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The Petboy Contract

von

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Konsequenzen

Leron war, als würde sich ihm der Magen umdrehen als er Simons fassungslosen und unendlich enttäuschten Blick sah. Er hatte ja gewusst, dass es nicht ohne Konsequenzen blieb wenn Simon die Wahrheit herausfand. Doch dieser Blick verriet ihm, dass es noch wesentlich schlimmer war. Seine Brust schnürte sich zusammen und er brachte nicht ein einziges Wort hervor. Tränen sammelten sich in Simons Augen und langsam wich die Fassungslosigkeit aufkeimender Wut. Er ballte die Hände zu Fäusten und stand wieder auf. „Das ist ein Scherz, oder? Sag mir nicht, dass du die ganze Zeit wusstest, wer mein Vater ist.“

Na los, sag doch etwas! Mach endlich den Mund auf und sag verdammt noch mal etwas, dachte Leron und versuchte sich irgendwie dazu zu bringen, aus dieser Starre herauszukommen und eine gescheite Antwort zu geben. Doch er war wie gelähmt und er schaffte es erst nicht, irgendetwas hervorzubringen. Was sollte er denn sagen? Er wusste, dass auch nur ein falsches Wort genügte, um alles vollkommen zu ruinieren. Vielleicht würde Simon es verstehen, wenn er es ihm erklärte, doch er ahnte bereits, dass es nicht der Fall sein würde. Denn der Schaden, der bereits angerichtet war, konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden. „Simon, lass mich das bitte erklären.“

Doch dieser ließ ihn gar nicht erst ausreden und stieß Leron wütend weg, wobei er wahrscheinlich seine ganze Kraft hatte aufbringen müssen. „Du redest hier die ganze Zeit davon, dass ich dir vertrauen soll und dann tust du so etwas? Ich dachte, wir wären ehrlich zueinander und hätten keine Geheimnisse. Du wusstest, wie sehr ich meine leiblichen Eltern kennen lernen will und hast mir trotzdem verschwiegen, dass du längst weißt, wer mein Vater ist? Sag mal, hast du sie noch alle?“

Ja, dafür gab es keine Entschuldigung. Er hatte es die ganze Zeit gewusst und trotzdem verschwiegen. Aber Simon musste doch verstehen, dass er es nicht aus böser Absicht heraus getan hatte. „Ich wollte es dir sagen, wenn es dir wieder besser geht. Du hast schon genug durchgemacht und ich wollte nicht, dass es dir noch schlechter geht.“

„Seit wann entscheidest du denn darüber, ob ich meine Eltern kennen lernen darf oder nicht? Ich bin kein kleines Kind und du bist nicht mein Vater. Ich dachte, unsere Beziehung basiert auf Vertrauen. Ob ich damit leben kann, wer mein Vater ist, das ist doch immer noch meine Sache und du hast nicht das Recht, mir solche Dinge vorzuenthalten.“

Simon redete sich immer weiter in Rage und je wütender und lauter er wurde, desto matter schien auch sein Blick zu werden. Leron konnte regelrecht spüren, was für eine unnatürliche Kälte er ausstrahlte und es bereitete ihm erheblich Sorgen, dass sich der Junge noch völlig verausgaben würde. „Es tut mir leid, Simon! Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen, aber…“

„Aber du hast es trotzdem nicht getan und hast mich die ganze Zeit für dumm verkauft!“ Tränen liefen seine blassen Wangen hinunter und keiner konnte so wirklich sagen, ob er gleich einen Wutanfall oder einen Nervenzusammenbruch erleiden würde. Seine Lippen verloren an Farbe und er musste immer häufiger Luft holen, als würde ihm langsam aber sicher die Luft ausgehen. Dennoch blieb er standhaft um seinem Ärger und seiner Enttäuschung freien Lauf zu lassen. „Weißt du was, Leron? Das war es. Es reicht mir endgültig. Wie soll ich dir denn vertrauen, wenn du immer wieder Geheimnisse vor mir hast oder mich belügst? Ich mach da nicht mehr länger mit. Ich… ah…“

Damit hatte Simon endgültig sein Limit erreicht. Er brach kraftlos zusammen und als Leron ihn auffing, spürte er wieder diese Kälte, die Simon ausstrahlte. „Simon? Hey Simon!“

