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A Sky full of Stars

von

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01


 

Es war Freitag. Sebastian ging gerade aus dem Bad heraus und zurück in sein Zimmer, um sich neue Kleidung aus dem Schrank zu holen. Auch wenn es ihm sein Vater nicht erlaubte, so würde er heute Abend dennoch das Haus verlassen.

Er würde auf sein Motorrad steigen, durch die Gegend fahren und den Wind in seinem Haar spüren, der sich unter den Helm schlich. Als er seinen Rucksack noch über die Schultern gelegt hatte, verließ er leise das Haus.

In der Garage angekommen, startete er den Motor des Zweirads mit einer gekonnten Bewegung. Als er durch die Straßen der Stadt fuhr, blieb er bei einem kleinen Haus stehen und sah zu einem Fenster hinauf, wo er das Licht sah, welches eben dieses Zimmer erhellte.

„Kommst du raus?“, schrieb er eine Nachricht an die Person, deren Zimmer er gerade beobachtete.

 

Gerade, als sie ihre Haare zu einem Zopf zusammengebunden hatte, vibrierte ihr Handy auf der Kommode neben der Tür. Es war gerade einmal halb 9 abends, aber Elena hatte bereits ihren Schlafanzug an.

„Wo soll es denn hingehen?“, antwortete sie und stellte sich wieder vor ihren großen Spiegel. Was sollte sie bloß anziehen? So schnell sie konnte, zog sie ihren Pyjama aus und schlüpfte in ihre Bluejeans und eines der T-Shirts, das ihre Mutter ihr aufs Bett gelegt hatte. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie ihr Spiegelbild und entschied sich für ein dezentes Make-Up und offene Haare. Als sie fertig war, waren genau 15 Minuten vergangen.

Mit den Schuhen in der Hand schlich Elena die Treppe ihres Elternhauses hinunter, in der Hoffnung, dass niemand ihr Verschwinden bemerkte. Leider hatte sie sich zu früh gefreut, denn in dem Moment, in dem sie die Haustür erreichte, kam ihre Mutter aus der Küche.

„Wo wollen wir denn hin, junge Dame?“, fragte ihre Mutter mit hochgezogener Augenbraue.

„Ich wollte nur eine Runde spazieren gehen. Ich bleib auch nicht lange weg“, antwortete Elena, in Ermangelung einer besseren Ausrede.

Sicher wartete Basti schon ungeduldig auf sie.

„Ich weiß, dass ER da draußen ist. Ich bin nicht dumm“, sagte Mrs. Carden drohend

 

„Wo es hingehen soll? Lassen wir uns überraschen“, antwortete Sebastian und hatte die Nachricht schnell in sein Mobiltelefon eingetippt.

Als er eine Silhouette hinter der Tür sah, zeigte sich ein kurzes Grinsen auf seinen Lippen. Doch er hatte die Vorahnung, dass Elenas Mutter Schwierigkeiten machen würde, da sie ihn nicht mochte. Immer, wenn er in dem Haus war und sie dazu kam, dann bekam er diese Abneigung auch zu spüren. Es war ihm allerdings egal, denn er war gern bei der jungen Frau, auch wenn er es niemals offen zugeben würde.

Doch es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sich die Silhouette wieder bewegte. Allerdings konnte er nicht erahnen, ob es am Ende ein positives Ende nehmen würde oder nicht. Er würde weiter warten und wenn es sein musste, dann würde er Elena raten, einfach aus dem Fenster zu klettern, um zu ihm zu kommen.

 

Mrs. Carden redete immer noch auf Elena ein, bis diese schließlich einwilligte, dafür am Wochenende auf ihren kleinen Bruder aufzupassen.

„Ok, bis später“, sagte sie rasch und lief zur Tür hinaus, bevor ihre Mutter es sich anders überlegen konnte.

Sie sah ihn schon von weitem grinsen. Er lehnte lässig - mit vor der Brust verschränkten Armen - an seinem Motorrad. Als sie bei ihm ankam, umarmte sie ihn kurz, aber dennoch so lang, dass ihr sein Parfüm in die Nase stieg.

„Wir sollten ein paar Straßen weitergehen, bevor wir losfahren. Nicht, dass meine Mutter einen Herzinfarkt bekommt. Sie kann dich so schon nicht leiden“, lächelte Elena fröhlich.

Ein boshaftes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, als würde ihm der Gedanke gefallen. Spielerisch schlug sie ihm gegen die Schulter und setzte sich in Bewegung. Er klappte den Ständer des Motorrads ein und folgte ihr die Straße entlang. Ungefähr zwei Straßen weiter blieb Elena stehen, weil sie fand, dass das weit genug war.

Sebastian reichte ihr seinen zweiten Helm. Er stieg zuerst auf und startete das Motorrad mit einer fließenden Bewegung. Elena nahm hinter ihm Platz und schlang die Arme fest um seine Taille. In dem Moment war sie wirklich froh, dass sie eine Jeans trug. In einem Rock oder einem Kleid würde sich eine Motorradfahrt sicher schwierig gestalten.
 

02


 

Sebastian reihte sich mit seinem Motorrad ohne größere Probleme in den fließenden Nachtverkehr der Straßen ein und überholte auf der Strecke, ohne auf die anderen Verkehrsteilnehmer zu achten, einige andere Fahrzeuge. Es interessierte ihn nicht, dass er sie ausbremste oder ihnen die Vorfahrt nahm. Sein Fahrzeug war schnell und das ließ er die anderen auch merken. Sein Motorrad erreichte seine Höchstgeschwindigkeit.

Sie blieben erst nach einiger Zeit stehen, als sie auf einem kleinen Berg angekommen waren, von dem aus man die ganze Stadt sehen konnte. Er nahm seinen Rucksack und öffnete diesen. Ein breites Grinsen zeigte sich auf seinen Lippen.

„Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich denke, ich bin nur sehr ungern vollkommen nüchtern. Außerdem… Ein bisschen Spaß muss schon sein, oder?“

Er reichte ihr die Flasche mit dem alkoholhaltigen Getränk. Sebastian hatte die Flasche vom Vorrat seines Vaters entwendet und so wie er ihn kannte, würde es ihm wahrscheinlich auch nie auffallen, dass die Flasche fehlte.

„Es sei denn, du hast Angst, dass du Ärger von deiner Mutter bekommst.“

Ein finsterer Blick legte sich auf sein Gesicht und er zog die Flasche zurück, öffnete sie und setzte die Öffnung an seine Lippen. Er nahm einen großen Schluck davon und merkte, wie die Flüssigkeit sich in seinem Mund und seinem Rachen anfühlte und wie sie am Ende seine Speiseröhre hinab floss und seinen Magen füllte.

 

Elena beobachtete ihn von der Seite, während er immer noch trank. Sie mochte keinen Alkohol, sie konnte es nicht leiden, wie sie sich dabei fühlte, wenn sie betrunken war. Sie hatte lieber einen klaren Kopf.

„Du weißt, dass du noch nach Hause fahren musst“, gab sie zu bedenken und lehnte ein weiteres Mal die Flasche ab, die er ihr hin hielt.

Ihr Blick wanderte zur Skyline der Stadt. Von hier oben konnte man alles sehen. Die wenigen Hochhäuser, die nur ein Stück höher waren als der Berg, die bunten Lichter der Partymeile, das Meer auf der anderen Seite der Stadt.

Elena stellte sich gerne vor, wie die Menschen zu ihren Füßen geschäftig durch die Straßen liefen, wie sie sich unterhielten. Hier oben fühlte sie sich mächtig, überlegen und frei. Vorsichtig setzte sie sich auf einen Stein nahe der Klippe und beobachtete die tanzenden Lichter der Autos, die den Highway entlang rasten.

Sebastian stand immer noch an seinem Motorrad und trank seine Flasche leer. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass er betrunken fahren wollte, aber das würde sie ihm natürlich nie sagen. Sie mochte es, wenn er ausgelassen war, er machte sich so schon immer viel zu viele Gedanken. Er war schon immer ihr bester Freund gewesen, seit er sie damals im Kindergarten vor diesem Grobian beschützt hatte. Bei dem Gedanken daran, wie er Mark damals mit einer Schippe in die Flucht geschlagen hatte, musste sie kichern.

Elena stand wieder von dem Stein auf und legte sich daneben ins Gras, um die Sterne zu beobachten. An keinem anderen Ort wäre sie in diesem Moment lieber gewesen.

 

„Ich werde nur so viel trinken, dass ich noch klar denken kann“, konterte Basti und sah ihr entgegen. „Ich kenne meine Grenzen.“

Als er die Flasche geleert hatte, steckte er sie zurück in seinen Rucksack und setzte sich neben Elena ins Gras.

„Woran denkst du?“, wollte er wissen und fuhr sich durch das helle Haar.

Seit vielen Jahren kannte er die junge Frau nun und er wusste, wenn sie über irgendetwas nachdachte oder wenn sie irgendetwas bedrückte.

„Dir gefällt es nicht, dass ich trinke, oder?“

Er wusste die Antwort, aber er wollte es trotzdem aus ihrem Mund hören. Es gefiel ihm, dass er durch den Alkohol seinen Problemen entfliehen konnte. Allerdings half es nicht immer. In den letzten Wochen und Monaten waren seine Probleme nur noch größer geworden. Sein Vater war immer mehr dem Alkohol verfallen und seine Mutter hatte sich von ihm getrennt. Doch er konnte seinen Vater nicht auch noch im Stich lassen.

„Erzähl mir irgendetwas.“

 

Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und seufzte.

„Nein, es gefällt mir nicht, wenn du trinkst. Aber es ist okay... Ich verstehe es.“

Sie beobachtete weiter die Sterne. Hin und wieder fiel eine Sternschnuppe vom Himmel und Elena wünschte sich etwas.

Bitte, bitte, mach, dass es leichter für Sebastian wird, flehte sie in Gedanken.

„Ich muss morgen auf Tommy aufpassen“, sagte sie leise.

Während sie sprach, spürte sie seinen Blick auf sich ruhen. Er tat ihr unendlich leid. Die Sache mit seinen Eltern hatte ihn wirklich fertiggemacht, seitdem war er auch nicht mehr derselbe. Sie fürchtete sich davor, was die ganze Sache mit ihm anrichten könnte.

„Und was hast du so vor? Ich meine, ein viel beschäftigter Junggeselle wie du, muss doch jede Menge Verehrerinnen haben“, sagte sie und lächelte grimmig in sich hinein.

Eigentlich wollte sie nichts davon hören, aber ihr fiel einfach kein anderes Gesprächsthema ein.
 

03


 

„Du willst wissen, ob ich morgen eine Frau bei mir habe?“, zog er eine Augenbraue verwirrt nach oben und musste daraufhin lachen. „Ich wollte morgen mein Motorrad sauber machen und es verbessern. Ich habe im Moment außerdem keinen Kopf für Frauen. Sie sind viel zu stressig und viel zu nervig, als dass ich jetzt eine bei mir haben will. Aber du bist in Ordnung. Du weißt, wann du schweigen sollst und wann nicht. Ich bin froh, dass du hier bist.“

Er legte sich neben sie und sah ebenfalls in den Nachthimmel hinauf. Es beruhigte ihn, zu sehen, dass die Sterne ihn nicht verurteilten und er so sein konnte, wie er wollte.

„Wieso musst du auf Tommy aufpassen? War das die Gegenleistung, dass du mit mir mitkommen kannst?“

 

Sie ließ das Gesagte einen Moment auf sich wirken. Er war froh, dass sie hier bei ihm war. Der Gedanke gefiel ihr und sie lächelte vor sich hin, aber dann fiel ihr seine Frage wieder ein und sie riss sich aus ihren Träumereien.

„Ja, sozusagen. Ich glaube, meine Eltern gehen morgen auf irgendeine Benefizveranstaltung vom Krankenhaus und der Babysitter ist angeblich krank. Aber ich habe den Verdacht, dass sie nur nicht wollen, dass ich rausgehe.“

Elena zuckte mit den Schultern. Sie war nichts anderes von ihren Eltern gewohnt. Seit sie denken konnte, musste sie tun, was sie ihr sagten. Wenn sie doch mal rebellierte, gab es Hausarrest oder Strafarbeiten. Und auch nach ihrem 18. Geburtstag hatte sich nicht viel verändert, außer dass sie nun für viel mehr verantwortlich gemacht wurde.

„Weißt du noch, damals in der Junior High School, als wir auf Klassenfahrt waren? Das waren die einzigen drei Tage, wo sie keine Macht über mich hatten“, sagte sie lachend und sah Sebastian von der Seite an.

Er nickte, sah sie aber nicht an. Am liebsten hätte sie ihn gefragt, ob er sich an noch mehr erinnerte, aber sie sah ihm an, dass er mit den Gedanken ganz woanders und viel zu weit weg war.

 

„Drei Tage...“, entwich es ihm leise. „Nur drei Tage.“

Sebastian sah kurz zu ihr hinüber, sagte dann aber nichts weiter und blickte wieder in den Sternenhimmel.

„Was ist, wenn du ausziehst?“ Seine Stimme durchdrang nach einigen Momenten die Stille. „Du kannst doch mit einer deiner Freundinnen eine Wohngemeinschaft aufmachen. Dann wärst du zumindest schon einmal deine Eltern los und kannst machen, was du willst.“

Manchmal wünschte er sich, dass er mit seiner Mutter weggegangen wäre und doch hinderte ihn irgendetwas daran. Allerdings wusste er bis heute nicht, was ihn davon abhielt.

„Aber… Davon abgesehen… Wollen wir noch etwas durch die Gegend fahren und vielleicht finden wir noch eine Bar, wo wir noch etwas bleiben können?“

 

Elena zuckte mit den Schultern und dachte kurz über seinen Vorschlag nach, mit ihren Freundinnen zusammenzuziehen. Die Einzige, die dafür in Frage kam, war Sarah, aber sie würde nie bei ihrer Mutter und deren neuen Ehemann ausziehen. Seufzend setzte sie sich auf und betrachtete Sebastian von der Seite. Am liebsten wäre sie noch mit ihm ausgegangen, aber dann wäre sie nicht pünktlich zu Hause und hätte sicher bis zu ihrem 21. Lebensjahr Hausarrest.

Elena fischte ihr Handy, welches gerade vibrierte, aus der Hosentasche. Ihre beste Freundin war am anderen Ende der Leitung, aber Elena verstand kaum ein Wort.

„Hallo? Sarah?“

Im Hintergrund dröhnte laute Musik durch den Lautsprecher ihres Handys.

„Heeeey, Süüüüüüßeeee“, sagte Sarah gedehnt.

Elena hörte sofort, dass sie getrunken hatte.

„Los, schwinge deinen Arsch zur Party bei Mike. Du brauchst Spaß!“

Sebastian hatte sich mittlerweile aufgesetzt und sah sie nun aufmerksam an. Elena verdrehte die Augen.

„Tut mir leid, Sarah. Ich muss um 22 Uhr zu Hause sein.“

Sie seufzte, als Sarah am anderen Ende noch irgendwas sagte, dann legten sie auf. Elena sah Sebastian entschuldigend an, denn der letzte Satz war auch an ihn gerichtet.

 

„Dann werde ich dich rechtzeitig nach Hause bringen“, sagte Sebastian und sah auf sein Handy, um die genaue Uhrzeit herauszufinden.

Es war noch ungefähr eine Stunde, bis Elena wieder zu Hause sein musste. Er stand auf und ging zu seinem Motorrad.

„Von wann bis wann musst du morgen auf deinen Bruder aufpassen?“

Sebastian hatte eine kleine Hoffnung, am nächsten Tag vielleicht doch noch einmal etwas mit Elena zu unternehmen. Vielleicht bestand die Möglichkeit am Abend noch etwas mit ihr zu machen.

„Komm, wir fahren noch etwas herum, bevor du wieder zurück musst...“

Es war für seinen Geschmack noch viel zu früh, um wieder nach Hause zu gehen. Allerdings wusste er noch nicht, was er mit dem angefangenen Abend machen sollte.

 

Elena lächelte, als sie auf die Beine kam.

„Meine Eltern müssen morgen morgen Abend halb sieben los und ich denke, sie werden erst spät nachts zurückkommen.“

Sie zuckte mit den Schultern und ging auf das Motorrad zu. Nachdem sie sich wieder hinter ihm auf das Fahrzeug gesetzt hatte, presste sie sich fest an ihn. Dieser junge Mann, der sich durch den Abendverkehr der Stadt schlängelte, war schon immer ihr bester und auch einziger Freund gewesen. Bei ihm fühlte sie sich geborgen. Er war immer für sie da, und dass seitdem sie denken konnte.

Mittlerweile hatten sich ihre Interessen verändert, aber dennoch verbrachten sie so viel Zeit wie möglich miteinander. Und mit niemandem sonst wäre sie lieber unterwegs, als mit ihm.

Selig schmiegte Elena sich an Sebastians Rücken, soweit es ihr Helm zuließ, und beobachtete die vorbeirauschenden Lichter der Stadt.

Eine Weile hatten sie kein bestimmtes Ziel. Sebastian fuhr einfach so durch die Gegend. Elena hatte ihre kalten Hände in die Taschen seiner Lederjacke geschoben. Immer wieder spürte sie, wie es vibrierte, aber er schien es gar nicht zu bemerken. Sie ertappte sich dabei, sich zu fragen, ob er womöglich doch noch mit jemand anderes verabredet war. Was sollte sie auch anderes erwarten?

Immerhin war sie es ja, die mit 18 nicht länger als bis zehn Uhr ausbleiben durfte, und das an einem Wochenende. Sie spürte die Wut gegenüber ihren Eltern in sich aufsteigen. Was bildeten sie sich eigentlich ein, ihr solche Vorschriften zu machen? Elena hatte nie Anlass zur Sorge gegeben, sie hatte nie rebelliert.

Wahrscheinlich sollte ich das mal machen, dachte sie grimmig.

 

Allerdings bemerkte Sebastian sehr wohl, dass sein Telefon in der Lederjacke vibrierte. Er ignorierte es dennoch. Im Moment konzentrierte er sich auf den Verkehr, der sich vor ihm auftat.

„Soll ich dich abholen, wenn deine Eltern wieder da sind?“, fragte er, als sie an einer Ampel stehen bleiben mussten. „Wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm.“

Am Vormittag und am Nachmittag konnte er sich seinem Motorrad widmen. Er hatte es in den letzten Tagen und Wochen vernachlässigt. Seine Maschine hatte zu viel mitgemacht und jetzt musste er es wieder gut machen. Ab und zu musste man auch eine Gegenleistung bringen.

