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Seto Kaiba und der Geist der Weihnacht

Ein Yugioh-Weihnachstlied in Prosa
von

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Eine zweite Chance

Zögernd streckt Seto Kaiba seine Glieder. Ist es wirklich wahr? Ist er wieder zurück in der Gegenwart? Zurück in seiner eigenen Zeit, in seinem eigenen Büro? Noch immer ein wenig zitterig steht er auf. Sein Blick fällt auf den Monitor. Die digitale Uhr zeigt gerade 18:35 Uhr. Kaiba traut seinen Augen nicht. Es ist erst kurz nach halb sieben. Aber um diese Zeit hat der ganze Spuk doch angefangen.

Er dreht sich zum Fenster um. Es ist geschlossen und auf dem Sims türmt sich eine dicke markelose Decke aus Neuschnee. Hastig fährt er sich über die Augen. Es muss doch ein Traum gewesen sein! Doch als er die Hand sinken lässt, bemerkt er die Feuchtigkeit, die auf seinen Fingern glitzert. Nein, das kann kein Traum gewesen sein!

Schwer lehnt er sich gegen das Fenster und wartet bis sich sein Herz wieder ein wenig beruhigt hat. Es ist wahr! Er ist wieder zurück! Langsam hebt er den Kopf. Seine Augen sind geschlossen, aber ein erleichtertes Lächeln liegt um seine Mundwinkel. Es ist noch nicht zu spät!

Fast schon hatte er nicht mehr daran geglaubt. Fast hatte er schon geglaubt, den Verstand zu verlieren. Nein, so etwas will er nie wieder mitmachen müssen. „Ich lebe noch!“, flüstert er, „Ich bin nicht tot. Und Mokuba auch nicht. Mokuba!“ Seine Augen fliegen auf. Ruckartig fliegt sein Blick zur Uhr. „Es ist noch nicht zu spät! Ich kann es noch immer schaffen!“ Hastig räumt er seinen Schreibtisch zusammen und schaltet den Monitor aus. Nichts auf der Welt kann ihn jetzt davon abhalten, zu seinem Bruder zu fahren.

Auf dem Weg zur Tür strauchelt er kurz. Verdutzt rappelt er sich auf. Was ist denn nur mit ihm los? Er fühlt sich so seltsam schwach auf den Beinen und zur gleichen Zeit fühlt sich sein Herz an, als wollte es Purzelbäume schlagen. Seto Kaiba fühlt sich eigenartig beschwingt und er begreift nicht wieso. Alles was er weiß, ist dass sein Herz wie verrückt klopft bei dem Gedanken an seinen Bruder.

Wieder knicken Kaiba die Knie weg und er findet sich verdutzt auf den Boden wieder. Lächelnd schüttelt er den Kopf: „Oh man, was ist bloß mit mir los?“ Behutsam steht er wieder auf. „Immer mit der Ruhe!“, befiehlt er sich selber. Wieder schüttelt er mit einem verstohlenen Lächeln den Kopf: „Dieser elende Scrooge! Muss er mich denn mit allem anstrecken?“ Allmählich traut er seinen Beinen wieder. Er kann sich nicht helfen aber er fühlt sich auf einmal viel fröhlicher und freier und außerdem grenzenlos erleichtert.

Schließlich erreicht er die Tür und öffnet sie. Ja, tatsächlich! Die Tür lässt sich von ihm öffnen, er dringt nicht durch sie hindurch! Vorsichtig lugt er hinaus. Innerlich schickt er ein Stoßgebet zum Himmel, dass dort keine verkniffene, alte Frau mit Designerbrille sitzen möge. Doch an dem Empfangstresen ist niemand zu sehen.

Behutsam schiebt Kaiba sich aus der Tür. Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Gerade in diesem Augenblick vernimmt er am Ende des Ganges ein Ping, das das Erscheinen des Fahrstuhls ankündigt. Innerlich hält Seto den Atem an. In diesem Moment teilen sich die Aufzugstüren und heraus kommt eine junge, blonde Frau die einen dicken Stapel Akten trägt. Als sie Kaiba sieht, hält sie erschrocken inne.

