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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Niemand vergaß den Tag, an dem das Halsband einem seiner Freiheit beraubte.

Izara war damals vier Jahre alt gewesen, zwei Männer in dunkelblauen Ledermänteln hatten an ihre Tür geklopft, und zum ersten Mal hatte Levis sie nicht vertreiben können.

Das blassbleiche Mädchen mit den zwei hohen Zöpfen hatte gerade seine Kerzen ausgepustet, das Geschenk lag noch mitsamt zerknülltem Geschenkpapier auf dem Essenstisch, als die Kerle einfach hinein gestiefelt waren, sich breit gemacht hatten und einforderten, was ihnen nach medanischen Recht zustand.

Die Schreie, die sie an dem Tag losgelassen hatte, hatte das ganze Viertel in Aufruhr versetzt. Nachbarn hatten sich beschwert, die finsteren Blicke der Alten hatten sich regelrecht in Izaras Kopf gepflanzt und niemand, wirklich niemand hatte gefragt, was los gewesen war. Die Knechtschaft war so selbstverständlich wie die Tageszeitung zu lesen oder den Umweg zum Lieblingsbäcker zu machen.

In den Schreien steckte nichts als Todesangst. Izara hatte wirklich geglaubt, dass sie sterben müsste. Nachbarskinder hatten ihr den Floh ins Ohr gesetzt, dass Drachenmenschen verbrennen würden, wenn sie mit dem Halsband in Berührung kämen. Keiner hatte ihr das Gegenteil beweisen können und Levis' Optimismus war auch nicht hilfreich gewesen.

Dass sich ihr Hals wirklich so angefühlt hatte, als würde er jeden Augenblick in Flammen aufgehen, hatte natürlich für noch mehr Panik gesorgt.

Die Stahlhalsbänder waren grausame Mittel, sich die Drachen hörig zu machen. Zuerst kam das Gefühl der Ohnmacht, gefolgt von einem heftigen Druck, der jede Faser ihres Körpers eingenommen hatte. Die meisten zwang es auf die Knie. Gerade die jungen Drachen spürten die Unterwerfung als drückte ihnen jemand die Luftröhre ab.

Ausgewachsene Drachen schienen robuster. Sie hatte einmal ein älteres Weibchen gesehen, dem auf öffentlicher Straße das Halsband angelegt worden war. Es gab zwei Arten, wie das Halsband angelegt werden konnte: freiwillig per Hand oder mittels Zauberformel, die Paladine wie ein gurgelndes Wispern aussprachen. In beiden Fällen war Augenkontakt notwendig.

Das Drachenweibchen hatte sich für Zweites entschieden. Entweder war sie wirklich tapfer gewesen oder der Druck auf ihrem Hals hatte weniger an Erdrosseln erinnert als viel mehr ein unangenehmes Ziehen im Nacken hinterlassen, das sich durch ein scharfes Zischen ihrerseits bemerkbar gemacht hatte. Das war für die Paladine ein gutes Zeichen - das Metallhalsband mit seiner einzigartigen Legierung funktionierte.

Um auf Nummer sicher zu gehen probierten die Herren eine Reihe von Befehlen aus - eine reine Routinemaßnahme, die mit den Jahren an Kreativität und Grausamkeit kaum zu überbieten war. Laute, widerhallende Anweisungen, die das Bewusstsein in Besitz nahmen, waren erst der Anfang. Gliedmaßen gehorchten nicht länger, der Körper tat nur noch, was ihm der Herr befahl.

Das Geheimnis der Halsbänder bestand aus falscher Dominanz. Drachen gehorchten eigentlich nur einem - und das war ihr König. Wie es den Paladinen gelungen war, Magie zu formen, die den Befehlen der Himmelsdrachen auf eine verdrehte, perverse Art so ähnlich war, blieb ein Geheimnis, und solange niemand dahinter kam, würden die Unterdrückungen fortbestehen.