Genau 21.59 Uhr brachte er das Motorrad vor dem Haus von Elenas Eltern zum Stillstand und nahm seinen Helm vom Kopf. Er schaltete den Motor ab und ließ Elena absteigen.

„Wir werden uns wieder sehen“, lächelte er ihr entgegen. „Ich habe dich noch rechtzeitig zurückgebracht. Deine Mutter kann also nichts sagen.“

Und genau in diesem Moment öffnete sie auch schon die Tür und sah ungeduldig zu Elena. Sie stemmte die Hände in die Hüften und tippte mit dem Fuß ebenso ungeduldig auf den Boden. Diese Geste ließ Sebastian nur breit lächeln.

„Behalte den Helm erst einmal. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass du mich begleiten wirst.“

 

Elena lächelte ebenfalls breit und wandte sich zum Gehen um. Als sie den Gesichtsausdruck ihrer Mutter sah, überkam es sie plötzlich. Sie drehte sich zu Sebastian, rannte auf ihn zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie hörte ihre Mutter erschrocken nach Luft schnappen. Mit einem schüchternen Lächeln drehte sie sich von ihm weg und lief ins Haus, wo sie direkt in ihr Zimmer ging. Mit einem leisen Knall fiel ihre Tür ins Schloss und sie warf sich auf ihr Bett. Sicher würde ihre Mutter sofort hier oben sein, also bereitete sie sich mental auf die Auseinandersetzung vor.

Elena zählte bis 254, dann schwang die Tür auf und ihre Mutter baute sich bedrohlich in ihrem Zimmer auf.

„Was um alles in der Welt denkst du eigentlich, was du da eben getan hast?“, fauchte sie, während Elena sich aufsetzte und mit den Schultern zuckte. „Bist du jetzt zur Schlampe geworden?“

Ihre Mutter spuckte die Wörter förmlich aus.

„Bitte...“, flüsterte Elena beschwichtigend.

„Du rennst mitten in der Nacht davon, bist mit diesem Streuner unterwegs. Fährst auf seinem Motorrad? Und küsst ihn dann auch noch?! Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Was sollen die Nachbarn denn denken?“

Mrs. Cardens Tirade nahm kein Ende und Elenas Wut übernahm die Kontrolle über ihr Denken. Sie sprang auf und ballte die Fäuste.

„Verdammt, halt die Klappe!“, schrie sie. „DU hast doch keine Ahnung von meinem Leben! Seit Jahren reiße ich mir hier den Arsch auf und bin eine gute Schülerin. Tue alles, was ihr von mir verlangt. In der Hoffnung, dass ihr mir ein paar Freiheiten lasst! Ich bin 18! In einem halben Jahr beende ich die Schule und gehe aufs College, für das ich nebenbei gesagt ein Vollstipendium bekommen habe. Und was macht ihr? Ihr schließt mich hier ein, als wäre ich ein kleines Kind.“

Sie holte tief Luft, während sie ihrer Mutter ins fassungslose Gesicht starrte.

„Weißt du was? Damit ist Schluss… Mir reicht es! Mir egal, was du sagst… Ich werde jetzt gehen“, sagte Elena und nahm ihre Tasche vom Boden.

Ihre Mutter tauchte plötzlich auf. Elena versuchte gerade aus der Tür hinaus zu schlüpfen, aber Mrs. Carden schaffte es, sie am Arm zu ergreifen. Mit einem Ruck riss sich ihre Tochter los und stürzte zur Tür hinaus in die Nacht.

Erst einige Straßen weiter kam Elena endlich zum Stehen. Unschlüssig, was sie als Nächstes tun sollte, starrte sie in die Dunkelheit. „Kannst du mich abholen?“ schrieb sie nervös an Sebastian. Vielleicht schlief er ja schon.

Unruhig lief sie durch die dunklen Gassen ihrer Nachbarschaft. Ihr genaues Ziel kannte sie noch nicht. Plötzlich hörte sie ihren Klingelton und sie beeilte sich den Anruf entgegen zu nehmen.

„Gott, Sebastian endlich“, rief Elena ins Telefon.

Bastian seufzte am anderen Ende der Leitung.

„Entschuldige, ich bin gerade erst zu Hause rein. Was gibt es denn?“, fragte er und sie konnte sich bildlich vorstellen, wie er sich mit der Hand durch das weißblonde Haar fuhr.

Während sie telefonierten, lief Elena immer weiter, bis sie die Lichter des angrenzenden Stadtteils vor sich aufblinken sah.

„Ich bin in der 74. Straße, Ecke Maple Street. Kannst du mich abholen?“

Wieder sah sie seinen Gesichtsausdruck vor sich und musste bei dem Gedanken daran lächeln.

„Na klar, bleib einfach, wo du bist. Ich bin sofort unterwegs“, sagte er und legte auf.
 

04


 

Sebastian ging gerade wieder aus der Tür heraus, als ihm klar wurde, dass sein Motorrad kein Benzin mehr im Tank hatte. Er musste also das Auto von seinem Vater nehmen, um Elena abzuholen.

Also drehte er auf dem Absatz wieder um und lief zum Wohnzimmer. Dort sah er den Schlüssel bereits auf dem Tisch liegen und sah durch die Dunkelheit nach, ob sein Vater irgendwo zu sehen war. Mit schnellen Schritten überwand er die Distanz und nahm sich den Schlüssel, noch bevor sein Vater etwas sagen konnte.

Er lief erneut zur Haustür heraus und stieg in den Wagen, der in der Einfahrt stand. Es war ein sportliches Auto, welches er gern durch die Stadt fuhr und er gab damit auch leidenschaftlich gern an.

Als er in die besagte Straße einbog, sah er die Braunhaarige schon von weitem und blieb direkt neben ihr stehen. Er ließ das Fenster auf der Beifahrerseite herunter und beugte sich über die Mittelkonsole, um durch dieses zu sprechen.

„Ich habe gehört, Sie suchen eine Mitfahrgelegenheit“, grinste er seine Freundin an und wartete darauf, dass sie in den Wagen stieg.

Doch er fragte nicht nach, wohin er fahren sollte, sondern entschied sich dazu, einfach los zu fahren und nur wenige Minuten später, parkte er das Fahrzeug vor einem Haus, aus dem lautstark Musik dröhnte.

„Komm, wir lenken dich erst einmal ab. Du musst auf andere Gedanken kommen“, grinste er ihr entgegen und schaltete den Motor ab. „Lass dich nicht von deiner Mutter ärgern.“

Er stieg aus und ging um das Auto herum, um Elena die Autotür zu öffnen. Als sie ausgestiegen war, ging er mit ihr zur Tür. Dort angekommen klingelte er und wartete darauf, dass die Tür geöffnet wurde und als dies auch geschah, sah er Mike vor sich stehen, der diese Party veranstaltete.

„Hey“, sagte er zur Begrüßung. „Kommt doch rein. Ich wusste, dass du hier auftauchen wirst.“

 

Elena war froh, dass Sebastian sie hier her gefahren hatte. Er hatte recht, sie brauchte dringend Spaß, und wo ging das besser als auf einer High School-Party? Normalerweise war sie nicht so der Party-Mensch, aber wenn es sie von ihren Problemen ablenkte, war es eine willkommene Abwechslung.

Sie ging an Sebastian und Mike vorbei und blieb wie angewurzelt stehen. Die Musik war ohrenbetäubend laut und das gesamte Haus wirkte verqualmt. Leise Panik beschlich Elena und sie sah sich Hilfe suchend nach Sebastian um, der immer noch mit Mike an der Tür sprach.

Als sich ihre Blicke trafen, lächelte er ihr aufmunternd zu. Schon von weitem konnte sie ihre beste Freundin auf dem Tisch tanzen sehen. Sarah trug ein schwarzes Minikleid und Netzstrümpfe. Sie kicherte und schwenkte ihren roten Plastikbecher in der Hand. Als Elena näher an den Tisch getreten war, entdeckte Sarah sie und sprang etwas unelegant vom Küchentisch. Sie begrüßten sich mit einer wilden Umarmung, gefolgt von einem skeptischen Blick auf Elenas Kleidung. Kopfschüttelnd zog Sarah sie hinter sich her ins Badezimmer.

„Ich dachte, du musstest um zehn Uhr zu Hause sein?“, fragte Sarah und reichte Elena einen Kajal, den sie im Bad gefunden hatte.

„Ja, ich bin abgehauen. Kann ich heute bei dir schlafen?“, fragte Elena, während sie sich den Lidstrich nachzog.

Sarah saß auf dem Badewannenrand und trank aus ihrem Becher.

„Ja, na klar. Meine Mutter und Mr. Arschgesicht sind sowieso nicht da.“

Sie lächelte über ihre Bemerkung, aber Elena verdrehte nur die Augen und dankte ihr.

„So, dann stell ich dir mal eben alle vor“, rief Sarah überschwänglich, als sie wieder aus dem Bad gekommen waren.

Sie sah sich um, als suchte sie nach jemandem. Elena folgte ihrem Blick. Eigentlich kannte sie doch alle ihre Mitschüler.

„Siehst du den blonden Typen da hinten?“, fragte Sarah und zeigte ziemlich deutlich auf denjenigen, den sie gemeint hatte.

Sie wartete aber gar nicht auf Elenas Antwort, sondern plapperte einfach fröhlich weiter.

„Das ist Jake. Er ist neu in der Stadt, geht in unsere Klasse und kommt aus New York. Sein Vater wurde hierher versetzt. Bis jetzt sieht es aber so aus, als würde er jedem Mädchen einen Korb geben.“

Elena konnte die Bestürzung in der Stimme ihrer besten Freundin hören. Sie betrachtete den neuen Jungen aus der Ferne. Um ihn herum hatte sich eine kleine Traube Mädchen gebildet, die ihn mit irgendwelchen Fragen löcherten. Natürlich sah er gut aus, aber sah das nicht jeder neue Junge?

Er wirkte sportlich, sicher würde er ins Footballteam kommen, dann eine hübsche Cheerleaderin treffen und sie irgendwann heiraten, schwängern und sich dann selbst umbringen, weil er merkte, dass er doch die ganze Zeit schwul war.

Elena kicherte bei dem Gedanken daran. Gerade in dem Moment tauchte Sebastian neben ihr auf und reichte ihr einen roten Plastikbecher mit Bier. Er sah sie fragend an, aber sie winkte nur ab.

 

Sebastian zuckte mit den Schultern, als würde es ihn nicht weiter interessieren und nippte an seinem Getränk, welches Elena nicht wollte. Er sah in die Richtung, in die Sarah noch immer zeigte und musste kurz grinsen. Hatte sie etwa ein neues Opfer gefunden, über das sie stundenlang reden konnte, ohne auch nur eine kleine Pause zu machen? Als er Jake ansah, sah dieser genau im selben Augenblick in die Richtung der jungen Frauen. Auf seinen Lippen breitete sich ein strahlendes Lächeln aus und er kam auf die beiden zu.

Jake interessierte es gar nicht, dass Sebastian noch neben ihnen stand, als er das Wort an Elena richtete: „Dich kenne ich noch gar nicht. Wie heißt du?“

Elena blinzelte ihm nur entgegen, als Sarah das Wort ergriff. Sie trat sogar noch einen Schritt vor ihre Freundin, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Mein Name ist Sarah und das ist Elena“, trällerte sie fröhlich. „Ich habe gehört, dein Name ist Jake… Die Kurzform von Jacob? Ich liebe es ja, wenn jemand Jacob heißt.“

Sie tat so, als würde es ihr peinlich sein und sie müsste sich dafür schämen. Gespielt sah sie zur Seite, nur um wenige Sekunden später wieder in die Augen von Jake zu blicken.

„Außerdem bin ich gerade Single...“, zwinkerte sie ihm zu. „Vielleicht hast du Lust…?“

Doch Jake schob sie einfach nur zur Seite und stellte sich genau vor Elena.

„Was sagtest du, wie ist dein Name?“, erkundigte er sich bei Elena.

Zwar wusste er diesen durch Sarah schon, aber es war ihm egal.

„Ich möchte gerne wissen, wie mein Gesprächspartner heißt.“

Auf seinen Lippen lag noch immer ein breites Lächeln und am liebsten hätte Sebastian es ihm aus dem Gesicht geprügelt. Aber da Elena dabei war, ging es schlecht und so versuchte er seine Gedanken auf einen anderen Punkt zu lenken. Doch egal was er tat, am Ende tauchte Elena immer wieder vor seinem inneren Auge auf.

 

Elena sah ihn mit ihrem süßesten Lächeln an.

„Ich heiße Elena, meine Freunde nennen mich aber Elle“, sagte sie und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

Sein Lächeln war wirklich umwerfend. In seinen Mundwinkeln hatten sich kleine Grübchen gebildet, die Elena sofort schwach werden ließen. Neben sich hörte sie ein amüsiertes Schnauben, aber sie achtete gar nicht darauf.

„Also, du bist neu hier?“, fragte sie unschuldig und der hübsche Fremde nickte.

Dann begann er ihr von New York zu erzählen, von dem Wetter, dem Central Park und vielen weiteren unwichtigen Sachen, die sie eigentlich gar nicht wissen wollte. Ja, er sah gut aus, aber ungefähr genauso langweilig war er auch, nur war Elena zu höflich, dies offen zuzugeben. Sie nickte freundlich, stellte ein paar belanglose Fragen und gab ihm weiterhin das Gefühl, sie würde sich dafür interessieren, was er ihr erzählte.

Während des Gesprächs, war Sebastian hinter Jake getreten und hatte damit begonnen Grimassen zu schneiden. Elena verkniff sich ein Grinsen und schüttelte leicht den Kopf. Als Jake sie verwirrt ansah und sich umdrehen wollte, griff sie nach seinem Arm, um ihn davon abzuhalten.

„Das ist wirklich wahnsinnig spannend“, sagte sie zuckersüß und schüttelte weiter den Kopf, als könnte sie gar nicht glauben, was er da sagte.

Sie sah zu ihrem leeren Becher, den sie von irgendwoher bekommen hatte.

„Wie wäre es, holst du mir noch eine Cola?“

Sie klimperte übertrieben mit den Wimpern und schon war er verschwunden. Sebastian verkniff sich ein Lächeln, aber Elena verdrehte nur genervt die Augen.

Sie sah auf ihr Handy. Es waren sieben entgangene Anrufe auf dem Display zu erkennen.

„Ich muss meinen Vater anrufen“, sagte sie seufzend.

Mit schnellen Schritten durchquerte sie die Küche und ging hinaus in den Garten, dicht gefolgt von ihrem besten Freund. Nervös wählte sie die Nummer ihres Vaters, der nach zwei Freizeichen dran ging.

„Hey, hier ist Elena.“

Sie hörte ihren Vater am anderen Ende seufzen.

„Was hat sie gemacht?“, fragte er genervt.

Elena wunderte sich über den Tonfall ihres Vaters, aber anscheinend war er es mittlerweile auch nicht mehr anders gewohnt.

„Lange Geschichte, aber mir geht es gut. Sebastian hat mich abgeholt und ich schlafe heute bei Sarah“, sagte sie und sah dabei in den Himmel.

Wieder hörte sie ihn seufzen.

„Ok, mein Schatz. Aber melde dich bitte morgen bei mir. Ich werde mit ihr reden. Ich hab dich lieb“, sagte er und sie konnte sein Lächeln hören.

Sie beendete das Gespräch. In dem Moment bemerkte sie, dass Sebastian sie die ganze Zeit beobachtet hatte.

 

„Was hat dein Vater gesagt?“, erkundigte sich Sebastian bei Elena.

Nachdem er sich ein neues Getränk organisiert hatte, war er hinter ihr her gegangen und hatte sie beim Telefonat beobachtet. Doch es gefiel ihm nicht, dass sie Interesse an Jake zeigte. Allerdings war er sich nicht sicher, ob es wirklich so war, obwohl sie ihm entgegen gelächelt hatte.

Er hatte ihr ebenfalls entgegen gelächelt und war ihr sichtlich zugetan. Man konnte ihm glatt ansehen, dass er Elena nicht von der Bettkante stoßen würde. Wahrscheinlich würde er sie eher ins Bett ziehen, als dass sie etwas dazu zu sagen hatte.

Sarah war den beiden ebenfalls in den Garten gefolgt.

„Was macht ihr denn hier?“, erkundigte sie sich und umarmte den jungen Mann, der sie schief ansah. „Wieso lasst ihr mich außen vor?“

„Lassen wir nicht. Ich bin Elena nur hinterher gegangen, weil sie so lange weg war“, erklärte Sebastian.

Als die Worte seine Lippen verlassen hatten, nahm er einen großen Schluck aus seinem Trinkbecher und genoss das Gefühl, welches die alkoholhaltige Flüssigkeit in seinem Inneren auslöste. Sein Körper lockerte sich von seinen Gedanken und diese einzelnen Fetzen entwichen ihm, so dass er sich langsam frei fühlte.

„Wir sollten wieder rein gehen“, sagte Sarah weiter. „Es ist langsam ziemlich kühl...“

Sie klammerte sich noch mehr an Sebastians Arm, um bei ihm nach einer Wärmequelle zu suchen. Doch er schob sie von sich und wich einige Schritte zurück.

„Aber ja, lass uns wieder reingehen“, sagte Elena und rieb sich die Arme, da ihr ebenfalls kalt wurde.

Sebastian hingegen merkte die Kälte schon gar nicht mehr, da der Alkohol seinen Rest dazu beitrug, dass er die niedrige Temperatur nicht mehr spürte. Er nahm noch einen weiteren Schluck von seinem Bier, ehe er sich den beiden Frauen anschloss, wieder ins Haus zu gehen.
 

05


 

Elena grinste Sebastian von der Seite an, als sie im Haus angekommen waren. Ihm fiel es vielleicht nicht auf, aber sie wusste ganz genau, was Sarah für ihn empfand. Sarah aber bemerkte Elenas Blick nicht und begann vor sich hin zu plappern.

„Also, morgen steigt da diese Poolparty bei Holly. Du weißt schon, Holly aus der Unterstufe. Sie wird 16, hat aber haufenweise Alkohol da, ihre Eltern haben ohne Ende Kohle für die Party rausgeschmissen. Wusstest du, dass sie einen überdachten Pool haben? Und da du ja bei mir schläfst werden wir hingehen. Wir waren diesen Sommer nicht einmal schwimmen, also kannst du gar nicht nein sagen“, sagte Sarah mit unangenehm aufgeregter Stimme.