„Oh, Kaiba-sama!“, stottert sie etwas überrumpelt. Hastig tritt sie näher. „Hier sind die Abrechnungen, die sie wollten. Es ging leider nicht schneller. Ich musste noch auf die Prognosen warten. Aber ich habe sie bereits überschlagen und alles macht einen recht zuversichtlichen Eindruck.“ So selbstbewusst wie möglich streckt die junge Frau ihm die Unterlagen hin, doch ihr Blick gibt zu verstehen, dass sie mit einer gehörigen Standpauke über die unzureichende Arbeitsgeschwindigkeit rechnet.

Schweigend nimmt Kaiba die Unterlagen im Empfang und eben so schweigend betrachtet er seine Angestellte die unter seinem Blick zunehmend nervöser und fahriger wird. „Ähm, die Rechnungsabteilung sagte, dass wir einen ausgesprochen guten Umsatz verzeichnen, dieses Jahr“, redet sie weiter in dem nervösen Versuch, die Aufmerksamkeit ihres Chefs von ihrem Gesicht abzulenken, „Wenn... wenn sie einen Blick auf die morgendlichen Prognosen werfen wollen...?“

Langsam fällt Setos Blick auf die Unterlagen in seiner Hand. Schließlich atmet er einmal durch. „Immer mit der Ruhe, Megumi-san!“, damit legt er den Stapel auf dem Pult ab, „Das hat Zeit bis morgen.“ Sprachlos bleibt der jungen Frau für einen kurzen Moment der Mund offen stehen. „Ähm... Kaiba-sama...“, setzt sie an, doch er winkt ab.

Für einen Moment scheint er nach den richtigen Worten zu suchen, während die junge Frau wie gebannt an seinen Lippen hängt und ihn mit großen Augen anschaut. Schließlich hebt er den Kopf: „Ich... wollte mich... entschuldigen, für vorhin! Ich hätte sie nicht so anschreien dürfen. Sie leisten ausgezeichnete Arbeit, Megumi-san! Bitte glauben sie nicht, ich wüsste das nicht zu schätzen. Mein Verhalten vorhin war unangebracht. Es tut mir leid!“

Sprachlos fällt der jungen Frau die Kinnlade herunter, damit hat sie wirklich nicht gerechnet. Schon spürt sie wie sie unwillkürlich errötet. Aber eben so schnell fasst sie sich auch wieder. „Kaiba-sama...“, stammelt sie verlegen, „Das... das war doch nicht nötig! Ich mache meine Arbeit gerne. Ich würde mich niemals beschweren. Ich... arbeite gerne für sie. Es ist schon in Ordnung!“ „Nein!“, wiederspricht Kaiba, „Es war nicht in Ordnung. Es tut mir wirklich leid!“ Unsicher schaut die blonde Sekretärin ihren Vorgesetzten an; er sieht im Augenblick sehr geknickt aus.

„Ist... alles in Ordnung mit ihnen, Kaiba-sama?“, fragt sie nun behutsam, „Soll ich ihnen einen Kaffe holen, oder etwas anders?“ Doch Kaiba wehrt ab: „Nein, danke! Das ist nicht nötig!“ Dann schaut er ihr direkt in die Augen: „Machen sie Schluss für heute, Megumi-san! Fahren sie nach Hause und feiern sie mit ihrer Familie!“ Verwirrt schaut die junge Frau drein. „Aber, ich hab noch so viel zu tun...“, erhebt sie schwach Protest. „Das macht nicht!“, erwidert Seto, „Machen sie das morgen! Ihre Mutter und ihre Tochter warten sicher schon auf sie.“ Eine Spur eines Lächelns zieht über sein Gesicht.

