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To be forgiven

Zeig mir das Licht
von

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One world – one dream

 

 

 

~Einblende~  Vor zwei Wochen~

Natürlich waren diese Kinder wieder beleidigt, weil sich Conan und seine kleine Freundin Ai allein amüsierten, was man ihnen gerne vorwarf. Sie wollten bei allem dabei sein, aber heute mussten beide sich anderen Dingen widmen. Wichtigeren Sachen, als Kleinkinder-Detektivspiele. Bisher hatte Conan seine Gefährtin mit Organisationsfragen in Ruhe gelassen. Er hatte reiflich darüber nachgedacht, ob er die Sache überhaupt zur Sprache bringen sollte. Seit geraumer Zeit, ermittelte er lieber alleine, trotzdem war sie immer noch eine wichtige Zeugin, die er zu mancher Sache auch befragen konnte. Er hatte seine Fragen eher an Ryochi gerichtet, aber das musste er der Kleinen ja nicht gleich auf die Nase binden. Er wusste etwas, konnte aber auch einmal scheinheilig so tun, als würde er all das nicht wissen. Nur um zu sehen, was sie zu diesen Dingen sagen würde. In erster Linie musste er ja auch herausfinden, ob sie etwas wusste.

Professor Agasa hatte ihnen Tee und Gebäck serviert, danach gab er vor, sich für den Computer mehr zu interessieren als für die Beiden. Obwohl er eingeweiht war.

„Ich wollte dich nicht beunruhigen, aber ich muss nun mit dir sprechen. Ich bin gestern einem von ihnen über den Weg gelaufen.“

Conan sagte das total cool, während er die wärmende Tasse Tee in der Hand hielt und sich einen der Kekse in den Mund stopfte, als würden sie über völlig Belangloses reden.

Sofort zeichnete sich Angst in den Augen seiner Leidens-Gefährtin ab.

„Keine Panik, der Typ weiß nichts davon…“ Conan hatte ein aufgesetztes, arrogantes Grinsen, mit dem er Ai Haibara ansah.

„Ein Typ?“ Sie wirkte zwar interessiert, hatte gerade einen Keks in die Hand genommen, aber ihr war es vergangen. Nun bekam sie keinen Bissen mehr runter. „Du hast dich doch nicht wieder in deren Angelegenheiten eingemischt, oder? Du weißt doch, dass die Organisation schnell darin ist, zu töten…“

Conan besah sie rätselnd. Es war nichts Neues, dass sie sich ja ach so große Sorgen machte. „Ich war mit Ryochi unterwegs, also keine Panik…“ Er lächelte lammfromm und nippte an seinem Tee. Es war richtig kalt da draußen, er versuchte auch wieder etwas warm zu werden.

„Der Typ hatte einen Sender und wir sind ihm dann nachgefahren. In Begleitung von Ryochi ist das doch gar nicht so gefährlich, nicht wahr?“

„Bist du verrückt? Hör auf damit!“ Ai war aufgestanden und wirkte richtig sauer. „Egal, wie viele dir beistehen, es ist immer gefährlich! Wie kannst du nur davon ausgehen, dass das etwas bringt?“

„Ich bin nicht zu nahe ran, aber ich kann diese Typen doch nicht einfach so weitermachen lassen. Außerdem kennt Ryochi die“, sagte er nüchtern und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, so wie immer eben. „Der Kerl nannte sich Cognac und sollte einen Polizisten von der Spurensicherung umbringen.“

„Du hast versucht es zu verhindern? Bist du des Wahnsinns? Dieser Cognac ist schneller mit dem Schießeisen, als mit allem anderen! Dieser Kerl hat schon so viele auf dem Gewissen! Er würde jeden einfach so erschießen, wenn der Boss es ihm befielt!“

„Kann es sein, dass du etwas gegen diesen Cognac persönlich hast?“ Conan wollte wissen, ob sie tatsächlich nur besorgt um ihn war. „Muss ja echt ein schlimmer Kerl sein! Er hat einen von der Organisation erschossen und ist selbst verletzt worden…“ Seine Augen veränderten sich und er sah aus, als wollte er sie besänftigen. „Wir waren in keinem Moment in Gefahr, ehrlich.“

„Verletzt worden?“ Ai blickte direkt in Shinichis Augen, die sie so faszinierten, die jede Wahrheit kennen wollten… „Meinst du nicht eher, er ist tot?“

Ai wirkte kühl, als sie ihre Annahme aussprach. „Nein! Offensichtlich ist Cognac wichtig genug, dass man ihn ärztlich versorgen lässt…“

„Tze“, meinte sie und wirkte fast sogar etwas verärgert. „Andere würden dafür den Gnadenstoß bekommen. Unglaublich, was so eine Affäre mit Vermouth für Vorteile mit sich bringt…“

„Soso… Vielleicht ist er auch einfach nur ein sehr guter Schütze? Oder er ist so skrupellos, dass er ihnen noch von Nutzen ist?“

Conan wollte unterschlagen, dass Cognac seinem Opfer hinterhergesprungen war, um es vor dem heranfahrenden Zug zu beschützen… Kein normaler Killer spielte den Helden.  „Du findest also, dass Cognac böse ist?“

„Also krank ist er auf jeden Fall, immerhin spielt er mit dem Feuer! Das sagen die Leute über ihn. Sogar Gin sagte wohl einmal, dass dieser Kerl nicht ganz bei sich sein kann.“

„Ein absoluter Irrer also? Und worin äußert sich das genau? Was macht er denn mit Vorliebe?“

„… Frauen aus der Organisation das Leben retten und sich dafür belohnen lassen. Ist ein widerlicher Typ.“ Sie wich nun Conans Blick aus, als sie das sagte. Eigentlich wollte sie über diesen Typen nicht einmal reden…

Ai wusste nicht viel von ihm. Aber dass er Vermouth zugetan war – das gefiel ihr eben nicht, immerhin war diese Frau ja ein Psychopath. Jemand, der ihr zugetan war, konnte nicht ganz bei Trost sein.

 

Nach allem Ärger, nichts Bedrohliches, aber immense Schäden für seine Substanz saß der Grauhaarige da und genehmigte sich Gin, Jami, Cognac, Helios – dabei konnte er sich nicht so recht entscheiden, wen von all denen ihm am besten schmeckten. Es kam selten vor, dass er um seine Mitglieder trauerte, aber Gin war gewiss ein herber Verlust gewesen, möchte man meinen. Es würde ihn nicht wundern, wenn Vermouth ausrasten würde, bei dem, was ihm zugetragen worden war. Helios war ein gut aussehender Mann, der auch noch den Schneid aufwies, ihm so dumm vor die Hütte zu kacken. Das hatte bisher nur Gin gewagt und der war einer seiner besten, verlässlichsten Leute. Schon seit Monaten hatte er den Verdacht, dass niemand geringeres als sein Schätzchen ihm seinen Tod beschert hatte. Es wunderte ihn  nicht, bestimmt hatte er etwas herausgefunden und deswegen musste er leider gehen. So war diese Frau eben gestrickt – Chianti hatte ihn gewarnt, nicht allzu vorwitzig in dieser Sache zu agieren. Aber die meisten hielten Cognac für mehr als nützlich und brauchbar. Das interessierte ihn doch gerade überhaupt nicht. Er knabberte bitter daran, dass diese Frau die guten Leute auf ein Minimum reduzierte und er weigerte sich noch immer, mit ihr kurzen Prozess zu machen. Er wusste von Chiantis Groll gegen Vermouth, nicht erst seit gestern wetterte diese Frau gegen sie, sie könnte genauso gut lügen. Sie beide  hatten viele Feinde und kaum einer Menschenseele konnte man in dieser Welt noch trauen…

Wenn es nach Valpolicella ginge, würden sie auf der Stelle nicht nur Cognac die Lampe ausblasen, auch Helios und Vermouth wohl allen voran. Sie war es lange Leid, dass er sie verschonte. Als dann auch noch Mérille so herumzickte und meinte, ihn belehren zu müssen, hatte er alle Frauenzimmer aus seinem Bürozimmer verbannt. Um sich seine Leute zu genehmigen, über die er nur zu gern die volle Kontrolle hatte. Aber ihm war bewusst, dass es einige gab, die gerne einmal quer schossen. Aus sicherer Quelle war ihm zugetragen worden, dass Ryochi Akaja lebte, ebenso wie Cognac, dafür aber Carpano zu Schaden gekommen war. Dieser Umstand ließ ihn so richtig platzen und man musste sogar froh sein, dass er nicht gleich das Büro sprengte in seiner Wut. So war die Sache nicht geplant gewesen und er war eigentlich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Cognac so etwas niemals wagen würde… Was genau geschehen war, wusste er nicht, aber der Auftrag war vereitelt – man konnte behaupten, dass dem Mann das sogar Recht war. Nicht, dass Carpano noch seinen Dienst quittierte. Er hatte Valpolicella sofort dahin geschickt, um die Lage zu checken, was sie von ihrem augenblicklichen Zorn auf Vermouth ein wenig ablenkte. Seine Handlungsweisen waren durchschaubar, ebenso wie jene der Ranghöchsten. Carpano war in jedem Fall wichtiger, als alles andere. Wie konnte dieses Miststück also wagen, ihm vorzuwerfen, dass er im Falle Vermouth sich ähnlich verhielt? Bisher hatte ihm keiner einen triftigen Beweis liefern können, dass sie eine Verräterin war. Ihn direkt hatte sie noch nie verraten, das stimmte zum Leidwesen aller zumindest. Er machte sich gern etwas vor. Dennoch war die Sache noch lange nicht abgehakt. Er hatte nicht vorgesehen, dieser Frau zu erlauben, sich Kinder anzulachen. Er wusste, ein Kind würde sie verweichlichen und alles nur kompliziert machen. Er konnte keine verweichlichte Profikillerin brauchen.

Aber da waren auch noch andere weltbewegende Schwierigkeiten, die den jungen Cognac betrafen. Zum Beispiel die Quelle, von welcher er überhaupt erfahren hatte, dass er bei der Polizei von Osaka beschäftigt gewesen war. Jamis Befehl, dort den Dienst niederzulegen und ganz nach Tokyo zu kommen, hatte er jedenfalls ohne wirkliche Einwände oder Versuche dies abzuwenden, ausgeführt. Das alleine war vorerst genug gewesen, doch er hatte auch etwas erfahren, was ihn seine Pläne gründlich überdenken ließ. Er hätte nie seinen wahren Beweggrund durchsickern lassen, nicht mal zu Valpolicella, weshalb genau er das Leben des Jungen so lange verschonte. Man musste dem jungen Kerl eine gewisse Intelligenz zusprechen, trotzdem war er dumm genug, sich die falschen Freunde anzulachen. Eines war ihm jedoch klar, jemand, der Sēiichīs komplette Geschichte kannte, konnte man fast schon nicht mehr am Leben lassen. Er wollte weder ihn, noch sie töten, noch brauchte er sie. Von Sherry fehlte weiterhin jegliche Spur…

Das Problem an der Sache war weniger, dass jemand etwas wusste, als der Umstand, um wen es sich dabei handelte. Allein die Möglichkeit, er könnte sein Wissen Silverbullet zutragen, bereitete ihm Kopfschmerzen. Nichts und niemanden fürchtete er, aber er war mit Vorsicht zu genießen. Er war ein gefährlicher Gegner geworden. Er wusste bereits viel zu viel und sie waren unfähig diesen Kerl aus dem Weg zu schaffen. Keiner von seinen Leuten, konnte es mit ihm aufnehmen. Seine Scharfschützen waren ihm nicht gewachsen. Er hatte früher geglaubt, sie seien es, aber Gin hatte ihn eines Besseren belehrt. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, zu was der Kerl fähig war. Er würde, aus 700 Yards Entfernung schaffen eine Kugel in sein Herz zu befördern, ohne direkt hier anwesend sein zu müssen. Er musste es nicht einmal in sein Büro schaffen. Wenn er erfuhr, wo er sich befand – und da war der Boss sehr einfältig, könnte er ihn mit einem einzigen Schuss töten. Dass das nicht Akais Ziel war, so weit funktionierte sein Menschenverstand nicht. Er fürchtete ihn wie keinen Zweiten und versteckte sich an vielen Orten. Nicht umsonst, musste seine Identität geheim bleiben. Diese Person – man musste sie schnell ausschalten kannte ihn und wäre in der Lage noch ganz andere Dinge ihm anzutun, wenn er davon erfuhr. Es war gefährlich geworden in den letzten Jahren. So viele hatten von ihnen erfahren, dass er wirklich äußerste Vorsicht walten lassen musste, um nicht aufzufliegen. Natürlich, auch für den Extremfall hatte er vorgesorgt, beziehungsweise sie. Dann würde sie die Macht übernehmen und er brachte sich in Sicherheit, um von weit fern, weiter zu regieren. Es war für alles gesorgt, sollte seine Identität auffliegen, gab es diese Stadt nicht mehr. Gotano brauchte aber genügend Zeit, um diese Sache vorzubereiten. Er arbeitete schon Jahre an diesem Projekt, deswegen wäre es fatal, wenn er jetzt anfangen würde aufzumucken, nur weil er eine Liebschaft von der Frau, die ihm etwas bedeutete, ermordete.

Er hatte niemandem davon erzählt. Nicht Jami, nicht Gin, nicht Valpolicella. Noch nicht einmal seine engsten Vertrauten wussten davon. Dass er sich da in etwas verrannte, man könnte meinen, er sei wahnsinnig genug, zu glauben, dass all das möglich war. Aber in dieser schrecklichen Welt war nahezu alles möglich. Ihre Träume, ihre Ängste – Wunschfantasien, seien sie noch so utopisch, sie wagten sie alle zu träumen…

Er war bereit bis zum Äußersten zu gehen. Das war gefährlich, für sie alle…

Nur Mitglieder, die bereits Jahrzehnte in dieser Organisation waren, wussten von seinen Zukunftsvisionen. Der größte Jammer war, Vermouth war eine davon. Eine Geheimnisträgerin wie sie, die würde sich eher umbringen, als jemals den Mund aufzumachen, davon war er überzeugt. Wen wunderte es da noch, dass er sie nicht umbringen wollte? Das hatte weniger mit seinem weichen Herzen zu tun.

