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Grandia II: Der Pfad zur Seele

Eine Tragödie in 5 Akten
von

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Das verseuchte Mädchen

„Das willst du nicht!“, schnitt sich eine Stimme durch den schmerzenden Raum jenseits der Helligkeit, die mich mit einem Mal geblendet hatte. Ich war ganz verdutzt, hatte ich mich doch gerade durch meine Erinnerung gewühlt, ob es in St. Heim ein Eishaus gab. Nun war Elena verschwunden und vor mir stand ein Traum in Rot. „Ich meine“, fügte Millenia verlegen an, „es wäre doch Zeitverschwendung mit einer Kirchendienerin, nicht wahr?“

Sie kicherte über ihren eigenen Witz, während ich noch einen Moment brauchte. „Millenia.“ – „Ja.“ – „Du bist hier.“ – „Ja.“ – „Und Elena?“ – „Wollte eh ins Bett.“ Sichtbar zufrieden breitete sie die Arme aus und atmete tief die Mirmauer Gasthofluft ein. „Ich brauche auch manchmal etwas Auslauf“, sagte sie dann, „Und etwas Zeit für mich. Meinst du nicht auch?“ Ich nickte nur, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun könnte. „Wozu bin ich schön, wenn niemand mich sehen kann? Och, Ryudo, hast du nicht Lust, etwas mit mir zu unternehmen?“

Mir ging alles zu schnell. „Millenia, ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir und einen weiteren vor mir. Vielleicht ein andermal.“ So leicht gab sie aber nicht nach. „Nicht einmal, um etwas Gutes zu tun? Ich wüsste da schon…“

Ich seufzte und entschied, besser mitzuspielen. „Also gut, Millenia, was gibt es?“
 

Wenig später, so seltsam es klingt, reisten wir auf einem fliegenden Wal durch den Geist eines besessenen kleinen Mädchens. Es war ein seltsames Gefühl, jene Welt im Nebel zu erleben, ich hatte meine Zeit gebraucht, um zu verstehen. Nun erwachte Elena, es erging ihr nicht anders. Sie blickte sich um und verstand überhaupt nichts. "Wo sind wir?", murmelte sie, "Bin ich wach oder ist dies ein Traum?" Ich muss gestehen, das Letzte wusste ich nicht genau. Also erzählte ich das Wenige, was mir auf dem Weg zugefallen war: "Das Mädchen heißt Aura und dies ist ihre Welt. Sie fiel ins Koma, als Valmar Besitz von ihr nehmen wollte. Millenia hat uns hier hergebracht."

Elena erstarrte. Allein dieser Name ließ sie spürbar taumeln und ihr Blick, mit dem sie mich durchbohrte, war unendlich kalt. Ich plapperte los, noch ehe sie etwas sagen konnte: "Sie tauchte plötzlich auf, als du ins Bett gehen wolltest. Sie meinte, es gäbe eine dunkle Präsenz an Ort, ob ich nicht in die Schlacht ziehen und Gutes tun würde. Sie meinte, du hättest ihr ja nicht zugehört." – „Aha.“ - "Wir sind dann durch Mirmau gezogen und schließlich auf eine Frau gestoßen, die meinte, ihre Tochter... und Millenia eröffnete ein Portal und so sind wir hier. Sonst ist nichts..." Noch einmal sagte sie es: „Aha“

Ich hatte nichts mehr zu plappern, also kehrte Stille ein. Elena blickte auf den Wal, suchte den Horizont hinter den Wolken nach Anhaltspunkten ab und schien ihre Schlüsse zu ziehen. Schließlich wandte sie sich wieder mir zu und ihre Stimme klang so ernst: "Weißt du, Ryudo, Millenia ist für mich keine angenehme Person. Sie ist Valmar, der Inbegriff alles Bösen, sie will meinen Körper fressen und setzt alles daran, mich fertigzumachen. Ich hatte es dir erzählt. Kannst du mich verstehen?“ Ich nickte, weil das alles auf einmal Sinn ergab. „Ich kann sie nicht als Person sehen“, fuhr sie fort, „und wenn du es tust, dann muss ich dir sagen, dass es mich erschreckt. Sie ist schön, ich weiß, aber ich sage dir, es steckt nichts Gutes dahinter. Es wäre schön, wenn du das einsehen würdest, ehe…“ Sie schüttelte den Kopf und fügte dann weitaus weicher an. „Bitte.“

Was sollte ich denn sagen? „Natürlich“, sagte ich, „Und keine Angst, mehr war da nicht.“ Sie lächelte und lehnte sich an mich und flüsterte mir nur ein Wort ins Ohr. „Danke.“ Dann blieb sie so liegen und es schien sie nicht zu stören.

Währenddessen glitt der Wal langsam durch das Nichts, durch diese seltsame, unwirkliche Welt. Nebel umschlang uns und vereinzelt konnte man Säulen sehen, die aus dem Dunkeln kamen und ins Dunkle führten. Irgendwo hinter den Nebeln sollte es ein Stück Valmars geben, das in diesem Geist wucherte. Sah Elenas Geist genauso aus, fragte ich mich, und würde auch hier drin irgendeine Art Millenia auf uns warten? Ich musste damit rechnen. Wir nahmen hier einen Umweg in Kauf, doch mit Elena auf einem Wal zu sitzen und ins Wunderland zu schweben, ich könnte mir wirklich Schlimmeres vorstellen. Ich lehnte mich zurück und begann, ein Lied zu summen. Es hallte durch das Nichts.
 

