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The Petboy Contract

von

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Gewitter

Knapp drei weitere Tage vergingen, in denen sie sich ausschließlich über das Telefon näherkamen, da Leron teilweise erst gegen ein Uhr morgens zurückkehrte und dementsprechend auch sehr müde und erschöpft war. Nun kam es, dass er am darauf folgenden vierten Tag endlich die Präsentation der neuen Hybridmodelle erfolgreich über die Bühne gebracht hatte. Deshalb kam er wesentlich früher zurück, da er die Party etwas zeitiger verlassen hatte, denn er wollte seiner Familie möglichst aus dem Weg gehen. Zufrieden über die gelungene Präsentation und dem lukrativen Geschäft mit Dubai, Tokyo und Moskau war er am Abend nach Hause gefahren. Es donnerte laut und Blitze erhellten den dunklen Himmel. Ein heftiges Unwetter war hereingebrochen und insgeheim hoffte Leron, dass wenigstens der Strom nicht ausgefallen war und der Sturm keine allzu schlimmen Schäden verursacht hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es acht Uhr war. Um die Zeit war Anthony schon heimgegangen, was also hieß, dass Simon alleine war. Eigentlich gefiel es ihm nicht sonderlich, den Jungen alleine im Haus zu lassen, aber er hatte ja glücklicherweise Sicherheitsvorkehrungen getroffen, falls seine Brüder hier auftauchen sollten. Anthony hatte ihm auch noch eingeschärft, in seinem Zimmer zu bleiben, wenn die Tür klingeln sollte und so wie er Simon kannte, würde er sich an diese Anweisungen halten. Trotzdem hatte er zur Sicherheit eine Kamera über der Eingangstür anbringen lassen, damit er wenigstens Bescheid wusste, wenn Michael auftauchen sollte. Bei Jordan machte er zwar nicht so große Sorgen, aber es war dennoch wahrscheinlich, dass dieser später Michael von Simon erzählen würde und das musste natürlich verhindert werden.

Als Leron das Haus betrat, war es stockdunkel. Selbst als er einen der Lichtschalter betätigte, blieb es dunkel, was ihn in seinen Verdacht bestätigte, dass entweder der Strom oder nur die Sicherung ausgefallen war.

Nachdem er den Regenschirm in den Schirmständer gestellt hatte, betätigte er die Taschenlampenfunktion an seinem Handy und ging nach unten in den Keller, um nach der Sicherung zu sehen. Wenn es nur die war, konnte er sich problemlos selber darum kümmern. Zum Glück hatte er ein wenig Ahnung von Technik und Anthony hatte ihm viel gezeigt, als er noch jung war. Er war auch selbst der Ansicht, dass es nicht schaden konnte, zu wissen, wie man Reifen wechselte oder die Sicherung reparierte. So war man nicht allzu sehr aufgeschmissen, wenn man alleine war. Und wie sich herausstellte, lag das Problem tatsächlich an der Sicherung. Dieses war schnell wieder behoben und wenig später funktionierte auch der Strom wieder. Na wunderbar, damit wäre das auch erledigt. Zufrieden ging Leron wieder nach oben und steuerte sein Schlafzimmer an. Als er aber die Tür öffnete und das Licht einschaltete, blieb er überrascht stehen, denn da lag jemand in seinem Bett und zuerst erschrak der Unternehmer kurz, bis er dann feststellte, dass es nur Simon war. Dieser schlief tief und fest und erinnerte Leron irgendwie an ein kleines Kätzchen. Da konnte er einfach nicht anders, als Simons Kopf zu streicheln. Der Kleine war einfach viel zu süß, allerdings wunderte er sich, warum der Junge nicht in seinem eigenen Bett war, wenn er so müde war. Konnte es vielleicht sein, dass er sich wegen dem Unwetter nicht wohl gefühlt hatte? Der hatte doch nicht etwa Angst vor Gewitter, oder doch?

Als ein lauter, ohrenbetäubender Donner draußen ertönte und ein greller Blitz den Himmel erleuchtete, wurde Simon aus seinem Schlaf gerissen und fuhr hoch, wobei er sich ruckartig aufsetzte. Und für einen Moment machte er einen etwas orientierungslosen Eindruck und registrierte erst einen Augenblick später, wo er eigentlich war.