 

Es entsprach nun wirklich nicht der Wahrheit, dass Helios so angstlos war, wie er gewirkt hatte. Keiner wusste von seiner geplanten Aktion und er hatte dem Teufel ins Gesicht gelacht, hatte ihn gedemütigt und musste nun mit dem Allerschlimmsten rechnen. Egal wie kühl und unnahbar der alte Mann war und augenscheinlich nicht mal zugehört hatte – er wusste, kein Mann dieser Welt steckte weg, immer wieder nur betrogen zu werden. Natürlich würde Sēiichī jetzt total ausrasten und ihn fragen, ob er nun zum Rachsüchtigen werden würde. Seine Hilfe würde er ignorieren und nur sehen, dass er ihr geschadet hatte.

Bestimmt würde irgendjemand nun eine Lawine lostreten. Höchstwahrscheinlich sonst wen über seinen Wahnsinn informieren und es würde bei Shannen enden, die ihm ordentlich die Leviten lies. Er hatte vieles überstanden, also machte ihm das Desaster dann auch nichts mehr. Es gab viele Geheimnisse innerhalb dieser Organisation. Obwohl er wegen Sēiichī dem Saftladen beigetreten war, so viele bekannte Gesichter hatte er noch nie irgendwo gefunden, wie hier. Als wenn sich die ganze Welt gegen sie verschworen hatte. Er hatte Cognac vieles verschwiegen, sehr viele Geschichten, die ihn brennend interessiert hätten. Nicht ein jede hatte mit Vermouth zu tun. Sie war ein Übel, aber nicht die Wurzel allen Übels. Er hätte Hypothesen aufstellen können, wer diesen Laden anführte, dafür kamen nur leider sehr viele in Betracht. Sie waren ihnen allen näher, als ihnen lieb gewesen wäre.

Sie alle konnten von ganz großem Glück reden, noch hier zu sein, auch er. Dumm von ihm, sich dieser Sache anzunehmen, aber Sēiichī bedeutete ihm sehr viel. Jeder, der ihm nahe stand, würde bestimmt verstehen, dass er alles getan hätte, um ihn vor Unheil zu bewahren. Trotzdem würde jeder schimpfen und in große Sorgen verfallen.

„Sollte ich Sēiichī jemals die ganze Wahrheit erzählen… Wer weiß, was dann geschieht?“

Er hatte seinen Wagen erreicht, der in absoluter Dunkelheit zu finden war. Der Ort kein öffentlich bekannter. Sein Wissen brachte ihn beinahe um. Kaum zu glauben, wie sehr man Menschen hassen konnte. Menschen, die er zu seiner Familie gezählt hatte. Vieles war auch ihm verschwiegen worden, aber er wusste jetzt wieder, wieso man ihn dazu hat drängen wollen, dem FBI beizutreten. Sein Glück, dass er sich dagegen gewehrt hatte. So blieb ihm zumindest erspart, viele aus seiner Familie zu ermorden. Er dachte seit Jahren, dass kaum einer noch lebte, doch dem war nicht so. Sēiichī wäre sicher mehr als nur verblüfft über dieses Wissen, aber Helios hatte nicht vor, ihm auch nur eine Sache davon zu erzählen. Es gab bestimmt nicht nur einen Grund, weshalb auch Vermouth ihm viel verschwieg. Sicher, Cognac prahlte immerzu, wie gut sie sich verstanden und wie viel er wusste. Na, wenn der wüsste… Er wusste ja noch nicht einmal, ob sie den Mut gehabt hatte, ihm ihr wirkliches Alter zu verraten, geschweige denn Familiengeschichten. Was wusste dieser Junge schon von ihr? Es machte ihn wütend, aber auch immer wieder traurig, dass sein Schweigen in erster Linie ihn schonte, obwohl er zu gerne gesehen hätte, dass der Junge diese Frau verabscheute. Mittlerweile war er nicht mehr sicher, ob ihm alles zu erzählen, etwas geändert hätte… Das ließ ihn dann doch diese Sachen für sich behalten.

 

Unterdessen, angefressen wie die Schwarzhaarige mit den grünen Augen war, musste sie dem Boss auch noch Rede und Antwort stehen. Sie verzichtete dankend, den Mund aufzumachen. Sie hatte dieses Kind entkommen lassen, Vermouth angegriffen… Sie konnte froh sein, wenn man sie verschonte.

Es stieß ihr jedes Mal aufs Neue bitter auf, dass sie nicht zum Boss vorgelassen wurde. Dieses Privileg genossen andere, unter anderem Vermouth. Die höheren Leute. Es verursachte in ihr Übelkeit, ebenso wie ein unabwendbarer, abgrundtiefer Hass, der dadurch nur noch mehr angefacht wurde. Dass diese *Schlampe höher als sie stand, konnte sie einfach nicht ertragen. Deswegen musste sie mit dieser Schottin vorlieb nehmen, die ihr schon in einem der Büros mit ihrem hinterhältigen Lächeln begegnet war. Sie erklärte sachlich, ohne Miene zu verziehen, was zu tun war. Zum Glück wusste sie noch nichts von der Sache, die sie vergeigt hatte. Dann wäre sie wohl auf der Stelle verschwunden, ins Nirvana.

Die Sprache auf das vermisste Kind kam also gar nicht erst, weil er dachte, sie hätte den Auftrag brav erledigt. Was der Boss, der Valpolicella als Sprachrohr benutzte, dann von ihr verlangen wollte, brachte sie innerlich zu einem Brechreiz.

„Ich soll mich Cognac nähern, in Verkleidung und herausfinden, ob man die Wahrheit sagt.“ Sie wiederholte es für sich selbst, obwohl sie sehr genau verstanden hatte. „Unglaublich, dass man sich dieser Sache überhaupt annimmt“, sagte sie und fuhr sich eingebildet durch die Haare. „Ich dachte, die Sache sei bewiesen? Warum so viel Mühe mit einem arroganten Macho, der zwar als Killer ganz fähig war, aber offensichtlich doch nicht so loyal, wie man glaubte. Bestimmt platzt Cognac vor Ärger und wird mich auf der Stelle erschießen wollen…“

‚Cognac ist noch nie auf meine Verkleidungen und Annäherungsversuche hereingefallen, er ist schlauer als so mancher glaubt. Also entweder das, oder er liebt sie wirklich, was ich sehr lachhaft finden würde. Wie kann man als Mann überhaupt auf die Idee kommen, sie zu lieben? Sie wird eines Tages jeden verraten. Man sollte sich lieber ihrer annehmen, statt sich weiterhin mit Cognac zu beschäftigen.’ Zu gerne hätte sie den Einfallspinsel verführt. „Falls er anspringt, darf ich doch sicher auch meinen Spaß haben, oder?“ fragte sie hinterhältig nach und ihre Augen nahmen gefährliche Züge an. „Soll ich ihn anschließend töten? Mir fiele da nämlich schon etwas sehr Nettes ein. So weit mir bekannt ist, soll er Sadomaso besonders gern haben. Ich könnte ihn fesseln und ihn dann Basic Instinct-like mit einem Eispickel erstechen.“ Man hörte die wachsende Freude an der Illusion, die sie sich ausgemalt hatte, obwohl sie einer Traumwelt entstammte, wo sie die bessere Schauspielerin war, die natürlich alle Männer abbekam – nicht Sharon.

„Ist mir herzlich egal, wie du es dann machst. Ich lasse deiner Fantasie freien Lauf. FALLS er auf dich hereinfällt, Schätzchen…“ Es war ein perfider Trick.

Sollte Cognac so dumm sein, darauf hereinzufallen, wäre es für sie Gewissheit, dass dieser ihr nicht so nahe stand, wie der Boss befürchtete. Er wurde am Ende trotzdem umgebracht, so viel war sicher – jedenfalls klang der Boss so, als wollte er ihn noch - wie einen Gegenstand -ein bisschen weiter verwenden... Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass Cognac Vermouth besser kannte, als ihnen allen lieb war. Sie wollte klarsehen. In erster Linie wollte sie Leid und Elend verbreiten. Ein einfacher Schuss wäre ihr zu billig, so etwas machte man im äußersten Notfall. Noch brauchten sie einen Deppen, der Akais Schützling wegschaffte, danach konnte der Boss auf ihn verzichten – jedenfalls hatte man ihr das eingeredet. „Ich würde fast zu lachen beginnen, wenn Vermouth Cognac lieben würde. So eine Lachnummer hatten wir lange nicht mehr.“

Valpolicella war böse, Baileys war verhasst. Zwei Dinge, die eine Frau zu allem möglichen hinreißen konnten. Die Rivalin von Vermouth hätte zu gerne mit Cognac geschlafen. Sie war sich niemals zu schade, die Liebhaber von dieser Frau zu bekehren. Gerade, wenn sie diesen liebte, hätte sie alles dafür getan, um ihm das Herz in Stücke zu reißen, nur damit ihre Feindin wieder litt. An dem Jungen als Person hatte sie wenig, bis gar kein Interesse, wenn man es genau nahm. Selbstverständlich, er war ein hübsches Kerlchen, aber für mehr war er nicht gut – fand Baileys, worin sie sich aber unglaublich täuschte. Denn man konnte kaum jemanden finden, der loyaler gegenüber seinen Personen war, als Cognac, Carpano und Helios. Sie zählte auch Plavac zu ihren Freunden, nannte ihn loyal gegenüber ihr selbst. Bis heute hatte sie noch keinen Grund, ihm zu misstrauen…

Sie wünschte, sie könnte sich einfach verkleiden, in etwas, was Carpano gefiel, um dann über ihn herfallen zu können. Baileys hatte es richtig gut, so einfach in Vermouths Fußstapfen treten zu können, um sie nachzuäffen – das war lachhaft, wie gering ihr Selbstwertgefühl doch war, aber einfach so in die Schuhe von einer anderen Person, um dann etwas zu haben, was man sonst nicht hatte, war wirklich verlockend. Wenn sie je herausbekam, dass Kir an Carpano naschte, würde sie sie eines grausamen Todes sterben lassen, sie im Meer versenken… Dann würde sie diese Frau ersetzen, besser als sie sein, aber sie würde doch nie so weit gehen, sich ihr Aussehen anzueignen, dafür war sie zu stolz.

 

Schon seit Jamie mitbekommen hatte, wie Carpano seinen Albtraum in Form einer gut aussehenden, kranken Psychopathin hinter sich gelassen hatte, um in seine Wohnung in Misato zurückzukehren, damit dieser einfach endlich einmal einen Moment verschnaufen konnte, spielte Jamie mit dem Gedanken, ob er diesem Mann etwas von den Dingen erzählen sollte, die er wusste. Neue Erkenntnisse waren es nur bedingt, aber sie belasteten ungemein seine Seele. Allmählich raubte ihm all das die Luft zum Atmen.

Es war nicht so, dass diese Dinge eine große Relevanz hätten, aber er trug sie immerzu mit sich herum, ohne sie je einer Person mitzuteilen. Bald konnte er das nicht mehr ertragen. Er brauchte immer jemanden an seiner Seite, dem er so etwas erzählen konnte. Diese Person musste ebenso verschwiegen, wie auch treu sein, um ihn am Ende nicht zu verraten.

Doch dabei käme ihm nie in den Sinn eine Frau zu wählen, wie das vielleicht Sēiichī machen würde…

Jamie war ihm bis zu einer Tiefgarage nachgegangen und hatte dann sogar entschlossen mit ihm zu fahren.

Weil der Amerikaner dem Japaner nachgeschlichen war, wie eine streunende Katze auf der Suche nach Futter, warf dieser ihm natürlich erst einmal einen stechenden Blick zu. Es war dunkel und er hatte ihn nicht sofort erkannt. Leute, die ihm auflauerten oder nachschlichen, mochte er nicht. Paranoid war er noch nicht, hoffte derjenige zumindest, aber trotzdem löste das ein gewisses Unbehagen in ihm aus, weil die meisten Leute, die sich anschlichen, nichts Gutes im Sinn hatten. Das war ein nicht abzuwendender Fakt.

Doch spätestens, als er ihn ansprach, legte sich das und er lehnte auch gar nicht ab, ihn in seinem Auto mitzunehmen.

Valpolicella hatte sich nach seinem Zustand erkundigt und er konnte von Glück reden, bereits bei Bewusstsein zu sein, als sie sein Zimmer betreten hatte. Jamie hatte Kir vehement von diesem Zimmer ferngehalten und sie hatten sich in einem der Flure versteckt, wo sie eine kurze Konversation hatten. Nichts allzu Ausschweifendes, zumal sie geflüstert hatten. Es war nicht das erste Mal, dass sie ein Wort wechselten, aber er glaubte, dass sie Sēiichī mit am besten verstand, dass er an seiner großen Liebe festhalten wollte, egal was auch geschah. Kir tat nichts anderes, obwohl sie vieles schrecklich, geradezu furchtbar, fand, in ihrer aller Situation. Sie war noch nicht so lange in der Organisation, wie Jamie, Yuichi oder Sēiichī. Obwohl die beiden Männer jünger als er waren, waren sie viel früher in diesem Laden gelandet. Offensichtlich bewunderte sie beide dafür, dass sie so viel Menschlichkeit noch besaßen, bei all den Morden, die sie bereits begangen hatten. Sie hatte gelernt, solche Dinge zu ignorieren, immerhin tat sie auch alles dafür, ihre Mission erfolgreich abzuschließen. Sie hatte Shūichi Akai unwissentlich dabei geholfen, seinen Tod zu inszenieren. Es geschah im vollen Bewusstsein, als sie auf ihn schoss. Solche Dinge waren schlimm genug, fand er. Damit hatte sie dem FBI einen augenscheinlich vernichtenden Schlag verpasst – aber sie wollte ihre eigene Mission nicht gefährden und hätte dafür alles getan, damit der Tod ihres Vaters nicht umsonst gewesen war.

Auch sie hatte in knappen drei Jahren viel zu viele schlimme Dinge durchmachen müssen, das sollte keine Frau. So etwas hinterließ Spuren, auch bei einer guten Frau wie Hidemi. Tja, wie könnte Jamie ihren richtigen Namen nicht kennen? Sein Erstgeborener war ein guter Freund von ihrem Bruder. Es kotzte ihn an, was das FBI mit Kir gemacht hatte. Wie sie ihr Leben riskiert hatten. James und sein widerlicher Nachfolger Shūichi. Wahrscheinlich wäre Jamie genauso geworden, wenn er plötzlich Gefühle für seinen Vater entwickelt hätte… Diese Geschichte, sie belastete ihn noch heute. Nicht einmal eine Träne nachweinen würde er James, würde die Organisation ihn eines Tages töten. Er durfte ja noch nicht einmal seinen richtigen Vater mögen – das hätte ihm das Genick gebrochen. Sogar Sēiichī wusste nichts davon – wie von so vielen anderen Dingen auch. Es ginge mit dem Teufel zu, dass keiner es wusste, doch diese Personen gab es. Auch Vermouth hatte ihm mal eine neugierige Frage gestellt und er hatte abgelehnt zu antworten, daraus schloss der Mann allerdings, dass sie sehr wohl wusste, wer sein Vater war. Sie hatte spezielles Interesse an FBI Typen wie James Black. Nicht, um mit denen irgendeine Art geheime Sache zu machen, wie es ihr ähnlich gesehen hätte, sondern um sich bewusst weit weg von denen zu befinden.

