meine schwarzen Haare und meine Sachen sanft wehen. Ganz so wie ein seidiger schwarzer Umhang, der mich von allem schützt, was mich verletzen könnten.

Ich habe mal gehört, die Feder sei mächtiger als jedes Schwert. Ich glaube, ich verstehe, was damit gemeint ist, denn ich habe es schon oft genug erfahren.

Ein Schwert schneidet uns, doch die Wunde schließt sich irgendwann wieder und ist vergessen...

Worte hingegen, ob geschrieben oder gesagt, verursachen Wunden an der Seele, welche sich nie wieder schließen und uns ein Lebtag begleiten werden. Was ist nun schlimmer? Eine fleischliche Wunde die irgendwann vergessen ist weil sie verheilt, oder eine seelische Wunde, die nie vergessen werden kann?

Ich wurde nie von einer Klinge verletzt, aber oft genug von Worten, sodass ich mir die Bedeutung dieser Weisheit bewusst bin.

Ich schließe die Augen und lausche den Geräuschen der Stadt. In weiter Ferne erklingt ein Martinshorn. Wahrscheinlich ist mal wieder irgendwo ein Unfall passiert und der Krankenwagen fährt aus, um Leben zu retten. Dabei hätte es die armen Schweine gut getroffen, wenn sie abgekratzt währen. Dann hätten die das Thema sterben schon hinter sich und müssten sich nicht mehr mit dem Leben abquälen. Ich hingegen habe das Sterben noch vor mir...

Ich lausche weiter.

Aus der Wohnung unter mir erklingt Musik. Leise erreichen mich die Strophen, doch ich verstehe jedes Wort.

Spürst du es? Spürst du wie schön das Leben ist? Komm gib mir deine Hand und lass uns gemeinsam das Leben genießen...

Während ich dem Lied lausche muss ich anfangen zu grinsen. Wirklich ein passendes Lied zum Sterben. Als ob mich das Schicksal auch kurz vor meinem Tod noch einmal verarschen möchte. Ich spüre förmlich, wie es mir den Mittelfinger entgegen streckt.

Ich atme tief die kalte Nachtluft ein, um mich auf den nächsten und letzten Schritt vorzubereiten und öffne dann meine Augen. Mein Blick senkt sich und ich erblicke die Straße, auf der sich eine große Menschenmenge versammelt hat.

Man hat mich also entdeckt. Nicht mehr lange und hier Oben werden irgendwelche Seelenklempner aufkreuzen, um mich von meinem Vorhaben abzuhalten. Aber ehe sie hier Oben ankommen werde ich schon lange auf der Straße aufgeschlagen sein.

Ich spüre, meine Zeit ist gekommen...

Ich drehe mich um, mit dem Rücken zum Abgrund und strecke meine Arme aus, ganz so, wie ein Engel seine gebrochenen Flügel ausstreckt, um ein allerletztes mal zu fliegen und auch ich werde nun den ersten und letzten Flug meines Lebens antreten.

Lass dich fallen... Einmal mehr flüstert mir der Wind dies ins Ohr und ich lasse mich fallen.

Doch bevor ich unten aufschlage gleitet mein Blick noch einmal gen Himmel und ich erblicke etwas, das mir vor Glück heiße Tränen in die Augen treibt:

Das letzte, was ich in meinem Leben sehe ist ein leuchtend schöner Vollmond, so rein wie die Unschuld selbst, der mir den Weg zu meiner Erlösung weist...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ButterflyCry
2006-10-21T17:59:02+00:00 21.10.2006 19:59
*Gänsehaut bekomm*
Der letzte Satz ist einfach genial!
Du hast alles sehr schön beschrieben, die Gefühle, und es ist eine großartige Story, gefällt mir ^^


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