Elena zuckte mit den Schultern. Eigentlich wollte sie nicht auf noch eine Party, aber Sarah hatte recht, diesen Sommer hatte sie sie wirklich vernachlässigt.

„Also gut, aber ich muss mir von zu Hause meinen Badeanzug holen“, gab sie am Ende doch nach.

Bei dem Gedanken an ihr Zuhause zuckte sie unwillkürlich zusammen. Sowohl Sarah als auch Sebastian sahen sie mitleidig an.

„Quatsch, wir gehen vorher einfach shoppen! Die Party fängt 16 Uhr an, davor haben wir noch genug Zeit. Mr. Arschgesicht hat mir doch eine Kreditkarte geschenkt, um sich bei mir einzuschleimen. Ich kenne keinen besseren Grund, als sie zu benutzen, als dir etwas Gutes zu tun.“

Vor Freude hüpfte Sarah auf und ab. Elena konnte gar nicht anders, als sich mit ihr zu freuen.

Von weitem hörte sie ihren Namen, und als sie sich umdrehte, sah sie Jake in der Menge auf sie zu gehen. Hilfesuchend sah sie zu Sebastian, der sie aber gar nicht beachtete. Sie wollte nicht noch ein Gespräch mit diesem Typen führen.

In Ermangelung eines besseren Einfalls, lehnte sie ihren Kopf an Sebastians Brust und umarmte ihn fest. Sie tat so, als wäre ihr schwindelig und hoffte, dass er sie nicht weiter belästigte.

 

Augenblicklich legte Sebastian eine Hand auf den Rücken von Elena, um sie festzuhalten. Natürlich wusste er, was sie damit bezweckte und spielte bei diesem Schauspiel mit.

„Ich bring dich nach Hause“, sagte er so laut, dass Jake es mitbekam.

Dieser sah fast schon besorgt zu Elena, nickte dann aber kurz und drehte sich auf dem Absatz wieder um.

Sebastian sah zu Sarah, die die beiden nur beobachtete.

„Geht es dir nicht gut?“, erkundigte sie sich. „Ist alles in Ordnung?“

„Ich sollte euch noch nach Hause bringen, bevor ich gar nicht mehr klar denken kann. Außerdem ist es schon ziemlich spät“, meinte Sebastian und lenkte somit von dem Gespräch ab, was Sarah anfangen wollte.

Außerdem hatte das Gerede, welches Jake von sich gegeben hatte, eine ganze Weile in Anspruch genommen und somit war einige Zeit verstrichen.

 

Elena nickte schwach an Sebastians Brust, während er sie langsam zur Tür führte. Sie lächelte Jake beim Gehen entschuldigend zu, aber sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht ganz deuten. Sie wollte nichts von ihm, aber trotzdem fand sie es schrecklich, sich so aufführen zu müssen, um seine Gefühle nicht zu verletzen. Sarah lief schmollend hinter den beiden her. Sebastians Abfuhr schien ihr ganz schön zu zusetzen.

„Also, wo geht es hin?“ fragte Sebastian, als sie im Auto seines Vaters saßen.

Elena sog den Geruch im Inneren des Wagens ein. Es roch nach einer merkwürdigen Mischung aus Minze und Lakritz. Als der Fahrer dies bemerkte, ließ er schnell das Fenster hinunter und steuerte den Wagen durch die leeren Straßen der Stadt in die Richtung, die Sarah beschrieben hatte.

Vor einer großen Villa blieb er stehen und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. Elena lächelte ihren besten Freund schief an.

„Anders als unsere Bruchbuden, nicht wahr?“

Sarah verdrehte die Augen und stieg genervt aus. Elena und Sebastian folgten ihr in einigem Abstand. Während sie das Haus betraten, sagte keiner ein Wort. Elena war schon einige Male hier gewesen, aber immer noch schüchterte sie der Luxus ein.

Sie sah im Wohnzimmer auf die Uhr, welche über dem überdimensional großen Kamin hing. 3.15 Uhr. Seufzend ließ sie sich auf eins der Ledersofas fallen. Sebastian setzte sich dicht neben sie, sehr zu Sarahs Missfallen.

„Also, kommst du morgen auch zu Hollys Party?“, fragte Sarah etwas zu kratzbürstig.

Ihr Blick löste Unbehagen in Elena aus, so dass sie einige Zentimeter von ihrem besten Freund wegrutschte. Es war lächerlich, immerhin waren sie seit dreizehn Jahren Freunde. Aber sie wollte ihre einzige Freundin nicht reizen, schon allein aus Dankbarkeit dafür, dass sie heute Nacht hier schlafen konnte.

„Das wird sicher lustig“, fügte Elena hinzu und lächelte Sebastian auffordernd an.

 

Sebastian zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.

„Mal sehen“, antwortete er der jungen Frau.

Ihm war der Unterton nicht entfallen und es gefiel ihm gar nicht, dass sie diesen Ton in der Stimme hatte.

„Was auch immer dein Problem ist, ich kann nichts dafür“, fügte er noch hinzu. „Ich werde jetzt besser gehen, bevor die Stimmung weiter sinkt.“

Mit diesen Worten stand er auf und sah noch einmal zu seiner jahrelangen Freundin, lächelte ihr für wenige Augenblicke zu und machte sich dann auf den Weg zu seinem Wagen, der vor der Villa stand.

Erst einmal musste er seinem Vater wahrscheinlich erklären, wo er so lange gewesen war und wieso er den Wagen ohne Erlaubnis genommen hatte. Auf diese Predigt hatte er jetzt schon keine Lust und seufzte deswegen lautlos.

Er verließ das Haus und stieg in den Wagen. Als er den Motor startete, schaltete er die Musik an und ließ gewaltige Bässe aus den Boxen dröhnen. Er wollte nicht weiter nachdenken und das Vibrieren des Autos würde ihm dabei mit Sicherheit helfen.

Als er bei seinem Haus ankam, stellte er den Wagen ab und atmete noch einmal tief durch. Seine Füße brachten ihn schnell zum Eingang, wo er die Tür versuchte so leise wie möglich aufzuschließen, um seinen Vater nicht zu wecken, sollte er schon schlafen. Doch es war ihm misslungen, denn sein Erzeuger stand hinter der Tür und hatte die Arme verschränkt.

„Wo warst du?“, presste dieser sauer hervor.

„I-Ich …“, sah Sebastian zu Boden.

Wenn es eine Sache gab, die er nicht mochte, dann war es die Tatsache, dass sein Vater ihn einschüchterte und er sogar Angst vor ihm hatte. In diesem Augenblick hatte er das Gefühl, dass, egal was er sagte, seinem Vater die Hand ausrutschen würde.

„Ich war bei ein paar Freunden. Wir haben zusammen Video-Games gespielt“, sagte Sebastian weiter und hoffte, dass sein Vater mit dieser Aussage zufrieden war.

„Wieso bist du mit dem Auto gefahren? Und verdammt noch mal, du riechst nach Alkohol!“, rief der ältere Mann aus und man sah deutlich, wie sich seine Wangenmuskulatur anspannte. „Du wirst nicht noch einmal ohne meine Erlaubnis das Auto nehmen. Du hast dein Motorrad! Es war schließlich teuer genug, als dass es einfach nur herum steht!“

Sebastian wollte noch etwas sagen, aber er ließ es lieber sein. Immer, wenn sein Vater wütend war, fühlte er sich wie ein kleines Kind, was Unfug angestellt hatte und nun ausgeschimpft wurde. Doch dabei war er doch schon achtzehn und somit, laut dem Gesetz, fast volljährig.

„Geh auf dein Zimmer! Wir reden nachher weiter“, ließ der Vater keine weitere Widerrede zu und sah seinem Sohn hinterher, wie er die wenigen Treppenstufen hinauf stieg und in seinem Zimmer verschwand.

Dort angekommen ließ sich Sebastian auf sein Bett fallen und starrte stur an die Zimmerdecke. Hätte er seinem Vater sagen sollen, dass er noch einmal mit dem Wagen fahren musste, um noch einmal zur Tankstelle zu kommen? Schließlich wollte er sein Motorrad nicht bis dorthin schieben. Aber da er den Schlüssel noch bei sich trug, konnte er am Nachmittag diesen Weg erledigen, wenn sein Vater wieder einmal stundenlang vor dem Fernseher saß und irgendwelche Sportsendungen ansah.

Doch jetzt würde er erst einmal versuchen zu schlafen. Seine Augen fingen langsam an zu brennen und dieses Gefühl nervte ihn jetzt schon. Er schlüpfte aus seiner Kleidung und legte sich unter die dünnen Laken seiner Decke. Dieses Gefühl, des kalten Stoffes, ließ einen wohligen Schauer über seinen Körper gleiten.

Es dauerte einige Zeit, bis er ins Reich der Träume gewandelt war. Doch, das, was er träumte, war nicht gerade angenehm...
 

06


 

„Was sollte das?“, fragte Elena, als sie hörte, wie Sebastian mit lautem Getöse davon fuhr.

Sarah zuckte mit den Schultern und warf sich auf das Sofa, welches Elena gegenüberstand.

„Keine Ahnung. Ich glaube, der Alkohol hat aus mir gesprochen. Tut mir leid, sicher hält er mich jetzt für eine riesige Zicke.“

Sie seufzte auf und hielt sich ihren Arm vor das Gesicht. Elena schüttelte belustigt den Kopf.

„Naja, vielleicht solltest du einen Gang zurückschalten. Er kann Aufdringlichkeit nicht leiden. Du musst da sein, aber irgendwie auch nicht“, sagte sie und lehnte sich zurück.

Die beiden unterhielten sich noch einige Stunden, bis sie schließlich zu Bett gingen. Eine Weile lang starrte Elena an die Decke von Sarahs Zimmer. Der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Als es ihr dann endlich gelang einzuschlafen, träumte sie von langweiligen Typen, die sie von ihrem besten Freund fernhielten.

 

Am nächsten Morgen wachte Elena durch ein lautes Geräusch neben ihrem Kopf auf. Erschrocken fuhr sie hoch und sah sich im Zimmer um. Sarah stand schuldbewusst neben dem Bett und lächelte entschuldigend.

„Gott, wie spät ist es?“, fragte Elena stöhnend und ließ sich ins Kissen zurückfallen.

Sarah sah auf den Wecker neben ihrem Bett.

„9.30 Uhr. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken. Meine Mutter ist gerade nach Hause gekommen und ich hab ihr Armband gesucht.“

Abrupt setzte sich Elena wieder auf

„Deine Mutter?“, fragte Elena und rieb sich müde über die Augen.

Ohne eine Antwort abzuwarten sprang sie aus dem Bett und stieg in eine Jogginghose, die Sarah ihr hingelegt hatte. Sie bändigte ihre wilden Locken mit einem Haargummi und sprang dann die Treppe hinab und in die Küche, wo Mrs. Channing schon wartete.

Sie lächelte breit, als sie Elena sah und nahm sie leicht in die Arme.

„Na, Süße. Was hat deine Mutter diesmal gemacht?“

Es war eine rhetorische Frage, also brauchte Elena nicht zu antworten. Sie setzte sich neben Sarah an den Küchentresen und lauschte den Erzählungen von Mrs. Channing. Sie war mittlerweile zum dritten Mal verheiratet, aber diesmal schien sie wirklich glücklich zu sein.

„Und, wie lange bleibst du diesmal hier?“, fragte Sarahs Mutter und rührte in ihrem Kaffee.

Elena zuckte mit den Schultern.

„Ich denke bis morgen, wenn es okay ist“, sagte sie nervös.

Sie wollte noch nicht nach Hause. Aber sie konnte auch nicht ewig hier bleiben. Mrs. Channing lächelte sie aufmunternd an.

„Du bleibst, solange es nötig ist“, antwortete sie und stand auf.

Nach dem Frühstück machten Sarah und Elena sich auf den Weg in die Innenstadt und besorgten sich ein paar neue Kleidungsstücke.

 

Am späten Vormittag kroch Sebastian aus dem Bett und lief ins Bad. Er zog seine restliche Kleidung aus und stellte sich unter die Dusche. Das heiße Wasser hinterließ einen wohligen Schauer auf seinem Körper.

Nachdem er wieder aus der Dusche stieg und sich mit einem Handtuch abtrocknete, lief er zurück in sein Zimmer und holte aus seinem Schrank neue Kleidung. In diese schlüpfte er rasch und legte sich das Handtuch über die Schultern, damit sein Shirt von den Haaren nicht nass wurde. Er ging weiter in die Küche und sah in den Kühlschrank. Doch er fand nichts, dass seinen Hunger stillen würde. Ihm entwich ein genervtes Seufzen.

Er trocknete sich die Haare fertig ab und entschied sich dafür, mit dem Wagen seines Vaters zur Tankstelle zu fahren, Benzin für sein Motorrad und ein Baguette zu holen. Das Benzin würde den Durst seines Bikes stillen und das Brötchen seinen Hunger. Er versicherte sich, dass sein Vater nicht zu Hause war und er keinen Ärger bekommen konnte.

Nachdem er seinen Weg erledigt hatte, sah er auf die Uhr und stellte fest, dass in ein paar Stunden die Party bei Holly begann.

Allerdings war er sich noch nicht sicher, ob er wirklich zu dieser Party gehen würde. Nachdem, was sich Sarah geleistet hatte mit ihrer zickigen Art, hatte Sebastian eigentlich keine Lust darauf, sie in der nächsten Zeit wieder zu sehen. Es reichte ihm schon, dass sie ebenfalls in seiner Klasse war. Erneut entwich ihm ein lautloses Seufzen.

Doch am Abend entschied er sich, doch zur Party zu gehen, da er keine Lust mehr hatte, nur zu Hause zu sitzen. Er nahm sein Motorrad, seine Lederjacke und seinen Helm. Diesen setzte er auf und stieg auf sein Bike, um zu Holly zu fahren. Dort angekommen stellte er sein Motorrad ab und ging mit seinem Helm unter dem Arm und seinem Rucksack auf dem Rücken zum Hauseingang. In seinem Rucksack hatte er eine Badehose, die er anziehen würde, wenn ihm danach war, ebenfalls in den Pool zu springen. Er klingelte und wartete darauf, dass ihm die Tür geöffnet wurde.

 

Elena stand in ihrem durchsichtigen Häkelkleid neben Sarah, die sich mit Holly unterhielt. Sie fühlte sich schrecklich nackt, obwohl sie unter dem weißen Netzstoff noch einen schwarzen Bikini trug, der in der Mitte mit einem Stoffstreifen verbunden war.

Seufzend sah sie auf das Glas Sex on the Beach in ihrer Hand. Er war süß und der Alkohol war kaum zu schmecken, was ihn so gefährlich machte. Sie ließ ihren Blick durch das riesige Poolhaus schweifen. Überall standen halbnackte Jugendliche, die tranken, lachten und sich im Pool vergnügten. Ihr Blick wanderte weiter zur Tür. Dort stand Sebastian in Jeans und Lederjacke und sah etwas überfordert aus.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte sie an Sarah gewandt und lief zu ihrem besten Freund.

Als er sie entdeckte, lächelte er erleichtert und nahm sie in den Arm.

„Du bist doch gekommen“, rief sie etwas zu euphorisch.

Dämlicher Cocktail, dachte sie und grinste weiter.

Er sah sie verlegen an, als wüsste er nicht, was er sagen sollte. Mit einem verwunderten Blick musterte er sie von Kopf bis Fuß. Elena hatte sich ihre Haare zu Locken gedreht und sich passend zum Häkelkleid ein paar weiße Sandalen gekauft, bezahlt von Sarahs Stiefvater. Ihr war zwar nicht wohl bei dem Gedanken, so viel Geld für so wenig Stoff auszugeben, aber Sarah hatte recht, der alte Badeanzug sollte wirklich nie wieder aus dem Schrank kommen.

„Wo kann ich meine Sachen ablegen?“, fragte Sebastian und rieb sich mit der Hand verlegen den Nacken.

Grinsend deutete Elena auf die Umkleiden und folgte ihm dahin. Er schloss einen der Schränke auf und verstaute seine Sachen darin. Während er sich seine Badehose in den Umkleiden anzog, drehte Elena ihm den Rücken zu und sog mit hochrotem Kopf an ihrem Strohhalm.

Wenige Minuten später standen sie dann beide wieder bei Sarah, die sich Millionenmal für ihr Verhalten vom Vorabend entschuldigte. Die Gastgeberin der Party stand auf einem Podest neben dem Pool und verkündete die erste Aktivität des Abends: dem Ritterkampf im Pool. Sie forderte ihre Gäste auf, sich in Paaren zusammen zu finden.

Sowohl Elena als auch Sebastian schüttelten den Kopf. In dem Moment spürte Elena, wie ihr jemand auf die Schulter tippte. Als sie aufsah, traute sie ihren Augen kaum. Vor ihr stand Jake, der auf sie hinunter lächelte. Er sah wirklich atemberaubend gut aus in der Badehose. Sein Oberkörper war vollkommen durchtrainiert.

„Hey, ich hatte ja keine Ahnung, dass du auch hier sein würdest. Nachdem es dir ja gestern nicht so gut ging“, sagte er lächelnd.

Elena konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern.

„Mir geht es besser, danke. War gestern wohl einfach nur nicht mein Tag“, sagte sie etwas schuldbewusst.

So wie er vor ihr stand, konnte sie nicht verstehen, was sie gestern so abstoßend an ihm fand. Als er wieder lächelte, bildeten sich kleine Grübchen in seinen Mundwinkeln.

„Das freut mich. Hey, willst du vielleicht mit mir an diesem Wettbewerb teilnehmen?“, fragte er hoffnungsvoll.

Elena sah zu Sebastian, der genervt die Augen verdrehte. Sie wusste nicht so ganz, was sie antworten sollte. Der Gedanke, auf seinen Schultern zu sitzen, gefiel ihr auf keinen Fall.