Bevor sie aus der Tiefgarage fuhren, war Rena Mizunashi ihnen noch zugestiegen, wogegen beide nichts einzuwenden hatten. Die getönten Scheiben ließen ohnehin keinen Blick ins Innere zu.

 

Es kam keine wirkliche Konversation zustande. Unter anderem wegen der Frau im Auto wurde das noch vehement vermieden, aber auch andere Gründe schwangen dabei mit. Zaudern, Nachdenklichkeit gegenüber Dingen, die man verdrängt hatte.

Yuichi merkte, schon seit sie zusammen im Auto saßen, dass Jamie in Gedanken war und abdriftete. Die ganze Zeit schwieg er und schaute doch gelangweilt wirkend aus dem Fenster.

Rena kannte er schon so, sie wollte die beiden Männer, die vorne saßen, nicht stören, deswegen schwieg sie. Als sie gekommen war, saß Jamie bereits auf dem Beifahrersitz und sie hatte irgendwie das Gefühl, es wäre falsch, wenn sie nun ein Gespräch angefangen hätte. Beide Männer wirkten ernst, Jamie jedoch auch mit einem Hauch von Kummer in seinen Gesichtszügen.

„Was ist los mit dir?“ fragte Yuichi, der empathisch genug war, um mitzubekommen, dass Jamie etwas beschäftigte. Noch wusste er nicht davon, was sein Freund vor knapp einer Stunde getan hatte. Wie viel er riskiert hatte.

Überrascht und sogar etwas erschrocken reagierte der Schwarzhaarige, als der Jüngere ihn ansprach.

„Ich habe über die Vergangenheit sinniert.“ Mehr war Jamie erst einmal nicht gewillt zu äußern und schaute weiter stur aus dem Fenster.

‚Kann nichts Gutes sein, so wie du aussiehst, Jamie…’ dachte Rena insgeheim und schlug die Augen nieder, aber sie wollte sich jetzt auch nicht einmischen, um nachzufragen. Es war ja schlimm genug, was sie über Jamie wusste. Von seiner Verbindung zu Sēiichī, oder seiner Abneigung gegenüber Vermouth, was diese stets totschwieg, als würde sie nicht existieren. Diese schien es noch nicht einmal zu kümmern, sie war sogar irgendwie auf widerliche Art scheißnett zu ihm. Aus welchen Gründen auch immer, sie neigte dazu, Streitereien mit ihm aus dem Weg zu gehen. Das war Kir schon oft aufgefallen. Jamie schnauzte Vermouth an und sie blieb kühl, oder schwieg ihn sogar an. Selbst wenn Sēiichī nichts mitbekommen hatte, die beiden pflegten eine merkwürdige Beziehung. Manchmal glaubte sie auch, die taten nur so… Den Zahn hatte Sēiichī Rena aber gezogen und behauptet, es lag an dem Typ Frau, der sie war, was aber eine glatte Lüge war, wenn man bedachte, welche Art von Frauen Jamie früher angezogen hatte, vor allem mit welchen er verheiratet oder liiert gewesen war.

„Wenn es sich um eine rosige Vergangenheit handeln würde, hättest du bestimmt nicht so ein Gesicht, als wenn gerade jemand gestorben wäre. Keine Sorge, ich frage nicht weiter.“ Die knappe Antwort war aufschlussreich für den Jüngeren und ließ ihn wissen, dass der Andere nicht darüber reden wollte.

Seine Wohnung befand sich im gut 30 Minuten entfernten Misato, in der Nachbar-Präfektur Saitama. In einer normalen Geschwindigkeit, denn er hatte es nicht eilig, würden sie noch eine Weile brauchen. Natürlich könnten sie nun die ganze halbe Stunde reden, aber da wieder Schweigen herrschte, ließ Yuichi es darauf beruhen. Damit sie sich nicht gänzlich langweilten, schaltete er das Radio an, wo gerade die Verkehrsmeldungen angesagt wurden. Sie hörten nur halb zu. Erst als wenig später eine Sondermeldung reinkam, es sei in Tokyo zu einer Schießerei gekommen, lauschten sie. Die Sprache war von einem Mann namens Takeshi Iwamoto, der mit mehreren Schüssen ermordet worden war.

Beide Männer hatten keine große Lust den Details zu lauschen, taten es jedoch, um herauszufinden, inwiefern die Berichte Beweise lieferten.

~Der Täter, ein Mann Mitte dreißig ist derweil flüchtig. Sollten wir weiteres in Erfahrung bringen, melden wir uns wieder.~

Bestimmt hatte nicht nur Valpolicella bereits dafür gesorgt, dass nicht mehr als diese Meldung herausbekam, auch Jamie kam in Betracht, denn er war nun einmal in seiner Tarngestalt auch ein Journalist.

Es war schon verwunderlich, wie man Fakten so verdrehen konnte.

„Sēiichī konnte also fliehen, was für ein Wunder. Fragt sich nur, ob du ihm dabei geholfen hast, oder noch schlimmer, mein Bruder.“

„Ist nicht geflüchtet“, antwortete Jamie, „hat seelenruhig auf den Krankenwagen für dich gewartet und sagte der Polizei der Schuss sei Notwehr gewesen. Ryochi hat es bestätigt, dass dem so war. Sie dürften mittlerweile ihre Aussage im Präsidium machen. Ich denke, man kann ruhig bleiben. Ryochi wird schon dafür sorgen, dass Sēiichī keinen unnötigen Ärger bekommt. Es ist doch sowieso schon jemand ins Präsidium, um zu schnüffeln, was Sēiichī der Polizei erzählen wird, um ganz sicher zu gehen, dass er die Klappe hält. Valpolicella hat eine vertrauenswürdige Person dorthin geschickt…“ Mehr wollte Jamie jetzt nicht sagen und schlug die Augen nieder.

„Wenn mir mehr passiert wäre, hätte sie das wohl gelassen und seinen Tod angeordnet.“

„Haben alle tierisch Schwein gehabt. Trotzdem weißt du so gut wie ich, mein Freund, dass die Sache damit nicht gegessen ist. Valpolicella jedenfalls ist ziemlich wütend über diese Spielereien. Sie scheint dich wirklich zu mögen, immerhin will sie dafür sorgen, dass man Ryochi, der ja so gar nichts weiß, in Ruhe lässt.“

„Wie dumm Liebe doch Menschen macht.“ Yuichi sagte es kühl und ohne die Miene zu verziehen, denn es war sehr dumm von ihr, seinen Bruder seinetwegen zu verschonen.

Kir zog scharf Luft ein. „Oh, er ist ihr auch über alle Maßen dankbar…“ Die Ironie war deutlich aus ihrer Stimme zu vernehmen.

„Ohja, über alle Maßen. Nie würde man es für möglich halten, aber sogar Cognac hat es nicht probiert, sie über’s Ohr zu hauen und hielt sich von ihr fern, wo sie doch ganz zweifelsohne seinen Geschmack trifft.“ Das sagte viel über Valpolicella aus.

„Liegt daran, dass Sēiichī sich mit Frauen aus der Organisation umgibt, die keinen nervösen Finger haben, so wie Gin ihn hatte und beim leisesten Verdacht, ihn ermorden würden.“

Ganz richtig war es nicht, Cognac hatte schon oft bewiesen, dass er gern mit dem Feuer spielte und ihn Frauen wie Vermouth und Valpolicella gefielen. Nachdem er die ranghöchste ein bisschen geärgert und angeflirtet hatte, hatte er eines Tages die Quittung bekommen. Nach dieser heilsamen Geschichte glaubte er seinem Schutzengel dann wohl doch, dass sie Recht gehabt hatte, als sie ihm angeraten hatte, Valpolicella zu meiden.

 

Professor Agasa war mit einer sehr wichtigen Aufgabe betraut worden. Er sollte etwas überwachen und ihn sofort informieren und auf schnellstem Wege zu sich beordern, wenn er etwas Interessantes in Erfahrung bringen sollte. Conan musste leider den Vormittag in einer elenden Schule verbringen und die Schulbank drücken. Er hatte nicht wenig Lust, sich krank zu stellen, um für eine Weile fehlen zu können, denn was in letzter Zeit rund um Haido City passierte, gefiel ihm nicht. Er wollte nichts verpassen und hatte sogar beim letzten Entdecken von Kir in der Stadt, ihr vorsichtshalber einen Sender verpasst, um sie zu überwachen. Er hatte Shūichi Akai darüber nicht informiert, er konnte das ja immer noch, wenn er etwas herausgefunden hatte…

Der alte Mann hatte sich eine Ladung Chips und Popcorn parat gestellt und kochte sich nebenbei Kaffee, als er etwas hörte, was ihn alarmierte. Er hörte Stimmen, eine recht tiefe, die eine andere ansprach. Kir war also mit ihnen zusammen und sie redeten…

Schon als Yuichi Jamie fragte, was los sei und dieser meinte, er sinniere über die Vergangenheit, hatte er Shinichi sofort informiert, der in Windeseile hier aufgetaucht war.

So konnte er wichtige Passagen aus dem Gespräch mitanhören. So viele Informationen hatte er noch nie erhalten. Fast schon zu unglaublich, um wahr zu sein, dass ausgerechnet ein anderer Detektiv zu plaudern begann. Zum Glück hatten sie nicht sofort im Auto so munter geplaudert, sondern wohl in einer Wohnung in Misato, wo sie auch postwendend hätten hinfahren können. Aber die Organisation plante nichts, also beließen sie es beim Zuhören…

 

Kurz darauf schwiegen die drei in Yuichis Auto sie wieder Stille und Kir glaubte sogar, dass sie diese einen Moment genießen könnte, denn es war in letzter Zeit zu viel Aufregung in ihrem Leben. Das war nicht immer so. Es kam vor, dass manchmal Monate lang nichts passierte, aber in letzter Zeit waren einfach so viele Dinge geschehen, außerdem plagten sie nach dem Schreck furchtbare Kopfschmerzen, weswegen sie sich die Hand gegen die Stirn legte und Ruhe in ihren Körper einkehren lassen wollte. Yuichi konzentrierte sich auf die Straße und Jamie blickte erneut aus dem Fenster. Er beobachtete die vorbei rauschenden Bäume und seufzte einmal.

Ohne dass sie es merkten, ging die nächste halbe Stunde um und sie hielten vor dem Apartment, was nicht aussah, als hätten sie wenig Geld, aber auch nicht, als würde hier ein Reicher wohnen. Es war zweifelsfrei Standard.

Sie begaben sich ins Haus und fühlten sich dann endlich sicher.

Rena ging sofort in die Küche und holte den beiden Freunden gekühlte Getränke, keine alkoholischen, obwohl ein Bier gerade bei Männern sicher passend gewesen wäre. Beide waren jedoch keine starken Trinker und sie sollten auch keine werden.

Sich selbst machte sie einen Espresso mit der Kaffeemaschine und bewirtete sie, verließ dann aber wieder den Raum, weil sie glaubte, dass sie bestimmt unter sich sein wollten. Das akzeptierte sie auch, obwohl es sie brennend interessiert hätte, von was Jamie gesprochen hatte, als er über seine Vergangenheit nachdachte…

‚Wer weiß, wie viele Menschen er getötet hat, um zu überleben und unter welchen Umständen er in die Organisation kam.’ sagte sie sich selbst bedrückt. Gute Menschen hatten immer dramatische Gründe für so etwas, da sprach sie aus Erfahrung…

„Sagt mir, wenn ihr noch etwas braucht, ich brauche erst einmal eine Erfrischung.“ Mit den Worten ging sie zum Badezimmer und sperrte die Tür ab, so dass sie sich fühlten, als wären sie alleine.

Beide hatten geschwiegen, bis Rena davongegangen war. „Sie wird mindestens 15 Minuten nicht wiederkommen. Wenn es dir also unangenehm ist, dass eine Frau uns hört, solltest du den Moment nutzen, wo sie weg ist. Ich bin nicht blöd. Dich beschäftigt etwas unglaublich und ich als dein Freund will’s mir gern anhören. Du wirkst, als musst du mal drüber reden.“

Es war total nett gemeint und Jamie war ihm wirklich dankbar, aber das hieß noch lange nicht, dass es ihm leichtfiel.

„Ach… Die Vergangenheit holt einen so oft ein… Leider. Vielleicht sollte ich wenigstens in einer Sache auf Sēiichī hören. Er hat immer gesagt, man sollte im Hier und Jetzt leben, nicht in der Vergangenheit. Das Leben wäre kaum zu ertragen, wenn man immer nur in der Vergangenheit leben würde. Er war immer der Meinung, ich sollte die Vergangenheit ruhen lassen, doch irgendwie kann ich das nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn er die Vergangenheit von einigen Leuten nicht sogar als unwichtig erachten würde. Er hatte auch entschieden etwas dagegen, Menschen nach ihrer Vergangenheit zu beurteilen und meinte, jeder Mensch verdient die Chance, egal welche Vergangenheit er hatte, in der Zukunft sich zum Positiven zu ändern. Wahrscheinlich sagte er das, weil er seine Taten hinter sich lassen wollte, um nicht am Rad zu drehen. Sēiichī war schon immer seltsam.“ Dass Sēiichī in dem Fall Chris und ihre Gräueltaten meinte, glaubte Jamie nicht einmal.