Izara hatten sie damals gezwungen, der Stoffpuppe - das lang ersehnte Geburtstagsgeschenk - den Kopf abzuschneiden und anschließend im Ofen verbrennen zu lassen. Sobald die Ofenklappe offen stand, war sie sich sicher gewesen, dass man sie gleich hinterher werfen würde. Bis auf ein paar Lacher und einen Klaps auf den Hinterkopf, war Izara verschont geblieben, doch die Bilder der brennenden Puppe hatte sie bis heute nicht vergessen.
 

*
 

Mit einem lauten Klicken verriegelten sie das Halsband. Sie hatten keine fünf Minuten Erde unter ihren Füßen, als Izara weitergeschubst und ins Innere des Paladin-Hauptquartiers gebracht worden war.
 

Es ging tief nach unten. Modrige Erde und faulige Eier waren noch die harmlosesten Eindrücke, als die Tür quietschend aufging und der Kerker von abgebrochenen Kronleuchtern und stummeligen Kerzen erhellt wurde. Nur ein Teil des Verlieses war sichtbar, aber Izara war froh, nicht auch noch mehr von dem sehen zu müssen, was sie da roch.

Die erste Kerkertür sollte es auch schon sein. Schwer ließ sich der Eingang der Zelle öffnen. Der Kräftigste unter ihnen - ein Kerl mit großen abstehenden Ohren - hatte seinen Oberarm an die Gitterstäbe gedrückt, bis die Tür mit einem Knarzen aufgegangen war.

Mit einem harschen »rein da« wurde Izara in das dreckige Loch geworfen. Izara stützte sich an der Wand ab, bevor die Hand langsam zu ihrem Halsband glitt. Ein Automatismus - früher hatte sie das Halsband regelmäßig auf Beschädigungen kontrolliert. Sobald das Stahl Abnutzungsspuren aufwies oder der Haken einen kleinen Makel besaß, hatten die Drachen das unverzüglich zu melden gehabt. Ansonsten drohten Bestrafungen, die allein vom Hörensagen Schmerzen bereiteten.

Das Stahl in ihrer Hand war schwer, der Druck stark, wobei das Gefühl von Außen und nicht von innen zu kommen schien. Ein einfaches Halsband. Nicht das eines Drachen, sondern für Menschen gemacht. Das Stahl passte gut zu der Kette, die an die Wand mittels Stahlring festgemacht worden war.

"Eine falsche Bewegung und ich reiß' dir deinen hübschen Kopf vom Hals." Die Leine straff um sein Handgelenk gewickelt, starrte sie der Paladin mit seinen Hass erfüllten Augen an. Izara wusste, der Mann wartete nur darauf, dass sie einen Fehler machte.

Seit Solar seinem Kollegen das Schwert ins Herz gebohrt hatte, war der Paladin missmutig und übel gelaunt. Sie hatten mit einem leichten Sieg gerechnet. Dass Solar alles andere als leicht zu besiegen war, hatten die Krieger am eigenen Leib erfahren müssen, und wäre ihr Großmeister nicht zur Stelle gewesen, Izara wäre sich nicht sicher, ob die Paladine gesiegt hätten. Der Blitzdrache hatte seinem frisch erworbenen Titel als Kommandant alle Ehre gemacht, doch Izara sah bloß Solar in einer Blutlache seines eigenen Lebenssaftes liegen und schüttelte sich.

"Solar."
 

"Stillhalten!", knurrte der Paladin von vorne.

Er stand direkt unter dem Rahmen der Zellentür. Seine wuchtige Statur nahm den gesamten Raum für sich ein. Die Kette vom Handgelenk abgewickelt ließ er Izara keine Sekunde aus den Augen. Blut klebte ihm auf der Wange, das er sich sporadisch mit der Handinnenfläche abgewischt und dabei nur einen noch größeren Fleck hinterlassen hatte.

Grob zerrte er an Izaras Leine, der Kopf wirbelte zur Seite, ein Knacken und Izara biss die Zähne zusammen.

Ein-, zweimal rüttelte der Paladin an der Leine, suchte Befriedigung an den Schmerzen, die er ihr zufügte, bis sie endlich von ihrem Halsband abging und durch die Kette an der Wand ausgetauscht wurde.