Überwältigt schaut sie ihn an. „Woher wissen sie von meiner Tochter, Sir?“ „Ist das wichtig? Fahren sie zu ihr! Na, los doch!“ Sprachlos beobachtet die junge Frau nun wie Seto Kaiba sein Koffer ergreift und auf den Fahrstuhl zugeht, sich zwischendurch noch einmal kurz neben dem Schreibtisch hinabbeugt und etwas rotes in seine Hosentasche steckt. Dann öffnet sich der Fahrstuhl vor ihm und er tritt ein. Kurz bevor sich die Fahrstuhltüren schließen ruft sie ihm noch zu: „Fröhliche Weihnachten, Kaiba-sama!“ Ein kurzes Nicken ist die einzige Antwort und dann braust der Fahrstuhl nach unten. Einen Momentlang steht sie da wie als könne sie es noch immer nicht fassen, doch dann kommt wieder Leben in sie. Eilig läuft sie hinüber zum Telefon und wählt hastig eine Nummer. „Mama? Du wirst nie erraten, was gerade passiert ist!“
 

Ungeduldig wartet Seto Kaiba darauf, dass die Fahrstuhltür aufschwingt. Er hat keine Zeit zu verlieren. Jetzt zählt jede Sekunde! Kaum öffnet sich die Tür, ist Kaiba auch schon über den halben Flur und nur wenig später hat er das Portal mit der gläsernen Flügeltür erreicht. Seine Limousine steht vor der Tür, wie erwartet. Dort steht immer eine. Er sollte das bei Gelegenheit einmal besonders honorieren.

Hastig steuert Seto Kaiba durch den knöchelhohen Schnee auf seinen Wagen zu und nur Sekunden verstreichen bis er die Wagentür öffnen kann. Rasch steigt er ein. „Fahren sie mich bitte nach Hause! So schnell wie möglich!“ Der Chauffeur schaut ein wenig verdutzt drein: „Ist etwas passiert, Sir?“ „Nein, alles in Ordnung!“, wehrt Kaiba rasch ab, „Ich möchte nur nicht das Weihnachtsfest verpassen!“ Ohne ein weiteres Wort gibt der Fahrer den Gas und steuert direkt auf die Kaiba-Villa zu. Was er über die ungewöhnliche Laune seines Vorgesetzten denkt, behält er für sich.

Nur wenige Minuten vergehen und der Wagen erreicht trotz der verschneiten Straßen das große Anwesen. „Machen sie für heute Feierabend!“, ruft er dem Mann noch zu und dann klappt auch schon die Autotür. Verblüfft schaut der Chauffeur seinem Chef hinterher. Zu gerne möchte er wissen, was heute in ihn gefahren ist. Vielleicht der Geist der Weihnacht, denkt er achselzuckend und dann steuert er die Limousine auf die Garage zu.

Seto ertappt sich dabei, dass seine Schritte zu seinem Haus immer größer und eiliger werden. Als er endlich die Eingangstreppe erreicht, rennt er fast. Dabei muss er aufpassen, dass er nicht hinfällt. Der Schnee ist tückisch glatt. Als er schließlich die Haustür erreicht, ist er regelrecht außer Atem. Sein Herz klopft bis zum Hals und in seinem Nacken macht sich eine gespannte Unruhe breit. Seine Finger trommeln ungeduldig auf seinen Oberschenkel und kaum, dass die Tür geöffnet wird, ist er auch schon an der verdatterten Haushälterin vorbei und eilt durch die Eingangshalle und dann die Treppe hinauf.

Unterwegs lässt er irgendwo seinen Koffer einfach fallen. Jetzt gibt es erst mal Wichtigeres. Schon hat er den Flur zum Wohnzimmer erreicht. Als er gerade um die Ecke biegt, begegnet ihm Roland. Kommt er vielleicht doch zu spät? „Guten Abend, Sir!“, spricht ihn sein Angestellter überrascht an, „Man sagte mir, sie kämen heute später!“ Doch Kaiba ignoriert ihn und eilt hastig an ihm vorbei. „Ähm... Mokuba-sama ist gerade im Wohnzimmer. Er...“ „Ja, ich weiß!“, würgt Kaiba ihn ab und dann ist er auch schon um die Ecke.