„Aber er hat Recht. Wir haben viele Dinge getan, wir sollten sie schnellstmöglich vergessen. Ich wusste immer, dass in deiner Vergangenheit viel geschehen sein muss, du hattest immer diesen unglücklichen Gesichtsausdruck, ohne deprimiert zu wirken. Aber ich weiß nicht, ob ich dich je lächeln sah. Immer wenn wir uns sahen, hattest du dieses neutrale Gesicht. Man hätte meinen können, du seiest bereits tot, Jamie. Sogar Vermouth ist das aufgefallen… Obwohl sie nun wirklich niemand ist, der allzu viel zum Lachen hat, im Gegensatz zu dir, hatte die mit so mancher Person Spaß und sei es auf die Kosten desjenigen.“ So wirklich verteufeln tat er sie nicht dafür. Auch er amüsierte sich über Idioten, die nicht anders verdient hatten, als verarscht zu werden. Davon gab es leider viele in der Organisation und sie lachten ihnen ins Gesicht. „Ein Lächeln könntest du dir schon mal erlauben, wirklich. Das Leben ist doch nicht immer nur schrecklich. Als sie das sagte, war ich doch allen ernstes verwundert, immerhin war sie immer diejenige, die sagte, dass das Leben ein einziges Trauerspiel sei. Ich weiß nicht, ob sie das nur sagte, um mich zu erweichen und auf ihre Seite zu ziehen, denn ich bin nicht darauf angesprungen… aber sie erzählte mir, was

Sēiichī nicht erst neulich zu ihr sagte. Er wolle die Welt verbessern… Augenblicklich mochte er kein guter Mensch sein, aber er könnte trotzdem in Zukunft einer werden. Ich glaube, sie war beeindruckt oder so was von dieser Ansichtsweise. Ich glaube, dass unser Sēiichī doch einen großen Einfluss darauf hatte, was sie tat. Ich würde zu weit gehen, zu behaupten, dass er sie verweichlicht hat, aber zum Nachdenken angeregt hat er sie alle mal. Das ist aber schon so viele Jahre her… Damals hat Sēiichī immer noch bei mir mit seiner AFFÄRE geprahlt… Und dabei tat er jedes Mal so geheimnisvoll, er hätte Gründe, diese aufrecht zu erhalten. Es klang, als benutze er sie, aber das kann er dem Papst erzählen. Das war keine Zwecksverbindung. Ich kenne ihn zu lange, um darauf hereinzufallen. Vielleicht fällt er selbst auf seine eigenen Lügen herein, aber ich nicht.“

„…Lustig, dass Sēiichī sich nicht an sie erinnert… denn sie war da…“ Jamie flüsterte es nur und sank ein Stück tiefer in seinen Platz. Man könnte meinen, dass er gar nicht gehört werden wollte und sich deswegen kleiner machte. 

Es war unglaublich, wie viel Lebensgeschichte man schon mit 34 Jahren hinter sich haben konnte, andere beschwerten sich, weil ihr Leben zu langweilig war. Damit konnte der Mann mit dem schwarzen Toupet nicht dienen. Er hatte zwei Frauen verloren, seine Familie basierte auf Lügen und man konnte nie sagen, wem von all denen man vertrauen konnte. Er war gebeutelt fürs Leben, deswegen konnte er nicht mehr an das gute Herz von Menschen glauben, so wie Sēiichī – dieser übertrieb in solchen Dingen auch maßlos. Das, was Jamie anscheinend kaum noch konnte, praktizierte der um 10 Jahre Jüngere en masse. Obwohl das gefährlich sein konnte, wäre es gelogen, nicht zuzugeben, dass er ihn dafür bewunderte. Nach all den Jahren in der Organisation, seinen Glauben an das Gute im Menschen noch nicht zu verlieren, war ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade Sēiichī hatte doch bitterlich zu spüren bekommen, wie grausam die Menschen waren. Zu Anfang hatte Jamie sich sehr gegen diese enge Bindung zwischen den beiden Personen aufgelehnt, weil er gedacht hatte, es würde nichts Gutes dabei herauskommen, womit er nicht unbedingt falsch lag. Überall, wo Vermouth ihre Finger im Spiel hatte, floss Blut – das würde Jamie auch heute noch stock und steif behaupten. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie Sēiichī aus der Scheiße geholt hatte, um ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren. Jamie hätte damals auch immer behauptet, dass man ihr nicht danken musste, weil sie selbst schuld war, dass all diese Dinge überhaupt passierten. Er war voller Hass gewesen, noch mehr als heute. Vor genau zwölf Jahren hatte er seine große Liebe verloren. Sie war eine vollendete Schauspielerin und eine gute Freundin von Chris gewesen. Sie hatte immer Witze gerissen, weil sie beide ja fast den gleichen Namen trugen. Aber Chris Vineyard trug die Maske des Teufels und er konnte bis heute nicht verstehen, was genau seine Frau an dieser Dame gemocht hatte. Er jedenfalls hatte keinen Grund gefunden… Nun denn, Christina konnte Jamie diese Antworten nicht mehr geben, er wusste nur, dass seine zweite Frau nicht besser gewesen war, als Chris selbst. Dass sie ihn benutzt und betrogen hatte. Auch er war einmal jung und naiv gewesen, so wie Sēiichī heute… Deswegen hatte er ihn so viele Male gewarnt. Natürlich konnte man sagen, er war ungerecht, denn Sēiichī konnte vielleicht alles schönreden, so wie es ihm besser in den Kram passte, aber er war weder dumm, noch blind. So sehr viele dachten, seine Liebe zu Vermouth war gänzlich oberflächlich, er würde dafür heute nicht mehr die Hand ins Feuer legen. Man ließ sich von so einer Frau nicht so lange fesseln, wenn man nur ihr Äußeres gut fand. Der 34-jährige hätte auch nie geglaubt, dass diese Sache solange dauern würde. Er war es irgendwann leid, dieses dumme Kind zu erziehen, was einfach nicht hören wollte. Er hatte sich gesagt, irgendwann würde Sēiichī die Nase voll haben, wie von jeder Frau bisher. Diesen Tag hatte er vergebens herbeigesehnt. Jeder noch so kleine Streit, von dem er erfahren hatte, hatte ihn hoffen lassen, bis zuletzt. Jamie kannte Frauen wie Vermouth, die würden zum äußersten gehen, um zu verhindern, jemanden, der eine gute Partie war, wieder zu verlieren. Zu welchen Mitteln sie gegriffen hatte, um Sēiichī so abhängig zu machen, wusste er nicht und irgendwie wollte er es auch nicht wissen. Sie war eine Intrigantin, die viele Trümpfe im Ärmel hatte, um einem Mann den Verstand zu rauben. Sie umgab sich mit Geheimnissen, die sie interessanter machten. Dabei konnte sie genauso langweilig sein, wie der Rest der Frauenwelt. Aber das würde Sēiichī ihm eh nie glauben. In mancherlei Dingen war sie eben doch einfach nur eine Frau… Die wollten in erster Linie alle dasselbe. Ein zufriedenes Leben mit Kindern, mit einem anständigen Mann an ihrer Seite, kurz eine glückliche Zukunft. Doch Jamie bezweifelte, dass sie das einem Spinner wie Sēiichī so klar offenbart hatte. Dann wäre sie ja gewöhnlich gewesen…

 

„Ob nun der Umstand, dass Sharon Vineyard Vermouth ist und meine Cousine, oder die Tatsache, dass ich diese Frau mochte und womöglich sie zu sehr mochte, so wie sie damals war – ich vermag nicht zu sagen, was ich schockierender und grausamer finde, zu wissen. Oder ob ich doch am schlimmsten finden soll, dass sie den Mann meiner leiblichen Mutter getötet hat, die eine Affäre mit James Black hatte, der ich entsprungen bin… In meiner Vergangenheit waren stets Frauen das Problem. Frauen und ihre Mistkerle von Männern. Mein Vater, der intrigante FBI Boss, oder der Boss der Schwarzen Organisation – die geben sich gewiss nicht viel. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich doch all das nicht verstanden. Ich wurde von der Schwester meiner Großmutter adoptiert. Damit sind Sēiichī und ich nicht einmal blutsverwandt, Yuichi. Du wirst mich wahrscheinlich ziemlich gut verstehen, dass er mir trotzdem wichtig ist, oder? Für dich ist Sēiichī ja auch ein bisschen wie ein kleiner Bruder, nicht wahr?“ Das hatte Jamie schon lange herausgefunden.

„Das stimmt, ich verstehe dich. Und ich würde ihn immer beschützen wollen, mit allen Mitteln.“

Jamie bemühte sich wirklich, damit der Trübsinn aus seinem Gesicht wich und er lächeln konnte, wie Yuichi ihn gebeten hatte. Aber es war ein zutiefst trauriges Lächeln. „Die Mutter von Sharon war eine Moore und meine Tante. Als wenn das nicht schlimm genug wäre…“ Er raufte sich die Haare, denn per se hatte er nie einen Groll gegen sie gehegt, nur gegen das, was sie später geworden war. „Als Kind fand ich sie mehr als nur sympathisch. Ich war um die 10 Jahre alt und wir lebten im gleichen Land. Sēiichī war gerade erst geboren und obwohl ich seine Eltern alles andere als mochte, war ich sehr oft dort und passte auf den Kleinen auf. Mir war doch als Kind vollkommen egal, ob wir blutsverwandt sind oder nicht. Die Beiden hatten viel in der Universitätsklinik zu tun, wo irgendwelche Forschungen gemacht wurden. Eigentlich eine gute Sache, denn auf dem Gebiet der Forschung sei sehr viel möglich. Eines Tages würden Menschen nicht mehr einfach so an Krankheiten sterben, man würde sie retten können. Von diesen Sachen verstand ich nichts und wollte auch nichts davon verstehen. Sēiichī war viel alleine mit seinem älteren Bruder, Ersterer hat schon als junger Mensch so viel ertragen müssen. Seine Großmutter war die einzig normale in seiner Familie. Yohko Iwamoto hat Sharon stets versucht aus ihren Familienbelangen herauszuhalten. Jedes Mal, wenn die beiden sich trafen, gab es Streit und es kamen die wildesten Anschuldigungen, dass sie gefälligst verschwinden soll, ihr Kind kriegt sie nicht! Trotzdem war Yohko eine der wenigen Personen, die ich kannte, von denen ich wusste, dass die Sharon nicht mochten. Sie erfreute sich äußerster Beliebtheit. Bei Mann und Frau. Eine tolle Frau, ohne Frage. Das hätte damals jeder bestätigt… Dann kommt raus, dass sie mehr Leichen im Keller hat, als so manch anderer Mensch … Und Sēiichī? Der verschließt einfach die Augen vor Tatsachen. Ich könnte ihn so schockieren, aber ich tu’s nicht. Ich bin manchmal gemein, aber kein Unmensch. Es wäre nicht fair, wenn ich ihre Leichen aufzähle, um zu schauen, wie viel es braucht, um ihn abzuschrecken.“

Yuichi hatte sich zurückgelehnt und hörte weitestgehend nur zu. „Sie dachte, dass man ihr das Kind wegnehmen will… Interessante Geschichte, denn so weit ich weiß, ist Sēiichīs Mutter tot und ich würde Vermouth sogar zutrauen, dass sie es war.“

„Ehrlich gesagt, ich würde sie sogar dazu beglückwünschen“, gab Jamie betreten dreischauend zu. „Sēiichī sagte einmal, dass seine Mutter ihn zu sehr geliebt hat… Ich habe mich immer geweigert, darüber genauer nachzudenken, denn er fand es belastend. Eltern können ihre Kinder doch gar nicht zu sehr lieben. Das denken die meisten jedenfalls, aber in Yohkos Fall… Lassen wir das. Ich bekomme sonst Brechreiz.“

Jamie nahm sich, da er unglaublich viel redete jetzt einen Schluck Wasser, um seine Kehle zu befeuchten.

„Schade, dass sie es dann nicht mehr mitbekommt, wie erfolgreich diese Frau damit dann wohl war. Auch ich will darüber mir keine näheren Gedanken machen. Denn sonst werfe ich ihr noch vorsätzlichen Mord vor. Merlot hätte sicher entschieden etwas dagegen, dass sie ihren Sohn bekommt – in welcher Weise auch immer.“ Yuichi war wirklich nicht gehässig, aber auch er war nicht komplett unwissend und wusste, was für ein Mensch Sēiichīs Mutter gewesen war. Bestimmt dachte Vermouth doch damals, dass diese Frau nicht mal ein Kind verdient hatte… und fragte sich, wieso sie so gestraft war, um nicht dieses Glück zu haben… Ja, wer weiß – aber es war nahelegend.

„Sie wusste von Anfang an, wer Sēiichī ist und sie hat Chardonnays Plan, ihn zu erledigen, auch vereitelt. Warum und weshalb zählte für mich in dem Moment nicht. Denn sie hat ihn gerettet und ist dann ohne ihn abgehauen. Sie hat ihn nicht gleich einkassiert, so wie das sicher andere getan hätten. Ich muss euch auch wirklich danken, dass ihr euch um ihn gekümmert habt. Seine richtige Familie war ja nie da. Sie sind nach Japan gekommen, um hier ihre Studien weiter zu betreiben… Dann sind sie spurlos verschwunden und haben ihr einziges Kind alleine sitzen lassen.“

„…Das war nicht unbedingt etwas Schlechtes“, sagte Yuichi neutral, denn er hatte seine eigene Meinung dazu, ob es besser gewesen wäre, ihren kleinen Sohn mitzunehmen – in eine Organisation… Natürlich hätten sie zumindest dafür sorgen können, dass er irgendwo unterkommt, aber es war alles besser, als in die Organisation zu müssen, weil man keine Wahl hatte.

„Das ist die eine Sache. Ich bin sehr zwiegespalten und auch leider vorbelastet, was schöne Frauen angeht, die alle um den Finger wickeln… Vor allem, wenn sie so tolle Schauspielerinnen sind, wie sie. Man weiß nie, wann sie nett ist und wann sie nett tut, ebenso wenig wie man ohne Zweifel sagen kann, dass sie all das Böse nur spielt. Außerdem ist jeder Mensch mal böse, sogar ich.“ Jamie war nun wirklich nicht die Ausgeburt des Bösen, aber auch er hatte seine schwarzen Gedanken, die ihn manchmal begleiteten.