 

„Ich muss dich leider enttäuschen, Jake“, begann Sebastian und sah ihn aus engen Schlitzen an. „Elena ist in meinem Team. Du kannst dich ja mit Sarah verbünden. Sie sucht bestimmt noch einen Partner.“

Sebastian zog Elena mit der Hand an ihrer Hüfte zu sich und lächelte ihr sanft entgegen. Da Elena nichts dagegen gesagt hatte, nahm er ihre Hand und die beiden liefen gemeinsam in den Pool. Dort angekommen tauchte Sebastian kurz unter das Wasser, nur um Elena auf seine Schultern setzen zu können. Er war zwischen ihre Beine hindurch getaucht. Sein Plan hatte besser funktioniert, als er es dachte. Eigentlich dachte er, dass er das Gleichgewicht nicht finden und sie einfach nach hinten umfallen würden. Sebastian kannte dieses Spiel nicht, weswegen er sich einfach überraschen ließ, was jetzt auf ihn zukam.
 

07


 

Elena grinste Sebastian von oben her an. Er war viel größer, als sie erwartet hatte. Das wirkte von unten gar nicht so. Sie hatte noch schnell ihr Kleid ausgezogen, bevor Sebastian sie in den Pool gezogen hatte, aber jetzt fühlte sie sich schrecklich nackt in ihrem Monokini. Sie war es nicht gewohnt, dass die Leute so viel von ihrer Haut sahen. Unbehaglich rutschte sie auf seinen Schultern herum und hielt sich mit den Händen an seinem feuchten Haar fest. Es fühlte sich weich unter ihren Fingern an. Gedankenverloren fuhr sie durch die einzelnen Strähnen und wartete darauf, dass sich ihre Gegner zeigten.

Gerade in dem Moment betrat Jake zusammen mit Sarah den Pool, die von einem Ohr zum anderen strahlte. Jake hob sie mit einem lasziven Blick auf seine Schultern und Elena konnte einfach nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Er sah gut aus, keine Frage, aber er war auch mindestens genauso eingebildet. Sarah schien das gar nicht zu bemerken, denn sie quietschte vor Freude. Sebastian setzte sich in Bewegung. Neben ihnen tauchte ein Junge aus ihrer Klasse auf und reichte Elena eine Poolnudel, die sie dankend annahm. Direkt vor Sarah und Jake blieb Sebastian stehen, und belustigt registrierte Elena, dass sie die beiden um einen Kopf überragten.

„Lass mich bloß nicht fallen“, raunte sie Sebastian ins Ohr.

 

Sebastian hatte gar nicht vor, Elena fallen zu lassen und hielt sie mit seinen großen Händen an den Beinen fest an seinen Oberkörper gedrückt. Er beobachtete von unten, wie Sarah breit grinste und die Schwimmnudel fest mit ihren Fingern umklammerte. Nachdem Holly das Startzeichen gegeben hatte, begann auch schon der Wettkampf und am Ende landete Sarah laut lachend im Wasser. Als sie wieder auftauchte, sah man ihr an, dass ihr Make-Up durch das Wasser ruiniert war. Sebastian wollte es nicht, aber er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Die Gewinner von diesem Wettkampf sind Elena und Sebastian“, rief Holly erfreut.

Sebastian ging wieder unter Wasser, damit Elena von seinen Schultern gleiten konnte. Nachdem er hinter ihr wieder aufgetaucht war, bemerkte er, dass er ihr eigentlich viel zu nah stand. Doch er wollte auch nicht von ihr zurückweichen. Im Gegenteil: Er hielt sie mit seinen Händen an ihren Hüften fest, so dass sie auch nicht davonlaufen konnte. Er hatte schon ein oder zwei Bier getrunken und langsam begann der Alkohol seine Gedanken zu vernebeln.

„Bleib...“, raunte Sebastian seiner langjährigen Freundin ins Ohr. „Geh nicht...“

 

Elena wusste nicht ganz, was sie machen sollte. Einerseits wollte sie weg gehen, andererseits würde sie auch liebend gern einen Schritt zurück machen. Sie stand mit dem Rücken zu ihm gewandt und sah zu Jake und Sarah hinüber. Unter Wasser konnte Sarah nicht sehen, wie Sebastians Hände sich über Elenas Hüften legten.

Verdammt, dachte Elena und machte einen Schritt zurück, bis sie seinen Körper in ihrem Rücken spürte.

Die Wärme, die von ihm ausging, war angenehm und fühlte sich wunderbar an.

Immer mehr Leute sprangen in den Pool, so dass niemand mehr einen Überblick hatte. Nun drückte sich Elena direkt an Sebastian, eigentlich mehr um einem Mitschüler auszuweichen, aber er hielt sie direkt fest umschlungen und sie konnte seinen Atem an ihrem Nacken spüren.

„Was tun wir hier?“, fragte sie durch den Dunst aus warmen Wasser und Alkohol hindurch.

Sie war noch nie wirklich betrunken gewesen, und auch jetzt hatte sie eigentlich nur einen Cocktail getrunken. Ihr wurde leicht schwindelig, als seine langen Finger über ihren Bauch streichelten.

Sie fühlte sich wohl, allerdings auch viel zu beobachtet. Und würde Sarah sehen, was sie hier tat, wäre sie sicher wahnsinnig wütend. Elena konnte nicht riskieren, ihre Freundin zu verärgern, immerhin musste sie bei ihr schlafen. Vorsichtig versuchte sie sich von Sebastian zu trennen.

 

Sebastian ließ allerdings nicht zu, dass Elena gehen konnte, denn ein weiterer Mitschüler wurde gegen sie geschubst. Somit wurde Elena noch enger an ihn gedrückt. Seine Finger glitten noch immer über die Haut von seiner Freundin. Doch dann schob er sie von sich, als das Treiben sich etwas gelichtet hat und sah verlegen zur Seite. Er durfte seinen Gedanken nicht nachgeben und sie zu überhaupt haben, war schon nicht gut. Sie war seine Freundin und das seit der Schulzeit.

Der junge Mann half Elena aus dem Pool und ging dann ohne sie zur Umkleide. Er musste hier weg. Er musste, so schnell es ihm möglich war, hier verschwinden. Sein Weg führte ihn in eine der Umkleiden, die gerade frei waren, und dort zog er sich um. Er zog sich seine Jeans wieder an, genauso sein Shirt und seine Lederjacke. Dann nahm er seinen Rucksack über die Schultern und seinen Helm in die Hand. Er lief kurz zu Holly, damit er sich verabschieden konnte.

„Wir sehen uns in der Schule“, meinte er zu ihr und lächelte ihr sanft entgegen. „Ich muss nur noch etwas erledigen.“

Dies war zwar gelogen, aber das musste Holly ja nicht wissen. Er sah noch einmal zu Elena, bevor er sich zum Gehen wandte. Doch er wusste nicht, wie er sein Verhalten erklären sollte. Kurzerhand entschied er sich, sich nicht von ihr zu verabschieden und lief einfach zur Haustür. Dort angekommen hörte er Schritte hinter sich und drehte sich noch einmal in diese Richtung. Er sah Elena, die hinter ihm hergelaufen war.
 

08


 

„Sebastian Hawkins“, rief Elena aufgebracht, als sie ihn zur Haustür gehen sah. „Was zur Hölle sollte das eben?“

Er sah sie überrascht an, denn diesen Tonfall hatte er bei ihr noch nie gehört. Der Alkohol verlieh ihr Mut.

„Warum rennst du dauernd vor allem weg? Ich meine, ich bin es nur.“

Sie sah ihn verzweifelt an. Er wusste nicht, was er sagen sollte, denn er wollte es nicht noch komplizierter machen, als ohnehin schon. Elena allerdings war wütend. Sie hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt und starrte ihn wütend an.

„Wir sind jetzt schon so lange befreundet und dann haust du einfach ab, nur weil du einmal ein bisschen mehr von mir zu sehen bekommst, als Jeans und T-Shirt.“

Sebastian sah betreten zu Boden, er wollte sie nicht ansehen, immerhin trug sie nur einen Monokini.

„13 Jahre, Sebastian. 13 Jahre und dich stört es, wenn du mich mal berührst?“

Ihre Stimme zitterte leicht. Er hatte ihre Gefühle verletzt, was an sich kein Problem war. Nur der Alkohol machte sie sensibel, weshalb seine Zurückweisung ihr doppelt so sehr zusetzte.

 

„Es stört mich nicht, dass ich dich berühre“, verteidigte sich Sebastian. „Ich habe eher Angst davor, was passiert, wenn ich dir … weiter so nah bin.“

Er sah erneut zur Seite und schluckte den heranwachsenden Kloß in seinem Hals herunter.

„Ich weiß nicht, was ich fühle und was … da gerade im Moment zwischen uns war.“

In seinem Körper machte sich ein ungutes Gefühl breit und er wusste nicht, wie er sich Elena gegenüber verhalten sollte.

„Was denkst du, war das eben zwischen uns?“

 

Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. Ja, was war das eben zwischen ihnen?

„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst. Es ist doch alles wie immer. Komm wieder mit rein… Bitte“, sagte sie mit Nachdruck und kam ein paar Schritte auf ihn zu.

Elena wollte nicht, dass er ging. Sie wollte ihn in seiner Nähe haben, schon allein deswegen, weil er sie beschützen konnte.

„Ich brauche dich hier“, flüsterte sie und nahm seine Hand, als sie direkt vor ihm stand.

Sebastians Blick ruhte auf ihr, unschlüssig was er tun sollte.

Sie zog sanft an seiner Hand, aber er machte keine Anstalten ihr zu folgen.

„Okay, ich mache dir einen Vorschlag. Du bleibst hier, und ich werde einfach ein wenig Abstand zu dir halten. So bist du da, falls irgendwas ist“, schlug sie vor.

Ihre Gedanken wanderten zu Jake, der sie lüstern angrinste. Sie schüttelte sich vor Abscheu. Hinter sich hörte Elena Schritte, und als hätte sie ihn gerufen, tauchte Jake im Flur auf. Er lächelte sie sanft an und kam zu Sebastian und ihr hinüber.

„Hey, ich hab euch schon gesucht. War ein gutes Spiel“, sagte er grinsend.

„Ähm, ja war es“, erwiderte Elena und sah zu ihrem besten Freund.

Sie hielt immer noch seine Hand, was auch Jake nicht entging. Etwas in seinem Lächeln veränderte sich.

„Ich wusste nicht, dass ihr beiden zusammen seid.“

Elena spürte einen Stich in der Magengegend und ließ Sebastians Hand augenblicklich los.

„Wir sind nicht zusammen. Und Sebastian wollte eigentlich auch gerade gehen“, antwortete sie, in der Hoffnung, dass ihr Freund seine Meinung änderte.

Jakes Miene hellte sich ein klein wenig auf, so als witterte er seine Chance, doch noch bei Elena landen zu können.

 

Sebastian biss die Zähne zusammen und presste die Kiefer fest aufeinander, so dass es in seinen Kiefergelenken fast schon schmerzte. Allerdings kam der letzte Satz von Elena so bei ihm an, dass er gehen sollte. Auch ihr Tonfall ließ ihn darauf schließen. Es verwirrte ihn vollkommen, dass Elena scheinbar ihre Meinung so schnell ändern konnte, allerdings sagte er nichts weiter dazu. Er drehte sich zur Haustür und ging durch diese hinaus.

Jake sah zur jungen Frau, die verwirrt hinter ihrem Freund hersah.

„Komm, ich hol uns etwas zu trinken“, lächelte er ihr entgegen und wartete darauf, dass Elena sich in Bewegung setzte.

Als sie aber noch immer stehen blieb und sich nicht rührte, lief er auf sie zu und blieb wenige Meter von ihr entfernt stehen.

„Lass ihn gehen. Was auch immer mit ihm ist, er wird sich wieder einkriegen. Und bis dahin, werde ich dir den Abend versüßen.“

 

„Nein!“, rief Elena und schlug Jakes Hand von ihrer Schulter.

Sie drehte sich um und sah zu Sebastian, der gerade zu seinem Motorrad ging. Ohne nachzudenken, rannte sie ihm hinterher und schlang die Arme um seine Mitte, um ihn am Gehen zu hindern.

Er erstarrte unter ihrer Umarmung, aber Elena ließ nicht los. Sie wollte nicht, dass er ging. Sie brauchte ihren besten Freund an ihrer Seite, nicht irgendeinen Möchtegernposer.

„Geh nicht“, schluchzte sie an seinem Rücken.

Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. Erst jetzt spürte sie die Kälte. Sie trug immer noch nur ihren Bikini. Auf ihren nackten Armen breitete sich eine Gänsehaut aus, aber das war jetzt egal.

„Elena, ich kann nicht...“, sagte er und drehte sich zu ihr um.

Sie umarmte ihn noch fester, wollte ihn nicht mehr loslassen.

„Doch kannst du, bitte...“

Sie sah zu ihm auf. Als er ihr tränenüberströmtes Gesicht sah, wurde sein Blick weicher. Mit einem Arm drückte er sie an sich. Wenn er doch nur wüsste, wie wichtig es für sie war, dass wenigstens er für sie da war. Er war ihre Familie. Die Familie, die sie zu Hause nicht besaß.

Eine Weile standen sie so da. Elena fror, ließ es sich aber nicht anmerken. Sie wollte nicht, dass er sie wegschickte. Sie schluchzte an seiner Brust. Normalerweise war sie es, die ihn tröstete. Sie war immer die Starke, die ihre Probleme für sich behielt.

 

„I-Ich kann nicht...“, sah Sebastian zur Seite und schob Elena von sich. „Ich kann nicht bleiben. Ich … muss hier weg.“

Er schloss die Augen, zog seine Lederjacke aus und legte sie um den bebenden Körper seiner Freundin. Dann wischte er mit einem Daumen die Tränen von ihren Wangen.

„Geh wieder rein. Zieh dich um, bevor du noch krank wirst. Ich melde mich später bei dir.“

Bastian wandte sich zu seinem Motorrad um. Er dachte noch einmal nach, ob es das Richtige war, was er tat. Allerdings kam er zu keiner richtigen Antwort.

„Oder du ziehst dich um und kommst mit mir“, sagte er ruhig und sah ihr genau in die Augen. „Entscheide du...“

 

Ohne groß darüber nachzudenken, rannte Elena zurück zum Poolhaus und zog sich an. Sarah war hinter sie getreten.

„Wo willst du hin?“, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ihr Blick verriet, was sie dachte, aber Elena war nicht in der Stimmung für irgendwelche Eifersuchtsanfälle. Sie zog sich ihr T-Shirt über den Kopf und drehte sich zu ihrer Freundin.

„Ich geh nur ein bisschen spazieren. Ich ruf dich auch an, wenn es länger dauert. Ich denke Sebastian hat es vorhin nicht gefallen, dass du auf Jakes Schultern saßt... Er ist ziemlich durcheinander.“

Die Lüge ging ihr leicht über die Lippen. Sarah glaubte ihr sofort, was hätte sie auch für einen Grund ihr zu misstrauen?

Nachdem sie sich fertig angezogen hatte, ging Elena schnell nach draußen. Einen kurzen Augenblick dachte sie, Sebastian wäre ohne sie gefahren. Aber da stand er an seinem Motorrad gelehnt und starrte auf den Boden. Tief im Inneren wusste sie, dass irgendwas Unausgesprochenes zwischen ihnen beiden war, aber im Moment wollte sie einfach nur in seiner Nähe sein.

 

Sebastian stieg auf sein Motorrad und wartete darauf, dass Elena sich hinter ihn setzte und sich an ihn schmiegte, fast schon klammerte.

„Lass uns fahren“, sagte er leise und startete das Bike.

Mit geschmeidigen Bewegungen ließ er das Zweirad in den Verkehr gleiten und schlängelte sich durch diesen, als wenn er nie etwas anderes gemacht hätte. Nach einiger Zeit blieb Sebastian am Straßenrand stehen und schloss die Augen. Der Motor lief dabei weiter.

„Ich will dich heute Nacht nicht gehen lassen, aber ich will weder zu mir, noch will ich zu dir...“, murmelte Sebastian leise und er hoffte, dass Elena seine Worte hörte. „Allerdings weiß ich nicht, wo wir sonst hingehen könnten. Ich kann dich aber nicht ewig hier draußen lassen, da dein Haar noch immer feucht ist und du sonst krank wirst.“
 

09


 

Kurz überlegte sie, wo sie hinfahren könnten und dann fiel es ihr plötzlich ein.

„Die alte Scheune“, sagte sie und sah ihm tief in die Augen.

Sie waren ewig nicht mehr in der Scheune am Stadtrand gewesen. Sie hatten sie entdeckt, als sie beide 14 Jahre alt waren, und es war viele Jahre ihr geheimer Treffpunkt gewesen.

Sebastian kannte den Weg im Schlaf. In weniger als zwanzig Minuten waren sie vor dem alten Holzgebäude angekommen. Er parkte das Motorrad unter einem Baum, während Elena die Scheune aufschloss. Innen hatte sich nichts verändert. Überall lagen noch die verwaschenen Teppiche auf dem Boden und selbst das alte Sofa stand noch an derselben Stelle. Elena ließ sich auf das Sofa fallen und sah sich um.

Die Scheune war nicht sonderlich groß. Der untere Teil war in gleich große Abteilungen unterteilt gewesen, aber irgendwann hatte Sebastian die Holzverschläge einfach eingerissen. Der obere Teil der Scheune war voller Strohballen, weshalb sie dort nichts anfangen konnten. Irgendwann hatten sie auch einen Schrank hier rein gestellt.

In dem Schrank fand Elena nun eine ihrer Decken, die sie vor Jahren vergessen hatte. Sie wickelte sich darin ein und setzte sich wieder zurück auf die Couch.

 

Der junge Mann beobachtete das Treiben von seiner Freundin und auf einmal bemerkte er, dass sein Herz deutlich schneller schlug, als es eigentlich sollte. Er ließ sich langsam neben Elena auf das Sofa sinken und sah sie weiter an.

„Wir waren wirklich ewig nicht mehr hier...“, murmelte er leise, blickte in der Scheune umher und spielte nebenbei nervös mit seinen Fingern.

So unruhig war er noch nie gewesen. Zumindest nicht so sehr, dass er es nach außen zeigte.

„Wir könnten im Stroh schlafen“, überlegte Sebastian leise. „Wir könnten aber auch einfach wach bleiben und reden, sowie wir es damals schon gemacht hatten...“

Er wollte ihre Nähe wieder spüren, doch offen sagen würde er es nicht. Dafür war ihm die Freundschaft mit ihr viel zu wichtig.

Allerdings stellte er fest, dass es wirklich der Wahrheit entsprach: Freundschaft zwischen Mann und Frau kann nicht lange halten, denn irgendwann kamen Gefühle oder etwas in der Art dazu. Es sei denn, einer von den beiden bevorzugte das gleiche Geschlecht. Bei diesem Gedanken spiegelte sich ein kurzes Lächeln auf seinen Lippen.