„Entschuldige“, murmelte er und stand hastig auf. „Ich hab in der Dunkelheit die Zimmer verwechselt. Ich bin sofort weg.“

Doch so ganz kaufte Leron ihm das nicht ab, denn Simon sah ganz deutlich danach aus, als wäre er ganz gezielt in dieses Zimmer gekommen. Und als ein neues Donnern zu hören war und der Brünette leicht zusammenzuckte, da verstand er allmählich, was los war und ergriff seine Hand.

„Schon gut, du kannst ruhig hier bleiben, wenn du dich hier wohler fühlst. Draußen ist auch wirklich die Hölle los und die Sicherung ist auch rausgesprungen. Vermutlich ist hier vorhin ein Blitz eingeschlagen.“

Leron begann nun, seine Krawatte abzunehmen und sein Jackett auszuziehen. Inzwischen hatte sich Simon wieder aufs Bett gesetzt und es schien ihm wohl etwas peinlich zu sein, dass er erwischt worden war, wie er im Bett eines anderen geschlafen hatte. Wahrscheinlich hatte er sich nicht anders zu helfen gewusst, als das Unwetter hereingebrochen war und er schließlich ganz alleine gewesen war.

„Du kannst gerne hier bleiben, solange du möchtest. Ich habe nichts gegen ein wenig Gesellschaft, vor allem weil wir uns in den letzten Tagen ohnehin kaum gesehen haben.“

„Ist dein Projekt gut verlaufen?“ erkundigte sich Simon etwas zögerlich und immer noch schien ihm diese Situation ein wenig unangenehm zu sein.

„Ja, die Präsentation war ein voller Erfolg und wir konnten neue Geschäftskunden im Ausland gewinnen. Da ich allerdings kein Freund dieser ausschweifenden Partys bin, habe ich beschlossen, etwas früher nach Hause zu kommen. Aber sag mal, Simon… hast du Angst vor Gewitter?“

Augenblicklich verfärbten sich die Wangen des 21-jährigen glutrot und mit einem etwas grimmigen Gesichtsausdruck sagte dieser „Ich habe keine Angst, ich fühle mich halt nur etwas unwohl, das ist alles. Vor allem weil es auf einmal stockfinster wurde.“

„Ja, das kenne ich gut“, pflichtete Leron bei und verschwand kurz ins Bad, ließ aber die Tür offen. „Vor allem in der Kindheit ist es am schlimmsten, wenn man dann niemanden hat, der einen trösten kann, wenn man Angst bekommt.“

„Ist halt so, wenn man im Waisenhaus aufwächst“, seufzte Simon. „Da lernt man sehr früh, auch ohne Eltern klar zu kommen.“

„Dazu muss man nicht unbedingt im Waisenhaus aufwachsen“, wandte Leron ein. „Ich habe schon alleine in diesem Haus gelebt, als ich acht Jahre alt war.“

„Wieso das denn?“

„Ich habe mich mit meinen Brüdern nie verstanden und unser Vater erachtete es deshalb als das Beste, wenn ich getrennt von den anderen lebe. So bin ich isoliert vom Rest der Familie aufgewachsen.“

„Komische Erziehungsmethoden…“

Nach einer kurzen, heißen Dusche kam Leron zurück und sah, dass der Junge immer noch auf dem Bett saß und den Eindruck erweckte, als erwarte er irgendetwas, das jedenfalls nichts Gutes zu bedeuten hatte. Wahrscheinlich wäre er am liebsten gegangen, nur um aus dieser für ihn sehr peinlichen Situation zu flüchten.