„Was mich wirklich so quält… Ich weiß nicht… vielleicht das Gesamtpaket.  Genauso, die Tatsache, wie ich von James Blacks Falschheit erfuhr und deswegen unter keinen Umständen zum FBI wollte, weil die schon immer falsch waren. Dass ich Sharon mochte und ihre Tochter Chris hasste, eine Sache, die sie sich geschafft hatte, um hineinzupassen…“ Er konnte sie immer noch nicht hassen, aber er wollte Sēiichī auch nicht sagen müssen, wer sie war…

 

Nicht weit entfernt war das Rauschen der Dusche lautstark zu hören, obwohl die junge Frau mit dem braunen Pferdeschwanz neben der Tür gelehnt stand und die Augen geschlossen hatte, während sie der Konversation lauschte. Aber sie war nicht die Einzige, die all das nun hörte…

Kir wusste, dass Yuichi sicherlich entrüstet sein würde, ebenso wie schockiert. Sie war erleichtert darüber, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dass nicht das FBI ihnen zuhörte… das hätte nichts Gutes für Jamie bedeutet. Wenn dieser James Black so schrecklich war, dann war es gut so, dass sie sich entschieden hatte, keine gemeinsame Sache mit dem FBI mehr zu machen. Yuichi hatte immer gesagt, dass das FBI fast so schlimm agierte wie Vermouth. Dass man nie wusste, was sie vorhatten. Das lag vor allem am Einstieg in die Organisation eines ihnen allen bekannten FBI-Mannes. Shūichi Akai. Auch ohne in ihre Köpfe zu sehen, wusste er, Kirs Attentat auf diesen Mann würde ihr eines Tages großen Schaden zufügen, wenn sie nicht jemand beschützte. Yuichi hatte ihr versprochen, dass er dann da war, um die nötigen Schritte einzuleiten, um seine Freundin zu beschützen. Wenn sie all das überstanden – der Ausgang der Sache war schließlich ungewiss. Valpolicella liebte Carpano – Kir liebte Yuichi. Diese Rotblonde würde sie mit Freuden opfern, noch lieber als sie Vermouth das Licht ausblasen wollte. Sie alle hatten ein hartes Los zu tragen. Der Fakt von Kirs Unwissenheit, dass sie den FBI-Agent nicht töten würde, ließ nur einen Schluss zu. Dass sie dieses Opfer in Kauf genommen hatte. Wer wusste schon, wie nachtragend das FBI am Ende war. Sie hatten die Frau ausgetrickst, aber es war trotz allem ein versuchter Mordanschlag.

Und du, Sēiichī… Welche Trümpfe hast du auf Lager, um Chris zu helfen? Ich hoffe ernsthaft für dich, dass du genauso schlau bist, wie du immer tust. Wenn du dir an der Sache schon derartig die Hände schmutzig machst, dann solltest du einiges im Petto haben… Bist du wirklich so unwissend?

Die Cia-Agentin konnte wenig für Vermouth tun, denn sie gehörte nun einmal einem Geheimdienst an, der zwar die Befugnis hatte, Informationen zu sammeln, aber ansonsten eher machtlos war. Das FBI könnte einfach so jemanden verhaften… Auch sie selbst. Sie musste Yuichi vertrauen, der ihr versichert hatte, Derartiges würde nicht eintreten. Selbst wenn, gab es jemanden, der sie von dort schnell wieder wegholen würde… Immer noch fragte sie sich, wer das wohl war. Oder vielleicht mehrere Personen? Auch ihr Freund barg Geheimnisse, trotz allem vertraute sie ihm. Er hätte keinen Grund sie zu hintergehen, immerhin tat er alles dafür, dass sie überlebte, nicht wahr? Er log nicht, wenn er ihr in die Augen schaute und ihr sagte, ich liebe dich. Sie hielt verzweifelt an dieser Liebe fest und niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen. Sie lächelte für einen Moment. ‚Ich kann dich so gut verstehen, Sēiichī… Ich lasse auch nichts auf ihn kommen.

 

Jamies Augen füllten sich mit Tränen, obwohl er kein schwacher Mann war, dem das allzu schnell passierte. Man sah die Emotionen, die er tief in sich vergraben hatte. ~We can be both of god and the devil~ das passt eigentlich sogar dazu, was sie getan hatte. Sich total zu verändern. Zu einer Frau, die andere Menschen benutzte. Jamie sank nach vorne und so sehr er sich zusammenriss, so viele Male wie er es vermieden hatte, gerade kam so viel zusammen.

„Dass ICH mit dieser Frau so eng vertraut bin. Oder schlimmer, dass James Black mein leiblicher Vater ist… Der gemeinsame Sache mit dem Kerl macht, den Sēiichī und ich so sehr hassen. Den wir beide zur Strecke bringen wollten… Sēiichīs Gründe, so etwas zu tun sind vielseitig. Er hat noch nie verstanden, was Männer dazu hinreißt, gewalttätig gegenüber Frauen zu sein. Sein Ziel war immer, die Welt zu verbessern, denn das ist auch mein Ziel. Er hat versucht es zu erreichen, indem er Frauen vor Männern rettete. Vergewaltiger, die braucht unsere Welt nicht, sagte er und erschoss sie. Schon damals hatte er sowohl das Potenzial ein Killer zu sein, ebenso wie er die guten Anlagen hatte, die einen Kriminalisten aus Leib und Seele ausmachen. … Tja und ich…? Ich bin so verhasst, auf so viele. Weil ich nun einmal Detektiv bin, stelle ich viele Ermittlungen an, auch verdeckte und ich habe so viel herausgefunden… Ich wünschte, dass ich die Wahrheit nie gekannt hätte… James Black schert sich nicht einmal darum, dass ich existiere…“ Seinem Vater war er egal, denn er leugnete seine Existenz noch immer.

Die Wahrheit konnte wirklich wehtun, aber inwiefern Jamie nun wirklich die Wahrheit kannte, war mehr als fraglich.

„Zum Glück habe ich mir nie sonderlich viele Gedanken um sie gemacht, ich denke, es war das Beste, was mir einfallen konnte.“ Wenn Yuichi Jamie so sah, der diese Frau eigentlich hasste, aber anscheinend dann doch nicht genug, um sie von ihrem armseligen Leben zu befreien, denn wie man es drehte und wendete, auch er wusste, wie verdammt satt Vermouth ihr Leben so manches mal gehabt hatte. Er hatte nie einen Grund erfahren, aber manchmal konnte man ernsthaft glauben, sie lehnte sich nur zu gerne aus dem Fenster und war mit Absicht frech. Geradezu als wenn sie austesten wollte, wie weit sie gehen konnte. Nach außen war sie so kühl, dass man ihr nachsagte, sie wäre nur schwer in Angst zu versetzen, beziehungsweise, würde so etwas gar nicht kennen. Aber JEDER Mensch, egal wie robust er war, jeder hatte Angst und jeder kannte sie. Nur der eine stärker, der andere weniger.

„Mein eigener Vater… macht gemeinsame Sache mit einem Killer, nur weil er so eine Frau nicht fassen kann. Sie tanzt dem FBI seit Jahrzehnten auf der Nase herum. Er hat ja sogar einen Deal mit Chardonnay geschlossen. Sēiichī würde eine Bombe beim FBI zünden, wenn er das wüsste, was die beiden Scheißkerle miteinander zu tun haben. Er jagt sie ja alle so fein und schön und hetzt ihnen seinen Schoßhund Akai auf den Hals, genauso wie er Jodie schamlos ausnutzt… Glaub mir, ich würde lieber sterben als meinem Vater bei so etwas zu helfen.“

„Glaube ich sofort, denn es erübrigt sich, wenn man Chardonnays Leidenschaften kennt, was er mit so einer Frau gern tun würde.“

Jamie beruhigte sich nur wenig von seiner Verzweiflung, so dass Yuichi jetzt doch zu ihm heranrückte, ohne ihm zu nahe treten zu wollen und seine Hand aufmunternd auf dessen Schulter legte. „Ich verstehe dich vollkommen. Wir beide haben trotz allem immer noch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, nicht wahr? Nicht, dass ich gerne den Retter für sie spielen würde, aber sie diesem Kerl ausliefern… Dazu gehört sehr viel Skrupellosigkeit. Da fragt man sich glatt, woraus der Deal bestand. Da muss Chardonnay ja auch etwas für ihn getan haben…“ Nicht direkt fragte er ihn, aber es hätte ihn jetzt doch interessiert.

„James Black und Chardonnay sind alte Freunde… Diese Freundschaft hat er anscheinend genutzt, um Shūichi Akai in die Organisation zu schleusen. Nun ja, eine Hand wäscht die andere. Der Freund meines Vaters wollte nur eines, dass man ihm Vermouth schnappt, weil er alleine es nicht mit dieser Frau aufnehmen konnte. Sie hatte ihm schon früh tapfer die Stirn geboten und sich seinen Annäherungsversuchen entzogen. Sie konnte er nicht einfach missbrauchen, wie die anderen Frauen, ebenso wenig wie er sie hätte umbringen können. Sie hasste ihn aus den Gründen, die Frauen eben dazu bringen, Männer zu hassen. Diese Pläne, die waren meinem Vater bekannt und dennoch hätte er ohne mit der Wimper zu zucken, ihm Vermouth ausgeliefert mit dem Wissen, dass sie dann missbraucht wird. Ich mag es nicht einmal aussprechen, inwiefern er das getan hätte. Meine Verwandte, Joanne Moore, die Schwester von Sharons Mutter, die mich adoptiert hat... Sie hat diese ganze Scheiße überlebt. Liegt wohl daran, dass sie sich vom Vater ihrer Kinder getrennt hatte, um sich meilenweit in Sicherheit zu bringen, ehe die ganze Sache eskalieren konnte. Meine Mutter ist eine herzensgute Frau und es ist nur ihrem scharfen Verstand zuzuschreiben, dass sie überlebt hat.“ Jamie sprach ohne Zweifel nicht von seiner leiblichen Mutter. „Sharons Mutter hatte da nicht so viel Glück. Sie ist mit um die 30 schon gestorben, das ist fast 50 Jahre her. Danach ist ihr Vater total durchgedreht. Man kann sich darüber streiten, ob es an der Liebe zu seiner Frau lag, oder am Hass, der in ihm über die Jahre gewachsen ist, weil er alles verloren hat. Alle haben ihn für tot gehalten, nachdem er verschwand. Eine ähnliche Geschichte hat sich in Sēiichīs Leben auch ereignet. Was für ein Zufall… Seine Eltern sind auch spurlos verschwunden und ohne das Zutun von Chardonnay, dem ach so tollen Freund von James, wäre der junge Sēiichī bestimmt nicht so einfach in Kontakt mit der Organisation gekommen. Deine Entführung war nämlich nicht der Grund. Er wusste nicht, dass Chardonnay und das mysteriöse Verschwinden seiner Eltern, sowie die Sache, die man dir angetan hat, einen Zusammenhang hatte. Das hat er erst viel später herausbekommen, dass Chardonnay der Organisation angehört, die dich einkassiert hat. Was Sēiichīs Eltern angeht, er wäre sicher schon bei einem von uns gewesen, um seine Verzweiflung lautstark kundzutun, er war schon immer emotional.“ Das sagte der Richtige, der nun mit Tränen in den Augen sein Herz ausschüttete. „Wenn er alles wüsste, was ich weiß, dann… Sogar Vermouth hat zu der Sache geschwiegen, was mich aber auch nicht so sehr wundert. Ich bin nicht mal sicher, ob Sēiichī ihren richtigen Namen kennt. Den wollte sie ja mit ihrem alten Leben begraben. Vielleicht hätte er die Sharon, die ich kannte, auch gar nicht so sehr geliebt, wie das Miststück, zu dem sie in den vielen Jahren geworden ist. Sēiichī konnte schon immer Menschen überraschen, daher möchte ich nicht darüber urteilen, was wäre wenn… Vielleicht würde es ihm um ihr Schicksal leidtun. So viel besser als das Aktuelle wäre das wohl kaum.“

Yuichi wusste, dass viele Menschen Sēiichī unterschätzten. Es war alles sehr verworren und bestimmt wusste Jamie noch viel mehr über die ganze Familie. Auch in seiner Familie gab es eine Menge schwarze Schafe, da konnte man nur jeden beglückwünschen, wo nicht einer etwas mit der Organisation zu tun hatte und mit keinem unter der Decke steckte.

„Weißt du… Ich weiß nicht, wie sie war, dafür bin ich zu jung. Vielleicht klingt das grotesk, aber Sēiichī ist mitfühlender, als ihm so mancher zuschreibt. Du bist ja auch nicht eiskalt. Natürlich würde ihm leid tun, was ihr vielleicht widerfahren ist… Es ist lächerlich, zu glauben, dass es nicht so wäre. Er hat ein Kind mit dieser Frau und würde im Augenblick sogar mit dem Teufel einen Pakt machen, um BEIDE retten zu können. Sēiichī ist nicht der Typ dafür, um seine Familie im Stich zu lassen. Er hat sich Jahrzehnte gesträubt, einzusehen, dass sein Bruder alles andere als seine Liebe verdient. Bei ihm verschloss er immerzu seine Augen… Dieser Kerl ist seinem Vater Chardonnay nicht unähnlich. Den hasst Sēiichī bis aufs Blut… Er würde alles geben, um ihn loszuwerden… Aber für seinen Bruder ist er zu weich.“

„…Gewesen…“

Yuichi wollte es nicht sagen, aber er wusste, dass Sēiichī zwar im Affekt gehandelt hatte, aber bestimmt schon wieder Gewissensbisse hatte. So war er eben…

 

Kir seufzte. So viele Dinge. Vor allem so grausame Dinge… Schon ihr Vater hatte gesagt, dass er vermute, die Organisation habe so gut wie in allem ihre Finger mit drin. Unter anderem in der Ermordung eines Politikers, dessen Tod bis heute noch nicht richtig aufgeklärt werden konnte. Er wollte alles aufdecken. ALLES rund um die Organisation. Das hatte die junge Frau nicht vergessen. Noch heute vermisste sie ihren Vater schrecklich, der sein Leben geopfert hatte, nur um seine Tochter zu retten.

 

Seitdem Ryochi und Sēiichī zusammen im Auto gesessen hatten, war nun eine ganze Stunde vergangen. Wie Jamie noch Yuichi erzählt hatte, verhinderte man das Schlimmste. Es war Jamies Freundin selbst, die sie ins Präsidium begleitet hatte. Eine junge, hübsche Frau, die Shina nicht unähnlich sah, was Ryochi einen Moment lang aus der Bahn geworfen hatte, aber nicht zu sehr. Sēiichī hatte ihn aufgeklärt, sie sei auf ihrer Seite, aber sie wollte beide nicht mitnehmen und ließ sie sitzen, während sie den Fall mit einer ranghohen Person besprach. Sie aus dieser Sache so auszuschließen… Ryochi war sauer, ernsthaft konnte man meinen und wollte nicht ausgeschlossen werden. Schon gar nicht, wenn die ranghohe Polizeiperson sein eigener Vater war.

„Wie mir scheint, ist Vermouth nicht das Einzige, was du mir verschwiegen hast, oder wie? Allmählich bin ich echt sauer.“

Sēiichī fand es eher putzig, wenn er sich so aufregte, denn in dem Fall war er völlig unschuldig, auch wenn sein Freund ihm das wohl nicht glauben würde.