Das Festmachen ging einfacher von der Hand, der Paladin schien begriffen zu haben, dass er Izara nicht so leicht brechen würde.

Mit einem widerhallenden »Klick« rastete die Kette ein. Der beißende Gestank, der sich durch den gesamten Kerker zog, wurde durch den fauligen Geruch der Ketten übertrumpft. Blut, Innereien und Kadaverreste vereinten sich zu einem bestialischen Gestank, der sich in den Ketten verewigt zu haben schien. Unweigerlich musste sie sich fragen, wie viele Drachen bereits in den Kerkern geworfen worden waren, bevor Folter und Bestrafung die Bestien in den Tod geschickt hatten.

Unkontrolliert begann Izara zu würgen, doch bis auf ein wenig Magensäure wollte nichts ihren Körper verlassen. Dafür begann ihr Hals fürchterlich zu brennen, auf ihrer Zunge setzte sich der Geruch fest, dass sie kaum noch Luft bekam.

"Wenn du mir auf die Schuhe kotzt, werde ich dich das ablecken lassen, hörst du?"

Izara antwortete nicht und wischte sich den Speichel aus dem Gesicht.

Drohungen und Beleidigungen war sie gewohnt. In Kandio handhabten es die Paladine genauso. Erst Drohungen, und wenn die nicht genügten, griff man zu härteren Mitteln, bis »das Mitsvieh« gehorchte.

Flüchtig ließ Izara ihren Blick über die Paladine wandern. Vielleicht war unter ihnen auch einer von Flatsch' ehemaligen Lehrlingen.

Die vier Krieger - drei Männer und eine Frau - waren noch junge Rekruten, Blutdurst blitzte in ihren Augen auf und die Tiefe der Abdrücke an ihren Handgelenken verrieten, wie oft sie einen Drachen bereits abgerichtet hatten. Besonders tiefe Abdrücke - solche, die Narben hinterließen - verdienten sich diejenigen, die sich zum Drachenreiter [style type="italic"]hochgearbeitet[/style] hatten.

"...hey! Bist du taub?", sie spürte zwei Finger auf ihren oberen Brustkorb drücken. Die Kraft ließ Izara rückwärts taumeln.

"Der Menschendrache hält sich wohl für was Besseres", blaffte der Hühne sie an.

"Ach", winkte die einzige Frau unter ihnen ab, "die Kleine heult bestimmt noch wegen Goldlöckchen herum." Ihr Lächeln verbarg sie hinter ihren Händen, die in schwarz glänzende Handschuhe gepackt waren. Scheinbar ein Privileg für diejenigen, die einen Drachen reiten durften.

"Dieser räudige Bastard", der Große spuckte Izara vor die Füße, "hielt sich für so clever."

"Blitzdrachen sind einfach nur erbärmlich", sagte der Paladin mit den Riesenohren und verschränkte die Arme vor der Brust.

Die Kriegerin beugte sich zu Izara vor.

"Blondie hat sich für dich geopfert. Für das Schlampen-Mischblut." Sie schmunzelte. "Aber das scheint ja für euch Himmelsdrachen ganz selbstverständlich zu sein."

Izara sah auf.

"All dieses Blut", lachte sie leise und richtete sich wieder auf. "Blitzdrachen sind so eine schwache Rasse."

"Schwache Rasse?", entgegnete Izara mit kratziger Stimme, "ohne euren Aufpasser hätte euch dieser Blitzdrache windelweich geprügelt."

"Was sagst du da?!", knurrte der Hühne und packte Izara am Halsband. "Sag' das nochmal, du missratene Hure!"

Früher wäre Izara in Kauerstellung gegangen. Aber ihr Drachenblut war mindestens genauso sauer, wie das des Paladins.

"Ich sagte", zischte Izara, "ihr seid ein Haufen nutzloser Schwertfuchtler, die keine Ahnung haben, was es heißt, richtig zu kämpfen."

"Das reicht!" Er holte mit der Faust aus.



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