„Ich glaube, im Bett zu liegen ist wesentlich gemütlicher, als nur auf dem Bett zu sitzen.“

Stumm folgte Simon dieser indirekten Aufforderung und kroch unter die Bettdecke. Ein lautes Donnern ließ ihn erneut leicht zusammenzucken, woraufhin Leron einen Arm um ihn legte und an sich heranzog, um ihm ein wenig die Angst zu nehmen. Dabei dachte er daran, wie er selber als Kind gewesen war. Er hatte nie Angst vor Stürmen oder Gewittern gehabt, aber auch nur deshalb, weil es viel schlimmere Dinge gab, vor denen er Angst hatte. Nämlich die Bestrafungsspiele von Michael. Für manche wäre es schwer vorstellbar gewesen, dass ein Erwachsener Angst vor Donner hatte, aber in Lerons Augen war Simon noch nicht erwachsen, sondern immer noch ein Junge. Das mochte vor allem an dessen jungem Erscheinungsbild und der etwas kurz geratenen Körpergröße liegen. Vielleicht spielte aber auch sein starker Beschützerinstinkt für Simon eine große Rolle, dass er ihn nicht als einen Erwachsenen sehen konnte.

„Ich will dir mit meiner Frage nicht zu nahe treten“, sagte er schließlich, als er beschloss, Simon vielleicht durch ein bisschen Reden vom Gewitter ablenken zu können. „Aber wie bist du eigentlich darauf gekommen, deinen Körper auf dem Straßenstrich zu verkaufen? Hattest du Geldsorgen oder irgendwelche anderen Probleme?“
 

Als Simon die Frage hörte, haderte er für einen Moment, denn er mochte es eigentlich nicht, über sein Leben zu erzählen, vor allem nicht irgendwelchen Fremden. Aber inzwischen war Leron nicht mehr „irgendein Fremder“, auch wenn er immer noch sein Freier war. Und doch war ihre Beziehung nicht mehr bloß rein geschäftlich, das hatte selbst er gemerkt, auch wenn er es sofort abgestritten hätte, wenn man ihn fragen würde. Er fühlte sich bei Leron gut aufgehoben und vertraute ihm. Und inzwischen vertrat er auch die Ansicht, dass Leron zwar einige sehr seltsame Vorlieben hatte, er aber dennoch ein anständiger Mensch war. Auch wenn er reich war, so war er überhaupt nicht abgehoben und er behandelte ihn auch nicht von oben herab oder hielt ihm seine Herkunft vor. Stattdessen kümmerte er sich um ihn und das rechnete Simon ihm hoch an. Als er einen Sonnenstich bekommen hatte, da hatte sich Leron liebevoll um ihn gekümmert und das hatte deutlich dazu beigetragen, dass er in ihn nicht mehr bloß einen reichen Fetischisten sah. Er sah auch einen fürsorglichen Menschen in ihm und deshalb beschloss er, mit seiner Regel zu brechen und über sein Leben zu erzählen.

„Wegen meiner Augen wollte mich niemand einstellen. Da ich aus einem Waisenhaus komme, hatte ich nie hochtrabende Ziele und wäre mit einem Bürojob schon glücklich geworden. Mag langweilig klingen, aber ich hatte schon immer ein sehr gutes Händchen für Zahlen und Finanzen und ich wollte in die Buchhaltung. Aber kaum, dass ich beim Vorstellungsgespräch antanzen musste, da verbanden die Personalchefs meine Augen mit einer Behinderung und Behinderte will keiner einstellen oder ausbilden. Mir war schon in der High School klar gewesen, dass ich keine Zukunft habe und meine einzige Chance auf ein normales Leben ein experimenteller Eingriff war. Ein berühmter Augenarzt hatte von meinen Augen gehört und untersuchte mich. Er sagte, er könnte meine Pigmentanomalie heilen, allerdings kostet das viel. Tja und da ich als Zeitungsbote nicht genug verdiente und mich sonst niemand einstellen wollte, blieb nur die Lösung, meinen Körper zu verkaufen, um das nötige Geld für die Operation zu verdienen.“

„Es war sicher nicht einfach für dich, oder?“

Simon nickte und dachte an seine Anfangszeit als Stricher. Es „nicht leicht“ zu nennen, wäre stark untertrieben gewesen. In Wahrheit war die erste Zeit die Hölle für ihn gewesen.

