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Vampire

Auf der Jagd nach dem Buch der Schatten
von

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Gewinn und Verlust

Kileath indes wanderte noch immer ziellos umher. Der einzige Ort, an dem er Zuflucht suchen konnte, war das enge Studienzimmer, doch schien es ihm nun wenig passend. Er konnte dorthin nicht mehr zurück! Dennoch war er hier gelandet. Seine Schritte hatten ihn dorthin gebracht, fast ohne sein Zutun. Eine Weile hatte er in der Tür gestanden und den Blick über sein altes Leben leiten lassen. Auf dem Bett hatte eine Soutane gelegen. Kratziger Stoff, hart und schmucklos, schlicht und schwarz... so viel schöner waren die weichen Kleider, die ihm Liliane geschenkt hatte und dennoch hatte er sich umgezogen, war zurück geflüchtet in das einzige, was er kannte. Menschen fürchteten stets das Unbekannte und so gab diese Robe ihm Sicherheit, war ein Stück dessen, was Liliane ihm genommen hatte und das er dennoch nicht loslassen konnte.

Ein unbändiges Verlangen erfüllte ihn. Das Blut des Mädchens pulsierte in seine Adern und in seinem Kopf und einige Zeit war er zu keinem klaren Gedanken fähig. Er hatte Hunger, begehrte nach mehr.

Wie lange er so durch die Gassen streifte, vermochte er nicht zu sagen. Weit weg waren seine Gedanken, als eine bekannte Stimme ihn zurück in die Gegenwart holte. Liliane hatte sich bemüht ihn einzuholen, denn es behagte ihr noch immer nicht, ihn so allein zu lassen. Unter keinen Umständen wollte sie, dass er so wurde wie Jose. Nein, bei Kileath würde sie ihre Fehler nicht wiederholen!

Sie standen auf einer Brücke, welche über die Seine führte. Der Fluss glitzerte im fahlen Mondlicht und von den Schankstuben, die ihn zu beiden Seiten flankierten, drang fröhliches Gelächter und Musik an ihre Ohren. "Eine schöne Nacht." Liliane betrachtete gedankenverloren den ruhigen Fluss, der so völlig sorglos unter ihnen dahin floss. Er kannte keinen Streit, kein Leid und keinen Verdruss.

"Eine interessante Nacht, eine amüsante Nacht, aber schön war sie nicht.", erwiderte er. Sein Hunger war nun zu einem unerträglichen Zwang herangewachsen, den er kaum noch unterdrücken konnte. Er verabscheute dieses Gefühl. Es widerte ihn an, denn irgendwie reduzierte ihn sein Hunger auf ein gewöhnliches Tier . Er hoffte, dass dieses Diktat seiner Natur mit der Zeit nachlassen würde.

"Ich sehe dir an, dass du Hunger hast!" Lilianes Blick glitt zum Ufer, zu den Menschen, die dort ausgelassen feierten und glücklich waren. "Nimm dir einen!"

Kileath folgte ihrem Blick und machte einige Schritte auf eine etwas abseitsstehende Gestalt zu. Er wurde sich bewusst, dass er sich nun einem Menschen näherte, mit der Absicht ihn zu töten. Die junge Frau, die dort einsam und verlassen auf Kundschaft wartete (soweit er das beurteilen konnte), schien ihm geeignet. Er strich über seine Robe. "Mein Kind, was steht ihr so allein in dieser Gegend. Wisst ihr nicht, wie gefährlich es hier werden kann?" Er legte väterlich einen Arm auf ihre Schulter. Sie sah ihn groß an. "Eure Exelens es ist nicht...." Er legte ihr beruhigend den Finger auf die Lippen. "Scchhhh. Ganz ruhig. Er verstärkte seinen Griff. "Habt ihr die Beichte abgelegt?" Sie schüttelte verwirrt den Kopf. "Ihr solltet beichten mein Kind, denn euer Gott wird euch eure Sünden bestimmt vergeben, wenn ihr ihm gegenübersteht." Sie starrte ihn entsetzt an und er genoss dieses Entsetzen, dann bohrte er mit einer schnellen Bewegung seine Zähne in ihren Hals. Sie war so erschrocken, dass sie sich nicht einmal wehrte. Ganz langsam und behutsam legte Kileath sie auf den Boden, während das warme Blut seinen kalten Körper langsam zu neuen Leben erwachen ließ. Ihr Herzschlag wurde langsamer und ihr Atem kürzer. "Vater, ich habe gesündigt..", begann sie und er hörte zu. Als der letzte Tropfen ihres Lebens seine Kehle herunter geflossen war, hatte sie ihre Beichte beendet und er schloss ihre Augen. "Ich vergebe dir.", sagte er und es klang genauso höhnisch und überheblich, wie die Vergebung, die er im Beichtstuhl zu gewähren pflegte.

