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Violence

von

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01

Es passierte, als ich gerade in die zwölfte Klasse kam. Die Lehrerin stapfte ins Klassenzimmer, kündigte irgendeinen Neuen an und zog im nächsten Augenblick einen schmächtig wirkenden Jungen hinter sich her, den sie als ‚Enrico Montana’ vorstellte. Er war sehr blass, hatte scheinbar hellgraue Augen und sah irgendwie…kränklich aus. Alles in allem fand ich ihn recht hübsch, doch ein Blick zu meinen Kumpels Alex und Matt machte klar, dass sie anderer Meinung waren. Alex hob grinsend die Augenbraue, zeigte auf den Neuen und fuhr sich mit dem ausgestreckten Zeigefinger über eine nicht vorhandene Linie seines Halses. Oh je, das sah nicht gut aus. Beunruhigt biss ich mir auf die Zunge, mein Mund fühlte sich auf einmal furchtbar trocken an. Der Kerl – Enrico – konnte einem echt Leid tun… Erst musste er von einer Highschool auf diese völlig fremde Schule wechseln und dann hatte er es auch noch durch seine pure Anwesenheit geschafft, die wohl am meisten von allen Jugendlichen gefürchteten Schlägertypen der gesamten Stadt auf sich aufmerksam zu machen. Ratlos sah ich zu ihm hinüber, sein schüchterner Blick traf für einen kurzen Moment genau in meine Augen, bevor der Junge hastig seine Tasche unter den Arm klemmte und den freien Einzeltisch links neben mir anstrebte. Armer, kleiner Wicht, bald wirst du lernen, dass die Dinge hier anders laufen, als du sie von deiner bisherigen Umgebung gewöhnt bist. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie mir Alex einen Zettel zuwarf, mehr aus einem Reflex heraus fing ich ihn auf. ‚Frag ihn mal, wie alt er ist!’, stand auf dem zerknüllten Papier, und: ‚Der Typ kommt mir bekannt vor, ich hatte mal ne üble Schlägerei mit einem Arsch, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah – vielleicht sein Bruder…? Jedenfalls mag ich ihn nicht. Kommst du später mit ins Lehrerzimmer? Ich will ein paar Infos über ihn abchecken gehen…’ In meinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt, deutete ich ein Nicken an. Tja, so lief das immer bei Matt und Lex: Zuerst einen Typen aus der Menge picken, sich über ihn informieren und dann in einer dunklen Gasse der Stadt stellen und gemeinsam verprügeln. Der einzige Haken daran war, dass ich jedes Mal dabei sein musste. Zwar war ich selbst fast 1.93m groß, aber da die Beiden meine besten Kumpels waren, fügte ich mich meinem Schicksal und bemühte mich um Frieden in unseren Reihen. Ich wusste bereits jetzt nicht mehr, wie viele Jugendliche ich mit Tritten und Schlägen zur Räson gebracht hatte, nur weil Alex und Matt das furchtbar komisch fanden. Manchmal machte es mir ja fast Spaß, aber dieses Mal gefiel mir die ganze Sache nicht. Es ging zu schnell… Warum ausgerechnet der Neue? War es wirklich nur die verblüffende Ähnlichkeit mit dem Störenfried, die Alex dazu veranlasste ihn jetzt schon regelrecht zu verabscheuen? Irgendwie konnte ich das nicht so recht glauben – da steckte mit Sicherheit mehr dahinter! Mit der freien Hand fuhr ich mir nervös durch meine schwarze Zottelmähne, beugte mich dann unauffällig zu Enrico hinüber und flüsterte ihm meine Frage ins Ohr. „Hey, wie alt bist du eigentlich, Kleiner?