Doch es kam keine Antwort. Der 21-jährige war noch bei Bewusstsein, doch seine Atmung war flach und er schien völlig erschöpft zu sein. Schnell legte Leron ihn aufs Sofa und versuchte ihm gut zuzureden, doch es kam keine Reaktion. Cypher schaute besorgt zu Hunter. „Wir sollten echt einen Krankenwagen rufen. Das ist doch nicht mehr normal.“

„Zwecklos“, kam es überraschend von Azarias, der sich bis jetzt zurückgehalten und stattdessen einfach das Geschehen beobachtet hatte. Nun ruhten alle Blicke auf ihn. „Genau deswegen wollte ich ihn nach Annatown holen. Dort kann man ihn wenigstens anständig behandeln. Im Krankenhaus dröhnen ihn diese Kittelträger nur mit Chemiebomben zu. Und damit kann seine Krankheit auch nicht geheilt werden.“

Nun erhob er sich aus dem Sessel und kramte in seiner Hosentasche herum. Er holte schließlich ein kleines Plastiktütchen heraus, welches mit einem Clip verschlossen war. Darin befand sich etwas, das wie getrocknete Kräuter und Blüten aussah. Doch es war auf dem ersten Blick schwer zu sagen, was es genau war. Er hielt Leron das kleine Tütchen hin und erklärte „Das allein wird ihn zwar nicht kurieren, aber zumindest wieder ein wenig auf die Beine helfen. Lass es am besten zehn Minuten ziehen und tu dann noch am besten ein Schuss Honig rein. Das sollte seinen Kreislauf wieder auf Vordermann bringen.“

Zuerst war sich Leron nicht wirklich sicher, ob dieser Junge es ernst meinte, oder ihn einfach nur verarschen wollte. Erwartete dieser Spinner wirklich, dass er ihm abkaufte, dass eine Tasse Tee hilfreicher war als ärztliche Hilfe? Der hatte sie ja wohl nicht alle. „Du willst mich wohl verarschen, oder? Du hast schon genug angerichtet. Steck dir deinen Tee sonst wo hin und verschwinde hier, bevor ich die Polizei rufe.“

Doch hier verfinsterte sich plötzlich der Blick des 22-jährigen und etwas Gefährliches blitzte in seinen smaragdgrünen Augen auf. Er trat auf den Unternehmer zu und packte ihn am Kragen. „Pass mal auf, du Schlaumeier: ich bin extra aus Ohio hergekommen und habe den komfortablen Alltag der Psychiatrie verlassen, um deinen kleinen Lover davor zu bewahren, vorzeitig den Löffel abzugeben. Ich war nicht derjenige, der sich dazu entschieden hat, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Mir ist es vollkommen schnurz, ob du meine Hilfe willst. Ich bin wegen ihm hier und nicht wegen dir. Und wenn dir etwas an ihm liegt, dann tu was ich dir sage, oder sieh zu, wie er langsam aber sicher vor die Hunde geht.“

Noch immer ärgerte er sich über diese respektlose Direktheit dieses dahergelaufenen Spinners, der mehr Chaos verbreitete als eigentlich nötig war. Und am liebsten hätte er ihn mit einem Fußtritt vor die Tür gesetzt oder am besten noch die Polizei gerufen. Doch da legte plötzlich Hunter eine Hand auf seine Schulter und seine bernsteinfarbenen Augen funkelten ihn ernst an. „Hör auf ihn. Wenn er es ernst meint, ist es auch so.“

„Streiten bringt uns jetzt auch nicht weiter“, pflichtete Cypher ihm bei und nahm das Tütchen selber entgegen. Selbst mit der Sonnenbrille war ihm deutlich anzusehen, dass er langsam genervt war. „Ich gehe den Tee vorbereiten. Wenn sich hier alle gegenseitig die Augen auskratzen, wird es Simon auch nicht besser gehen.“

Damit ging er in die Küche und Azarias, dem offenbar die Lust vergangen war, sich weiterhin mit Leron zu streiten, folgte ihm. So blieben Hunter und Leron alleine bei Simon zurück. Schweigend deckte der Bildhauer ihn zu und sah Leron nicht an. Es verging eine Weile, bis er endlich sein Schweigen brach. „Tut mir leid, dass das passiert ist“, murmelte er leise. „ich wusste nicht, dass Azarias herkommen würde.“