Da endlich! Dort ist die Tür. Völlig außer Atem, mit klopfendem Herzen und zitternden Fingern greift Seto nach der Klinke. Doch in genau diesem Augenblick, bewegt sie sich wie von selbst und die Tür öffnet sich. Dahinter steht ein völlig überraschter Mokuba der wie zur Salzsäule erstarrt scheint und mit großen, fassungslosen Augen seinen Bruder anstarrt.

Seto Kaiba muss heftig schlucken um wieder zu Atem zu kommen. Außerdem hat er das Gefühl, dass sein Herz gleich explodiert. Das Gefühl, seinen Bruder wieder zu sehen, überwältigt ihn schier. Da steht er nun, abgehetzt, erschöpft und außer Atem. Sein Mantelsaum ist nass und schmutzig vom Schnee, seine Kleidung durchgeschwitzt und sein Haar in wüster Unordnung. So steht er in der Tür und blickt auf seinen kleinen Bruder hinab, der ihn noch immer sprachlos und überrascht anschaut.

Schließlich fasst Mokuba sich wieder. „Seto, was machst du denn hier? Roland sagte doch, dass du nicht kommst.“ Seto kann sich einfach nicht helfen, doch auf einmal treten ihm Tränen in die Augen. Unwillkürlich geht er in die Knie, schlingt seine Arme um seinen kleinen Bruder und drückt ihn liebevoll an sich. „Ja, ich weiß, Moki, und es tut mir leid!“ Zunächst ist Mokuba einfach überrascht, am meisten über die Tränen seines Bruders, doch dann ist ihm das egal. Glücklich erwidert er die Umarmung seines Bruders und schmiegt sich an ihn.

„Ich hab mich so beeilt, Moki!“, hört er seinen Bruder neben sich, „Ich hoffe, ich komme nicht wieder zu spät!“ „Wieder?“, Mokuba ist irritiert, „Ich weiß nicht was du meinst. Ich hab auf dich gewartet. Aber du bist nicht gekommen. Deine Sekretärin sagte, du hast keine Zeit.“ „Das stimmt nicht, Moki“ schüttelt Seto den Kopf, „Für dich hab ich immer Zeit, versprochen!“ Er lässt seinen Bruder ein wenig los.

„Dann hast du nur so getan?“, fragt Mokuba nun mit großen Augen, „Du hast so getan als ob du nicht kommst, um mich dann zu überraschen?“ Seto schluckt schwer. Seine blauen Augen glänzen schuldbewusst. Dann nickt er und lächelt leicht. „Ja, stimmt! Ich wollte dich überraschen!“ „Seto, du weinst ja!“, stellt Mokuba erschrocken fest. „Tu ich das?“, schnieft Seto ein wenig unbeholfen. Dann wischt er sich mit der Hand über die Augen und betrachtet seinen Handrücken. Leicht lacht er auf und schnieft noch einmal. „Tatsächlich! Du hast recht!“

„Aber warum denn?“, fragt Mokuba nun besorgt. Der junge Mann schaut seinen Bruder einen langen Augenblick an. Dann meint er schließlich mit einem sanften Blick: „Ich... bin einfach froh, dass du bei mir bist, Moki!“ Nun schimmern auch Mokubas Augen verdächtig. Erneut schlingt er die Arme um Setos Hals. „Ja, ich bin auch froh, dass du bei mir bist, Seto!“ Noch einmal halten die beiden Brüder sich liebevoll im Arm. Dann schließlich richtet Seto sich auf.

„Lass uns zusammen Weihnachten feiern, Moki, ok? Nur du und ich, ja? Das hast du dir doch gewünscht, oder?“ Doch nun sinken Mokubas Mundwinkel wieder herab. Eine Träne rollt ihm über das Gesicht. „Das ist meine Schuld, Seto! Ich dachte, dass du nicht mehr kommst und... Ich wusste doch nicht, dass du mich überraschen willst. Und da hab ich alles... ich hab alles in den Mülleimer geworfen!“ Bestürzt laufen dem Kleinen die Tränen über die Wangen.