Er stand auf und holte aus dem Schrank noch ein paar Kerzen, damit es nicht all zu dunkel war und entzündete diese mit einem Feuerzeug. Genau in diesem Moment war er glücklich, dass er mit Elena hier war. Er war das erste Mal seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten, wieder glücklich und zufrieden.

 

„Ich weiß nicht...“, sagte Elena und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Weißt du noch damals, als wir uns hier vor unseren Eltern versteckt haben? Sie haben uns nie gefunden, bis wir irgendwann von selbst nach Hause gegangen sind. Wir hätten auch damals das Radio mit herbringen sollen, dann wäre ich sicher viel öfter hier.“

Elena sah an die Wand, die sie als Jugendliche bemalt hatten. Sie nahm eine seiner Hände und verschränkte ihre Finger mit seinen. Seine Hand war warm und schon gleich fühlte sie sich wieder wie vierzehn.

„Mit 8 dachte ich, ich würde dich irgendwann heiraten. Außerdem würde meine Mutter ausrasten“, kicherte sie leise.

Sebastian hob seinen Arm, so dass Elena sich richtig an ihn kuscheln konnte.

Nirgendwo sonst, weder auf irgendeiner Party noch zu Hause, wäre sie in diesem Moment lieber. Mit ihrem Daumen zeichnete sie kleine Kreise in seine Handinnenfläche, während er seinen Kopf an ihren lehnte.

„Was denkst du gerade?“, fragte er leise.

„An nichts besonderes. Einfach nur wie glücklich ich gerade bin“, antwortete Elena seufzend. Aber das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Der Alkohol veränderte ihre Gedanken, brachte sie dazu, sich Dinge vorzustellen, die sie im nüchternen Zustand nicht mal aussprechen konnte.

„Ich möchte wissen, was dieses 'nichts besonderes' ist“, murmelte er weiter und genoss die Berührungen Elenas. „Aber davon abgesehen, wieso dachtest du, du würdest mich irgendwann heiraten?“

Bei dieser Vorstellung schlug sein Herz auf einmal deutlich schneller und er schluckte, denn er stellte sich diese Hochzeit vor seinem inneren Auge vor. Elena trug ein wunderschönes Kleid und er stand da, mit schweißnassen Händen, und wartete auf sie, bis sie durch die Halle zu ihm gelaufen kam. Nachdem sie bei ihm angekommen war, hauchte er ihr kurz einen Kuss auf die Wangen, denn küssen durfte er sie erst, wenn beide „Ja“ gesagt hatten.

Sebastian schüttelte den Kopf, denn er musste diese Gedanken wieder los werden. Seine Freundin sah zu ihm auf und legte den Kopf fragend zur Seite.

„Was ist los?“, fragte sie besorgt.

„Ach nichts. Alles gut“, lächelte er ihr entgegen. „Ich dachte nur, ich hatte irgendetwas im Haar, was ich so entfernen könnte.“

Er schluckte, denn er konnte ihr nicht sagen, was er sich gerade vorgestellt hatte. Er konnte ihr nicht von seinen Gedanken erzählen.

 

„Na ja, früher gab es halt nie einen anderen Jungen für mich, der in Frage gekommen wäre. Immerhin hast du mich ja damals schon immer beschützt, warum sollte das dann Jahre später als Ehemann nicht auch funktionieren?“, sagte sie und lachte über ihre kindliche Unschuld.

Und sie hatte es sich wirklich oft vorgestellt. Wie er am Altar auf sie wartete, während sie den langen Gang zu ihm entlang schritt und sich zurückhalten musste nicht zu rennen. In einem Szenario war er es gewesen, der ihr den Weg zum Altar entgegen rannte, um sie vor dem Fehler ihres Lebens zu bewahren.

Sie seufzte selig und ließ sich tiefer in seine Arme sinken.

Wenn wir jetzt wegliefen, wären wir in weniger als fünf Stunden in Las Vegas, dachte sie grinsend.

„Wir sollten uns was versprechen“, sagte sie und setzte sich auf, um ihn ansehen zu können.

Sebastian sah sie misstrauisch an, aber Elena lächelte ihm nur zuversichtlich entgegen.

„Wenn wir in 10 Jahren noch niemanden haben, dann heiraten wir. Und dann bauen wir die Scheune um und wohnen hier.“

Sie war sich nicht sicher, ob es der Alkohol war, der aus ihr sprach, aber sie fand die Idee, hier mit ihm zu wohnen, wahnsinnig spannend.

„Vorausgesetzt du bekommst das mit dem Alkohol in den Griff“, flüsterte sie besorgt und musterte seinen Gesichtsausdruck, der ihm einen Augenblick zu entgleiten schien.

 

„Ich trinke gern, aber ich denke, ich kann meinen Verbrauch einschränken“, antwortete Sebastian ruhig. „Aber das Versprechen kann ich dir geben. Da muss ich niemanden neu kennenlernen, weil ich dich ja bereits kenne.“

Auf seinen Lippen legte sich ein kurzes Grinsen.

„Nur das mit dem Kuss bei der Hochzeit... Das stelle ich mir ... merkwürdig vor. Ich weiß nicht, was ich davon halten sollte, wenn wir uns küssen würden. Wie würdest du nach der Heirat mit den ... intimen Geschichten umgehen...?“

Der Alkohol lockerte auch seine Zunge und er musste bei den Gedanken grinsen.

 

Elena spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.

„Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist. Sofern du mich nicht wie eine kleine Schwester betrachtest.“

Sie sah verlegen zur Seite. Bei dem Gedanken daran ihn zu küssen, kribbelte ihre ganze Haut. Dabei sollte sie so etwas gar nicht für ihren besten Freund empfinden.

Sie konnte nicht anders und starrte auf seine Lippen, riss sich aber davon los, als ihr Sarah in den Sinn kam.

„Aber vielleicht lernen wir ja beide noch jemanden kennen, jemanden für den wir mehr empfinden“, sagte sie leise und schmiegte sich wieder an seine Brust.

Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie daran dachte, wie Sebastian mit jemand anderem so dasitzen könnte.

Irgendwann war sie eingeschlafen. Das Letzte, was sie bemerkte, waren seine Finger, die ihr sanft die Haare aus dem Gesicht strichen. Elena träumte von besseren Zeiten. Zeiten ohne Eltern, weit weg von zu Hause, wo sie einfach glücklich sein konnten. Sie träumte von einem Leben, das sie sich immer gewünscht hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen, ohne dass sie es wollte.

 

Sebastian bemerkte, dass Elena eingeschlafen war und sah sie dabei an. Sie atmete ruhig und doch liefen ihr einige Tränen die Wange hinab. Er wischte diese, ebenso ein paar Strähnen, aus ihrem Gesicht. Was träumte sie wohl, wenn sie sogar im Schlaf weinte?

Es zerriss ihm das Herz, wenn er daran dachte, dass er ihr nicht helfen konnte. Seine Kiefer presste er schmerzhaft zusammen und versuchte ruhig zu bleiben, damit er sie nicht weckte.

Allerdings ließen ihre Worte ihm keine Ruhe: „Sofern du mich nicht wie eine kleine Schwester betrachtest.“

Was war sie für ihn? War sie wie eine Schwester? Oder sah er sie als Frau? Als jemanden, für den er Gefühle entwickeln konnte? Doch würde er diese Gefühle zulassen, wenn er damit Gefahr lief, dass damit die Freundschaft zerstört werden würde?

Als auch er ins Reich der Träume hinüber gewandelt war, kamen ihm wieder die Bilder in den Kopf, wie er vor dem Altar stand und Elena in einem wunderschönen, weißen Kleid auf ihn zukam. Doch als der Standesbeamte die alles entscheidende Frage stellte, wurde er aus seinem Schlaf gerissen, als er bemerkte, dass Elena von ihm herunter gegangen war. Zum einen merkte er es, da die Wärmequelle verschwunden war und weil der sanfte Druck auf seinem Brustkorb fehlte.

„Wo gehst du hin?“, fragte er verschlafen und wollte schon nach ihrem Handgelenk greifen, damit sie bei ihm blieb, aber sie war zu schnell verschwunden und er konnte sie nicht mehr erreichen.
 

10

Elena lief so schnell sie konnte. Sie wollte nicht, dass er ihr folgte. Sie wusste nicht, was sie sich dabei gedacht hatte, so ein Thema anzuschneiden. Sicher würde jetzt ihre Freundschaft nie wieder so sein, wie vorher.

Als sie an der Straße angekommen war, rief sie sich ein Taxi heran und nannte dem Fahrer Sarahs Adresse. Als sie sich umsah, konnte sie hinter sich Sebastians Umriss erkennen. Seine weißen Haare standen in alle Richtungen ab, während er sich ratlos den Hinterkopf rieb.

Was war nur in sie gefahren? Natürlich liebte sie Sebastian, wieso denn auch nicht? Er war ihr bester Freund und war immer für sie da gewesen. Aber über die Jahre waren sie so verschieden geworden. Sie hatten nicht dieselben Freunde, kaum noch gemeinsame Hobbys. Er liebte es, mit seinem Motorrad in halsbrecherischer Geschwindigkeit über den Highway zu rasen, während Elena lieber durch den Park spazierte oder ein gutes Buch las. Was hätten sie für eine Zukunft, wenn sie doch nichts gemeinsam hatten?

Seufzend gab sie dem Taxifahrer das Geld und stieg aus, um an der Tür ihrer Freundin zu klingeln. Ein paar Minuten musste sie warten, dann öffnete sich quietschend die Mahagonitür und Sarah ließ sie lächelnd rein. Anscheinend war sie schon länger zu Hause, denn sie trug bereits ihr Nachthemd.

Stumm bat Elena darum, dass sie ihr keine Fragen stellen sollte, und ging geradewegs ins Badezimmer. Vor dem Spiegel blieb sie stehen und betrachtete sich. Ihre Locken vom Nachmittag waren komplett zerzaust und auch das Make-Up war unter ihren Augen verwischt. Kopfschüttelnd drehte sie den Wasserhahn an der Badewanne auf und hüllte das Badezimmer in warme Dunstschwaden. Langsam zog sie sich aus und glitt ins heiße Schaumbad. Die Wärme ließ sie alles um sich herum vergessen.

Hinter geschlossenen Augen sah sie Sebastians verzweifeltes Gesicht, als sie ins Taxi gesprungen und vor ihm geflohen war.
 

Der junge Mann lief enttäuscht zurück in die Scheune und ließ sich wieder auf das Sofa nieder. Er zog die Beine an den Körper und legte seinen Kopf auf die Knie.

Wieso war Elena weggelaufen? Sollte er hinter ihr her? Doch wo würde sie hingehen? Was war in sie gefahren? Er fand einfach keine Antworten auf ihre Reaktion.

Er schloss die Augen und hoffte, dass alles nur ein böser Traum war und wenn er die Augen öffnete, dass Elena wieder in die Scheune zurückkam. Doch als er die Lider aufschlug, war er immer noch allein und auch seine jahrelange Freundin tauchte nicht wieder auf.

„Elena...“, murmelte er leise und rieb sich über die Augen, als wäre ihm etwas ins Auge gekommen, was er entfernen wollte.

Er löschte die Flammen der Kerzen und entschloss sich dazu, einfach stundenlang mit seinem Motorrad durch die Nacht zu fahren und zu hoffen, dass ihm eine Erklärung für das Verhalten von Elena in den Sinn kam.

Erst als die Sonne bereits hinter dem Horizont hervor blickte, brachte er das Motorrad in der Einfahrt seines Hauses zum Stehen und lief langsam in dieses hinein. Vollkommen erschöpft und müde ließ er sich in sein Bett fallen und seine Augen fielen wie von selbst zu. Der letzte Gedanke, der ihm in den Sinn kam, war der an seine Freundin.
 

„Er hat wirklich nicht viel gesagt. Du weißt doch wie Jungs sind, wenn sie jemanden mögen, bloß nichts anmerken lassen“, sagte Elena mit einem gezwungenen Lächeln, nachdem Sarah sie beim Frühstück fast eine halbe Stunde lang ausgequetscht hatte.

Nun saß Sarah enttäuscht über ihrem Toast, während Elena eine kurze Verschnaufpause hatte.

Es war Sonntag, also musste sie heute wieder nach Hause. Seufzend trank sie einen Schluck von ihrem Kaffee. Immer wieder fiel ihr Blick auf das Handy neben ihr. Sollte sie ihm schreiben?

Vermutlich ja, sagte sie sich selbst und tippte eine SMS.

„Hey Sebastian, es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass ich gestern einfach so abgehauen bin. Irgendwie war mir alles zu viel. Ich schwöre, ich werde nie wieder was trinken. Verzeihst du mir? Ich lieb dich immer noch.“

Sie lächelte leicht, als sie auf den Senden-Knopf drückte.

Der restliche Tag verging wie im Flug. Sarah und Elena verbrachten die meiste Zeit vor dem Fernseher. Etwa kurz vor 19.00 Uhr wurde Elena dann von ihrer Freundin nach Hause gefahren.

„Soll ich noch kurz warten?“, fragte Sarah, aber Elena winkte ab und kramte ihren Schlüssel aus der Tasche.

Irgendwie passte er nicht ins Schloss, also klopfte sie und drückte auf die Klingel. Keine Reaktion. Eine Weile lang versuchte sie auch ihren Vater auf dem Handy zu erreichen. Aber nichts passierte. Verzweifelt setzte sich Elena auf die Stufen zur Veranda und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

11


 

Sebastian öffnete die Augen und hatte ein ungutes Gefühl in seinem Inneren. Er wusste nicht, was dies auslöste, allerdings wollte er den Grund dafür auch nicht herausfinden. Er stand auf und zog sich frische Kleidung an, nachdem er sich geduscht hatte. Dann lief er durch das Haus und zur Wohnungstür. Ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, setzte er sich auf das Motorrad und fuhr los. Noch bevor er es ändern konnte, hielt er vor dem Haus an, indem Elena wohnte. Sie saß auf der Veranda und sah vollkommen verzweifelt aus.

"Elena...", entwich es ihm zwischen den Lippen, ehe er den Schutzhelm vom Kopf nahm. "Was ist los?"

Er sah sie von weitem an und schob sein Motorrad in ihre Richtung. Nur wenige Meter von ihr entfernt stellte er das Bike ab und überwandte die Distanz mit wenigen Schritten. Als er sich neben sie setzte, sagte er nichts und wartete einfach darauf, dass Elena etwas sagen würde. Er wollte nur zu gern wissen, wieso sie hier saß und nicht im Haus war.

 

Elena sah auf und entdeckte Sebastian hinter ihrem Schleier aus Tränen.

„Sie haben das Schloss ausgetauscht“, schluchzte sie und vergrub wieder das Gesicht in den Händen.

Sie saß bereits über eine Stunde auf der Veranda. Niemand war gekommen oder gefahren, keiner hatte sie angerufen.

„Scheiße!“, fluchte Elena und stampfte mit dem Fuß.

Wieder und wieder wählte sie die Nummer ihres Vaters. Sie hatte sogar im Krankenhaus angerufen, aber da sagte man ihr nur, er sei nicht zur Arbeit erschienen.

 

„Komm doch erst einmal mit zu mir und morgen versuchen wir es noch einmal in Ruhe. Vielleicht sind sie einfach nur sauer, weil es hieß, dass du nur eine Nacht von zu Hause weg bleibst?“, schlug Sebastian vor und reichte seiner Freundin ein Taschentuch, damit sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischen konnte. „Morgen sieht die Welt bestimmt schon wieder anders aus.“

Er lächelte ihr aufmunternd zu und hoffte, dass sie es ebenso sah und nicht noch weiter auf der Veranda verweilen würde.

„Vielleicht sind deine Eltern aber auch sauer, weil du gestern nicht auf deinen Bruder aufgepasst hast...“, kam es ihm weiter in den Sinn. „Aber deswegen gleich das Schloss auszutauschen? Das wäre dann doch etwas zu viel...“

 

Bereitwillig ließ Elena sich auf die Beine ziehen. Sie wartete geduldig darauf, auf sein Motorrad steigen zu können. Er gab ihr lächelnd den Helm, und kurze Zeit später kamen sie vor seinem Haus an. Das Auto seines Vaters stand nicht da und Elena erwischte sich dabei, sich zu fragen, ob er es gut heißen würde, dass sie heute Nacht hier blieb.

Sebastian stand neben ihr und nahm ihre Hand. Sie umklammerte sie fest, als sie gemeinsam das Haus betraten. Es war dunkler als in ihrer Erinnerung. Nirgends mehr stand die kitschige Dekoration von Sebastians Mutter, die sie als Kind so geliebt hatte. Nicht ein Bild hing an den Wänden.

„Du weißt, dass wir morgen Schule haben?“, fragte sie, um sich von dem trostlosen Anblick abzulenken. „Und ich habe nichts zum Anziehen, außer meiner Pyjamahose, dem Bikini und dem blöden Häkelkleid. Ich werde nackt zur Schule gehen müssen.“

Elena lehnte sich seufzend an Sebastians Arm und schloss die Augen.

Ihr Kopf konnte einfach nicht erfassen, wie ihre Eltern es fertig gebracht hatten, die Schlösser auszutauschen. War ihre Mutter wirklich so eiskalt? Wie konnte ihr das Wohl ihrer Tochter so wenig am Herzen liegen? Wieder kamen Elena die Tränen.

 

Sebastian überlegte, wie er an Kleidung kommen sollte, die er Elena geben konnte. Doch ihm fiel nur eine Möglichkeit ein, und er wusste nicht, wie sie dies aufnehmen würde.

„Ich könnte mal schauen, ob auf dem Dachboden noch Kleidung von meiner Mutter ist, die sie hier gelassen hatte...“

Er führte sie in sein Zimmer, damit sein Vater sie nicht entdeckte, falls er nach Hause kam.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte er und wartete erst gar nicht auf eine Antwort von Elena, denn sie konnte es immer noch ablehnen, sollte er am Ende fündig werden.

Nachdem er auf den Dachboden gegangen war und einige Kisten durchsucht hatte, fand er tatsächlich noch einige Sachen, die er Elena geben konnte. Wahrscheinlich waren sie ihr ein oder zwei Nummern zu groß, aber es würde dennoch besser sein, als nackt zur Schule zu gehen. Er lief wieder in sein Zimmer und entdeckte seine Freundin, die auf seinem Bett lag und sich zusammengerollt hatte.