„Wer genau ist er eigentlich?“

„Ein alter Freund. Er ist das Oberhaupt eines alteingesessenen Clans in Annatown. Er besitzt die Gabe, sich Wissen anzueignen und Dinge zu erahnen, die auch zutreffen. Namen, Geheimnisse, alles Mögliche. Die Wyatts nennen es den siebten Sinn. Jeder Mensch besitzt ihn, aber für sie ist er Segen und Fluch weil sie immer richtig liegen.“

„Und wieso ist er hergekommen?“ hakte Leron ungeduldig nach. „Er wollte ganz gezielt zu Simon!“

„Ich habe ihn angerufen. Azarias sagte, er kann uns sagen, wer Cyphers und Simons Eltern sind, wenn er ihre Augenfarbe kennt. Dass er herkommt, war nicht geplant.“

So langsam aber sicher fügten sich die einzelnen Puzzleteile zu einem Bild zusammen und allmählich begann Leron klarer zu sehen. Also war der Grund, warum Azarias hergekommen war und Simon aufgesucht hatte, weil Hunter ihn um Hilfe gebeten hatte? Aber wieso hatte er versucht, Simon gewaltsam nach Ohio zu verschleppen, nachdem er Anthony niedergeschlagen hatte? Etwa, weil er von Simons schlechtem Zustand erfahren hatte und dachte, in Annatown könne man ihm helfen? Doch wieso der Einbruch und das ganze Theater? Als er Hunter diesbezüglich fragte, zuckte dieser unsicher mit den Schultern und erklärte „Azarias ist psychisch krank und hat Wahnideen, in die er sich oft versteift. Manchmal verwechselt er Wahn mit Intuition und tut Dinge, die nicht logisch sind und auch widersprüchlich sind. Er macht es nicht aus böser Absicht. Aber seine Gabe hat ihn wahnsinnig gemacht.“

Leron seufzte und rieb sich die Augen. Das alles war wirklich energieraubend und er wusste nicht, was er jetzt machen sollte. Er traute diesem Bengel nicht und konnte auch nicht wirklich mit dessen eigenwilligem Temperament umgehen. Auch wenn Hunter ihm versicherte, dass Azarias gute Absichten hegte, war es nur allzu offensichtlich, dass dieser auch gefährlich war.

Nach einer Weile kam Cypher mit dem aufgebrühten Tee zurück und gab ihn Simon zu trinken. Azarias selbst blieb im Türrahmen stehen und beobachtete einfach nur das Geschehen mit einem schwer zu deutenden Blick. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und schien ein wenig verstimmt zu sein. Schließlich wandte er sich an Leron und erklärte „Er soll sich heute möglichst ausruhen, dann sollte es ihm morgen etwas besser gehen. Meine Fahrgelegenheit kommt gleich, also lasse ich euch Turteltauben und Pappnasen alleine.“

„Du gehst?“ fragte Hunter überrascht. „Hast du eine Bleibe?“

„Ich übernachte im Hotel. Und wenn ich dir noch einen Rat geben darf, Leron: rede nicht um den heißen Brei herum, sondern schenke ihm reinen Wein ein. Und schlaf dich schön aus, denn morgen geht es lustig weiter.“

Leron ahnte Schlimmes und fragte nach, was Azarias damit andeuten wollte, doch dieser ging nicht weiter darauf ein und ging einfach. Cypher und Hunter gingen auch kurze Zeit später, denn sie ahnten, dass sie hier nur störten.
 

Stille war eingekehrt, nachdem die drei gegangen waren. Simon hatte sich langsam aufgesetzt und ein paar Schlucke von dem Tee getrunken, den Cypher ihm gebracht hatte. Er schmeckte süß und würzig. Auch glaubte er den Geruch von Blüten wahrzunehmen. Zwar war er skeptisch, dass ihm das wirklich helfen würde, aber wenigstens schwand diese entsetzliche Kälte in seinem Körper und ihm wurde langsam ein wenig wärmer. Auch dieses unangenehme Schwindelgefühl wich langsam. Doch dafür herrschte unangenehme Stille. Leron stand da mit gesenktem Blick wie ein geschlagener Mann und wirkte schon fast mitleidserregend. Doch Simons Mitgefühl hielt sich arg in Grenzen. „Was muss noch alles passieren, damit du endlich ehrlich zu mir bist?“ fragte er ruhig aber kalt und mit leichter Verbitterung in der Stimme. Er war immer noch unsagbar wütend auf Leron, war jetzt jedoch wesentlich gefasster als vorhin noch. Außerdem fehlte ihm ohnehin die Energie für einen erneuten Wutanfall. „Dass du mich damals angelogen hast, dass du Michaels Bruder bist, das ist eine Sache. Aber mir zu verheimlichen, dass du meinen Vater kennst, obwohl du weißt, wie sehr ich mir wünsche, meine Eltern zu finden, das ist echt das Letzte. Und ich weiß wirklich nicht, ob ich dir das jemals verzeihen kann.“