„Mein erster Kunde fuhr mich in ein schäbiges Motel am East End, es war das sogenannte Paradise Inn mit einem Neonleuchtschild, das so heftig blinkte, dass man einen epileptischen Anfall bekommen konnte, wenn man zu lange drauf starrte. Es war alles dreckig und heruntergekommen und ich hatte Angst gehabt. Angst vor dem, was mir bevorstehen würde, Angst vor diesem Ort und Angst vor den Schreien in den anderen Zimmern. Es wurde sogar geschossen, als wir zu seinem Zimmer gingen. Die ersten zwei Monate waren die Hölle gewesen. Ich hatte oft Schmerzen und habe mich so schmutzig und schäbig gefühlt, dass ich wie ein Mädchen in der Dusche gekauert und geheult habe und das so lange, bis meine Lippen blau waren und meine Haut vom Schrubben wundgescheuert war. Teilweise habe ich mich auch oft übergeben müssen und ich begann Alkohol zu trinken. Die Kohle der ersten drei Monate gingen größtenteils für Alkohol drauf, weil ich vergessen wollte, was ich tat, aber ich realisierte, dass mich das nicht weiterbringen würde. Außerdem kriegten die Leiter des Waisenhauses mit, dass ich oft besoffen war und drohten, mich rauszuschmeißen. Da ich nicht auf der Straße leben wollte, musste ich also gezwungenermaßen das Trinken wieder aufgeben und lernen, mit den Dingen zu leben, die ich tat. Je öfter ich es tat, desto leichter wurde es.“

Leron wurde ernst und sein Magen verkrampfte sich, als er das hörte. Der Junge musste wirklich durch die Hölle gegangen sein und es musste wirklich die reine Verzweiflung gewesen sein, dass er diesen Schritt gegangen war. Er spürte schon, wie sich wieder die verräterische Stimme seines Bruders in seinem Kopf ankündigte, doch er beschloss, ihr zuvorzukommen und fragte „Wie stehen denn die Chancen, dass die Operation gelingt?“

„Nicht gut“, seufzte Simon. „Gerade mal 35% und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass mein Sehnerv beeinträchtigt wird, was also heißt, dass sich meine Sehkraft verschlechtert. Schlimmstenfalls werde ich mein Augenlicht dabei verlieren.“

„Und wieso willst du dann dieses Risiko auf dich nehmen, wenn die Chancen so schlecht stehen?“

„Weil das meine einzige Chance ist“, erklärte Simon und sah Leron direkt an. Etwas sehr trauriges lag in seinen Augen. „Ich werde niemals ein normales Leben haben, wenn ich diese hässlichen Augen habe. Sobald ich das Geld zusammen habe, kann ich die Operation bezahlen und wer weiß… vielleicht sieht das Ganze in vier Jahren anders aus und die Erfolgschancen haben sich erhöht. Aber es ist meine einzige Hoffnung, dass mich die Menschen nicht mehr wie ein Monster behandeln, nur weil ich mit solchen Augen gestraft bin.“

Leron hörte die Hilflosigkeit und die Verzweiflung in Simons Stimme und sah sie auch in seinen Augen. Ihn so zu sehen, tat ihm weh und daraufhin strich er ihm aufmunternd über den Kopf.

„Wenn dir die Operation so wichtig ist, werde ich dir helfen. Ich werde mich mit diesem Arzt in Verbindung setzen und sehen, was sich tun lässt, um die Erfolgschancen zu erhöhen.“

„Das würdest du echt tun?“ fragte Simon überrascht. „Aber warum?“

„Ich dachte, du hättest Schuldenprobleme und bräuchtest deshalb so viel Geld“, erklärte Leron. „Nur deswegen würde ich dir das Geld nicht so ohne weiteres geben. Aber wenn du es aus gesundheitlichen Gründen brauchst und deine Augen ein so großes Problem für dich sind, dann will ich dir helfen. Natürlich wird sich nichts an unserem Vertrag ändern, aber da dir diese Operation so wichtig ist und ich auch verstehen kann, wie sehr dich diese Situation so belasten muss, werde ich sehen, was ich tun kann.“

Ein zögerliches aber dennoch dankbares Lächeln huschte über Simons Lippen, als Leron das sagte und er konnte nicht glauben, dass dieser so etwas tatsächlich für ihn tun würde. Noch nie hatte jemand so etwas für ihn getan.