 

Elena sah zu Sebastian auf, als er sein Zimmer betrat.

„Ich soll die Sachen deiner Mutter anziehen?“, fragte sie und lächelte schwach.

Sie setzte sich auf und ihre Haare fielen ihr in wilden Locken über das ganze Gesicht. Sebastian sah zwischen den Sachen seiner Mutter und seiner Freundin hin und her.

„Komm schon, setz dich zu mir“, sagte Elena und klopfe auf den Platz neben sich.

Sebastian warf die Sachen auf seinen freien Schreibtischstuhl.

Mit Schwung warf er sich neben Elena aufs Bett. Er zog sie mit sich, und sie kicherte vergnügt auf. Lächelnd schmiegte sich an seinen Hals. Seine Wärme ging auf sie über und beruhigte sie von innen heraus.

„Ich liebe dich, Sebastian. Du bist der beste Freund den man sich nur wünschen kann.“

Sie hatte ihren Augen geschlossen. Unter seinen gleichmäßigen Atemzügen schlief sie ein.

 

Sebastian seufzte lautlos, als er die Worte von Elena vernahm. Wie sollte er diese Worte verstehen? Er mochte sie, ja, aber war es so etwas wie Liebe? Oder war es gar nur Freundschaft? Er hatte ihr das Versprechen gegeben, sie zu heiraten, sollten sie beide keine anderen Partner finden…

Er zog die Decke über sich und Elena. Es dauerte einige Minuten bis auch er eingeschlafen war. Allerdings wusste er noch immer nicht, wie er diese Situation deuten sollte.

Am Morgen klingelte der Wecker Sebastians und er öffnete verschlafen die Augen. Er schälte sich aus dem Bett und versuchte Elena nicht aufzuwecken. Er wollte sie noch einige Zeit schlafen lassen. Sie würde bestimmt nicht wollen, dass er sie so früh weckte. Selbst wenn sie zur Schule gehen mussten.

Er lief ins Bad und sprang rasch unter die Dusche. Als er fertig war, band er sich ein Handtuch um die Hüften und lief zurück in sein Zimmer. Er setzte sich auf das Bett und rüttelte sanft an der Schulter seiner Freundin, die noch immer seelenruhig schlief.

„Guten Morgen“, lächelte er ihr sanft entgegen, als sie die Augen öffnete. „Zeit zum Aufstehen.“

Nachdem sie ebenfalls aufgestanden und ins Bad gegangen war, zog er sich an und lief in die Küche, um Frühstück für sich und Elena zu machen. Als auch dies getan war, wartete er darauf, dass Elena herunter kam und sie sich auf den Weg in die Schule machen konnten.

Der Tag zog sich wie Kaugummi und wollte einfach kein Ende finden. Allerdings hatte Sebastian in einer Unterrichtsstunde nicht aufgepasst und konnte eine Frage nicht beantworten, die der Lehrer gestellt hatte. Dies gefiel ihm nicht und hatte dafür eine Stunde Nachsitzen bekommen, so dass Elena alleine zu ihm nach Hause gehen musste.

Als Sebastian endlich das Schulgelände verlassen hatte, lief er zu seinem Motorrad. Aber er fuhr nicht zu sich nach Hause, sondern fuhr zum Elternhaus von Elena. Er klingelte und hatte nicht vor so schnell wieder von hier zu verschwinden. Erst würde er mit den Eltern von seiner Freundin reden. Es dauerte eine ganze Weile bis ihm die Tür geöffnet wurde und Elenas Mutter vor ihm auftauchte.

„Was willst du?“, ging sie ihn an.

„Ich will wissen, wieso das Schloss ausgetauscht wurde und wieso Elena gestern abserviert wurde“, antwortete Sebastian sauer. „Ich kann nicht verstehen, wie man seine Tochter einfach versetzen und sie ignorieren kann!“

„Sie hat sich dafür entschieden, mit dir zu gehen und hat somit missachtet, was ich gesagt habe“, sagte sie weiter. „Ich sehe keinen Sinn mehr darin, sie als meine Tochter zu sehen, wenn sie sich mit dir abgibt.“

„Soll ich mich von ihr fernhalten oder was soll ich tun, damit sie wieder zur Familie gehört?“

Diese Frage war nur ein Hauch seiner Stimme, die er sonst an den Tag legte. Es war kaum mehr als ein Flüstern. In seinem Hals wuchs ein Kloß heran, der ihm das Sprechen noch zusätzlich erschwerte. Die Vorstellung, sich von Elena fernzuhalten, zerriss ihm im Inneren fast das Herz.

„Wenn du es so sehen willst, dann hast du den Nagel auf den Kopf getroffen“, verschränkte die ältere Frau die Arme vor der Brust. „Ich kann dich nicht leiden und du bist es nicht wert, meine Tochter als Freundin bezeichnen zu dürfen. Du sollst dich von ihr fern halten. Du tust ihr nicht gut und seitdem sie dich kennt, macht sie nur noch was sie für richtig hält und nicht mehr das, was sie tun sollte!“

Noch immer stand Sebastian vor dem Haus und hörte sich die Predigt an, die er sich gerade einfing. Er schluckte, denn er wusste im ersten Moment nicht, was er darauf antworten sollte. Würde er auf dieses Angebot eingehen und Elena somit ersparen, ihre Eltern zu verlieren? Würde er die Freundschaft zu ihr aufgeben, damit sie in Ruhe leben konnte? Würde er dafür sorgen können, dass sie wieder mit ihren Eltern zusammen sein konnte? Doch, wie würde Elena überhaupt reagieren?

„Und wenn du es wissen willst, sie wird heiraten“, grinste die Mutter Elenas finster.

„W-Was?“, entwich es Sebastian erschrocken. „D-Das kann nicht wahr sein… W-Weiß sie davon?“

„Sie weiß es noch nicht, aber sie wird es noch erfahren.“

Sie sah ihn aus engen Schlitzen an und Sebastian entwich die Farbe aus dem Gesicht. Er taumelte einige Schritte zurück und hielt sich an dem kleinen Geländer fest, dass die Stufen zur Veranda einrahmte.

„Das ist eine Lüge“, hauchte er leise. „Das ist nicht wahr!“

„Es ist Wahrheit und die Hochzeit ist bereits in Planung. Wenn du dich von ihr abwendest und ihr diesen Schlüssel gibst, dann werde ich vergessen, dass es dich gibt.“

Sie hielt ihm einen kleinen silbernen Gegenstand entgegen. Er sah diesen nur skeptisch an, nahm ihn allerdings in die Hand und schluckte erneut. Noch immer konnte er nicht glauben, was er gerade tat und steckte diesen in seine Hosentasche.

„Sie wird heute Abend wieder hier sein und ich werde aus ihrem Leben verschwinden“, hauchte Sebastian leise, bevor er sich ein letztes Mal verabschiedete und sich auf den Weg zu seinem Motorrad machte.

Die letzten Meter zu seinem Fahrzeug waren die schwersten, die er je entlang gegangen war. Seine Beine waren schwer wie Blei und er hatte Probleme sich fortzubewegen. Nachdem er sich auf die Maschine geschwungen hatte, startete er den Motor und fuhr los. Als er vor seinem Haus von seinem Motorrad abstieg, wurde sein Herz extrem schwer und er hatte das Gefühl, dass ihm die Luft zum Atmen fehlen würde. Er presste die Kiefer aufeinander und ließ er locker, als es begann zu schmerzen.

 

Elena hatte sich nach der Schule in Sebastians Zimmer gesetzt. Ihr war langweilig, also hatte sie beschlossen seinen Schrank zu durchwühlen. Dabei hatte sie ein T-Shirt ihrer Lieblingsband gefunden. Ohne groß darüber nachzudenken zog sie es über und knotete es am Bauch zusammen, damit es nicht zu lang war.

 

Sebastian lief zum Eingang des Hauses und drückte kurz auf die Klingel. Elena hatte seinen Schlüssel und er hoffte, dass sie ihm schnell öffnen würde. Es dauerte nur wenige Momente bis er tatsächlich ins Haus gehen konnte.

„Ich muss mit dir reden...“, sah er seine Freundin ernst an.

Doch in seinem Inneren herrschte ein riesiges Chaos. Er wollte Elena nicht aufgeben, aber er wollte auch nicht der Grund sein, dass Elena ihre Eltern verlor und sie im Streit auseinander gingen.

„Ich habe etwas für dich und ich möchte, dass du gehst...“, murmelte er leise.

Er reichte ihr den Schlüssel und sah zu Boden.

„Vorhin war ich bei deiner Mutter und habe mit ihr geredet. Sie hat mir diesen Schlüssel gegeben. Sie meinte, sie hätte es sich noch einmal überlegt und will, dass du nach Hause kommst.“

 

„Wovon redest du?“, fragte sie und sah ihn verständnislos. Er sah sie die ganze Zeit nicht ein einziges Mal an. Er hatte mit ihrer Mutter gesprochen, wie kam er dazu? „Warum?“ Mehr brachte sie nicht heraus. Er hatte gesagt, er wolle, dass sie ging. War es wegen der Sache am Samstag? Hatte er sie nicht mehr gern, weil sie gegangen war? So viele Fragen brachen über sie herein. Sie fühlte sich, als würde der Boden unter ihren Füßen weggezogen werden. Und dann war da nur noch die Wut.

Elena war so unglaublich wütend. Auf Sebastian, auf ihre Mutter, auf die ganze Welt. Sie riss ihm den Schlüssel aus der Hand und rannte nach draußen. Sie hatte keine Ahnung was sie tun sollte, also lief sie nach Hause, um ihre Mutter zur Rede zu stellen.

Sie brauchte nicht annähernd so lange, wie sie gedacht hätte. Vor ihrem Haus stand kein Auto, also war ihr Vater nicht zu Hause.

Elena sprang die Veranda hoch und rammte den Schlüssel in die Tür. Ohne Probleme ließ sie sich öffnen. Sie stieß die Tür auf und schmiss sie hinter sich wieder zu. Elenas Mutter kam mit überraschter Miene aus der Küche, um zu sehen woher der Lärm kam.

„Was hast du zu ihm gesagt?“, fragte Elena drohend.

Ihre Mutter sah sie unbeeindruckt an, was ihre Wut nur noch vervielfachte.

„ICH habe ihm gar nichts gesagt, viel mehr hat er es selbst vorgeschlagen“, antwortete sie mit ausdruckslosem Blick und drehte sich wieder in Richtung Küche um.

„Was hat er dir vorgeschlagen?“

Elena folgte ihrer Mutter in die Küche und ging vor der Kücheninsel auf und ab.

„Er sagte, ich soll dich wieder in die Familie aufnehmen und dafür hält er sich von dir fern.“

Sie hatte beim Sprechen eine Augenbraue hochgezogen, als könnte sie selbst kaum glauben, was sie da sagte. Elena schüttelte ungläubig mit dem Kopf.

„Nein, dass würde er nie...“, flüsterte sie entschlossen und blinzelte die Tränen weg.

„Ach, Elena, mein süßes Kind. Wann begreifst du endlich, dass er nicht gut für dich ist?“

Ihre Mutter strich ihr sanft über die Wange, aber Elena riss sich los.

„Du hast doch keine Ahnung! Ich liebe ihn, Mutter. Und er liebt mich...Er würde mich nie wegen DIR verlassen!“, rief sie entschlossen und ging aus der Küche.

„Du solltest deine kindischen Gefühle lieber schnell wieder vergessen. Nach deinem Abschluss wirst du heiraten!“

Elena blieb wie angewurzelt am Fuß der Treppe stehen, unfähig sich zu bewegen. Hatte sie gerade richtig gehört?

„Was?“, flüsterte sie fassungslos.

Ihre Mutter drehte sich noch einmal zu ihr um.

„Du wirst heiraten, Elena.“
 

12


 

In den letzten Wochen war Sebastian immer weniger zur Schule gegangen, hatte allerdings trotzdem für die Prüfungen gelernt, die bald anstanden. Es würde nicht lange dauern und er musste sich damit auseinandersetzen, dass er Elena bald wiedersehen würde. In seinem Inneren hatte er Angst davor, ihr wieder gegenüberzustehen und ihr in die Augen sehen zu müssen. Sebastian stand in seinem Zimmer und sah zu einem Bild, welches auf seinem Schreibtisch stand. Es zeigte ihn und Elena, wie sie beide gemeinsam lachten und Spaß hatten. Sein Herz schmerzte, als er an diese Zeit zurückdachte. Es waren nun einige Wochen her, dass er Elena weggeschickt hatte. Sie war wieder nach Hause gegangen und er wusste seitdem nicht, wie es ihr ging. Immer wieder hatte sie versucht ihn anzurufen und hatte unzählige Nachrichten geschrieben, allerdings hatte er nie darauf reagiert. Mittlerweile war es ihm auch egal, denn er hatte sich heute dazu entschlossen in einen nahegelegenen Club zu gehen und sich den Verstand aus dem Kopf zu trinken. Er wollte einfach nur vergessen, was in der letzten Zeit passiert war.

Am Tag, als die Prüfungen begannen, fiel es Sebastian schwer aus dem Bett zu kommen, denn er hatte sich in den letzten Tagen immer wieder dabei erwischt, wie er den Wecker gekonnt ignorierte und weiterschlief, nachdem er kurz geklingelt hatte.

„Verdammtes Ding“, knurrte er, schwang dann allerdings die Beine aus dem Bett und stand schwerfällig auf. „Ich hasse es.“

Nachdem er sich für die Schule fertig gemacht hatte, stand er vor seinem Motorrad und stieg auf dieses, setzte seinen Helm auf und startete den Motor. Er lenkte das Gefährt in den fließenden Morgenverkehr und fuhr zum Schulgelände. Als er dort angekommen war, parkte er sein Bike und ging in den Klassenraum, in dem die Prüfungen geschrieben werden sollten. Er suchte sich einen Sitzplatz in der hinteren Reihe aus und wartete darauf, dass sich der Raum füllte. Als eine ganz bestimmte Person diesen betrat, blieb ihm für einen Moment der Atem weg und er hatte Probleme, vollkommen klar zu denken.

 

Seit Elena wieder zu Hause war, hatte sich einiges geändert. Zum einen verließ sie kaum noch das Haus, um sich auf ihren Schulabschluss zu konzentrieren. Zum anderen bemühte sie sich um ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter. Sie hatte sich dazu entschlossen, dass es nichts brachte, sich gegen sie zu wehren.

Sie hatte seit diesem einen Tag nicht ein Mal mit Sebastian geredet. Mehrmals hatte sie versucht ihn zu erreichen, aber er reagierte einfach nicht. Fast zwei Wochen lang weinte sie jeden Tag, bis sie beschloss, es einfach hinzunehmen. Es brach ihr das Herz, nicht mit ihm reden zu können, bis sie entschied, es für immer verschlossen zu halten.

„Hab einen schönen Tag, und gib dein Bestes“, rief ihre Mutter ihr hinterher, als Elena aus dem Auto ausstieg.

Seufzend lief sie den Flur zum Prüfungsraum entlang. Vorbereitet war sie, aber ihre Gedanken waren ganz woanders.

Vor der Tür blieb sie stehen und atmete tief durch, dann gab sie sich einen Ruck und ging hinein. Er war das Erste, was sie sah. Er saß in der letzten Reihe und hatte den Kopf auf den Tisch gelegt. Sein Gesicht hatte er abgewandt. Sie wünschte sich sehnlichst, er würde sie beachten, würde ihr irgendein Gefühl geben, sie seien immer noch Freunde.

Elena setzte sich auf einen Stuhl in der ersten Reihe und kramte einen Stift aus ihrer Tasche.

Die Prüfung dauerte genau 90 Minuten, Elena war nach 60 fertig und sah sich im Raum um. Viele ihrer Mitschüler sahen vollkommen verzweifelt aus. Sie fühlte sich beobachtet und als sie sich umsah, trafen seine Blicke die ihren. Schnell sah sie weg.

Nachdem die Prüfung beendet wurde, beeilte sie sich aus dem Raum zu gehen. Vor ihrem Spind blieb sie stehen, um ihre Sachen hinein zu legen. Aus dem Augenwinkel sah sie jemanden auf sich zukommen.

„Hey, Elena. Lange nicht gesehen“, sagte eine vertraute Stimme neben ihr.

Sie sah auf und zwei strahlend blaue Augen waren auf sie gerichtet.

„Jake, tut mir leid, mit dir habe ich heute wirklich nicht gerechnet“, antwortete sie etwas perplex.

Seit der Poolparty hatte sie ihn nicht mehr gesehen, weshalb es sie jetzt nervös machte, so nah neben ihm zu stehen.

Er lehnte sich lässig an den Schrank neben ihrem.

„Du warst nach der Party so schnell weg, dass ich gar keine Gelegenheit mehr hatte, mit dir zu sprechen.“

Er bedachte sie mit einem umwerfenden Lächeln. Sie nickte langsam, unfähig etwas zu sagen.

„Wahrscheinlich wolltest du mit deinem Freund alleine sein. Apropos, wo ist er überhaupt?“, fragte er betont beiläufig.

Elena versuchte, ihm nicht in die Augen sehen, aber sein Blick war einfach viel zu fesselnd. Sie machte einen kleinen Schritt zurück.

„Er ist nicht mein Freund“, sagte sie energisch und schüttelte den Kopf.

 

Jake zog eine Augenbraue nach oben.

„Du scheinst nicht gut auf ihn zu sprechen zu sein. Hat er sich von dir getrennt?“

Er sah seine Chance darin, sich an die junge Frau heranzumachen und ihre Gunst für sich zu gewinnen.

„Ich meine, ihr saht nicht so aus, als würdet ihr zusammenpassen.“

Mit dem Oberkörper beugte er sich etwas in Elenas Richtung und sah ihr tief in die Augen.

„Allerdings… Ich denke, dass wir beide gut zusammenpassen könnten.“

Auf seinen Lippen zeigte sich ein breites Grinsen aus.

Doch er bekam nur ein Kopfschütteln als Antwort. Elena wich einige Schritte von Jake zurück. Dieser hielt sie aber am Handgelenk fest und drückte sie gegen die Schränke. Er baute sich vor ihr auf und näherte sich ihr langsam.

Sebastian sah das Ganze von weitem und ballte die Hände zu Fäusten. Er war wütend, denn Elena schien sich schnell von ihm abgelenkt zu haben. Sie schien ihn ja nicht weiter zu vermissen.