Es tat ihm weh, so etwas zu sagen. Selbst jetzt, wo er einfach nur wütend und verletzt war, liebte er Leron immer noch. Aber der Vertrauensbruch war weitaus gravierender als beim letzten Mal und er konnte es auch nicht akzeptieren, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wurde und er für seine Fehltritte zurechtgewiesen wurde und Leron mit solchen Aktionen einfach so davonkam. Ganz gleich was seine Beweggründe gewesen waren, er musste verstehen, dass eine Beziehung nicht nur daraus bestand, dass er Ansprüche stellte und sich selbst über gewisse Regeln hinwegsetzte. Auch wenn er Lerons Petboy war, hatte er doch ein Recht darauf, dass Leron ehrlich zu ihm war und ihm solche Dinge nicht verschwieg. „Ist denn nicht schon genug Scheiße passiert? Du hast mich dafür zurechtgewiesen, dass ich dir verschwiegen habe, dass dein Vater mir Geld dafür zahlen wollte, dass ich dich verlasse. Aber ich habe nicht das Recht darauf, wütend zu sein, dass du mich belügst?“

„Ich habe dich nicht belogen“, erwiderte der Unternehmer sofort. „Und du hast allen Grund dazu, wütend auf mich zu sein. Es war falsch und das weiß ich. Aber ich hatte Angst um dich. Ich habe selbst jetzt Angst um dich. Glaubst du etwa ich bin blind und sehe nicht, dass es dir immer schlechter geht? Nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Deine Gesundheit verschlechtert sich immer weiter wegen all dem Stress, dem du ausgesetzt bist und ich habe nur versucht, dich davor zu schützen. Hast du eine Vorstellung davon, wie es mir dabei geht, dich zu sehen, wenn du zusammenbrichst und dabei eiskalt wie eine Leiche bist? Kannst du dir vorstellen, welche Ängste ich ausstehe, dass dich das irgendwann umbringen wird? Verdammt, ich habe mir immer wieder den Kopf darüber zerbrochen und jedes Mal mit einem schlechten Gewissen gekämpft, wenn du darüber gesprochen hast, wie sehr du deine Eltern kennen lernen willst. Und ich wollte es dir auch sagen, aber nicht solange du in so einer schlechten Verfassung bist.“

„Und seit wann läuft das?“ fragte er, ohne sonderlich auf Lerons Erklärung einzugehen, warum er ihm die Wahrheit verschwiegen hatte. In diesem Moment interessierte es ihn auch nicht sonderlich. Er wollte einfach nur Klarheit haben um dann entscheiden zu können, wie er danach handeln sollte… ob er Leron noch eine Chance geben sollte, oder ob es vielleicht besser war, wenn sie vorerst getrennte Wege gingen. Es war eine schwer wiegende Entscheidung und vielleicht etwas drastisch, aber er wollte Leron begreiflich machen, dass es dafür keine Entschuldigung gab und dieser Vertrauensbruch nicht so einfach verziehen werden konnte. Nach all der Rücksicht, die er selbst hatte walten lassen, war es nur fair, wenn er dafür Offenheit und Ehrlichkeit erwarten konnte. Wie sonst sollte ihre Beziehung bestehen bleiben?