Hastig beugt Seto sich wieder zu ihm herab. „Nein Mokuba, nicht weinen! Nicht weinen, hörst du?“, sanft zieht er ihn an sich, „Du hast keine Schuld! Wenn überhaupt dann hab ich Schuld! Ich sollte nicht immer solche gemeinen Spielchen mit dir spielen. Wir werden auch ohne die Dekoration Weihnachten feiern. Es wird in diesem Haus doch wohl ein paar Teller geben. Und was zu Trinken gibt es doch sicher auch.“

„Aber ich hab mir doch solche Mühe gegeben!“, schnieft Mokuba. Seto gibt es einen erneuten Stich ins Herz. Sanft nimmt er seinen Bruder auf den Arm und trägt ihn hinein ins Zimmer. Dort setzt er ihn dann auf dem Sofa ab. „Ich weiß, Moki, du hast dir wirklich viel Mühe gegeben. Schau doch nur!“ Sein Finger zeigt auf die unzähligen Glanzpapiersterne an den Wänden. „Sie sehen echt toll aus, Moki. Die hast du wirklich klasse hinbekommen. Wenn du eine Kerze hast, können wir sie zum Leuchten bringen.“

Rasch geht er zum Weihnachtsbaum hinüber. „Und schau nur der Baum! Du hast ihn so toll geschmückt und ganz allein! Ich find ihn super!“ Ungläubig lauscht Mokuba den Worten seines Bruders. „Was ist denn mit dir los, Seto?“, fragt er verdutzt, „Du bist so ganz anders als sonst. Du bist so... fröhlich.“

Seto Kaiba hält inne. Sein Blick bekommt etwas schmerzhaftes. „Vielleicht... liegt es daran, dass heute Weihnachten ist“, sagt er leise, „Und vielleicht liegt es einfach nur daran, dass ich dich unglaublich gern hab, Moki. Wirklich, du bist mir das aller Wichtigste auf der Welt!“ Mit zwei Schritten, tritt Seto an den Papierkorb neben der Tür heran und bückt sich dort. Als er die Hand wieder herausholt, hält er die Schere in der Hand. „Ein Lächeln von dir ist mir das allerschönste Weihnachtsgeschenk. Wirf das nicht weg!“ Mit diesen Worten streckt er ihm die Schere hin.

Zunächst bringt Mokuba kein Wort heraus, doch dann schießen ihm die Tränen in die Augen. „Oh, Seto!“, heult er und dann schlingt er seine Arme um den Hals seines Bruders, der ihn glücklich und liebevoll an sich drückt.

Es vergeht eine ganze Weile ehe Mokuba sich wieder beruhigt hat. Geduldig reicht Seto seinen schniefenden Bruder ein Taschentuch. „Und... was machen wir jetzt?“, fragt Mokuba noch immer mit geröteten Augen, „Sollen wir Roland fragen ob die Gans noch nicht verbrannt ist?“ Einen Momentlang hält Seto inne. Für eine kurze Weile überlegt er. Dann fragt er ruhig: „Moki, ist es dir recht, wenn ich vorher noch etwas... überprüfe? Möchtest du mitkommen?“ „Na klar, Seto!“, strahlt der Kleine, „Wo soll’s denn hingehen?“
 

Die schwarze Limousine hält am schlecht beleuchteten Straßenrand einer ziemlich heruntergekommenen Straße vor einem mehr als heruntergekommenen Haus. Jemand steigt aus und schreitet mit sicherem Schritt über die vereisten Treppenstufen. Nur kurz darauf hat er die Tür erreicht und betätigt die Hausklingel.

Zunächst ist nichts zu hören. Doch dann vernimmt man von drinnen ein unfreundliches Gemurmel. Schließlich wird die Tür geöffnet und ein dickbäuchiger, unfreundlicher Kerl im Unterhemd steht in im Türrahmen. Aus finsteren Augen starrt er den Neuankömmling an, als wollte er durch die pure Intensität seines Blickes klar machen, dass er diese abendliche Störung aufs Schärfste missbilligt.

