Zum Inhalt der Seite

Duvet

Juri x Shiori
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

I am falling

Ich lehnte mich kurz zurück und begann mich zu strecken. Aus einem nichtig erscheinenden Anlass zwang ich mich, wach zu bleiben. Ein kurzer Blick auf die antik erscheinende Wanduhr im Zimmer. Kurz nach Mitternacht.
 

Nur mit Mühe konnte ich mir ein Gähnen verkneifen, langsam strich ich einige meiner rotblonden Locken beiseite, wollte mich wieder dem Buch widmen, das mir schon seit Stunden die Hoffnung auf Schlaf raubte. Goethes „Faust“. Man hätte mich wahrscheinlich nicht für einen Menschen gehalten, der solche Bücher würdigt – vielleicht aber doch. Wer wusste das schon so recht?
 

And you don't seem to understand

A shame you seemed an honest man

And all the fears you hold so dear

Will turn to whisper in your ear
 

Die Kerzen waren schon merklich abgebrannt, die sonst so strahlenden, pfirsichfarbenen Rosen in der gläsernen Vase warfen dunkle Schatten auf die Buchseiten, verschluckten die Druckerschwärze bedenklich. Vielleicht sollte ich mich doch hinlegen – das war zumindest der Gedanke, bevor ich mich im Stuhl herum drehte und zu meinem Bett schielte.
 

Kurz weiteten sich meine Augen. Ich hätte schwören können, dass sie vorher noch nicht hier war. Doch – wann war schon vorher? Seit ich das Buch in Gewahrsam genommen und aus der Bibliothek im Schulgebäude entnommen hatte, sicher schon fünf Stunden. Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf meine Lippen, bevor ich traumwandlerisch zum Lesezeichen aus rotem Samt griff und zwischen die Seiten legte – den Blick konnte ich allerdings nicht von ihr lassen, dem Mädchen das nun auf meinem Bett lag und eingeschlafen war.
 

And you know what they say might hurt you

And you know that it means so much

And you don't even feel a thing
 

Shiori – ich hätte es mir denken können. Sie war zu rücksichtsvoll. Sie hatte während meines Studiums kein Wort verloren, um meine Konzentration nicht zu stören. Ihr aubergine- farbenes Haar fiel in vereinzelten Strähnen über das schlanke Gesicht, rahmte ihre Wangen ein. Ich konnte sehen, nein fühlen, wie sich ihr Brustkorb sachte hob und wieder normalisierte, hörte das leise Atmen.
 

Was hätte ich tun sollen? Es gehörte sich nicht, sie einfach aufzuwecken. Auch ich hatte meine Prinzipien. Und wer hätte schon einen schlafenden Engel geweckt, der um so vieles schöner war als alle Gemälde dieser Welt, die man hätte sammeln können?
 

I am falling, I am fading,

I have lost it all
 

Im nächsten Moment hielt ich inne. Warum dachte ich das? Warum? Immer wieder, sobald mich ihr Blick, ihr Lächeln streifte. Ich wusste, dass Shiori keinen Hehl daraus machte, Männern hinterher zu sehen – und wer weiß, wie sie reagierte. Wenn sie nur wüsste… Ich hatte einen Ruf zu verlieren. Das konnte und wollte ich nicht bestreiten. Doch wie oft ich es auch tat – dieser… fahle Nachgeschmack war einfach nicht zu ertragen und verhöhnte die Divergenz zwischen Denken und Fühlen in meinem Innersten. Es war kein Geheimnis, dass diese „Kinder“ aus der Unterstufe in der Fechthalle nur darauf warteten, mir ein Schweißtuch nach dem Training zu reichen. Sie, genau SIE – die Mädchen, die alle mindestens zwei Klassen unter meiner waren – liebten es, mich zu beobachten, zu vergöttern. In meinen Augen lachhaftes Getue. Simple Zankerei und Schleimerei um in der Schulhierarchie aufzusteigen. Wie mir diese Gänse zeitweise leid taten. Zumindest war ich nicht diejenige, die diese Subjekte dazu aufforderte mir schöne Augen zu machen – im Gegensatz zu Toga, der es genoss, ein Mädchen nach dem Anderen flachzulegen. Wo blieb die Würde?
 