Leron, der nun selbst blass geworden war, seufzte geschlagen und gestand „Nachdem du mir gesagt hast, wie sehr du deine Eltern kennen lernen willst, habe ich einen Privatdetektiv engagiert. Das war an dem Tag, an dem ich Hunter gebeten hatte, auf dich aufzupassen. Ich hatte damals nicht wirklich geglaubt gehabt, dass ich überhaupt etwas herausfinden würde. Und da ich wusste, wie wichtig dir das war, wollte ich dir keine falschen Hoffnungen machen und dir erst dann davon erzählen, wenn ich etwas Handfestes habe. Ich dachte, wenn der Detektiv etwas herausfindet, würde dir das helfen. Aber es ging dir immer schlechter und wir haben angefangen, uns zu streiten. Und als ich dann erfahren habe, was für ein Mensch dein Vater ist, hatte ich Angst gehabt, du könntest das in deinem jetzigen Zustand nicht verkraften. Also wollte ich warten, bis es dir wieder besser geht, damit du damit umgehen kannst. Ich hatte nicht vor, dir das für den Rest deines Lebens vorzuenthalten. Ich wollte einfach nur auf einen besseren Zeitpunkt warten, weil ich Angst hatte, dein Zustand würde sich weiter verschlimmern.“

„Du kannst nicht immer alles nur auf meine Gesundheit schieben wie es dir gerade passt“, erwiderte der 21-jährige wütend. „Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.“

„Und ob es das tut!“ widersprach ihm Leron, dieses Mal aber mit deutlichem Nachdruck und schaute ihn direkt an. Er wirkte nicht mehr wie ein geprügelter Hund, den ein schlechtes Gewissen plagte, sondern erschien nun wesentlich gefestigter und überzeugter. „Vielleicht hast du es nicht gemerkt, aber dafür ich: mit deiner Gesundheit ging es erst so bergab, seit es dir psychisch so schlecht geht. Und je mehr Stress du ausgesetzt bist, desto mehr verschlechtert sich auch deine Gesundheit.“

Wieder trat Schweigen ein und Simon musste über Lerons Worte nachdenken. Natürlich klang es bescheuert, alles bloß damit zu erklären, dass allein die Depression ihn derart krank machte. Aber vielleicht stimmte es ja tatsächlich und sie hatte die Verschlechterung seiner körperlichen Verfassung begünstigt. Doch selbst wenn das stimmte, war es trotzdem falsch was Leron getan hatte. Nachdem er noch einen Schluck von seinem Tee getrunken hatte, beendete er sein Schweigen und schaute zu Leron auf, ohne jedoch sein Gesicht erkennen zu können. „Es ist nicht so, als würde ich es nicht verstehen, warum du mir das verheimlichst hast“, begann er zögerlich. „Ich weiß, dass ich dir viele Sorgen bereitet habe und du auch noch wegen deinem Vater viele Probleme hast. Aber trotzdem ist das kein Grund, dass du solche Geheimnisse vor mir hast. Vor allem wenn es auch noch meine eigene Familie betrifft. Glaubst du etwa im Ernst, ich würde erwarten, dass ich die absolut perfekte Vorzeigefamilie habe? Natürlich ist mir klar, dass meine Eltern vielleicht drogenabhängige Schwerkriminelle sein könnten. Vielleicht ist meine Mutter ja auch eine Straßennutte. Wenn meine Familie perfekt wäre, dann wäre ich nicht als Baby in einem Müllcontainer entsorgt worden.“

Leron nickte und senkte geschlagen den Blick. „Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir niemals wehtun.“
 

Zwar konnte Simon Lerons Gesicht nicht sehen, hörte aber wie unendlich bestürzt er war und tief verletzt war. Er war immer noch wütend, aber andererseits konnte er es auch nicht ertragen, Leron in diesem Zustand zu sehen. Das alles war eine Verkettung unglücklicher Ereignisse und er wusste, dass der Unternehmer momentan genug Probleme hatte. Immerhin hatte er erst vor kurzem erfahren, dass sein Vater todkrank war und nur noch ein paar Monate zu leben hatte. Und das, nachdem bereits seine Brüder vor ein paar Wochen verstorben waren. Obwohl er allen Grund hatte, wegen dieses Vorfalls sauer zu sein, brachte er es nicht übers Herz, Leron völlig die kalte Schulter zu zeigen. „Ich denke, wir beide sollten heute erst mal auf Abstand bleiben und morgen sehen wir weiter. Aber jetzt sag schon: wer ist denn jetzt mein Vater?“