„Du scheinst ja schnell Ersatz gefunden zu haben“, rief er zu seiner ehemaligen Freundin und sah sie durch Augen an, die zu engen Schlitzen zusammengekniffen waren. „Du scheinst mich ja sehr leicht aufgeben zu können.“

Er sah wie Elena und auch Jake zu ihm blickten und seine Kiefermuskulatur versteifte sich. Jake hingegen grinste breit.

„Wenn du so eine wunderbare Frau nicht zu schätzen weißt, dann kann ich nichts dafür“, ging Jake ihn an und legte einen Arm um Elenas Schultern.

Dieser Anblick gab dem Ganzen den Rest und Sebastian wandte sich zum Gehen.

„Macht doch, was ihr wollt. Es ist mir egal. Ich habe keine Lust mir euer Gehabe anzusehen“, murmelte Sebastian noch, bevor er sich in Bewegung setzte. „Wir sehen uns sowieso nur noch ein paar Mal, also wünsche ich dir schon einmal ein schönes Leben, Elena.“

Es versetzte ihm ein weiteren Stich ins Herz, der dieses fast zum Zerbrechen brachte.
 

13


 

„Entschuldige mich kurz“, sagte Elena und lief Sebastian nach.

Sie riss seinen Arm zurück, um ihn aufzuhalten. Er sah sie verwirrt an.

„Was zur Hölle ist dein Problem?“, fragte sie wütend.

Mit gestrafften Schultern stand er vor ihr und starrte sie durchdringend an. Sein Blick traf sie mitten ins Herz.

„Du warst es, der mich weggeschickt hat. Du hast mich hintergangen, als du zu meiner Mutter gerannt bist. Ich habe das Recht wütend zu sein, nicht du! Ich muss mich damit abfinden, dass mein bester Freund sich ohne Grund von mir abwendet.“

Ihre Stimme bebte, aber sie musste es einfach endlich mal los werden, die ganzen letzten Wochen wollte sie das alles loswerden.

„Du hast nicht auf meine Anrufe reagiert...“, schluchzte sie und hielt mit viel Mühe die Tränen zurück.

 

„Ich wollte nicht, dass du auch noch deine Familie verlierst! Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen“, sagte er und presste die Zähne zusammen, damit er nicht zu laut wurde. „Ich habe meine Mutter verloren, indem sie gegangen ist und ich wollte dir dieses Leid ersparen!“

Doch Elena hatte Recht, denn er hatte sie weggeschickt. Allerdings hatte er nicht den Eindruck, dass er sie hintergangen hatte.

Sebastian sah ihr in die Augen und hatte das dringende Bedürfnis sie einfach in seine Arme zu ziehen und sie eng an sich zu drücken, damit sie die Tränen freilassen konnte. Doch er unterdrückte diesen Drang, denn er wusste nicht, ob es in diesem Moment angebracht wäre.

„Elena...“, murmelte er leise. „Es fiel mir nicht leicht… Ich will nur das Beste für dich.“

 

Ihre Wut verrauchte augenblicklich. Sie legte ihre Hand an seine Wange und streichelte vorsichtig darüber.

„Du dummer Junge“, flüsterte sie weich. „Wann verstehst du endlich, dass du das Beste für mich bist? Dass du meine Familie bist? Lieber hätte ich dich und sonst niemanden, anstatt dich zu verlieren, nur um andere zu bekommen.“

Wieder entfuhr ihr ein leises Schluchzen. Mit einem Mal fiel es ihr wahnsinnig schwer, sich von ihm fernzuhalten. Sie wollte Sebastian umarmen, ihm sagen, dass er sie nicht wieder wegschicken sollte, aber sie konnte nicht.

„Warum ist das alles so schwer?“, flüsterte sie.

 

Sebastian wusste nicht, was er tun sollte und legte eine Hand an die Wange von Elena.

„Hör auf zu weinen...“, murmelte er leise. „Ich kann dir nicht sagen, warum es so schwer ist, aber ich kann dir sagen, dass ich … deinem Glück nicht im Weg stehen will.“

Er wusste, dass ihre Mutter sie verheiraten wollte. Er wusste, dass sie es vielleicht nicht wollte, aber er konnte nichts dagegen tun.

„Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist, aber ich weiß auch nicht, ob es das Richtige ist, dass wir – was auch immer es ist – zulassen...“

Sein Blick glitt zur Seite und dann über ihre Schulter auf Jake, der die beiden beobachtete.

„Was ist zwischen dir und … Jake?“, entwich es ihm leise. „Seid ihr zusammen?“

 

Elena sah ihn erschrocken an.

„Jake? Nein! Wie kommst du denn darauf? Ich habe ihn heute das erste Mal seit der Poolparty wiedergesehen. Witzig ist eigentlich, dass er dachte, wir wären zusammen.“

Bei dem Gedanken daran lächelte sie leicht und schmiegte ihr Gesicht in seine Hand, die immer noch auf ihrer Wange lag.

„Ich weiß nicht, was zwischen uns ist, aber sind wir es uns nicht nach all den Jahren schuldig es wenigstens herauszufinden?“, fragte sie, aber der Ausdruck in seinem Gesicht war nicht zu deuten.

Sie sah ihm tief in die Augen, um zu ergründen, woran er dachte.

„Was ich letztens bei dir gesagt hatte, meinte ich ernst“, murmelte sie und sah sich im Schulflur um.

 

„Was du gesagt hattest?“, begann sein Kopf in seinen Erinnerungen zu suchen, was sie gemeint hatte.

Allerdings fand er keine Antwort darauf und wusste nicht mehr, was sie genau erzählte.

„Ich will nicht, dass die Freundschaft darunter leidet...“, murmelte Sebastian nach wenigen Momenten. „Ich habe Angst, dass es alles verändert.“

Er zog seine Hand langsam zurück und sah zur Seite. Leise hatte er seine Ängste offenbart und hoffte, sie könnte ihm diese vielleicht nehmen. Auch wenn er nicht wollte, dass sich irgendetwas zwischen ihnen veränderte, wenn sie es wirklich versuchen würden.

„Ich will weiterhin mit dir über alles reden können. Ich möchte meine Probleme weiter mit dir besprechen können. Aber was ist, wenn es am Ende nicht funktionieren sollte? … Aber was wird deine Mutter davon halten, wenn sie es herausfinden sollte?“

 

„Meine Mutter ist nicht unbedingt die Person, an die ich gerade denken will.“

Elena sah ebenfalls zur Seite bevor sie weitersprach.

„Du willst nicht, dass sich etwas ändert, dabei hat sich die ganze Welt bereits verändert. Ich werde nach meinem Abschluss jemanden heiraten, den ich noch nicht einmal kenne. Und dann hast du mich auch noch verlassen. Es ist alles vollkommen verkehrt.“

Nun liefen ihr die Tränen an den Wangen herunter.

Etwas unelegant wischte sie diese mit dem Ärmel ihrer Jacke weg. Sie sah den Mann, den sie am meisten auf der Welt liebte, an und wusste auf einmal nicht mehr, was sie tun sollte. Verzweifelt drehte sie sich um und lief in Richtung Bibliothek.

Die Bibliothek war schon immer ihr sicherer Rückzugsort gewesen. Sie ließ sich in der hintersten Abteilung zu Boden sinken und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Tief im Inneren wusste sie, dass Sebastian nicht dasselbe für sie empfand, aber es schmerzte einfach zu sehr, sich das einzugestehen.

 

Sebastian folgte ihr in einigen Metern Abstand und kniete sich vor sie. Er nahm sie einfach, ohne etwas zu sagen, in den Arm und drückte sie sanft an sich. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, wusste er noch immer nicht, was er sagen sollte. Allerdings meldete er sich dann doch zu Wort.

„Die Welt verändert sich immer. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute… Ich wollte dich nicht verlassen, aber ich will nicht, dass du deine Eltern verlierst...“

Es fiel ihm schwer, diese Worte auszusprechen.

„Du bedeutest mir unendlich viel, aber … ich weiß nicht, wie weit diese Gefühle reichen. Ich will nichts mit dir anfangen, wenn ich mir nicht vollkommen sicher bin, dass … ich diese Art von Gefühlen für dich habe.“

 

„Ist das deine Definition von Eltern? Dass sie dich wie eine Edelnutte an den Meistbietenden verhökern? Ich würde lieber ein Leben ohne sie führen, als dass was ich jetzt habe“, flüsterte sie an seine Schulter. „Können wir nicht einfach gehen? Weit weg von hier und allem?“

In ihrer Stimme schwang ein kleiner Funken Hoffnung mit, aber sie merkte, wie er langsam den Kopf schüttelte. Die Tränen liefen wieder und sie versuchte ein Stück von ihm wegzurutschen, aber in ihrem Rücken befand sich die Wand.

Ihr war die Situation unendlich peinlich, aber er war ihr bester Freund, wenn sie nicht mit ihm reden konnte, dann wohl mit niemandem sonst.

 

“Wir können nicht weglaufen. Wir können nicht einfach abhauen. Es würde auffallen und deine Mutter würde es so drehen, dass ich dich entführt hätte…”

Seine Stimme durchbrach kaum die Stille, die zwischen ihnen entstanden war. Doch er hatte die Hoffnung, dass sie es trotzdem verstanden hatte.

„Mir gefällt der Gedanke nicht, dass deine Mutter dich an einen dahergelaufenen Kerl verheiraten will. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter, wo die Frauen wie Ware gehandelt werden!“

Er schluckte und ballte gleichzeitig seine Hände zu Fäusten.

„Ich würde dich gern weit weg bringen, aber ich kann es nicht… Außerdem wird deine Mutter es wie gesagt so drehen, dass ich am Ende noch im Gefängnis lande…“

Er hob mit einem Finger unter ihrem Kinn ihren Kopf sanft nach oben, so dass er ihr genau in die Augen sehen konnte. Sie waren von den ganzen Tränen gerötet und leicht geschwollen.

Sein Blick suchte ihren und er bemerkte, dass in seinem Inneren unzählige Schmetterlinge zum Leben erwachten. Dieses Gefühl hatte er bereits, als sie zusammen im Pool waren und danach in der Scheune, als sie auf dem Sofa lagen. Hatte er doch Gefühle für sie und er wollte sich diese nur nicht eingestehen?

Er sah kurz zu ihren Lippen, die auf einmal verlockend aussahen und lautstark darum flehten, geküsst zu werden.

 

Sie wollte seine Lippen auf ihren spüren, zumindest einmal in ihrem Leben. Aber er zögerte und sie wollte nicht diejenige sein, die den ersten Schritt machte. Sie nahm seine freie Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen, wie sie es schon so oft getan hatte. Zwischen ihnen lag eine Art Spannung, wie vor ein paar Wochen im Pool. Sie wollte ihm so nah wie möglich sein.

Doch Sebastian hatte Recht. Was war, wenn sie damit ihre Freundschaft zerstörten?

 

Es war Sebastian egal, dass er Angst hatte und er damit vielleicht die Freundschaft kaputt machen würde. Ihre Lippen riefen immer lauter danach, von ihm berührt zu werden. Seine Augen wanderten durch die Gänge der Bibliothek und sahen sich um, ob jemand in der Nähe war. Doch sie waren allein. Sie waren vollkommen allein. Er hatte das Gefühl, sein Herz würde jeden Moment explodieren oder sich durch diese rasenden Schläge überschlagen und am Ende stehen bleiben.

„Elena...“, hauchte er leise, bevor er die Augen schloss und sanft ihre Lippen mit seinen berührte.

Dieses Gefühl, welches ihn durchströmte, war einfach unbeschreiblich, und wenn er es nicht besser wüsste, dann würde er sagen, dass er es nie wieder hergeben wollte und immer wieder spüren möchte.
 

14

Elena hielt den Atem an, als seine Lippen ihre berührten. Fast schon automatisch griff sie mit ihren Händen in seine Haare und drückte sich etwas näher an ihn. Es fühlte sich an, als hätte jemand ein Feuerwerk zwischen ihnen entzündet, was nie wieder enden wollte.

Um sie herum war nichts mehr, nichts außer Sebastian, der sie mit seinen starken Armen festhielt.

Und so schnell wie der Kuss kam, war er auch schon wieder vorbei. Elena spürte die Hitze in ihren Wangen, als Sebastian von ihr abließ. Er sah sie entschuldigend an, aber es gab nichts, was ihm hätte leidtun müssen. Das Feuer in Elenas Brust brannte immer noch. Sie sah ihm tief in die Augen.

„Sebastian...“, flüsterte sie und strich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
 

„Elena...“, murmelte Sebastian ruhig.

Er hörte ein Geräusch neben sich und sah Jake, der die beiden mit aufgerissenen Augen ansah.

„Was?!“, entwich es ihm laut und sah finster zu Elena. „Du hast mich angelogen! Du hast gesagt, ihr seid nicht zusammen!“

Jake stapfte, ohne auf eine Antwort oder eine Reaktion zu warten, wütend davon und grinste finster in sich hinein. Es würde Elenas Mutter nicht gefallen, wenn sie dies erfuhr.

„Was hat er vor?“, erkundigte sich Sebastian bei seiner Freundin. „Hast du eine Idee?“
 

Elena schüttelte stumm den Kopf und lehnte sich dann an Sebastians Schulter. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie verstand gar nicht, wieso Jake so wütend war. Immerhin hatte sie erst zwei Mal mit ihm gesprochen.

Sie kam zu dem Schluss, dass es nichts gab, worüber sie sich Sorgen machen sollte. Seufzend genoss sie die Wärme ihres besten Freundes, den sie so sehr liebte, dass es sie umbrachte, auch nur eine Sekunde von ihm getrennt zu sein.

Sie spürte seine regelmäßigen Atemzüge an ihren Haaren, aber sein Herz raste ebenso wie ihres. Irgendwann klingelte die Schulglocke und sie fuhren beide zusammen. Fragend sah sie zu Sebastian auf.
 

„Wir sollten gehen. Wir sind schließlich mit den heutigen Prüfungen fertig.“

Er stand auf und reichte Elena die Hand, damit sie aufstehen konnte.

„Am besten wir fahren erst einmal nach Hause und überlegen, was wir machen könnten. Außerdem habe ich ein ungutes Gefühl bei der Sache, was Jake vorhat. Ich weiß nicht was, aber irgendetwas plant er...“
 

Jake hingegen rannte zu seinem Motorrad und stieg auf dieses. Dann fuhr er zum Haus, in dem Elena mit ihren Eltern lebte. Er klingelte und wartete darauf, dass ihm die Tür geöffnet wurde.

„Oh Jake, hallo“, begrüßte die Mutter von Elena freundlich. „Es ist schön dich wiederzusehen.“

Während sie dem jungen Mann Einlass in das Haus gewährte, lächelte sie ihn immer noch begeistert an.

„Was führt dich hierher?“

Jake setzte sich im Wohnzimmer auf das Sofa und wartete darauf, dass Elenas Mutter zu ihm kam.

„Ich bin hier, weil ich dir etwas sehr Wichtiges mitteilen möchte“, grinste er finster und schlug die Beine übereinander, während er sich nach hinten lehnte.

„Oh, was willst du mir denn Wichtiges sagen?“, wollte die Mutter nun neugierig wissen. „Jetzt spann mich nicht so auf die Folter! Ich will es wissen.“

„Es geht um Elena. Sie trifft sich mit Sebastian. Ich dachte, sie hat sich in den letzten Wochen verändert. Dabei trifft sie sich immer noch heimlich mit diesem Kerl!“

Elenas Mutter verlor die Fassung und ihr wich die gesamte Farbe aus dem Gesicht.

„WAS?! Das kann nicht wahr sein! Das ist unmöglich! Er hat gesagt, er hält sich von ihr fern! Wieso rennt sie ihm also hinterher?!“
 

Elena ließ sich bereitwillig auf die Beine helfen und ging zusammen mit Sebastian zu dessen Motorrad. Am liebsten hätte sie seine Hand genommen, aber er wirkte so angespannt, dass sie sich nicht traute. Sie nahm ihren gewohnten Platz hinter ihm auf der Maschine ein und klammerte sich an ihm fest.

Sebastian raste in Höchstgeschwindigkeit zu Elena nach Hause. Vor dem Haus stand bereits ein Motorrad, und Elena schluckte einmal schwer. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Gerade als die Maschine zum Stehen kam, sprang sie ab und rannte zur Haustür, die sich wie von selbst öffnete.

Ihre Mutter hatte sie bereits erwartet. Sebastian war neben Elena getreten und hielt nun ihre Hand, als sie gemeinsam das Haus betraten. Elenas Mutter hatte noch kein Wort gesagt, sie ging einfach stumm vor den beiden her in Richtung Wohnzimmer.

Sie betraten den kleinen Raum und Elena blieb wie angewurzelt stehen. Auf dem Sessel am Fenster saß Jake und lächelte sie grimmig an. Sein Blick bohrte sich in ihren. Elena krallte sich in Sebastians Hand.

Die Anspannung war förmlich greifbar.

„Was ist hier los?“, fragte Elena, als sie endlich wieder sprechen konnte.

Ihre Mutter schlug die Beine übereinander und bedachte sie mit einem finsteren Blick.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich nach wie vor mit diesem Jungen dort triffst. Und offensichtlich ist es wahr.“

Ihre Worte waren hasserfüllt und trafen Elena mitten ins Herz.

„Mutter, es ist nicht so wie du denkst....Ich habe heute das erste Mal seit fast einem Monat wieder mit ihm gesprochen“, sagte Elena ungewöhnlich ruhig.

Ihre Mutter zog eine Augenbraue nach oben. Jake bedachte sie immer noch mit seinem bösartigen Lächeln. Die Abscheu für diesen Kerl wuchs mit jeder Sekunde, die verstrich.

„Und dann küsst du ihn? Und noch dazu in aller Öffentlichkeit?“, fragte ihre Mutter eiskalt.

Ihre Worte waren wie eine Ohrfeige und Elena zuckte zusammen.

„Ja, und? Was ist daran so schlimm?“, fragte sie trotzig.

Nun stand ihre Mutter wieder auf und trat auf sie zu. Kurz glaubte Elena, ihre Mutter würde sie tatsächlich schlagen, aber sie streichelte ihr nur sanft über die Wange. Sebastian wurde von ihr keines Blickes gewürdigt.

„Meine süße, naive Elena“, sagte sie sanft.