„Was is?“, kommt die patzige Frage. Glasige Augen schauen den jungen Mann vor ihm durchdringend an. Doch dieser zeigt sich davon recht unbeeindruckt. Stattdessen strafft er sich und sagt: „Verzeihen sie die Störung! Mein Name ist Seto Kaiba. Sind sie Jonouchi-san? Ich hätte gerne einmal ihren Sohn gesprochen.“ Die Worte kommen hervor mit einer Präzision, Höflichkeit und Selbstsicherheit, wie sie nur ein regelmäßiges Training in gehobenen Geschäftskreisen hervorbringen kann.

Für einen kurzen Moment scheint der massige Kerl irritiert. Aber dann wendet er sich nach hinten und donnert: „Katsuya! Komm her!“ Ein paar kurze Augenblicke vergehen, dann hört man das Knarren einer Tür und schlurfende Schritte auf dem Flur. „Was is n los?“, erklingt eine mürrische aber vorsichtige Stimme hinter der Tür. „Hier is einer für dich!“, ruft der Mann nach hinten. Unsicher schiebt sich eine hagere, blonde Gestalt durch die Tür nach draußen. Es ist Katsuya. Nun fällt sein Blick auf Kaiba und er bleibt schweigend stehen.

Mit regloser Mine betrachtet Seto Kaiba den jungen Mann vor sich. Die blonden Haare sind zerzaust und das Gesicht ist bleich. Die Unterlippe ist leicht trotzig vorgeschoben und seine braunen Augen mustern den Chef der Kaiba-Corporation schweigend. Doch am auffälligsten ist das dicke, blaue Feilchen über seinem linken Auge und die dünnen, roten Kratzer, die sich über sein Gesicht ziehen.

Zunächst sagt keiner von beiden einen Ton. Doch schließlich fragt Katsuya ruhig: „Kaiba? Was machst du denn hier?“ Nach außen hin verzieht Seto Kaiba keine Mine aber innerlich ist er äußerst aufgewühlt. Er weiß ganz genau wie dieses Feilchen entstanden ist und das macht ihm zu schaffen. Das alles war also nicht nur Einbildung gewesen. Es kann keine Einbildung gewesen sein, woher wüsste er das sonst?

Nachdem er den jungen Mann einen Momentlang schweigend betrachtet hat, strafft er sich erneut und wendet sich wieder an den Vater. „Ich gratuliere!“, sagt er im gewohnt herablassend, geschäftigen Tonfall, „Ihr Sohn hat das Kaiba-Corp Weihnachtspreisausschreiben gewonnen. Sie können stolz auf ihn sein. Ich bedaure die Umstände aber ich muss ihren Sohn leider für ein paar Formalitäten mitnehmen. Unterschriften, Pressetermine, Fotos... Sie verstehen!“

Doch so einfach lässt sich der Mann mit der Halbglatze nicht abspeisen. „Na, hör’n se mal!“, schnauzt er Kaiba an, „Was bilden se sich eigentlich ein? Heute is Weihnachten! Der Bursche geht nirgendwohin, damit das klar is!“ Völlig unbeeindruckt erwidert Kaiba seinen Blick. Dann greift er mit einem müden Gesichtsausdruck in seine Brusttasche und zieht fast gelangweilt ein Stück Papier heraus. „Ach ja, richtig... Ich vergaß! Hier ist das Preisgeld!“ Mit diesen Worten drückt er dem Mann einen Scheck in die Hand.

Interessiert betrachtet Jonouchis Vater das Stück Papier in seiner Hand. Doch dann urplötzlich fliegen seine Augen auf und seine Kinnlade herunter. Sprachlos starrt er auf den Zettel und kann seinen Blick nicht davon wenden. Es dauert einige Sekunden, ehe er wieder zu einer Reaktion fähig ist. Dann kratzt er sich gedankenverloren am Kopf, dreht sich um, lässt seinen irritierten Sohn einfach stehen und kehrt mit schlurfenden Schritten ins Haus zurück.