Nun trat Leron näher und setzte sich zu Simon aufs Sofa. Während der 21-jährige seinen Tee trank, hörte er aufmerksam zu, als Leron ihm erzählte, was er von dem Privatdetektiv erfahren hatte. Er erzählte ihm von Alan Henderson, der minderjährige Mädchen mit einer Agentur geködert und sie dann zum Sex gezwungen hatte und wie er eines der Models, welches er geschwängert hatte, schließlich überfahren hatte. Simon brauchte eine Weile, um das zu verdauen. Er war sich natürlich im Klaren gewesen, dass ihn nichts Gutes erwarten würde, aber trotzdem war es trotzdem ein starkes Stück, dass sein Vater jemand war, der sich an minderjährigen Teenagern vergangen und sie zur Prostitution gezwungen hatte. Und das auch noch unter dem Deckmantel einer Agentur. So langsam verstand er nun, wieso Leron gezögert hatte, ihm davon zu erzählen. Das war in der Tat nicht gerade die Art von Vater, die man gerne haben würde. „Also das heißt, dass meine Mutter eine von den Models war, die er zum Sex gezwungen hat“, schlussfolgerte er und schluckte schwer. „Und… wer ist meine Mutter?“

„Das hat der Privatdetektiv noch nicht herausfinden können“, antwortete Leron mit einem Kopfschütteln. „Die wahrscheinlich effektivste Methode wäre, diesen Henderson im Gefängnis zu besuchen und auszufragen.“

Ja, das schien in der Tat die beste Option zu sein. Simon dachte noch weiter nach und kam schließlich zu einem Entschluss: „Wenn ich wieder einigermaßen sehen kann, will ich ihn im Gefängnis besuchen gehen.“

„Ist das dein Ernst?“ fragte Leron fassungslos. „Meinst du wirklich, dass das eine gute Idee wäre? Und glaubst du, dass du das auch schaffst?“

Doch Simon war sich seiner Sache sicher und erklärte „Ich bin mir sicher. Auch wenn dieser Kerl der wahrscheinlich mieseste Wichser ist, will ich ihn sehen. Ich muss mir selbst ein Bild davon machen, was für ein Mensch mein Vater ist. Einfach nur zu hören, wer er ist, ist nicht dasselbe, als würde ich ihn persönlich treffen. Mir geht es nicht darum, Eltern zu finden, die sich um mich kümmern. Ich bin bereits erwachsen und ich bin mein bisheriges Leben ohne Familie ausgekommen. Ich will einfach nur wissen, woher ich komme und wer meine Erzeuger sind, damit ich mit diesem Thema endlich abschließen kann. Natürlich wünscht sich ein Teil von mir, dass ich eine Beziehung zu meinen Eltern aufbauen kann. Aber selbst wenn es nicht klappt, was würde ich dabei schon großartig verlieren? Mein Leben würde sich nicht großartig dabei verändern, wenn ich mich nicht mit ihnen verstehen sollte.“

Simon war insgeheim erstaunt darüber, wie ruhig und gefasst er darüber sprechen konnte, ohne gleich wieder so emotional zu werden wie zuvor. Und auch sonst fühlte er sich nicht mehr so kalt und erschöpft wie vorhin. Zwar war er immer noch müde und ein Teil von ihm wollte sich am liebsten wieder den negativen Gefühlen hingeben, aber es hielt sich deutlich in Grenzen. Woher kam das bloß? Cypher hatte ihm zwar gesagt, der Tee würde ihm helfen, damit es ihm wieder besser ging, aber dass es so gut helfen würde, hätte er nicht gedacht. Was war das überhaupt für ein Tee? Nun, das konnte ihm auch eigentlich egal sein. Fürs Erste gab es andere Sachen, die wichtiger waren. „Für heute werde ich alleine schlafen. Aber wir können morgen weiterreden. Wie gesagt: ich bin noch sauer auf dich. Aber… ich kann dich verstehen, warum du es mir nicht gesagt hast. Wenn ich in dieser Situation gewesen wäre, dann hätte ich auch Probleme gehabt, eine Entscheidung zu treffen. Und ich denke, es tut uns vielleicht beiden gut, wenn wir uns für heute ein wenig Abstand und Ruhe gönnen.“