Wenn ich später an dieses Gefühl dachte, jagte es mir einen Schauer über den Rücken. Der gemeinsame Traum mit Elena, so schön er auch war, währte nur kurz, dann kreuzten die Klingen und wir bezahlten unseren Preis.

Wir standen am Bett des kleinen Mädchens, Elena über das Kind gebeugt und jeden Zauber versuchend, den sie kannte, ich hingegen abseits. Wir hatten den Splitter Valmars aus der Seele vertrieben. Und nun mussten wir zusehen, wie es starb.

Wir waren aus allen Wolken gefallen, als wir zurückkehrten, immer noch Schleim des Spinnenmonsters an unseren Waffen, und dann erkennen mussten, dass es kein Sieg war. Das Mädchen lag vor uns, doch statt zu erwachen und sich bei uns für die Rettung aus diesem Alptraum zu bedanken, schien sie ganz unverändert. Ich versuchte, sie zu wecken, erst sanft, dann rüttelnd, ehe ich erkannte, dass ihr Atem nicht mehr lief und ihr Körper langsam erkaltete. Zwei Augenblicke später hatte Elena mich weggestoßen, zauberte, betete und sprach, doch immer mehr wich das Mana den Tränen, als sie zusehends verzweifelte. Die Diagnose war einfach aufzustellen, die Seele war verschwunden, das Fleisch zum Sterben verdammt. Die Traumwelt mit dem Wal, die wir eben noch durchschritten, war zu Staub zerfallen und ganz und gar verloren. Ein junges Mädchen war gestorben. Wir hatten es sterben gesehen und ihm sogar den Tod gebracht.

Auch mit diesem Gedanken war ich schneller als Elena und ich schickte sie ins Bett, ehe sie Schuldgefühle entwickeln konnte. Ich hatte schon oft erleben müssen, wie Leute um mich herum starben, doch um Elena machte ich mir langsam ernste Sorgen. Gerade jetzt hätte sie einen Freund gebraucht, mit dem sie reden konnte. Als ich das verstand, folgte ich ihr auf ihr Zimmer und ließ junges totes Fleisch zurück.
 

Liebe, kleine Elena. Dort stand sie am Fenster, blickte in die Nacht und ließ sich vom Licht des Mondes beleuchten. Es erschien mir fast zynisch, dass in dieser Nacht Valmars Mond den Himmel beherrschte und heute die Welt zu bestimmen schien. Unweigerlich fühlte ich mich an eine andere Schicksalsnacht erinnert, damals vor dem Carmina-Turm. Wie lange war es her? Elena stand da. Ich würde sie nicht fragen.

Ich wusste, sie nahm mich war. Demonstrativ wandte sie sich von mir ab. Ich ließ nicht ab, sondern ging auf sie zu und sprach: „Elena, komm her. Bitte sprich mit mir.“ Zeit verging, in der ich nicht wagte, sie zu berühren und ich wollte mich schon wiederholen, als sie einen Satz flüsterte, der mein Herz erkalten ließ: "Ryudo. Bitte töte mich."

Ich war nicht überrascht. Schuldgefühle waren bei der Situation wirklich verständlich. "Geh ins Bett." - "Nein, bitte". Sie weinte wie ein kleines Kind. "Du hast es doch gesehen, was mit dem Mädchen geschah. Ich bin verloren, egal ob Millenia mich frisst oder mit sich in die Hölle reißt, für mich gibt es kein Licht mehr. Ach, ich habe..." - "Elena." Meine Stimme musste hart klingen, um sie in ihrer Tränenwolke zu erreichen. "Erkennst du Millenias Plan? Sie will dich doch am Boden sehen. Sie bringt ein Kind vor deinen Augen um und hofft, dich damit von St. Heim fernzuhalten. Willst du sie wirklich gewinnen lassen?" – „Ist doch egal, wer gewinnt“, schluchzte sie, „Ich will nicht sterben. Bitte, Ryudo, kannst du mich nicht töten, damit alles vorbei ist?“ - „Nein. Nein, verdammt. Ich werde dich wieder ganz machen, mit dir ein Eis essen und dann entscheiden, ob ich dich danach küssen werde. Ich werde aber keinesfalls einfach so aufgeben und du wirst es auch nicht tun. Verdammt, Kind, leb. Der Rest fällt uns noch ein.“ – „Du hast es leicht“, schluchzte sie, doch heute Nacht wollte ihr ihre Träume nicht mehr erfüllen. „Geh ins Bett.“ – „Aber Ryudo…“ – „Geh ins Bett. Gute Nacht, Elena.“

Ich schritt aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Elenas Schluchzen war immer noch zu hören, doch in diesem Moment hielt es mich nicht mehr zurück. Sie war erledigt und ich war es auch. Ich würde nett zu ihr sein, indem ich sie morgen nicht mehr auf die Ereignisse ansprach.

Ein Morgen würde es geben. Dessen war ich mir mehr als sicher.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Miyu-Moon
2010-02-26T07:00:36+00:00 26.02.2010 08:00
Du hast Aira in Aura umbenannt wie ich sehe. Stimmt, du meintest ja, dass du keine Anglizismen oder englische Wörter haben wolltest.
Aber warum heißt Ryudo dann noch immer Ryudo? Das ist ja auch kein Deutsch. Und Elena noch weniger. Hm, dass du sie sterben lässt, ist wohl die Verbannung des sogenannten Kindergartens. Aber wo ist Selene?
Wusstest du, dass dieses Jahr eine Online-Version von Grandia erscheinen soll?


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