Zunächst schaut Jonouchi ziemlich verwundert drein. Doch dann neigt er sich ein Stück auf Kaiba zu und raunt: „Sag mal, bist du blöd, Kaiba? Ich hab doch bei überhaupt keinem Preisausschreiben mitgemacht.“ Einen kurzen Momentlang wirft der junge Firmenchef ihm einen Blick zu, als müsse er gerade sehr viel Geduld aufbringen doch dann für den Bruchteil einer Sekunde flackert eine Spur von Traurigkeit und noch etwas anderem über sein Gesicht. Jonouchi ist irritiert. Ein Schauer läuft ihm über den Rücken. Ihm kommt es vor, als hätte der junge Mann vor ihm gerade für einen winzigen Augenblick in seine Seele geblickt und etwas Kostbares darin gefunden.

Nach einem langen Moment des Schweigens sagt Kaiba schließlich leise: „Jonouchi?“ Der Angesprochene horcht auf. „Sieh zu, dass du in diesen Wagen steigst!“ Erst ist Jonouchi irritiert, doch schließlich, so ganz allmählich, dämmert es ihm. „Aaah...! Ok!“ Sogleich wendet sich Kaiba zum Gehen und Jonouchi trottet ihm folgsam hinterdrein.

„Also ehrlich, Kaiba“, plaudert Jonouchi beim Gehen, „Ein Preisausschreiben! Etwas Besseres ist dir nicht eingefallen?“ „Halt die Klappe und steig ins Auto!“ „Schon gut! Schon gut! Sag mal, wie viel hast du ihm gegeben?“ „Genug um sich einen feuchtfröhlichen Abend zu machen, und dich für eine Weile zu vergessen.“ „Nein, sag mal, wie viel?“ „Genug!“ „Schon gut, ich bin nicht neugierig. Ach und Kaiba?“ „Hmh?“ „...Danke!“ „...“ „Komm schon Kaiba, wie viel?“

Schließlich haben sie das Auto erreicht und beide steigen ein. Der Motor heult auf und die Karosserie setzt sich in Bewegung. Die dicken Reifen hinterlassen markante Spuren in der unbefleckten Reinheit des Neuschnees. Nur aus der Ferne hört man aus dem Wagen noch ein lautes, langgezogenes „Waaaaas???“
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Caro-kun
2008-12-21T11:15:14+00:00 21.12.2008 12:15
So grausam, kalt und traurig die vorherigen zwei Kapitel waren, so wunderschön und voller Wärme war nun dieses hier. Das war genau das was ich lesen wollte, worauf ich so gewartet hab und es ist dennoch um so vieles besser geworden, als ich dachte. Sorry, aber ich bin im Moment so glücklich, dass ich gar nicht richtig weiß, wie ich dieses Glück beschreiben soll.

Der erste Teil des Kapis, in dem Seto seinen Bruder in den Arm nimmt, nicht nur mal eben so kurz (wie im bei den zwei Szenen im Anime -.-), sondern gleich drei Mal richtig lang, … der war so voller Liebe, sowas wunderschönes hab ich noch nie gelesen. Kaiba hat es genossen, seinen kleinen Bruder festzuhalten (das weiß ich ganz genau ^^), er hat sogar geweint vor lauter Glück und er hat sich für keine einzige dieser Tränen geschämt. Und Mokuba? Für den waren diese Umarmungen denke ich, das größte Weihnachtsgeschenk überhaupt. Weil er sich in ihnen geborgen und von ganzem Herzen geliebt wissen durfte.
Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass ich wahnsinnig einfühlsam und sensibel bin, aber ich hab mich in dem Moment so für die Zwei gefreut, dass ich am liebsten die ganze Welt umarmt hätte. Ich hoffe anderen Lesern geht das genauso.

Der zweite Teil des Kapis, in dem Seto da vor Jonouchis Haustür steht und ihn da rausholt, fand ich auch super. Ich fand es nur etwas merkwürdig, dass das Ekelpacket, Seto Kaiba anscheinend nicht gekannt hat. Sonst hätte es ihn wohl kaum so angeraunzt.
Aber Katsuyas Gesichtsausdruck, als Kaiba ihm da hilft, … der war zum Schießen *g* Jonouchi hat bestimmt gedacht, Seto hätte irgendwelche Drogen genommen.