Man konnte deutlich hören, wie erleichtert Leron war, als er das hörte. Er hatte anscheinend schon mit dem Schlimmsten gerechnet nach diesem massiven Vertrauensbruch. Aber Simon wusste, dass er es nicht aus Böswilligkeit getan hatte. Er war ja auch nicht sofort mit der Sprache herausgerückt, als Lionel ihn erst mit Geld bestochen und dann daraufhin erpresst hatte, nur damit er mit Leron Schluss machte. Also wäre es nicht fair gewesen, wenn er so eine drastische Maßnahme wählte und sich von ihm trennte. Außerdem hatte Leron momentan genug durchzustehen, da konnte er ihn nicht alleine lassen. Also erschien ihm dies als die fairste Methode, seine Konsequenzen aus Lerons Handeln zu ziehen, ohne gleichzeitig unfair zu werden. Er war selber dafür bestraft worden, dass er nicht von Anfang an mit offenen Karten gespielt hatte. Da war es doch nur gerecht, wenn er nun seinerseits das Gleiche tat. Er mochte zwar Lerons Petboy sein und laut Vertrag hatte er sich ihm zu unterwerfen. Aber das bedeutete nicht, dass er sich alles gefallen lassen musste und das musste auch Leron kapieren.

Also stand er auf und schickte sich an, das Wohnzimmer zu verlassen um in sein Zimmer zu gehen. Er blieb aber noch im Türrahmen stehen und drehte sich noch einmal um. „Kannst du mir Bescheid sagen, wenn du etwas Neues über Anthony weißt?“

„Das mache ich“, versprach der Unternehmer mit müder aber dennoch erleichterter Stimme. „Ruh dich erst mal gut aus, Simon. Und hör mal: ich möchte, dass du weißt, dass ich dich wirklich liebe und dich niemals aus böswilliger Absicht belügen oder täuschen würde. Ich habe mich einfach nur verdammt ratlos gefühlt.“

„Das weiß ich“, versicherte Simon und nickte. „Und ich liebe dich wirklich. Aber du musst mir auch das Recht zusprechen, meine Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn du mit meinem Vertrauen spielst. Ich mag zwar der devote Partner in unserer Beziehung sein, aber ich erwarte trotzdem eine gewisse Gleichberechtigung, was Ehrlichkeit und Vertrauen angeht.“

Und damit ließ er ihn alleine zurück und ging rauf in sein Zimmer. Kaum, dass er sich in sein Bett gelegt hatte, fiel er in einen tiefen, erholsamen Schlaf.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ach Mensch, wohin ist es bloß gekommen. Es hat als erotische Story angefangen, wurde zu einer Romanze mit Familiendrama und ist nun zu dem Punkt eskaliert, an dem sich die beiden immer wieder streiten. Aber so funktioniert das halt leider bei Leuten in einer Beziehung: erst ist man im siebten Himmel und danach kommt man auf den Boden der Tatsachen und muss hart an der Beziehung arbeiten. Da spreche ich dieses Mal nicht aus Erfahrung. Nein, ich habe genug Leute um mich herum, die Beziehungsdramen haben können.

Es ist schon witzig, dass jemand über Sex und Beziehungen schreibt, der null persönliche Erfahrungen über das eine noch das andere hat. Dafür, dass mir das kaum jemand glaubt, scheine ich ja einen echt guten Job mit diesen Geschichten zu machen XD Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Blume2000
2018-04-12T19:38:35+00:00 12.04.2018 21:38
Hello, gott der arme Anthony. Also dem butler hab ich ja mal mega ins Herz geschlossen ♡
Und ich wollte noch einiges Sagen: einfach mal ein DANKE das du deine Ideen öffentlich machst und uns teil deiner Gedanken und Ideen lässt. (Ist das überhaupt ein satz?) 😂 nunja, also mir gefällts. Ich lese meistens wenn ich nachtdienst (intensiv und beatmungsschwester) habe und ab 3 uhr ist nichts los hier. Und weil ich dann echt müde und Hungrig bin kritisiere ich alles bis zum geht nicht mehr. Aber bei dir denke ich nur "oh nööö, nicht der arme anthony" oder "oh, ist es richtig das ich das mit so nem grinsen lese" 😂😂 ehrlich du lockst unentdeckte Seiten bei mir hervor xD deswegen danle xD
Antwort von:  Sky-
12.04.2018 22:05
Keine Bange, Anthony ist nicht tot und er wird wiederkommen. Ich lass meinen Lieblingsbutler nicht so schnell sterben. Das Verrückte dabei ist übrigens, dass ich mir als Vorlage für Anthony tatsächlich Alfred Pennyworth, den Butler aus der Batman Trilogie genommen habe. Auch wenn er immer nur am Rande vorgekommen ist, fand ich Alfred so klasse und fand immer, dass er eigentlich der heimliche Held ist.