„Danke.“

„Schon gut“, sagte Leron nur und winkte ab. „Warum hast du nicht schon früher gesagt, wofür du das Geld brauchst?“

„Weil meine Vergangenheit niemanden etwas angeht“, erklärte der 21-jährige und verkrallte seine Hände in die Decke, als ein lautes Donnergrollen seine Stimme übertönte. Es war so laut, dass es einem das Gefühl gab, als wäre nicht weit von hier eine Bombe detoniert und gleich das Dach über dem Kopf zusammenstürzen. Und draußen heulte immer noch der Wind. Wahrscheinlich würde das Gewitter noch die ganze Nacht anhalten. „Ich habe keine Lust, den Leuten vorzujammern, wie beschissen mein Leben ist und ihnen einen Grund liefern, sich noch über mich lustig zu machen. Es reicht doch schon, wenn ich für sie ein Freak bin. Da brauch ich ja nicht noch ein bemitleidenswerter Freak zu sein.“

Als ein lautes Krachen über sie hereinbrach und es mit einem Male wieder dunkel wurde, sah Leron, wie Simon sich erschrocken duckte und die Hände über den Kopf legte, als wolle er sich vor einem Blitzschlag schützen. Sofort stand der Unternehmer auf und ging zu seinem Schreibtisch hin, um sein Feuerzeug zu holen und zündete ein paar Kerzen an, die er auf die Kommode neben das Bett stellte.

„Offenbar ist die Sicherung schon wieder rausgeflogen“, murmelte er. „Da das Unwetter wohl noch länger dauert, lohnt es sich wohl nicht sonderlich, die Sicherung wieder einzusetzen. Aber Kerzenschein hat ja schließlich auch etwas. Findest du nicht auch?“

Doch Simon schwieg und man sah ihm an, dass er nun wirklich Angst hatte. Es kostete ihn wohl wirklich viel Mühe, seine Angst vor Gewittern zu verbergen und heute, wo es besonders heftig zuging, schien es ihm nicht so wirklich zu gelingen. In diesem Moment wirkte er auf Leron wie ein verängstigtes kleines Kätzchen. Als der Unternehmer ihn so sah, kam er wieder zu ihm ins Bett und nahm ihn in den Arm, um ihm etwas mehr Sicherheit geben zu können. Für gewöhnlich hätte Simon so eine Situation nicht zugelassen, aber in diesem Moment war er einfach nur froh, nicht alleine zu sein.

„Wenn es dir hilft, kannst du gerne die Nacht hier bei mir bleiben. Ich habe mir die nächsten drei Tage ohnehin freigenommen, da habe ich auch so etwas mehr Zeit für dich.“

„Das geht so einfach?“ fragte Simon zögerlich. „Ich meine… du als Chef eines Konzerns?“

„Ich habe zwei Prokuristen und einen Sekretär, die den Laden eine Weile am Laufen halten können. Und in einer Sache muss ich dich korrigieren: ich leite ein Unternehmen, den Konzern leitet mein Vater.“

Nun sah der Brünette ihn etwas ratlos an und schien nicht ganz zu verstehen. Und da das vielleicht eine gute Gelegenheit war, um ihn vor seiner Angst abzulenken, erklärte Leron es ihm.

„Ein Unternehmen setzt sich aus mehreren Betrieben zusammen, die unterschiedliche Aufgabenbereiche übernehmen. So zum Beispiel die Verwaltung, den Einkauf der verschiedenen Teile, die Herstellung der Hybridautos und die technische Entwicklung. Ein Konzern hingegen setzt sich aus mehreren Unternehmen zusammen, was also heißt, er steht über einem Unternehmen. Es ist wie eine Art Hierarchiekette. Die Evans Hybrid Technologies ist also ein Unternehmen, das vom Evans-Konzern ins Leben gerufen wurde und wenn sie zu einem Konzern gehören, sind sie auch nichts anderes als ein kleineres Zahnrad im Getriebe. Allerdings gibt es da eine Ausnahme: auch wenn meinem Vater der Konzern gehört, verfüge ich über sämtliche Entscheidungsgewalt über das Unternehmen, wodurch wir also unabhängig vom Konzern sind.“