“ Überrascht und vielleicht auch ein kleines bisschen von den ‚unzähligen’ Piercings eingeschüchtert, die meine rechte Augenbraue, meine Unterlippe und meine Ohren zierten, sah er zu mir rüber. „I-ich…? Neunzehn…“, antwortete er mit leiser Stimme, die ich aufgrund ihres angenehmen Klangs sofort sympathisch fand. „Oh, siehst jünger aus. Hätte dich auf höchstens Siebzehn geschätzt, wenn nich sogar jünger…“ Ich gab mir keine Mühe, meine Verwunderung zu verbergen. So schmächtig wie Enrico wirkte, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass er nur ein Jahr jünger sein sollte als ich. Der Neue lächelte scheu. „Wirklich? Hm. Du heißt Kai, nicht wahr? Ein Mädchen aus meiner alten Schule hat mir von dir erzählt. Du bist ziemlich beliebt beim anderen Geschlecht…“, flüsterte er zurück, wobei sein Blick über mein Gesicht huschte. Jetzt war ich aber wirklich baff. Er kannte mich? „So? Ich wusste gar nicht, dass ich außerhalb unserer Penne so berühmt bin…“ Ein wenig vor den Kopf gestoßen richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die voll geschriebene Tafel - ohne jedoch bewusst die unzähligen Worte zu lesen, die zu einem völligen Wirrwarr aus Sätzen verflochten waren. Sollte ich dem Kleinen vielleicht sagen, dass ihm Gefahr drohte? Lieber nicht, bei meinem Glück würde ich mir ja doch nur Ärger mit den anderen einhandeln. Womöglich glaubte Enrico mir ja noch nicht einmal… Gedankenverloren knüllte ich den Zettel in meiner Hand zu einer kleinen Kugel zusammen und warf ihn zielsicher in den eisernen Papierkorb, der neben der Tür stand. Verdammte Zwickmühle! Ich hasste es, so unter Druck gesetzt zu werden. Zumal die meisten Lehrer mich sowieso auf dem Kieker hatten, weil ich als Sitzenbleiber in diese Klasse kam – ein Umstand, der die Maßnahmen deutlich verschärfen würde, sollte man mich bei einer unfairen Prügelei erwischen. Ein Seufzen kam über meine Lippen, als ich den Blick erneut Enrico zuwandte. Der Kleine starrte konzentriert auf seine Hände, er wirkte seltsam fremdartig zwischen all den angeregt flüsternden Leuten. Schließlich sprach er mich an. „Kai? Magst du mich? I-ich meine… Kann es sein, dass ich hier nicht willkommen bin?“, fragte er mich mit unsicherer Stimme, wobei seine grauen Augen mich niedergeschlagen anschauten. Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Es war ja nicht so, dass ich ihn nicht mochte. Genau genommen waren es ja nur Matt und Alex, die was gegen ihn hatten, oder? „Quatsch, ich mag dich. Du scheinst ziemlich nett zu sein, wenn auch ein bisschen zu zurückhaltend.“, klärte ich mein Gegenüber bereitwillig auf und grinste beruhigend. „Wie kommst du denn auf so was?“ Mein Blick wanderte flüchtig zu den anderen hinüber, kehrte jedoch sogleich wieder zu meinem neuen Banknachbarn zurück. Enrico hob die Schultern, seine Gesichtszüge entspannten sich sichtbar. „Ich weiß nicht genau. Irgendwie herrscht hier eine feindselige Stimmung… Ah, tut mir Leid! Bestimmt bilde ich mir das mal wieder nur ein.