Du arbeitest als Intensiv- und Beatmungsschwester? Wow, das klingt nach einem Job, der nicht gerade was für schwache Nerven ist. Das Spannendste, was mir auf der Arbeit passiert, ist höchstens, dass ich es mit schwierigen Bewerbern zu tun habe.

Aber freut mich riesig, dass diese Geschichte dich so gut unterhält. Um ehrlich zu sein war es zu Anfang gar nicht geplant gewesen, dass es sich zu solch einem Familien- und Beziehungsdrama entwickelt. Eigentlich sollte es bloß eine erotische Geschichte mit einem netten Happy End geben. Aber inzwischen hat sich die Story in eine komplett andere Richtung entwickelt. Aber so schlecht ist das ja auch nicht. 😊
Antwort von:  Blume2000
12.04.2018 22:12
Jaaaaa an Alfred musste ich auch recht oft denken :D und ich vertrete da die selbe Meinung, er ist ein Held im schatten. Und wenn ich sowas lese wünschte ich mir ich hätte auch ein butler (ja ich bin Faul xD aber den nenne ich dann sebastiaaaaan xD)

Ach ja, ich mach dies aber in der 1:1 pflege in 12 Std Schichten. Und das ist die schönste arbeit die ich mir hätte vorstellen können zu bekommen.

Aber wegen von erotik bis zu Drama
*hust* also ich würde mega im fangirl modus landen wenn man mal so rein schnuppern könnte wie Hunter und Cypher so intim sind. Also man hat schon was gehört aber danach wollte ich mehr wissen :D und entweder hab ich es überlesen aber welche Augenfarbe hat Cypher? Entweder ich bin blöd oder blöd aber ich glaub es wurde entweder nucht erwähnt oder ich hab es nicht gelesen. Hilfeee ich brauche klarheit xD bestimmt ist es so das dies mit absicht noch nicht erwähnt wurde, weil du dir damit noch was offen halten wolltest? #suprisemutherfuckers xD
Antwort von:  Sky-
12.04.2018 22:20
Ich hätte auch gerne einen Butler. Dann soll er so treu wie Alfred und so sexy wie Sebastian Michaelis sein, das wäre die perfekte Kombi.

Es ist tatsächlich eine Sidestory in Planung, die sich auf die Beziehung zwischen Cypher und Hunter konzentriert. Ich liebe die beiden einfach und sie scheinen manchmal ein wesentlich besseres Paar zu sein als Leron und Simon. Aber das liegt auch daran weil Hunter nicht mit so viel Familiendrama zu kämpfen hat und beide einfache Künstler sind.

Ja das mit der Augenfarbe wollte ich mir noch aufsparen. Cypher hat, weil seine Augen nach der Behandlung so empfindlich waren, die ganze Zeit eine Sonnenbrille getragen und somit weiß bisher noch keiner seine Augenfarbe. Die Augenfarbe hat in einigen meiner Geschichten eine besondere Bedeutung und kann viel über den Charakter aussagen
Antwort von:  Blume2000
12.04.2018 22:22
Yeahhh, sidestory ♡.♡ i love it.
Naja, ich lese mal weiter xD schönen abend noch ♡
Von:  Arya-Gendry
2018-04-05T22:08:32+00:00 06.04.2018 00:08
Hi^^
Wow das war mal ein Kapitel. Ich kann beide Seite gut verstehen. Jeder will ja wissen woher er kommt. Also kein Wunder das Simon sauer ist. Aber ich kann auch Leron verstehen das er wegen Simons Zustand erst mal nichts sagen wollte. Bei solch einen Vater. Obwohl Vater passt ja nicht so ganz. Bei solch einen Erzeuger. Ein Glück geht es Simone dank des Tees etwas besser. ;)

Ich bin echt gespannt darauf wenn Simone zum ersten mal seinen Erzeuger sieht und mit ihn redet. Ob du er Simone überhaupt was sagen tut?

Tja Beziehungen sind echt nicht einfach. Habe da auch schon viel bei Freunden erlebt. Ich selber bin glaube ich nicht so der Beziehungsmensch zumindest wer ich nicht so einfach. ;)
Das muss da schon besser. ;)

Froh moch schon auf das nächste Kapitel. ;)
LG.


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