„Dann heißt das, ihr gehört nur noch zum Schein zum Konzern dazu?“

„So in etwa.“

„Und warum?“

„Der Konzern genießt ein sehr gutes Image, auch im Ausland. Und da viele Geschäftspartner und Kunden gewohnt sind, das Unternehmen mit dem Konzern zu verbinden, habe ich es so dabei belassen. Außerdem kann es sich schlecht auf unser Image auswirken, wenn die Leute erfahren, dass wir nichts mehr mit dem Konzern zu tun haben. Dadurch gewinnen Geschäftspartner den Eindruck, als würden sich eventuelle familiäre Probleme auch im geschäftlichen Bereich bemerkbar machen und das könnte sie abschrecken. Schlimmstenfalls würden sie keine Geschäfte mehr mit uns schließen wollen, was sich zu unserem Nachteil auswirkt. Um das zu vermeiden, belassen wir es bei diesem Schein und handhaben diese Trennung rein inoffiziell. Nun ja, das sind halt komplizierte Geschäftspolitiken. Interessierst du dich für so etwas?“

Simon nickte ein wenig zögerlich und gab zu „Ich wollte schon immer im Büro eine Ausbildung machen. Vielleicht habe ich nach vier Jahren ja eine Chance.“

„Warum nicht?“, meinte Leron und nickte zustimmend. „Wenn du wirklich Spaß daran hast, dann tu das ruhig. Du scheinst mir ein sehr intelligenter Junge zu sein und ich könnte mir auch vorstellen, dich bei uns als Auszubildender zu sehen. Natürlich nur wenn du möchtest.“
 

Es dauerte noch knapp zwei Stunden, bis sich das Gewitter etwas abschwächte und auch der Donner eher etwas weiter weg zu hören war. Dennoch blieb Simon noch bei Leron und lauschte dem Regen, der gegen die Fenster prasselte. Als er merkte, wie er langsam müde wurde, wandte er sich an Leron, nur um festzustellen, dass dieser bereits schlief. Also stand er kurz auf und blies die Kerzen aus, bevor er zurück ins Bett kroch. Doch auch wenn er müde war, beschäftigte ihn eine Frage, die ihm auf dem Herzen lag und die er schon die ganze Zeit stellen wollte, sich aber nicht getraut hatte.

„Was bin ich eigentlich für dich?“

Er ärgerte sich, dass ihm diese Frage erst dann über die Lippen kam, als es eh keinen Zweck mehr hatte, da Leron ihm die Frage nicht beantworten konnte. Auch wenn er glaubte, die Antwort eigentlich zu kennen, beschäftigte ihn die Frage schon seit Tagen. Insbesondere jetzt fragte er sich das, nachdem er schon hier in Lerons Bett lag und dieser ihm sogar Hilfe angeboten hatte. Kein normaler Freier würde das machen und Simon wusste nicht, was er davon halten sollte und ob er sich nicht vielleicht lieber wünschen sollte, dass Leron sich mehr wie ein Freier verhielt und nicht wie ein Wohltäter. Das hier war doch nicht Jean Websters „Daddy Langbein“, wo einem Waisenmädchen dank einem anonymen Gönner ein Studium ermöglicht wurde und sie ihm zum Dank regelmäßig Briefe schrieb. Nein, er war eher in einer Mischung aus Fifty Shades of Grey und Pretty Woman gelandet. Egal wie sehr man es auch drehte und wendete, er war immer noch Lerons Petboy und ein Stricher, womit er offiziell zur untersten Gesellschaftsstufe gehörte. Aber er war nie wie ein Haustier oder wie ein Stricher behandelt worden, seit er hier war. Auch wenn Leron einen gewissen Gehorsam erwartete, verlangte er nie Unmögliches oder Grenzwertiges und es herrschte immer ein sehr respektvoller Umgang, so als würde er Simon als einen Menschen und nicht als ein Spielzeug fürs Bett ansehen. Und genau das war es, was ihn so verwirrte.