Liliane hatte das Schauspiel betrachtet , doch es hatte sie weder amüsiert noch hatte sie es genossen. Sie wandte ihren Kopf ab. Sie hasste die Priester. Warum trug Kileath diese Robe wieder? Sie hatte sie doch wegwerfen lassen, schoss es ihr durch den Kopf. Er hatte sich ihr widersetzt!

Kileath sah Liliane' s Blick, den er besten Falls als missbilligend deuten konnte und das machte ihn betroffen. Er war nie ein herzlicher Mensch gewesen, im Gegenteil. Als Priester war er den Ängsten und Nöten der Leute immer direkt ausgesetzt, aber keine Klage die an sein Ohr drang hatte sein kaltes Herz je bewegen können. Er hatte gehofft, dass sich das ändern würde, wenn er auf diese Art und Weise den Tod eines Menschen miterlebte. Er hatte gehofft, dass seine Gleichgültigkeit einer Gefühlsregung weichen würde. Er hatte mit ihrem Blut auch ein Teile der Erinnerungen dieser Frau aufgenommen, doch ihr tragisches Schicksal berührte ihn nicht. Selbst sein Gewissen war noch nicht einmal zusammengezuckt. Etwas hatte sich allerdings verändert. Als Priester hatte es in seinem Herzen einen Funken gegeben, der sein Leben und seine Berufung gerechtfertigt hatte. Dieser Funken war der letzte Rest Glaube, den ihm die Zeit übrig gelassen hatte und er hatte ihn stets gepflegt und beschützt. Aber nun, da auch dieses Licht erloschen war, herrschte in seinem Herzen nur noch Leere und Dunkelheit. Was noch schlimmer war, war die Tatsache, dass er sich dafür entschieden hatte Priester zu sein, nicht aber für die Existenz als Vampir. Es war nicht seine Entscheidung gewesen, genauso wenig wie dieser Mord. Er hatte nicht aus Spaß getötet und auch sonst gab es keinen Vorteil, den er aus seiner Tat ziehen konnte. Sie war sinnlos und noch dazu keine rationale Entscheidung sondern ein Zwang. Es widerte ihn an der Sklave seiner Natur zu sein. Er war ein Narr gewesen zu glauben, dass er durch seinen Tod zu leben lernen würde. Tot? Ja, er war nun tot. Er war kein Priester mehr, er war ...gar nichts mehr. Er wollte nicht mehr töten, er wollte nie mehr diesem Zwang unterliegen. Eine unbändige Wut stieg in ihm auf, die aus ihm heraus zu platzen drohte. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und ließ sich runter auf die Knie. "Warum?!", flüsterte er.
 

Liliane kniete sich zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Sie hätte ihm jetzt einiges sagen können, doch sie tat es nicht. Teils um ihn nicht zu demütigen, teils aus Liebe zu ihm. Sie liebte ihren Schützling und wollte ihn auf keinen Fall verlieren, so, wie sie Jose verloren hatte. "Shhh.. ist ja gut!", flüsterte sie, strich sanft über seine Wange und legte die Arme um ihn, wie eine Mutter die ihr weinendes Kind beruhigen will. Zärtlich strich sie durch sein Haar und schloss kurz ihre Augen. "Komm.. wir verschwinden von hier!" Sie zog ihn mit Leichtigkeit auf die Beine. "Das hier ist nicht der richtige Ort um Fragen zu stellen!"