“, stammelte er verlegen und blickte an mir vorbei. Wahrscheinlich war ihm gerade klar geworden, was er seinen Mitschülern da unterstellte – obwohl dieser Gedanke der Wahrheit schon recht nahe kam: Es herrschte eine dunkle Stimmung im Raum. Allerdings lag das nicht an der Klasse, sondern nur an zwei Personen, die ich bedauerlicher Weise zu meinen Freunden zählte. Seufzend setzte ich meinen Kuli auf den Block, der vor mir auf dem Pult lag. Nachdem ich abwesend eine Weile darauf herumgekrakelt hatte, wandte ich das Wort wieder an den Neuen. „Macht doch nichts. Du musst dich eben erstmal hier einleben – das ist völlig normal! Lass dich bloß nicht von so einem Eindruck entmutigen, du tust den anderen damit unrecht.“ Meine Stimme klang fest und überzeugt als ich sprach, obwohl ich genau wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach. Trotzdem blieb ich bei meiner Lüge, immerhin wollte ich ihn nicht bereits am ersten Tag beunruhigen. Vielleicht würde sich das Ganze ja auch von selbst wieder legen… Jedenfalls hoffte ich das. Lustlos kaute ich auf dem Ende meines Kugelschreibers herum, meine Gedanken drehten sich immer wieder um das Wohlergehen des Neuen. Natürlich fiel mir dabei auf, wie mich besagter Neuer immer wieder von der Seite her musterte, doch diese Tatsache hielt mich nicht davon ab, alles um mich herum gekonnt zu ignorieren - auch die Lehrerin vor mir. "Junger Mann, falls Sie sich bereits für gut genug informiert halten, um das Abitur zu meistern, dann können Sie gerne nach Hause gehen. Andernfalls bitte ich Sie, mich mit Ihrem wundervollen Gesicht zu erfreuen, auch wenn ein schöner Rücken ebenfalls entzücken kann. Danke sehr..." Sie blickte mich streng mit ihren haselnuss-braunen Augen an und wandte sich wieder zu dem Rest der Klasse um. "Jaja...", grummelte ich genervt, wobei mein Stift unsanft auf dem Pult landete. "Ich pass ja schon auf." Mein Gott, wie ich es hasste! Ständig wurde ich von sämtlichen Lehrern ermahnt, zurechtgewiesen oder angepflaumt - langsam hatte ich wirklich genug von diesem Mist. Mein Blick wanderte missgelaunt zur Tafel nach vorne, entzifferte in Rekord verdächtigem Tempo die dort angeschriebenen Lebensdaten eines gewissen 'Theodor Fontane' und kehrte schließlich zu dem teilweise vollgekrakelten Block zurück, der noch immer vor mir auf dem Tisch lag. Eilig bannte ich die erhaltenen Informationen über diesen Typen auf das Papier und seufzte. Meine Eltern erwarteten von mir, dass ich das Abitur schaffen würde - auch ich traute mir das durchaus zu. Aber trotzdem hatte ich Angst davor. Was brachte mir schon ein 3,2 Durchschnitt im Abi? Da konnte ich ja auch gleich auf die Realschule gehen und versuchen, dort einen Einser-Abschluss abzusahnen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  HakuChibi
2007-05-13T16:54:56+00:00 13.05.2007 18:54
mensch...du hast immer so schöne ideen, mit denen du deine FFs bereicherst...ich will das auch können...
*drop*
haste sehr schön geschriebn und ich hoffe, es geht auch noch weiter!
*kisu*
Von:  Rabi
2007-03-11T14:53:05+00:00 11.03.2007 15:53
also ich finde das kapi nicht schlecht^^ jedoch mach doch bitte absätze ^o^~ dann kann man das viel ebsser lesen ^__^