And you don't seem the lying kind

A shame that I can read your mind

And all the things that I read there

Candle-lit smile that we both share
 

Wo ich gerade bei Würde war… Seit ich Shiori kannte, wusste ich, dass meine Würde mit jedem fragenden Blick ihrerseits kapitulierte und sonst verborgene Sehnsucht die Oberhand gewann. Ich bemerkte erst durch einen kurzen, ziehenden Schmerz, dass ich mich in mein Handgelenk verbissen hatte, die Blutstropfen jedoch traten nur vereinzelt hervor – wie eine Essenz, die ich für einen Liebestrank gebraucht hätte. In jenem Augenblick kam ich mir wie ein Verlierer vor – und zu verlieren war die größte Schmach – zumindest für mich. Es fiel schwer, bei diesem Anblick zu widerstehen. Wirklich. Ich hatte meine größte Mühe, mein Verlangen, meinen Wunsch nach ihrer Nähe im Zaum zu halten – was mich keinesfalls davon abhielt, ihre Anwesenheit zu schätzen. Langsam erhob ich mich vom Stuhl und näherte mich dem Bett, auf dem sie lag. Durch ihre zusammengekauerte Haltung wirkte sie so verloren inmitten weißer Satinkissen. Ein scheues Lächeln begleitete mich, als ich einen kurzen Blick auf meine Kette mit dem Rosenmedaillon lenkte. Es verging kein Tag, an dem ich nicht die Kette umlegte und nahe bei meinem Herzen trug, es vergötterte wie ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Wenn Shiori nur wüsste, wie nahe sie mir eigentlich wirklich war...
 

And you know I don't mean to hurt you

But you know that it means so much

And you don't even feel a thing
 

Meine Finger strichen zärtlich, fast übertrieben vorsichtig die Haare aus ihrem Gesicht. Meine Hände zitterten, ich konnte mir nicht erklären, woran es lag, ich schob es auf die Müdigkeit. Sie war so wunderschön… so schön… wie eine Rose in ihrer vollen Blüte, gleich einer Black Lady, deren Aufzucht so kompliziert war. Doch ihr Anblick entschädigte alle Mühen, die man mit ihr hatte.
 

I am falling, I am fading, I am drowning,

Help me to breathe
 

Shiori zuckte leicht, als ich sie berührte, doch sie schlief zu fest, als dass sie hätte erahnen können, ob es Realität war oder zu ihren Träumereien zählte. Wortlos deckte ich sie zu. Mein Zimmer war nicht gerade wohltemperiert – um ehrlich zu sein, ich hasste nichts mehr als unerträgliche Hitze – und deswegen wollte ich ihr eine Erkältung bei tagtäglich geöffneten Fenstern ersparen.
 

I am hurting, I have lost it all

I am losing
 

Ich selbst zog mich zurück, eine zusätzliche Decke aus dem Kleiderschrank gab mir den Komfort, den ich für den alten Stuhl mit der dürftigen Rückenpolsterung benötigte. Der Mond stand am nachtschwarzen Himmel, ebenso wie vereinzelte Sterne. Ich seufzte tief in mich hinein. Vielleicht – aber auch nur vielleicht würde das Schicksal es einmal erlauben, mit ihr das Bett zu teilen…
 

Help me to breathe



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2006-12-08T13:19:40+00:00 08.12.2006 14:19
ich kenne zwar die charaktere nicht, aber den oneshot find ich trotzdem gut gelungen
Von: abgemeldet
2006-10-12T09:03:23+00:00 12.10.2006 11:03
Eine sehr passende und vor allem fesselnde Charakter"analyse", möchte man schon fast sagen. Leider kann ich mit Songfics nur überhaupt nichts anfangen und empfand die eingefügten lyrics doch als sehr störend... aber wenn ich mir die wegdenke, bleibt nur positives zurück.
Von:  AlexMcKenzie
2006-09-05T23:49:15+00:00 06.09.2006 01:49
Gut getroffen *tief verneig* Ich hoffe noch einmal die Ehre haben zu dürfen ein solches Werk zu würdigen.


Zurück