„Reg dich nicht auf, ich bin genauso unwissend, wie du. Anscheinend hat Jamie sie geschickt, bestimmt macht er sich wieder Sorgen um mich…“

„Ich frage mich, was sie mit meinem Vater beredet.“

Als die junge, hübsche Frau wieder zu ihnen zurückkam, lächelte sie fröhlich und wirkte wie ein kleines Mädchen. Ryochi jedoch ließ sich nicht beeindrucken. „Also?“ verlangte er Antworten, woraufhin sich die Detektivin direkt neben ihn setzte. „Ihr Vater hat mir erlaubt, dass ich Sēiichī erst einmal mitnehme… Es war nicht einfach, ihn zu überzeugen, aber ich habe ihm hoch und heilig versprochen, dass ich auf ihn aufpasse.“

„Hey, auf mich muss man nicht aufpassen!“ erwiderte Sēiichī trotzig, aber die beiden Anderen wussten, wie falsch diese Annahme war. Sēiichī glaubte es wahrscheinlich nicht einmal selbst. Es widerstrebte ihm ja nur, dass wieder eine Frau auf ihn aufpasste.

„Ja, vor allem keine Frau, nicht wahr?“ sagte sie geheimnisvoll, um ihn etwas zu ärgern, dabei lächelte sie ein bisschen bittersüß. „Warum ihr Männer immer glaubt, alles alleine schaffen zu müssen… Du bist in einer sehr misslichen Lage, mein Junge“, sagte sie und man merkte daran, dass sie älter als Sēiichī sein musste. Das stimmte so auch, sie wurde 32 und ihr Halbbruder war ein Kollege von Jamie.

Trotzdem fand Sēiichī das gerade überhaupt nicht witzig. „Haha, ich habe selten so gelacht! Takeshi Akaja will mich also gehen lassen, obwohl ich ganz offensichtlich jemanden umgebracht habe! Wieso um alles in der Welt sollte er das tun? Was für Geschichten hast du ihm erzählt? Los rede!“ So unfreundlich gegenüber Frauen war man Sēiichī nicht gewohnt.

„Jamie hat mir aufgetragen, dass ich dich wegbringe, also hör auf überflüssige Fragen zu stellen. Außerdem könntest du die Antwort sehr leicht selbst finden… Denk doch ein bisschen darüber nach, vielleicht kommst du dann darauf?“

Sēiichī schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich werde mich keinen Millimeter bewegen, wenn du mir nicht sagst, wie du das angestellt hast!“ Er war bockig, wie ein kleines Kind und sie schmunzelte. „Du bist richtig niedlich, wenn du schmollst.“

„Huh?“ Sēiichī sah sie verwirrt und perplex an, als sie das sagte, dann wurde er rot und schon war er aufgesprungen. „Ich bin nicht niedlich!“ Sie wirkten, als wollten sie über etwas total Belangloses streiten und Ryochi spielte den Beobachter. „Sie hat bestimmt gesagt, dass du meinem Bruder das Leben gerettet hast und da ist mein Vater gnädig gewesen… Außerdem weiß der ohnehin bescheid, was ihr beide treibt. Kaum zu glauben, für wie dämlich du *unseren* Vater hältst.“

Sēiichī seufzte und die Hellbraunhaarige nickte. „Wir sollten hier wirklich keine Wurzeln schlagen, Sēi-chan“, sagte sie jetzt etwas ernster, nachdem sie noch so strahlend gelächelt hatte. „Dein Auftrag ist fehlgeschlagen, deswegen wollte er dich auch eigentlich nicht gehen lassen. Katori hat auch mir und Jamie mitgeteilt, dass Shawn in Sicherheit ist. Das ist doch das Wichtigste, nicht wahr? Ich weiß sogar, wo sie ihn hinbringt.“

Sēiichī war einfach zu wütend in dem Moment, weil er so bemuttert wurde und schnaubte abermals. „Nenn mich nicht so! Das tun nur enge Freunde von mir, alle anderen haben nicht die Erlaubnis, meinen Namen zu verniedlichen.“

„Aber er passt doch zu einem niedlichen Kerl“, sagte sie, unbeeindruckt mit den Schultern zuckend. „Du bist wirklich ungehorsam, kein Wunder, dass Chris sich immer über dich aufregt! Irgendwann kriegt sie einen Herzinfarkt, dann darfst du dich verantwortlich fühlen, mein Lieber!“

„Wie bitte?“ Sēiichī war schockiert davon, was ihm da gesagt wurde. „Ungehorsam? Du überspannst den Bogen, meine Liebe!“ Sein Gesichtsausdruck wirkte ernsthaft wütend, das schaffte kaum eine Frau, ihn so aus der Fassung zu bringen, was Ryochi dann doch interessant fand.

Ich fühle mich, wie in einer Komödie. Wenn sie so weitermachen, finde ich noch Dinge heraus, die Sēiichī missfallen. Komm schon, provozier ihn noch ein bisschen mit Dingen, die ihn ärgern.

„Oh, findest du? In the last two years, you give this woman a very hard time.” Sie klang sehr angreifend. „If you cannot protect yourself, other people will have to do this job. Jamie want you to come with me, so stop being stubborn.” Sie hatte von Japanisch zu Englisch gewechselt, was ihr aber nicht einfach so passierte, immerhin war sie Amerikanerin, so wie Jamie auch.

„I am not that weak.“ Das schien Sēiichīs einziges Problem zu sein, jedenfalls wirkte es im ersten Moment so. Sein Anflug von Wut, mit dem er die 32-jährige für ihre Fürsorge verdammt hatte, verpuffte in dem Moment, obwohl sie nicht eindeutiger davon reden konnte, dass man ihn beschützen wollte. „It’s not my only problem. My real trouble is a promise I made to her long time ago. To be there and never leave her alone…” Er wirkte ruhiger, lehnte sich gegen die Wand und wirkte nachdenklich, auch wenn er die Arme verschränkt hatte. „Außerdem ist Weglaufen das Schrecklichste, was ich mir vorstellen kann.“ Sēiichī öffnete die Augen und wirkte fest entschlossen, sich nicht umstimmen zu lassen. Zwingen konnte ihn sowieso keiner.

„What the fuck! Are you serious?! Geez, give me a break!” Der rasselnde Atem der Frau verriet, dass sie wirklich besorgt war. „Do you think, she cares? She breaks her promises too. If you don’t know that, you are blind, Sēiichī.”

Ryochi beobachtete sie und fand, dass sie sich sehr aufregte. „Also wenn deine Beziehung zu Chris auch nur im Entferntesten so aussieht, kann ich verstehen, dass sie sich so manches Mal über dich aufregt. Du bist wirklich ein sturer Esel. Siehst du denn nicht, dass sie ernsthaft besorgt um dich ist? Jetzt sei nicht so stur und lass zu, dass man dir aus deiner beschissenen Lage hilft.“

„Ich will aber keine Hilfe! Warum denken immer alle, dass man mich retten muss? Vielleicht will ich ja gar nicht gerettet werden…?“ fragte Sēiichī, dabei sah er aus, als wenn er sehr genau wusste, was er tat, aber er tat oft stark, sogar dann, wenn er es nicht war. Nachdem man ihn so getadelt hatte und die Frau bereits ernsthaft wütend war, sie noch so zu ärgern, war einfach zuviel, vor allem bei dem, was er da vom Stapel ließ. Sie konnte einfach nicht mehr die Wut zurückhalten und weil er gerade nicht darauf gefasst war, landete ihre Hand in seinem Gesicht, ehe sie ihn wütend wie eine Furie anbrüllte. Dabei veränderten sich ihre Augen und man konnte wirklich Angst bekommen, so wie sie ihn runterputzte.

„Das ist nicht alleine deine Entscheidung!“ Sie schnaubte und atmete schnell. Ja, sie war explodiert über so viel Stursinn und Idiotie. „Falls du es vergessen hast, Sēiichī…“ Ihre Stimme klang Furcht einflößend, aber sie hätte ihm nie wirklich etwas angetan.

Dieser Mann, er zuckte nicht einmal, als sie ihn schlug. Ihre Hände griffen sich sein Hemd und sie zerknüllte es, dabei sah sie ihm wütend in die Augen. „Du hast doch keine Ahnung, wovon du da sprichst! Du bist kein Feigling, nur weil du das Weite suchst in solch einer Situation. Denk an Shawn. Ich glaube einfach nicht, was ich höre. Was soll denn werden, wenn euch keiner rettet? Soll dieses arme Kind, wie so viele ohne Eltern aufwachsen? Hast du denn kein Herz? Ist dir das denn gänzlich abhanden gekommen?“ Sie zerrte an ihm, dabei schüttelte sie ihn regelrecht und er wirkte weiter, als wollte er stur sein.

„Mit keinem Wort sagte ich, dass ich mich umbringen lasse. Ebenso wenig, wie ich zulassen werde, dass ihr etwas geschieht. Sie ist die Liebe meines Lebens und die Mutter meines Kindes. Wie könnte ich sie denn in dieser Scheiße alleine lassen? Was wäre ich für ein Mann, wenn ich auch nur daran denken würde, zu fliehen?“

„Dann wärst du ein vernünftiger Mann.“ Die Worte kamen leicht bedrückt. „Wäre das so verwerflich für dich, einmal Vernunft walten zu lassen? Außerdem… Sometimes it isn’t like it seems…“

„… That’s true“, sagte er, einen Moment rang er mit sich und legte seine Hände an die der Frau, die ihn so verzweifelt schüttelte. „Ich muss für alle wie ein hirnverbrannter Vollidiot wirken.“ In seinen Augen standen die Tränen, mit diesen sah er der 32-jährigen direkt in die Augen. „Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Es tut mir um all die Menschen leid, die meinetwegen so viel ertragen müssen.“ Er nahm sanft ihre Hände von sich und bewies, welche Art Mann sich hinter ihm verbarg. Er wäre gegenüber einer Frau nie brutal geworden, sei es noch so eine große Furie. „Jamie sagte immer, dass du eine ruhige und besonnene Frau bist. Schon lustig…“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Wir träumen immerzu von einer besseren Welt. Von einer Welt, in der wir frei sind. I cannot run away and leave behind, what is important to me. Das ist leider nicht nur Chris. Wenn ich weglaufe und dann etwas passiert, könnte ich mir das nie verzeihen.”

„Sēiichī Iwamoto, du denkst wirklich, dass du unentbehrlich bist! Man, bist du eingebildet. Aber anderen vorwerfen, sie seien es. Jetzt komm mal runter von deinem hohen Ross! Es ist bereits für alles gesorgt! Wie viele Menschen willst du noch ermorden müssen? Glaubst du nicht, dass du sie sehr unglücklich machst, wenn du so viel riskierst? Du bist mit dieser Frau seit Jahren zusammen, gerade weil du sie glücklich machen wolltest, oder etwa nicht? Ist das nicht Grund genug, um ihr jetzt den Gefallen zu tun, artig das zu tun, was man dir vorschlägt. Glaube mir, sie ist kein bisschen böse auf dich…“

„Ach, und woher willst du das wissen, du Schlaumeierin? Hast du sie gefragt, oder was? Ihr wisst genau, dass ich es hasse, wenn Jamie und du so etwas hinter meinem Rücken tut!“ Er war absolut ungnädig, wie Frauen, die gerade ihre Periode hatten. „Übrigens…“ In dem Moment öffnete jemand die Tür, die zum Büro gehörte, aus welchem sie vor knappen fünf Minuten gekommen war und Takeshi Akaja kam heraus. Als er die kleine Gruppe sah, wirkte er ein wenig verstimmt und lief auf sie zu.

„Du bist ja immer noch hier? Kannst du nicht einmal machen, was man dir sagt? Diese Frau hier hat mich förmlich angebettelt, dich mitnehmen zu dürfen. Tatsuji Fujimine wartet auf euch. Er wird die Sache übernehmen, denn ich will dich nicht in ein paar Tagen beerdigen müssen, du unmöglicher Kerl!“ Die Stimme des Hochrangigen klang besorgt und verstimmt. „Tu wenigstens mir den Gefallen, wenn du ihn schon meinem Sohn nicht tun willst. Wir alle wollen nur dein Bestes. Weißt du das nicht, Junge?“

Sēiichīs Augen wurden groß, als Takeshi ihn so rügte, aber dabei doch irgendwie noch sanft genug klang. „Aber ich habe so viel falsch gemacht…“

„Dann solltest du ab sofort das Richtige tun! Überleben für diejenigen, die dich brauchen.“ Immer größer wurden die Augen von Sēiichī und er schniefte einmal. „Aber… sie ist in einer absolut widerwärtigen Situation. Ich will sie nicht allein lassen, Vater. Denn wir brauchen sie ja noch. Ich will nicht, dass mein Sohn seine Mutter so früh verliert.“

„Ach, Sēiichī. Meinst du denn, dass ich das nicht weiß? Kein Kind sollte ohne die Mutter sein… So wie Yuichi und du. Also geh jetzt. Worauf wartest du? Ihr habt nicht die Zeit zu trödeln! Sie bringt dich erst einmal nach Hause, dort packst du alles nötige. Vor allem deinen Pass… und dann fahrt ihr gemeinsam zu Tatsuji Fujimine. Dein Junge wird dort sein. Das ist der Ort, wo du jetzt zu sein hast, findest du nicht?“

„Ich will ohne diese Frau nirgendwohin.“

„Du meine Güte… Hat irgendjemand gesagt, dass du das sollst? Also komm!“ Die Hellbraunhaarige griff nach seiner Hand und wollte ihn hinter sich herziehen.

„Was meinst du denn damit?“

Es war nicht das erste Mal, dass Sēiichī den Zug verpasst hatte, was die Anwesenden seufzen ließen. „Sie weiß, dass du niemals ohne sie irgendwohin gehen würdest. Sie ist nicht blöd. Und jetzt mach endlich!“

Sēiichī warf Takeshi Akaja noch einen verwirrten, aber auch dankbaren Blick zu, der trotz allem auch so betrübt wirkte, denn er wollte auch ihn nicht einfach zurücklassen. „Bitte verzeih mir… alles…“

„Darum musst du mich nicht bitten, Sēiichī. Aber ich vertraue auf Tatsuji. Dass er es schafft, euch aus der Gefahrenzone zu bringen...“

Der junge Mann konnte einfach nicht anders, auch wenn sie noch so sehr an ihm zerrte, er riss sich los und stürmte zu Takeshi, dem er stürmisch in die Arme fiel und dabei fasst weinte. „Ich bin so dumm, wie konnte ich nur je denken, dass du mich hassen würdest?“

„Das frage ich mich auch.“ Takeshi benötigte Unmengen an Beherrschung, um nicht auch ein bisschen weich zu werden, er klopfte ihm auf die Oberarme. „Es ist niemals falsch, einer Frau in Not zu helfen… das habe ich dir ja auch beigebracht.“

„Danke.“ Er seufzte einmal theatralisch und wendete sich dann der Hellbraunhaarigen zu, ließ sich aber nicht wie einen Hund spazieren führen, so wie sie es geplant hatte. Sie konnte nicht noch einmal seine Hand ergreifen…

Sie musterte ihn verwirrt, weil sein Gesicht ernst wirkte, aber auch immer noch leicht angesäuert. Weshalb ein so besonnener Mensch wie Sēiichī so dreinschaute, konnte sie beim besten Willen nicht verstehen… Was hatte sie denn bitte falsch gemacht?