Kileath fühlte ihre Hand auf seiner Schulter, die seine Wut augenblicklich zum versiegen brachte. Etwas hatte er auf jeden Fall gewonnen. Vielleicht bedeutete Einsamkeit Unabhängigkeit, wenn dem so war, war sie die einzige, für die er bereit war einen Teil seiner Unabhängigkeit aufzugeben. Sie um sich zu wissen, bedeutete für ihn ein nie gekanntes Gefühl von Sicherheit. Er folgte ihr, ohne noch einen Blick zurück zu werfen.
 

Liliane führte ihn zu ihrem Haus und öffnete die Tür. Ohne die Diener eines Blickes zu würdigen zog sie ihn in die Bibliothek. Sanft drückte sie ihn auf einen Stuhl und sah ihn an. "Ich will dich nicht missbilligen, auch liegt es mir fern, etwas zu deinem Schaden zu sagen.. ich will nur wissen.. Kileath.. warum trägst du das wieder?!" Sie und deutet auf seinen Robe.

Der Angesprochene sah an sich hinab. Sein Gewand hatte nun einige Schlammspritzer und Staub vom Flussufer war darauf zu finden. Warum er diese Robe trug? Vielleicht, weil sein Leben ein nicht enden wollendes Protokoll gewesen war, weil in seiner Welt sich ein Jeder durch seine Tracht definierte. Vielleicht, weil er nichts war, wenn er sie nicht trug. Er wusste er musste nichts sagen. Sie hörte seine Gedanken. Er war dankbar für dieses stumme Verstehen, denn er hätte dass, was in seinem Kopf vorging nicht in Worte fassen können. Er sah sie nur an, sah ihr engelsgleiches Gesicht, dass dem seinen nun so nahe war. Sie schien besorgt. In seinem ganzen Leben hatte sich nie jemand um ihn gesorgt.

Die Vampirin schloss ihre Augen und schritt vor ihm auf und ab. "Es ist schwer, sein Leben hinter sich zu lassen, einen neuen Abschnitt zu beginnen, aber... manchmal muss es sein.. damit man sich weiterentwickelt.. damit die Seele sich weiterentwickelt... ich möchte dich um etwas bitten Kileath... du musst lernen dein früheres Leben zu vergessen.. denn dein neues Leben hat bereits begonnen und wenn du verpasst es zu Leben.. dann kommst du nicht mehr hinein!", sagte sie und legte ihre Hände auf seine. "Und tue mir bitte noch einen Gefallen.. zieh.. das bitte aus... ich kann es nicht ertrage es anzusehen... es hat bestimmte Gründe.. darum tu es bitte!"

Sie hatte den Blick auf seine Robe gemieden und fixierte nur weiter sein Gesicht und seine Augen.

"Warum?" Diese Frage brannte in ihm. "Warum ich?! Du kannst diese Robe nicht ertragen? Kennst du mich denn? Kannst du denn wissen, ob ich nicht nur die Puppe bin, die dieses Gewand ausfüllt? Warum hast du mich nicht getötet?" Er zitterte. Sein Leben hinter sich lassen? Wer war er denn? Er hatte einmal seinen Platz in der Welt gefunden und es war ein hartes Stück Arbeit gewesen. Jetzt sollte das alles von vorne beginnen? Irgendwie hatte er Angst dieses Gewand abzulegen. Es war sein Schutzschild, der jede seine Handlungen rechtfertigte.

"Weil du anders bist... weil ich.. in deine Augen sehen konnte und wusste, sie sind nicht verdorben.. weil ich gespürt habe was tief in dir ist.. etwas, was sich wünscht frei zu sein!", sagte sie leise und sah ihn an. "Ich erzähle dir etwas. Als ich noch ein Kind war, vor fast 650 Jahren, wurde ich vor den Stufen einer Kirche ausgesetzt. Die Priester bezeichneten mich als Bastart, als ein gottloses Kind. Ich wuchs trotzdem in einer Kirche auf. Ich kannte nichts als Leid und Kummer. Als ich alt genug war, setzten sie mich auf der Straße aus. Wenn mich Asgar nicht gefunden hätte wäre ich wahrscheinlich verhungert!" sagte sie bitter. "Sieh darum.. darum hasse ich jeden Priester. Ich weiß jedoch, dass du nicht so bist."