„Was bin ich für dich?“

Als hätte Leron diese Frage gehört und wollte ihm eine wortlose Antwort geben, legte sich ein Arm um Simon und so wurde dieser näher zu ihm herangezogen. Naja, dachte sich Simon. So dringend eilt die Antwort ja nun auch wieder nicht. Und so schloss er die Augen und fühlte sich so geborgen wie noch nie in seinem Leben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich konnte einfach nicht widerstehen, dieses Kapitel zu schreiben. Die beiden sind sooo süß, ich fürchte echt noch, dass ich einen Zuckerschock kriege. Vor allem Simons Angst vor Gewitter. Dass sich jemand noch mit 21 Jahren fürchtet, ist eigentlich selten, aber da Simon ja nie jemanden hatte, der ihm die Angst vor Gewittern nehmen konnte, ist es eben schwer, sie von alleine wieder abzulegen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Meloenchenx3
2016-03-01T21:36:25+00:00 01.03.2016 22:36
Wie verletzend bin fast 21 und könnte heulen wenn es draußen donnert:D

Tolles Kapitel nur weiter so bin schon auf die Fortsetzung gespannt.

Hatte ja schon innerlich gehofft das Michael da ist und es deshalb alles so dunkel im Haus ist. Aber dieser Ausgang ist um meiiiiilen weit besser 😍
Von:  mor
2016-02-29T21:00:03+00:00 29.02.2016 22:00
Das Änkstliche uke das sich vor Gewittern fürchtet.....ich finde das Ziemlich klischehaft. Es hätte mich mehr überrascht wenn es Leron währe der Ankst vorm Gewitter bekommt.
Antwort von:  Rhaban
01.03.2016 00:18
Ich finde Klischees sind manchmal auch dazu da um bedient zu werden. Es ist ein schönes stimmiges Kapitel und... es muss nicht immer alles überraschend sein.. es kann nicht jedesmal ein Wow Effekt hinter allem stehen und es War auch nicht aufgesetzt.. mir gefällt es .. und wenn wir schon bei Klischees sind.. ich sage nun nichts zum Schriftbild und der Art und Weise deiner Kritik. .du bedienst ein ganz eigenes Klischee...

Ans Schreiberlein kann ich nur sagen weiter so, ich freue mich auf mehr...
Antwort von:  Sky-
01.03.2016 08:58
Es mag ab und zu mal das eine oser andere Klischee geben, aber das ist eine Yaoi FF und diese ist auf eine etwas einfachere Storyline ausgelegt. Es kann in jeder FF mal zu irgendeinem Klischee kommen und sie müssen nicht immer unbedingt schlecht sein. Es hätte einfach nicht zu Lerons Charakter gepasst, wenn er sich vor Gewitter fürchtet und wie Rhaban es sehr schön auf den Punkt gebracht hat: nicht jedes Kapitel kann mit einem absoluten Wow-Effekt versehen werden. Manche Kapitel bieten eben aufschlussreiche Hintergrundinformationen, manche sind dazu da dass sich die Charaktere näherkommen und manche sind für die weitere Story wichtig.
Antwort von:  mor
01.03.2016 19:57
an Rhaban:
Mein Kommentar war kein Kritik an der ff sondern jedeklich eine anmerkung. Bevor du also über andere Menschen urteilst soltest du lieber mal zweimal Nachdenken.
Von: Hinata_Shouyou
2016-02-29T16:01:09+00:00 29.02.2016 17:01
ich hab gänsehaut....
Das ist ja mal heftig...
allein der anfang ließ mich schaudern...
Von:  Seranona
2016-02-29T12:12:40+00:00 29.02.2016 13:12
Wieder ein tolles Kapitel.
Es ist wirklich niedlich mit zu lesen, wie sehr sich die beiden näher kommen und wie sehr sie einanderen mögen.
Und alles ohne Hintergedanken...sondern einfach auf die liebevolle Art.
Dass Leron so einfühlsam ist, tut Simon einfach nur gut.
Und dass Simon mehr und mehr an Leron interessiert ist und ihm zu vertrauen beginnt, lässt Lerons Herz höher schlagen....*schwärm*
Das ist echt Zucker x3

Weiter so *cheer*
die Nona
Von:  Yamasha
2016-02-29T11:00:26+00:00 29.02.2016 12:00
Dieses Kapitel ist voll toll! Ich liebe es,wie du die Beziehung der beiden darstellst! <3
Von:  Scorbion1984
2016-02-29T10:42:40+00:00 29.02.2016 11:42
Ein super Kapitel ! Einfühlsam aber irgendwie auch suess !


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