Er sagte nichts, lief neben ihr her, bis sie draußen waren und stieg sogar ganz brav ein, dabei wirkte er wirklich sehr bockig.

Sie war erleichtert und seufzte, als sie neben ihm saß. „Oh man, nun sei doch nicht so. Kannst du mir mal verraten, warum du so sauer bist?“

Sēiichī schnallte sich wortlos an und schwieg noch einen Moment länger, dann begegneten ihr seine zornigen Augen. „Ganz einfach! Du hast mich versucht zu verarschen, dagegen habe ich etwas!“

„Verarschen?“

„Ja, ätzend so etwas! Als wäre es nicht schlimm genug, dass Baileys bei mir auftaucht, mir Honig ums Maul schmiert und so supersüß ist, dass ich fast brechen muss… Ich kann einfach nicht ausstehen, wenn man mich derartig linkt und mich dann auch noch anfasst!“

„Oh, wirklich?“ tat sie überrascht, denn Sēiichī war doch dafür bekannt, dass er keine Probleme damit hatte, wenn Frauen ihn anfassten. „Mir war so, als seiest du der Mann mit den Affären…“

„Ich war der Mann mit den Affären. Aber es gibt Geschöpfe auf dieser Welt, die mich auch in tausend Jahren nie anfassen dürften, ohne dass mir die Galle hochkommt. Baileys ist eine davon…“ Sēiichī verriet nicht wirklich, warum er so sauer war, seine Wut schien sich nach der Ansage auch nicht zu verflüchtigen. „Was versprichst du dir davon, dich als Chris auszugeben? Dachtest du, der dumme Sēiichī kommt dann ganz brav mit, weil du dich ein bisschen so verhältst, wie sie es täte? Oh bitte! Ihr haltet mich alle für vollkommen verblödet! Kommst hierher und tust so, als seiest du Chris, nur um mich umzustimmen.“

„Nein, nein, du irrst dich, Sēiichī. Weder ich, noch Chris halten dich für dumm, aber es blieb ihr leider keine andere Wahl! Die Zeit drängt wirklich, also reiß dich zusammen, du meine Güte! Sie wäre selbst gekommen, wenn da nicht gerade ein kleines Problem mit der Zeit wäre. In Gestalt von Chris Vineyard hat sie dann doch darauf verzichtet, ins Präsidium zu marschieren. Nicht, weil sie Angst hätte, dass man sie dort festhalten würde, sondern dass die falschen Personen das mitbekommen. Einige würden sich ja ins Fäustchen lachen, wenn sie sie bei so etwas erwischen. Es ist ihr nicht mehr erlaubt, im Alleingang zu handeln. Gerade würde sie so ein Risiko auch nicht eingehen wollen.“

„Ausgerechnet Jamies Freundin soll ihr helfen. Willst du, dass ich an einem Lachanfall sterbe oder so?“ Sēiichī war nicht so leicht zu beeindrucken, wie viele immer glaubten und war wirklich sauer, so harmlos mancher ihn fand. „Darüber hinaus, wieso sollte sie dir so viele Informationen über mich geben, dass du dich fast wie sie verhältst? Ich sollte denken, dass sie sich als DICH verkleidet hat…“ Er seufzte einmal und schüttelte den Kopf.

Während er noch immer Streitlaune hatte, war sie losgefahren, denn obwohl Sēiichī sie wohl für eine Lügnerin hielt, hatte sie nicht gelogen.

„Es stimmt, du solltest das denken und sie hat mir auch fast genau die Worte in den Mund gelegt, und wenn du dich quer stellst, hat sie mir sogar gesagt, darf ich ausrasten, weil sie das auch würde.“

Sēiichī glaubte es nicht, sein Mund öffnete sich voller Entsetzen. „Kaum zu glauben, wie weit die mal wieder geht… Warum erzählt sie nicht gleich der ganzen Welt, wie ich funktioniere…?“ Sēiichī drehte den Kopf zur Seite, war eingeschnappt und beleidigt – er hätte sogar behauptet, wie noch nie. Er ärgerte sich auch im Grunde über sich selbst, dass Chris ihn dermaßen durchschaute, dass sie einer anderen sagen konnte, wie sie sich zu verhalten hatte, damit ER dachte, derjenige sei sie. „Diese Frau wieder…“ Sein Kopf fiel gegen die Fensterscheibe, während er tief einatmete und ihr im Grunde nicht böse sein konnte, wenn all das stimmte, was Melissa gesagt hatte, dann war sie wirklich besorgt um ihn. „Kein Wort war gelogen?“ Seine Augen huschten zu ihr hinüber bei der Frage. „Nicht ein einziges? Tatsuji hilft uns, nicht nur mir?“

„Takeshi Akaja gab ich mein Wort. Jamie würde niemals etwas tun, um ihm in die Quere zu kommen. Ich bin loyal und…“ Sie senkte leicht den Blick, bei ihrem Gedanken, dabei überlegte sie, ob sie Sēiichī sagen sollte, was sie wusste. Über sich, über Jamie, über Sharon… Sie entschied, ihren Mund zu halten. Jamie würde sie rügen, wenn sie nun Familiengeschichten auspacken würde… Es gab gute Gründe, weshalb jemand wie sie, der so loyal gegenüber Jamie war, einer Frau half, die dieser verabscheute. Sie mochte es nicht, von Hass zu sprechen. Denn Hass war alles vernichtend. Jamies Abneigung, so sehr er es Hass nannte, für sie war es keiner…

Die kleinen versteckten Hints in ihrem Verhalten, die so sehr dafür sprachen, dass sie Chris war, hatte er natürlich bemerkt, aber war nicht darauf eingestiegen, weil er sich todsicher war, dass sie es eben nicht war. So wirklich klar war ihm nicht, wieso er nicht darauf hereingefallen war. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass Vermouth in ihren Rollen versank und sich dann nie wie sie selbst benahm. Dieser Fehler passierte ihr einfach nicht. Sie hätte sich eher bemüht, so ganz und gar nicht zu wirken, als wäre sie es. So eine perfekte Schauspielerin und dann so viele Fehler. Sēiichī wusste, dass wenn sie es darauf anlegte, ihn anschmieren könnte. Wenn sie sich auch wirklich bemühte… Solange sie ihm nicht zu nah kam, würde er ihre Verkleidung nicht durchschauen. Was zu nah war, darüber ließ sich streiten. Zum Beispiel durfte sie ihn nicht küssen, er würde sie sofort erkennen.

Aber es gab auch noch andere Dinge, die Sēiichī wirklich beschäftigten. Diese Frau hatte ihm immer wieder gesagt, dass sie nicht einfach fliehen konnte und nun wollte sie genau das tun… Das verstand er nicht. Hatte sie ihn belogen? Mit nicht fliehen können, meinte sie damit, nicht wollen? Er war total verwirrt und konnte sich daraus keinen Reim machen.

Sie war eine Frau, trotz all der eisigen Kälte wusste er um ihre Schwächen. Wollte sie nun wirklich seinen Traum erfüllen? Mit ihm gemeinsam auszubrechen, so als glückliche Familie quasi? So gerne er träumte, sogar er bezweifelte, dass das einfach so ging.

Sein Kopf drehte sich zu Melissa. Wusste sie, worauf sie sich da einließ? Einem Verräter und seiner heißgeliebten Verräterin helfen? Er wusste ja noch nicht einmal, was sie dazu bewog. Ihre Liebe zu Jamie wohl kaum. Vermouth schien ihr zu vertrauen, dabei vertraute die doch wirklich kaum einer Menschenseele…

 

Es gab viele Personen, die sich für ein kriminelles Verbrecher-Genie interessieren würden – für eine Person wie Vermouth. Die meisten jedoch würden sie versuchen zu benutzen. Etwas, was einige sogar als gerecht empfunden hätten. Von Yuichi wusste er, dass diese Meinung die meisten auch teilten. Praktisch hatte sie kaum Freunde. Die paar wenigen, die sie hatte, die würden eher vor ihr weglaufen, als ihr am Ende dann zu helfen. Das lag an den Intrigen, die sie innerhalb der Organisation spinnte. Manchmal hatte man sogar den Verdacht, der Boss selbst wusste nicht ganz, wer sie war. Es war geradezu gruselig, wie er ihr vertraute…

Ein guter Kerl wie Yuichi würde nicht einmal sich darum reißen, ihr zu helfen, weil ihr helfen mit riesengroßen Ketten-Reaktionen verbunden war… Über diesen Satz hatte er lange nachgedacht, war aber zu keiner Lösung gekommen. Er konnte nicht ahnen, dass so manche Lösung näher war, als einem lieb war.

Zum Beispiel benahm sich seine Freundin ganz merkwürdig, seit Yuichis Bekannte ihnen das Baby gebracht hatte. Riina war ein guter Mensch und er wusste, dass sie die Organisation kannte und nicht naiv war. Wieso also hatte sie so fröhlich reagiert, als er ihr offenbart hatte, wo das Kind hingehörte. Er hatte es nicht verstanden und sie anschließend gefragt.

Sein Rotschopf hatte geantwortet, ob er sich das nicht denken konnte. Sēiichī sei eine gute Person, die eine große Entwicklung hinter sich hatte. Sie hatte ihn gern. Sie freue sich darüber, dass er Vater geworden war. Jemand, wie Sēiichī, der würde mit der Mutter seiner Kinder zusammenbleiben. Das fand sie gut. Die Gegenfrage, ob da total egal war, wer es war, hatte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln erwidert. Sie hielt Sēiichī nicht für dumm, sondern für brillant, wenn es darum ging, sich ins Herz von Menschen zu graben. Als sie 17 gewesen war, hatte Sēiichī sie betrogen und dennoch wünschte sie ihm nichts Böses. Es war für sie sogar okay gewesen, denn die Frau, mit der er damals Verkehr hatte, war niemand anderes gewesen als ebenjene Person, mit der er wohl jetzt immer noch eine Partnerschaft hatte. Acht Jahre waren eine lange Zeit für einen Sēiichī Iwamoto, der von Frau zu Frau rannte, um sich zu vergnügen, fand er nicht auch? Tatsuji musste ihr beipflichten. Er als Profiler wollte seine Verbrecher bestens kennen, aber ein Vermouth Experte war er nicht. Er war Experte bei anderen verkorksten Individuen. Wegen dieser Person war er auch wieder in Japan. Nach Shinas offensichtlichen Tod musste man damit rechnen, dass weitere Personen ums Leben kamen, was er natürlich verhindern wollte. Yukiko hatte ihn selbst auch gebeten, gut auf sich achtzugeben. Schon fast am Gehen hatte sie ihn noch um einen Gefallen gebeten und dabei so traurig ausgesehen…

Riina war auch ein Mysterium für viele, für ihn jedoch nicht. Sie tat nichts ohne triftigen Grund. Inwiefern sie über Sēiichīs Familie bescheid wusste, hatte er auch erfahren. Sie wusste, dass sie denselben Halbbruder hatten. Ihr Vater und seine Affären. Sie verachtete ihn und lobpreiste jeden, der ihn bekämpfte. Daraufhin hatte Tatsuji lachen müssen und gesagt, dass das aber enorm sei. Sie entgegnete, dass es Personen gäbe, die alles getan hätten, um ihn zum Sturz zu bringen. Überraschend war dabei sogar, dass sie von der Feindschaft zwischen Sharon Vineyard und Chardonnay wusste. Damit hatte sie ihn verblüfft.

Vermouth hätte in der Vergangenheit verhindert, dass Chardonnay erfolgreich jemanden aus der Familie in die Organisation holen konnte. Es handelte sich dabei um Riina selbst. Sie hatte damals gedacht, dass sie im Sinne von Sēiichī gehandelt habe, weil sie befreundet waren, Vertraute irgendetwas in die Richtung. Aber das war nicht der wirkliche Grund, höchstens eine Nebensache in dem Fall. Aus den diffusesten Gründen sollte sie eine Abneigung gegen den Kerl haben. Tatsuji brauchte nicht tief graben, welche Gründe das vielleicht waren. Einer davon war typisch Frau… Jamie hätte ganze Hymnen singen können mit Gründen, warum sie ihn so verabscheute. Es wunderte ihn, dass Chardonnay noch lebte. Jemand – vielleicht mehrere sogar – mussten es sehr gut mit ihm meinen…

 

Mittlerweile hatten sie die Person selbst hier und man könnte meinen, kaum ein Verbrecher konnte ruhiger und gelassener dasitzen, als sie. Sie hatten sie aufgelesen – mehr zufällig nebenbei, was schon schockierend genug gewesen war. Aber der 29-jährige konnte sich nicht vorstellen, dass Chris Vineyard ihn nicht kannte, oder glaubte, er wisse nicht, wer sie ist.

Als sie die Tür geöffnet hatten, war ihm alles klar. Sie hatte sich absichtlich einsammeln lassen. Denn kaum, war die Tür offen, fragte sie mit regelrechter Euphorie, wo der Kleine war. Riina hatte die Tür geöffnet und war von der blonden Frau regelrecht über den Haufen gerannt worden. Sie stürmte wie ein Orkan zu dem Baby mit einem Lächeln im Gesicht, was viele Menschen noch nie an ihr gesehen hatten.

„Oh mein Kleiner…“ Ihre Stimme klang mehr als glücklich und fröhlich. Sie hatte ihn rausgeholt, ohne sich die Erlaubnis zu holen – wären sie gemeine Menschen, hätten sie es ihr verboten. Es gab solche Leute, das wusste Tatsuji. Aber die beiden standen nur in der Tür und ließen ihr die Wiedersehensfreude. Es hatte den Anschein, als hätte sie bisher weniger die Gelegenheit gehabt, ihr eigenes Kind sich an die Brust zu drücken.