Kileath wünschte sich ihre Sicherheit. Er sollte anders sein? Bisher war er sich nicht mal sicher gewesen, ob er eine Seele besaß. Wie konnte sie so sicher sein, dass er das kleine Mädchen nicht genauso behandelt hätte, wo er selber es nicht wusste? "Woher weißt du das? Wie kannst du dir so sicher sein? Ich habe keine Träne vergossen um diese Frau, es hat mir nicht leid getan und ich bereue es nicht um ihretwillen! Wieso glaubst du, dass ich anders bin, wenn mir selber dieser Glaube fehlt?"

Und was, wenn er nicht so war, wie sie glaubte? Was, wenn er genau das war, was sie so sehr hasste. Er könnte es nicht ertragen. Er wendete den Blick ab.

Sie jedoch lächelte nur und mit einem Satz landete sie oben auf einem Regal. "Weil ich es weiß Kileath.. denkst du ich habe nicht in dein Herz gesehen deine Seele, deine Träume, deine Wünsche.. ich weiß bereits jetzt alles über dich... deshalb vertraue mir! Du hast nichts bei dieser Frau empfunden, weil sie dir nichts bedeutet hat, weil sie dir nichts bedeuten wollte.. du besitzt eine Gabe, die andere nicht kennen... du kannst dein Gefühle verbergen, sie in eine Schublade schieben und sie dann holen, wenn du sie brauchst.. deine Wut dein Zorn, dein Hass, deine Liebe, deine Trauer.. alles ist sauber geordnet!", meinte sie und sah ihn an. Elegant setzte sie sich auf den Rand des Regals.

Schließlich begab sie sich wider zu ihm herab. Und doch war da ein Schatten, den sie nicht sah, den sie nicht sehen wollte, der nicht Teil des Traumes war, den sie sich selbst spann...
 

Es gab nun einiges, über das Kileath nachdenken musste. Er nahm ihre weiche weiße Hand und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Kein Wort kam über seine Lippen; er konnte nichts sagen. Langsam ließ er ihre Hand los. Eine bleierne Müdigkeit hatte sich wie ein schweres Tuch über seinen ganzen Körper ausgebreitet. Es war beinahe Morgen.

Er schenkte ihr noch einen letzten Blick, bevor er die Villa verließ. Sie würde verstehen, dass er nun Zeit für sich brauchte. Er steuerte auf das Ordenshaus zu und verschwand in den Kellergewölben, wo er den vorhergefassten Plan einen nahezu unbenutzten Raum zu seinem vorläufigen Unterschlupf zu machen, in die Tat umzusetzen. Er legte sich auf die Pritsche, die sich in dem Raum befand und schloss die Augen. Nach einer Weile verstummten seine Gedanken und er schlief ein.

"Oh Kileath....!", sagte sie leise und schmunzelte kurz. Seufzend begab sie sich ebenfalls in den Keller der Villa und stieg in ihren Sarg um sich auszuruhen. Auch für sie war es keine ruhige Nacht gewesen.
 


 

Als Liliane sich am nächsten Abend erhob, war die Sonne gerade hinter dem Horizont verschwunden und die Nacht begann ihre Herrschaft über das Land. Schwer lastete noch immer die Unterhaltung, welche sie mit Jose geführt hatte, auf ihrem Gemüt und so beschloss sie, sich Ablenkung zu verschaffen. Die Nacht war kühl und einladend und so verließ sie ihr komfortables Heim.

Auf einer kleinen Bank, nicht unähnlich jener, auf welcher der Priester sie am Vorabend gefunden hatte, ließ sie sich nieder. Sie musste nachdenken, ihren Geist ordnen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tak-lung
2007-04-27T11:35:48+00:00 27.04.2007 13:35
Und ein weiteres Kapitel gelesen
Übrigens ist mir diesmal kein Fehler aufgefallen (*nur so erwähnen wollt*)
Mal wieder, wie man esvon dir ja nicht anders erwartet, ein tolles Kapitel ^^
beonders Ende zweite seite hat mir gefallen
"Und doch war da ein Schatten, den sie nicht sah, den sie nicht sehen wollte, der nicht Teil des Traumes war, den sie sich selbst spann..."
Er Satz ist eindeutig mein Lieblings Satz aus dem Kapitel >.<

*weiterlesen geh*


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