so nach jeder 4 zeile so unegfair^^
Von:  SaRiku
2007-02-13T20:01:32+00:00 13.02.2007 21:01
Ahhh! Tut mir Leid!
Ich habe meinen Kommentar total oft abgeschickt...
Aber mein Computer war so langsam, da habe ich mit ein paar Doppelklicken nachgeholfen... Sorry, lösch sie einfach wieder...
Von:  SaRiku
2007-02-13T19:59:45+00:00 13.02.2007 20:59
Nanu?
Hier gibt es ja noch gar keine Kommentare?! Wie blöööd!
Also, ich mag deine Geschichte! Nur... Sie hat etwas düsteres an sich. Ich lasse mich von sowas immer mitreissen, das heißt, meine gute Stimmung ist dahin, jetzt, da ich das Kapitel gelesen habe.

Aber das sollte dich nicht weiter interessieren, denn ich habe auch noch andere Dinge zu deiner Story zu sagen ^^°(Achtung, ich habe mich selbst zum Masterkommischreiber auserkoren, ich liiiiebe lange Kommentare):

Deine Schreibweise ist sehr ansprechend. Man hat das Gefühl, wirklich "mit dabei zu sein", auch wenn das eher eine Formulierung ist, die man sonst nur irgendwelchen Lehrern vorbetet, weil man sie als Hausaufgabe auswendig lernen musste. Aber ich meine es ernst -es ist tatsächlich bedrückend deine Geschichte zu lesen, vor allem, wenn man bedenkt, was Enrico noch alles wiedefahren könnte.
Außerdem machst du keine Fehler (habe nicht einmal einen Zeichensetzungsfehler gefunden!), jedenfalls fallen sie nicht auf.
Aber es ist auch sehr interessant, das Lesen macht Spaß. Das wollte ich noch losgeworden sein =).
Die Charaktere sind auch sehr vielversprechend gestaltet und man hat das Gefühl, besonderen Individuen gegenüber zu stehen.
Vor allem die Hauptperson mag ich. Und in diesem Sinne noch einen Hinweis auf deine schriftstellerische Kunstfertigkeit:
Ich finde es faszinierend, wie beiläufig du Daten über die Leute in den Text einfügst.
Du vermeidest diese plumpe Aufzählung der Eigenschaften der Hauptperson, beispielsweise am Anfang. Ich kenne nämlich viele Autoren, die damit nicht umgehen können (mich eingeschlossen? Neee, eher nicht... O.o).
Und eine meiner letzten Bemerkungen handelt von dem Thema, das du für deine Geschichte gewählt hast. Normalerweise lese ich gerne Komödien und andere leichte Kost (allerdings darf es auch nicht phantasielos sein), aber Gewalt an Schulen zu thematisieren, das ist eine gute Idee. Denn das ist eine Sache, mit der sich meiner Meinung nach dringend einige Leute auseinandersetzten sollten.

Ich wüsste jedenfalls gerne, wie es weitergeht. Und ich hoffe, dich nicht mit meinem Kommentar genervt zu haben.
Ich setzte deine Geschichte jedenfalls auf meine Favo-Liste und warte gespannt auf eine Fortsetzung!
LG Eiselfe
Von:  SaRiku
2007-02-13T19:59:45+00:00 13.02.2007 20:59
Nanu?
Hier gibt es ja noch gar keine Kommentare?! Wie blöööd!
Also, ich mag deine Geschichte! Nur... Sie hat etwas düsteres an sich. Ich lasse mich von sowas immer mitreissen, das heißt, meine gute Stimmung ist dahin, jetzt, da ich das Kapitel gelesen habe.

Aber das sollte dich nicht weiter interessieren, denn ich habe auch noch andere Dinge zu deiner Story zu sagen ^^°(Achtung, ich habe mich selbst zum Masterkommischreiber auserkoren, ich liiiiebe lange Kommentare):

Deine Schreibweise ist sehr ansprechend. Man hat das Gefühl, wirklich "mit dabei zu sein", auch wenn das eher eine Formulierung ist, die man sonst nur irgendwelchen Lehrern vorbetet, weil man sie als Hausaufgabe auswendig lernen musste. Aber ich meine es ernst -es ist tatsächlich bedrückend deine Geschichte zu lesen, vor allem, wenn man bedenkt, was Enrico noch alles wiedefahren könnte.
Außerdem machst du keine Fehler (habe nicht einmal einen Zeichensetzungsfehler gefunden!), jedenfalls fallen sie nicht auf.
Aber es ist auch sehr interessant, das Lesen macht Spaß. Das wollte ich noch losgeworden sein =).
Die Charaktere sind auch sehr vielversprechend gestaltet und man hat das Gefühl, besonderen Individuen gegenüber zu stehen.
Vor allem die Hauptperson mag ich. Und in diesem Sinne noch einen Hinweis auf deine schriftstellerische Kunstfertigkeit:
Ich finde es faszinierend, wie beiläufig du Daten über die Leute in den Text einfügst.
Du vermeidest diese plumpe Aufzählung der Eigenschaften der Hauptperson, beispielsweise am Anfang. Ich kenne nämlich viele Autoren, die damit nicht umgehen können (mich eingeschlossen? Neee, eher nicht... O.o).
Und eine meiner letzten Bemerkungen handelt von dem Thema, das du für deine Geschichte gewählt hast. Normalerweise lese ich gerne Komödien und andere leichte Kost (allerdings darf es auch nicht phantasielos sein), aber Gewalt an Schulen zu thematisieren, das ist eine gute Idee. Denn das ist eine Sache, mit der sich meiner Meinung nach dringend einige Leute auseinandersetzten sollten.

Ich wüsste jedenfalls gerne, wie es weitergeht. Und ich hoffe, dich nicht mit meinem Kommentar genervt zu haben.
Ich setzte deine Geschichte jedenfalls auf meine Favo-Liste und warte gespannt auf eine Fortsetzung!
LG Eiselfe


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