Riina hatte Tatsuji versichert, dass man sie einen Moment außer Acht lassen konnte, sie würde ihr nichts antun…

Einem sensiblen Mann wie Tatsuji legten sich einige Schalter um, als er die Frau und das Kind sah. Eine gefährliche Verbrecherin, ohne Frage, aber kaum hatte sie ihr Kind, gab es nichts Wichtigeres mehr… Es machte ihn traurig, auch ein wenig sauer, wie die Organisation mit solchen Menschen verfuhr. Von Yuichi kannte er da die schlimmsten Geschichten.

Zwar hatte er Pläne ins Auge gefasst, was so manche Person anging, und er beriet das auch ganz brav mit seinen Teams, aber es gab da auch den ein oder anderen persönlichen Konflikt.

Riina hatte sich vorher sehr gut um das Kind gekümmert, aber sie sah ein, dass sie gegen die richtige Mutter dann doch nicht ankam.

Seine Freundin war zu ihm gekommen und hatte es zwar nur geflüstert, während sie sich an seinen Arm kuschelte. „Ich glaube, gerade ist sie glücklich. Das ist schön… So etwas mag ich… So sollte die Welt immer sein.“ Es waren so traurige Hintergründe in ihren Worten. Eine Welt voller Schmerz und Leid. Das hatte sie doch gemeint.

Chris hatte alles erfolgreich und vollständig ausgeblendet, was nicht mit ihrem Sohn zu tun hatte. Sie hatte sogar vergessen, dass es ein fremdes Apartment war. Für sie zählte gerade nur, dass sie bei ihm sein konnte. Um genau zu sein hatte man ihr dieses Kind vorenthalten, sogar Sēiichī hatte ihn öfter gesehen, als sie. Man teilte ihr dann mit, sie müsse sich erst einmal verdienen, ihn sehen zu dürfen. Viele dachten, man durfte ihren Hass nicht schüren, denn der war wie eine kleine Flamme, die zu einem Großbrand werden könnte. Man musste nur die richtigen Mittel aufwenden, um aus einem kleinen Feuerchen mehr zu machen. Es gab Menschen, die fanden, dass der Boss sehr viel dafür tat, dass ihm bald die ganze Bude brannte. Aber er fand, es war das einzig Richtige bei einer Frau wie ihr, um sie unter Kontrolle zu bekommen. Gerade hatte er all seine Macht verloren. Und er wusste noch nicht einmal davon, weil Baileys sich vor Angst gerade in die Hose machte. Denn ihr Versagen hatte weitreichende Konsequenzen. Ein Mann mit seinem Kontrollzwang, würde durchdrehen, wenn ihm die Kontrolle flöten ging und er würde dann zu harten Maßnahmen greifen, um diese Kontrolle zurückzugewinnen. Zwar hatte er einige Trümpfe auf Lager, um eine Frau wie Vermouth über Jahre zu fesseln, aber ein Kind war das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Er konnte sich nicht erlauben, dass sie schwach wurde. Hätte er sie gesehen, wäre ein direkter Tötungsbefehl bekommen. Aber wo denken wir hin? Nicht Vermouth hätte es getroffen, nein, das unschuldige Kind, was wagte, seine Pläne zu ruinieren.

 

Eine jung wirkende, wunderschöne Frau mit dunkelblondem Haar, was sich leicht wellte, war gerade in den Fluren der Forschungsabteilung einem ihrer Kollegen begegnet.

Sie erschrak sich schrecklich und glitt gegen die Wand, als sie ihn sah. Sie benahm sich beinahe, als wäre sie einem Geist begegnet. Unmöglich… Konnte es sein? Entsprach das wirklich den Tatsachen? Er war hier? Am Leben? Das konnte doch nicht sein…

 

Seit guten zwanzig Minuten war der junge Mann nur gerannt. In seine Wohnung, wo er wirklich nur an das Wichtigste dachte, denn mittlerweile hatte er den Ernst der Lage auch selbst begriffen. Melissa gab ordentlich Stoff und fuhr mindestens so einen heißen Reifen wie Vermouth, wenn sie auf der Flucht vor etwas war. Mit quietschenden Reifen hielt das Auto vor der Tür des Apartments und er hämmerte gegen die Tür, als ginge es um Leben oder Tod – nun, ein wenig stimmte das ja auch. Tatsuji hatte die Tür geöffnet und sofort an Sēiichīs Atem bemerkt, dass er gerannt sein musste. Neben ihm stand Jamies Freundin mit einem zufriedenen Lächeln. Das Verhalten des jungen Mannes glich so ziemlich dem von seiner Freundin, als er sich an Tatsuji vorbeikämpfte und die Schuhe unordentlich in die Ecke pfefferte, um die Tür aufzureißen, neben der noch Riina stand. Er keuchte und sein Atem rasselte. Sein Blick fiel auf die blonde Frau und das Kind. Für einen Moment wirkte Sēiichī perplex und verwundert über das, was er sah, obwohl es ihn so sehr nicht wundern sollte…

Er rannte nicht sofort zu Chris, wie er es sonst getan hätte, nach einer langen Zeit. Zum Beispiel, wenn sie am Flughafen angekommen war, nach einer 1-monatigen Abwesenheit. Dann wäre er ihr entgegen gerannt, um sie stürmisch an sich zu drücken. Doch gerade war er zu faszinierend von dem, was er sah. Nach einem Moment kam ein glückliches und zufriedenes Lächeln in seinem Gesicht auf. Er war so froh, dass sich ihm dieses Bild bot.

Für einen Augenblick schien die Welt in Ordnung zu sein… Er besah beide. Den glücklichen Jungen, der endlich bei seiner Mutter sein konnte und die glückliche Frau mit dem schönsten Lächeln der Welt, dass es ihn so sehr berührte und ihm fast die Tränen kamen. Er war so glücklich wie noch nie, verteufelte all die Momente, wo er ihr unterstellt hatte, gemein zu sein. Obwohl Chris ihn nicht beachtete, war ihm das gerade einerlei, als er sie so sah. Wohl schien sie ganz fixiert auf den jungen Sohnemann zu sein. Sie sprach auf liebevolle Weise mit ihm, in seinen Augen war alles perfekt. Er bildete sich ein, dass kein Gott dieser Welt das hier zerstören wollen könnte. Ihnen all das wieder wegzunehmen, das wäre wahrlich grausam gewesen... Und er glaubte immer noch an ihn. Dass er ihn führte und leitete. Immerhin hatte er sie beide zusammen geführt. Aber er glaubte auch ans Schicksal.

„Ich bin so froh“, sagte er leise und schaffte es dann doch dadurch ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Ihr Blick wendete sich von dem Kind ab und fiel auf den Schwarzhaarigen, der verschwitzt in der Tür stand und sie mit einem Lächeln ansah.

„Oh… Sēiichī…“, war sie verwundert.

„Du hast mich gar nicht bemerkt…“, schmollte er spielerisch, lächelte dann aber absolut zufrieden und glücklich. Er würde ihr vergeben, dieses eine Mal…

„Tut mir Leid“, sagte sie in wahrlich bedauernden Ton, dabei schweifte ihr Blick kurz zu dem Baby. „Es ist nur…“

„Du musst mir nichts erklären und dich auch nicht entschuldigen“, versprach Sēiichī, konnte dann aber nicht mehr an sich halten und lief in schnellen Schritten zu der Frau, die er so sehr liebte. Kaum, dass er ihr nahe genug war, drückte er ihren Kopf zu sich an die Brust, ohne dabei das kleine Würmchen zu quetschen, er nahm nur ihren Kopf, sonst nichts, dabei hatte sie den Oberkörper leicht seitlich gewendet und hielt das Kind.

Aus der Ecke des Zimmers, Richtung Tür hörte man ein entzücktes Seufzen von Watarus Schwester, was fast ein wenig Peinlichkeit in der Blonden auslöste, weil Sēiichī so untypisch zu seinem sonstigen Verhalten war. Kein stürmischer Kuss, nur eine ganz zaghafte Umarmung.

„Du hast lang gebraucht, mein Lieber – bestimmt warst du wieder bockig“, meinte sie mit einem kleinen Seufzen, woraufhin sie mit einem Schmollen angesehen wurde.

„Es war ganz und gar biestig von dir, Chris, ihr aufzutragen, mich so zu veräppeln. Schämst du dich denn gar nicht?“

Die Hellbraunhaarige gab ein amüsiertes Lachen von sich. „Hat bestens funktioniert! Er hat sich tierisch aufgeregt und ich musste ihn am Ende sogar ohrfeigen.“

„Oh man“, meinte Chris resignierend, „du bist wirklich unverbesserlich.“

„Ich?! Ich bin unverbesserlich? Wer schickt mir denn Jamies Freundin, um mich hierher zu zerren? Was Besseres ist dir in deiner Verzweiflung wohl nicht eingefallen, wie?“ Seine vorwurfsvolle Stimme passte nicht ganz zu der Hand, die sich an ihre Schläfe legte und über ihr Haar strich. Unbewusst schmiegte sich ihr Kopf gegen die sanfte Hand, die sie berührte.

„Wenn sie wenigstens sofort gesagt hätte, dass *du* mitkommst, wäre *ich* bestimmt weniger bockig gewesen, wie du so schön sagst. Das hat sie leider total vergessen, da musste ich mich auflehnen, immerhin habe ich hoch und heilig versprochen, dass ich *immer* bei dir sein werde, egal was geschieht. Und sei die Situation noch so brenzlig, ich würde dich nie allein zurücklassen. Wenn ich schon wie ein Feigling fliehe, dann niemals ohne dich mitzunehmen. Ich war entsetzt davon, wie du von mir so was erwarten kannst. Ich muss nicht fragen, warum es plötzlich okay ist…“ Er schloss die Augen und seufzte. Nachdem er sie mit Shawn gesehen hatte, musste er sie nicht fragen. In ihrem Kopf waren wahrscheinlich dieselben Sachen, wie in seinem. Sie hatten dieses Leben satt und wollten unter keinen Umständen, dass dieses Kind darunter leiden musste. So egoistisch ihre Träume und Wünsche auch waren, er schämte sich nicht einmal. Obwohl er niemanden enttäuschen und zurücklassen wollte. Er sah die beiden an und sie fand, er benahm sich ein wenig argwöhnisch.

„Alles gut mit dir? Was schaust du mich so an?“

Sēiichī wagte nicht sofort eine Antwort zu geben, aber dann lächelte er auf schadenfrohe Art und Weise. „So wie gerade wollte ich dich schon immer mal sehen. Mit einem süßen Lächeln im Gesicht –“ Es war gemein, denn dass sie süß lächelte war bisher immer wie ein Wunschtraum gewesen. Aus seinem zunächst noch gemeinen Lächeln, was sie mit einem leichten Schmollen erwiderte, wurde wenig später ein sehr sanftes. „Ich wollte, dass du einmal diesen *Scheiß* hinter dir lässt. Ich bin so weit, wirklich zu glauben, dass wir es schaffen…“ Sēiichīs Blick fiel auf den älteren Braunhaarigen, den er mit einem fragenden, aber doch noch leicht besorgten, aufgewühlten Blick besah. „Wenn die Sache schiefgeht… dann…“ Der Boss würde erst ihn umlegen, dann sie. Oder? Zu gern wollte er den Starken spielen, aber auch jetzt noch hatte er Angst. Noch nie war ihm die Angst mehr in die Glieder gefahren, als jetzt. Lustig, oder? Sie hatten jetzt etwas zu verlieren. Sein Blick fiel wieder auf sie, dann auf seinen Sohn, dem er nun die andere Hand ans Köpfchen legte. „Ich wollte noch nie so sehr wie jetzt eine heile Welt… Mir war immer egal, was aus mir wird… Jetzt kann ich nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste drauflos stürmen.“

Sēiichī wurde gerade so richtig sentimental, aber sie konnte es verstehen. Sie war wie von Sinnen gewesen, als sie diesen Raum betreten hatte und ihn gesehen hatte.

„Sehen wir es positiv, so hörst du wenigstens auf, dein Leben zu riskieren.“

Sēiichī seufzte und fragte sich, ob Chris die Sache von Anfang an geplant hatte… Damit er aufhörte, den Wilden zu spielen vielleicht? Mittlerweile traute ihr der Mann alles zu, jede Schandtat, um ihn unter Kontrolle zu bekommen.

„Pff – du bist dir aber auch für nichts zu schade, um mich zu ärgern, oder?“ Obwohl es sehr beleidigt klang, dauerte dieses Beleidigt-sein schlappe zwei Sekunden, da nahm er ihr Kinn und presste seine Lippen auf die roten Lippen seiner Freundin.

Er wollte gerne daran glauben, dass ihr Traum wahr werden würde… Dass sie wirklich schafften, unterzutauchen und sie nie wieder einen Fuß in das Büro von diesem aalglatten Kerl setzen mussten, der mit ihnen spielte und sie wie seine Marionetten benutzte…

Es gab nichts auf dieser Welt, was er lieber wollte, als ihr den Gefallen tun, sie von dort wegzuholen. Da waren Dinge, für die es sich stets zu kämpfen lohnte. Um auch nur ein glückliches Lächeln von ihr zu sehen, hätte er jeden umgebracht. So schrecklich das war, so schockierend er sich selbst manches Mal fand. Er hätte so gut wie alles getan, damit sie glücklich war. Kaum zu glauben, wie brav er jetzt war. Ließ sich überreden, mit ihr das Land zu verlassen… Er hatte doch nie weglaufen wollen… Wenn er weiter auf stur geschaltet hätte, dann hätte sie bestimmt zu den fiesesten Methoden gegriffen, um ihn doch noch umzustimmen. Leider hatte sie alle Mittel, um ihr Ziel zu erreichen. Bestimmt würde Jamie ihr jetzt wieder unterstellen, dass sie das absichtlich machte. Selbst wenn – was sollte er schon dagegen machen? In der Liebe lag die Macht – deswegen hatte er sie so viele Jahre vermieden. Er wusste, wo das enden würde…

 

Do you believe in a world

Where we can achieve

The same goal, the same dream

We know we can succeed
 

Something inside so strong

I know you got the heart

Something inside so strong

The heart to carry on
 

One world, one dream

Where everybody's free

One heart, one team

A world for you and me

One world, one dream

Where everybody's free

One heart, one team

A world for you and me
 

Do you believe in yourself

You know you can achieve

Your goal, your dream

Anything you want to be
 

Something inside so strong

I know you got the heart

Something inside so strong

The heart to carry on
 

Inner peace and harmony

A better world for you and me

Inner peace and harmony

A better world for you and me
 

 

 

 

 

 



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