Und den Schluss, … den hast du auch super hingekriegt *g*
~Nur aus der Ferne hört man aus dem Wagen noch ein lautes, langgezogenes „Waaaaas???“~
Oh Mann! Was muss das für ne Summe gewesen sein XD

Von:  moonlily
2008-11-03T16:02:04+00:00 03.11.2008 17:02
Tja, dann wollen wir mal sehen, was Seto aus dem Besuch seiner drei Weihnachtsgeister gelernt hat. Hihi, der gute Scrooge hat ihn sogar mit seiner Weihnachtslaune angesteckt.
Seine Sekretärin muss gedacht haben, er wäre krank geworden. Er ist gut gelaunt, gibt ihr frei, fischt sich sogar noch eine von den Weihnachtsmützen aus dem Mülleimer … Oh ja, da hat sich einiges geändert.

Er ist gerade noch rechtzeitig nach Hause gekommen, als Mokuba aus dem Wohnzimmer kommt. Damit ist ihm die „Überraschung“ echt gelungen und Moki freut sich. Was will man mehr.

Dann sein Besuch bei Katsuya und seinem Vater … Ja, da hat sich definitiv jemand geändert! Früher wäre es ihm am Allerwertesten vorbeigegangen, wenn ihm jemand sagt, Katsuya und Shizuka könnten nicht zusammen Weihnachten feiern. Aber die Gründe dafür live mitzuerleben ist doch was ganz anderes. Interessantes Preisausschreiben übrigens. ^_~ Na ja, für eine Idee auf die Schnelle, um ihn da rauszuholen, war es auf jeden Fall gut. Katsuya hat sicher die Welt nicht mehr verstanden. Seine Reaktion am Schluss lässt auf eine sehr hohe Summe schließen, die Seto seinem Vater hat zukommen lassen. Wenn nicht gerade Weihnachten wäre, würden sie Seto wahrscheinlich zum Arzt schaffen, um ihn untersuchen zu lassen, er verhält sich ja gerade sehr unkaibahaft.

Von: abgemeldet
2006-12-11T21:05:07+00:00 11.12.2006 22:05
nyo^^

tut mir ja schrecklig Leid, dass ich dieses Käppi ganz verpeilt hab...Studium ist Dauerstreß, sag ich dazu nur. -_-

Achja, der gute kaiba..*-*...gut find ich vor allem, dass doch ein bisschen Humnor drin is...wie z.B. „Mama? Du wirst nie erraten, was gerade passiert ist!“ **sich kringel**
Das kann ich mit bildhaft vorstellen!

(*-*)V
Von:  _Akatsuki_Note_
2006-11-16T17:23:13+00:00 16.11.2006 18:23
Hach, schön....^___^
Aber mich würde auch interessieren, wie viel der dem Alten gegeben hat...ôo
Njo...
Freu mich auf das, wahrscheinlich, letzte Kapitel.
MfG
XSerberusX/~MoD~
Von: abgemeldet
2006-11-14T20:24:37+00:00 14.11.2006 21:24
Ich find auch dass der schluss witzig is schreib bitte schnell weiter
P.S.: Ich würde auch gern wissen wie viel Kaiba Joeys Vater gegeben hat.
Von:  Feainn
2006-11-11T15:08:36+00:00 11.11.2006 16:08
Boah der Schluss is witzig^^ mit Joey und dem waaaaas?
XD Aba sag ma: wie viel hat er ihm denn jetz gegeben. Im Gegensatz zu Joey bin ich nämlich neugierig XD
Also ich hoff dass du schnell weiter machst^^
HDL Sethi
Von:  Hiromi2
2006-11-08T22:53:09+00:00 08.11.2006 23:53
Ich hoffe es geht schnell weiter.Wieder mal einsame spitzen Klasse.Ein bischen überrascht mich das Kaiba noch zu gelassen an die sache ran geht,ich hätte mehr "Fröhliche Weinachten"erwartet.Aber egal ist deine wunderbare Geschichte.Mach weiter so.Aber schnell.


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