Elena sah ihre Mutter verständnislos an und trat einen Schritt zurück.

Auch Jake war aufgestanden und stand nun neben ihrer Mutter. „Lauren, wir sollten es ihr sagen“, sagte er und tätschelte ihr leicht die Schulter. Elena bedachte ihn mit einen hasserfüllten Blick.

„Mir was sagen?“, zischte sie und drückte Sebastians Hand noch ein bisschen fester.

„Elena, du solltest es eigentlich erst nach deinem Abschluss erfahren...aber du wirst Jacob heiraten“, verkündete ihre Mutter feierlich.

Eine Sekunde herrschte vollkommene Stille. Dann brach Elena in schallendes Gelächter aus.
 

„Sie wird ihn nicht heiraten!“, mischte Sebastian sich nun mit in das Gespräch ein und stellte sich zwischen seine Freundin und ihre Mutter. „Sie wird selbst entscheiden, wen und wann sie heiraten wird!“

Seine Stimme war scharf ihr gegenüber. Er wollte es nicht wahrhaben, dass sie solche Macht über Elena hatten.

Jake sah aus seinen schmalen Augen zu Elena und grinste sie breit an.

„Ich freue mich schon darauf, dich als meine Frau bezeichnen zu können“, meinte er und wurde von Elenas Mutter lächelnd angesehen. „Vergessen wir die baldige Vergrößerung des Krankenhauses ihres Mannes nicht.“

Der letzte Satz war eine unbedeutende Information, die Jake von sich gab, aber er hatte die Gunst von ihr schon längst auf seiner Seite.

„Ich werde mit Sicherheit nicht zulassen, dass sie gegen ihren Willen heiratet! Wenn es sein muss, dann werde ich sie von hier wegbringen. Sie kann selbst entscheiden, wo sie wohnen will! Sie ist schließlich alt genug!“

Er krallte sich förmlich in die Hand seiner Freundin, um sich zurückhalten zu können. Er hatte das dringende Bedürfnis, Jacob seine Faust in die Magengegend zu schlagen oder gar ihm ein blaues Auge zu verpassen.

„Halt dich fern von ihr!“, presste Sebastian hervor.

Dann glitt sein Blick zur Mutter von Elena, die ihn immer noch hasserfüllt ansah.

„Sie haben ihr nichts vorzuschreiben! Sie kann machen, was sie will und wann sie es will!“

15

Elena war wirklich beeindruckt von der Stärke in Sebastians Stimme. Ihr Herz flatterte.

„Sie wird ihn heiraten! Und verschwindet sie auf wundersame Weise, weiß ich, wem ich zuerst die Polizei auf den Hals hetzen werde“, drohte Elenas Mutter und versuchte die Hand ihrer Tochter zu ergreifen.

Elena wich allerdings gekonnt aus.

Dann vollkommen unerwartet fiel ihr etwas ein, was sie einmal in der Schule gehört hatte.

„Du kannst niemanden auf mich ansetzen. Ich bin 18 Jahre, Mutter! Ich kann gehen, wann und wohin ich will. Und arrangierte Ehen sind sowieso nicht mehr rechtskräftig! Wenn du mich jetzt entschuldigst.“

Sie zog Sebastian hinter sich her und lief mit ihm in ihr Zimmer. Dort angekommen schloss sie die Tür hinter sich ab und warf einen Koffer auf die Couch. Nicht einmal zehn Minuten später hatte sie alle ihre wichtigen Sachen eingepackt und stapfte die Treppe, mit Sebastian im Schlepptau, hinunter. Ohne groß auf ihre Mutter und Jake zu achten, nahm sie den Autoschlüssel von ihr und stieg ins Auto.

Sie bedeutete Sebastian, ihr mit dem Motorrad zu folgen. Die Wut in ihrem Bauch war erst verraucht, als sie den vertrauten Weg zur Scheune entlangfuhr. Sie parkte unter der großen Weide und blieb stumm sitzen. Mit einem Mal brachen sämtliche Gefühle auf sie ein und sie begann heftig zu schluchzen.
 

Sebastian blieb hinter Elenas Wagen stehen und stieg von seinem Motorrad ab. Er lief um das Auto herum und sah durch das Beifahrerfenster in das Fahrzeug.

„Komm“, sagte er und öffnete die Tür, damit Elena aussteigen konnte. „Auch wenn ich es nicht sagen sollte, aber deine Mutter ist … dumm. Sie kann so nicht mit dir umgehen.“

Er öffnete die Arme, damit Elena in diesen Schutz finden konnte.

„Lass uns hinein gehen und dann sehen wir weiter… Aber willst du wirklich hier bleiben? Oder willst du mit zu mir?“

Als Elena antwortete, dass sie erst einmal in der Scheune bleiben wollte, konnte Sebastian nichts weiter dagegen sagen und trug den Koffer von Elena in eben diese.

„Du bist jederzeit zum Essen bei uns willkommen. Das werde ich schon mit meinem Vater regeln. Ansonsten werden wir irgendwo etwas essen gehen.“

Er lächelte ihr aufmunternd entgegen und hoffte, ihr so etwas Hoffnung zu schenken.
 

Elena lächelte schwach, aber ihr war einfach nur danach zu weinen. In der Scheune angekommen, ließ sie sich auf das alte Sofa sinken und starrte an die Wand.

Was hatte ihre Mutter nur getan? Sie hatte alles zerstört. Und wie konnte ihr Vater das nur zulassen? Aber wenn sie es recht bedachte, hatte sie ihn seit fast zwei Wochen kaum gesehen. Vielleicht wusste er ja gar nichts von den Plänen seiner Frau.

Sebastian hatte sich neben sie gesetzt und einen Arm um sie gelegt. Leise beruhigende Worte drangen durch den dichten Nebel ihrer Gedanken. Er versprach ihr da zu sein, wenn sie ihn brauchte.

Sie wollte weinen, aber die Tränen kamen einfach nicht. Irgendwas musste sie tun. Elena sah sich in der Scheune um. Wenn sie hier bleiben wollte, brauchte sie einen Schlafplatz. Die Couch wäre zwar eine Option, aber die Federn der Polster kamen an einigen Stellen durch den Stoff, was sie nicht sonderlich bequem machte. Kurz überlegte sie und sprang auf. Im hinteren Teil der Scheune lagen alte Paletten, die Sebastian und sie irgendwann mal dort aufgestapelt hatten.

Vorsichtig nahm sie eine Palette nach der anderen von dem Stapel und schob sie, unter dem wachsamen Blick Sebastians, an eine Stelle, die der Couch ziemlich nah war. Dann lief sie zum Auto, wo sie ihre Decke und ihr Kissen aus dem Kofferraum holte, die Sebastian vorhin dort hinein gelegt hatte. Sie breitete die alten Decken aus der Scheune auf den Paletten aus und legte dann ihr Bettzeug darauf. Stolz betrachtete sie ihr Werk, während Sebastian sie immer noch still beobachtete.

Es dauerte ziemlich lange, bis sich Sebastian bewegte und stand dann auf.

„Ich werde erst einmal nach Hause gehen und dir nachher etwas zu essen vorbeibringen. Du sollst ja schließlich nicht hungern“, lächelte er ihr entgegen und sah ihr mit einem warmen Blick in die blaugrünen Augen. „Ich bin bald zurück.“

Er hauchte einen kurzen Kuss auf ihre Stirn und verabschiedete sich von ihr. Dann ging er aus der Scheune und zu seinem Motorrad. Er stieg darauf, sah noch einmal über die Schulter zu seiner Freundin und verließ sie, indem er das Fahrzeug startete und losfuhr.

Nachdem er bei sich zu Hause angekommen war, stellte er das Motorrad in der Einfahrt ab und lief ins Haus hinein.

„Bin wieder da...“, rief er leise und sah sich nach seinem Vater um.

Als er ihn entdeckt hatte, sah dieser kurz von seinem Fernseher auf. Sein Blick war eisig und Sebastian wusste nicht mehr, was er sagen sollte.

„Ich muss mit dir reden“, sagte er nach einiger Zeit und trat neben das Sofa, auf dem sein Vater saß.

Dieser sah ihn nur weiter verwirrt an, denn solche Worte war er nicht von seinem Sohn gewohnt.

„Was willst du?“, ging er ihn an und auch in seiner Stimme war eine frostige Kälte herauszuhören.

„Ab und zu wird jemand mit hier sein, um mitzuessen“, schluckte Sebastian und wich einige Schritte zurück, da sein Vater sich vom Sofa erhob und ihn finster ansah.

„Ich soll einen deiner Freunde mit durchfüttern?! Sehe ich aus, als wäre ich die Wohlfahrt?! Was denkst du dir überhaupt dabei?“

Ohne, dass Sebastian etwas dagegen unternehmen konnte, bemerkte er bereits, wie die Faust von seinem Vater schmerzhaft in seinem Gesicht landete. Seine Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen und er wusste nicht, was er von dieser Tat halten sollte.

„Ich habe keine Lust, einen deiner Freunde mit meinem Geld zu füttern! Es reicht mir schon, dass ich dich durchfüttern muss! Deine Mutter hat dich ja einfach hiergelassen, als sie abgehauen ist!“

Sebastian presste die Kiefer aufeinander, während er seinem Vater mittlerweile mit einem finsteren Blick ansah.

„Rede nicht so von ihr! Sie hat das Beste getan, was man in ihrer Situation hätte tun können! Sie ist gegangen, als die Zeit noch gereicht hatte. Du hast sie mit deiner Art und Weise verjagt! Wenn ich deine Frau gewesen wäre, oh, ich hätte dich schon viel früher verlassen.“

Sebastian fing sich für die Worte erneut eine Ohrfeige. Dieses Mal ließ dieser Schlag ihn zu Boden sinken und mit dem Kopf gegen die Wand knallen.

Vor seinen Augen begannen sich einige Sterne zu drehen, die ihn daran hinderten, klar zu denken. Außerdem bemerkte er einen metallischen Geschmack in seinem Mund und er wusste, dass sein Vater ihm die Lippe aufgeschlagen hatte. Auch in seinem Mund schien nicht mehr alles so zu sein, wie es sollte. Er drehte den Kopf zur Seite und spuckte das Blut aus. Auch ein kleines Stück eines Zahnes landete auf dem Boden.

Mit der letzten Kraft rappelte er sich wieder auf die Beine und ging hinauf in sein Zimmer. Dort angekommen ließ er sich auf das Bett sinken und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Es war eine Spur von roter Flüssigkeit auf der Hand zu sehen, welche er bereits im Mund geschmeckt hatte.

„Elena...“, murmelte er leise und sah auf die Uhr.

Die Diskussion hatte deutlich länger gedauert, als er es gedacht hätte. Wahrscheinlich war er für wenige Momente bewusstlos gewesen, als er mit dem Kopf gegen die Wand geknallt war.

„Ich muss zu ihr...“, redete er weiter mit sich selbst und stand von seinem Bett auf.

Doch alles um ihn herum begann sich zu drehen und er sank kraftlos auf den Boden. Er versuchte wieder auf die Beine zu kommen, allerdings gelang es ihm nicht und bevor er sich versah, wurde alles um ihn herum schwarz.

16

Seit Sebastian gegangen war, wusste Elena nichts mehr mit sich anzufangen. Sie hatte die gesamte Scheune aufgeräumt und ausgefegt. Danach hatte sie ihren Laptop auf ein provisorisches Regal gestellt und sich ein paar Filme angesehen. Gegen halb 2 Uhr nachts wurde sie wach und bemerkte, dass Sebastian immer noch nicht wieder da gewesen war. Ihr Magen knurrte wie verrückt, aber sie bezweifelte, dass sie um diese Uhrzeit noch etwas zu Essen auftreiben konnte, also stand sie aus ihrem provisorischen Bett auf und schnappte sich die angefangenen Cracker aus ihrem Koffer.

Der Morgen stellte für Elena eine noch größere Herausforderung dar. In der Scheune gab es zwar fließend Wasser, aber leider kein warmes. Sie wusch sich die Haare und putzte sich die Zähne, bevor sie sich auf den Weg zur Schule machte.

Sie nahm sich fest vor, Sebastian darauf anzusprechen, warum er sie in der Nacht zuvor versetzt hatte. Lächelnd dachte sie an den Kuss in der Bibliothek. Vielleicht hatte er es sich ja anders überlegt. Vielleicht wollte er sie gar nicht mehr.

Nervös sah sie sich auf dem Parkplatz ihrer Schule um. Nirgends war das schwarze Motorrad ihres besten Freundes zu sehen. Schnell stieg sie aus dem Auto ihrer Mutter und lief in das Gebäude. Ohne auf die Mitschüler zu achten, die ihr teilweise den Weg versperrten, ging sie in ihre Klasse.

Auch hier war nichts von Sebastian zu sehen. Enttäuscht ließ Elena sich auf ihren Stuhl fallen. Aus dem Augenwinkel sah sie jemanden auf sich zukommen. Erst dachte sie, es könnte sich womöglich um Jake handeln, aber als sie aufsah, war es Sarah, die neben ihr stand und sie fragend ansah. Mit besorgter Miene sah sie auf Elena hinunter.

„Du siehst wirklich scheiße aus. Was ist denn los?“, fragte sie und ging neben Elenas Tisch in die Knie.

Elena seufzte leise. Sie hatte keine große Lust, Sarah alles zu erklären, aber Sebastian war ja nicht zu erreichen.

„Deine Mutter hat gestern alle fünf Minuten bei uns angerufen. Auch nachdem sie zehnmal die selbe Antwort bekommen hatte, ließ sie nicht locker. Wo warst du denn?“, fragte sie ruhig.

„Ich war mit Sebastian unterwegs. Meine Mutter hat sich gestern mal wieder total daneben benommen und ich brauchte einfach Abstand.“

Elena wollte ihr nicht mehr anvertrauen als unbedingt nötig. Sie wusste ohnehin schon nicht mehr, wem sie vertrauen konnte und wem nicht.

Sarah war ohne ein weiteres Wort wieder auf ihren Platz gegangen und Elena wusste nicht ganz, was sie davon halten sollte. Ihr Blick flog durchs Klassenzimmer, auf der Suche nach dem blonden Idioten, dem sie nur zu gern eine Standpauke gehalten hätte. Aber auch Jake war nirgends zu sehen.

Der Rest des Tages verging wie im Flug. In Ermangelung einer besseren Beschäftigung fuhr sie nach der Schule direkt zu Sebastian, um zu sehen, ob es ihm gut ging.

Sein Motorrad stand nicht in der Einfahrt und eine kleine Stimme in ihrem Kopf fragte sich, ob er womöglich schon in der Scheune auf sie wartete. Sie gab sich einen Ruck und stieg aus. Mit schnellen Schritten überwand sie die wenigen Meter bis zur Haustür und klingelte einmal.

Nach ein paar Minuten öffnete sich knarrend die Tür. Sebastians Vater stand in Trägerhemd und Jogginghose dahinter. Sein Blick war glasig und Elena konnte den Geruch von Wodka schon von Weitem riechen.

„Ähm, Hey Mr. Hawkins. Ist Sebastian da? Er war heute nicht in der Schule und ich dachte...“

Elena kam gar nicht dazu den Satz zu beenden, denn Mr. Hawkins schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.

„Er ist krank! Und jetzt verschwinde!“, fauchte er und knallte die Tür wieder zu.

Entgeistert blieb Elena vor dem Haus stehen und sah zu Sebastians Fenster hinauf. Eine Sekunde hätte sie schwören können, ihn hinter der Gardine stehen zu sehen, aber als sie blinzelte, war er wieder weg.
 

Sebastian hatte am späten Vormittag seine Augen geöffnet und festgestellt, dass eines von ihnen ziemlich dick angeschwollen war. Er wollte gerade aus dem Haus gehen, als sein Vater ihn aufhielt und ihn an eine Wand drückte.

„Du wirst nicht gehen“, hatte er ihm an den Kopf geworfen.

Seine Hand hatte sich um seinen Hals gelegt und ihn am Sprechen gehindert, ebenso daran genug Luft zu bekommen, um weiter zu atmen.

„N-Ni-Nicht...“, brachte Sebastian mühsam hervor und versuchte sich gegen den kräftigen Griff zu wehren.

„Du wirst dieses Haus nicht verlassen, ansonsten wirst du den nächsten Morgen nicht mehr erleben!“

Er wusste, dass sein Vater schlecht drauf sein konnte, wenn er getrunken hatte, aber er wusste nicht, ob er seine Worte vielleicht auch in Taten umsetzen würde.

Nachdem er sich von ihm befreit hatte, ließ er sich an der Wand auf den Boden sinken und griff instinktiv nach seinem Hals, um zu fühlen, ob er irgendwelche Schmerzen empfand. Doch dem war nicht so und so atmete Sebastian erleichtert aus.

Er wollte nach seinem Handy greifen, was er immer in der Hosentasche trug, aber er fand es nicht an seinem ursprünglichen Platz vor. Wahrscheinlich hatte sein Vater ihm das Mobiltelefon weggenommen und versteckt, so dass er es nicht mehr wiederfand.

„Arschloch...“, entwich es Sebastian flüsternd, als sein Vater wieder den Platz vor dem Fernseher eingenommen hatte.

In ihm wuchs der Hass auf seinen Erzeuger und, wenn er es sich eingestand, so würde er ihn auch nicht mehr als Vater ansehen.

„Ich hätte mit meiner Mutter mitgehen sollen“, nuschelte er undeutlich vor sich her, als er wieder aufstand und in die Küche ging, um sich aus dem Gefrierschrank etwas zum Kühlen zu holen. „Hätte ich es doch nur getan.“

Doch in diesem Moment drehte er sich um und sah den dunklen Augen seines Erzeugers entgegen, die ihn finster anfunkelten.

„Ich bin zwar alt, aber ich habe noch sehr gute Ohren!“

Seine Stimme war ebenso eisig wie der Blick, der auf Sebastian gerichtet war. Und im nächsten Moment fand sich dieser auf dem Boden wieder, da dem Älteren die Hand erneut ausgerutscht war. Allerdings nicht aus Versehen, sondern mit voller Absicht.

„Arschloch“, kam es erneut über Sebastians Lippen, als er vom Boden aus seinen Vater ansah. „Ich weiß jetzt, wieso Mutter dich verlassen hat!“

„Du weißt nichts!“, antwortete der Mann und konnte seine Aggressionen nicht mehr unter Kontrolle behalten.

Sein Fuß schnellte nach vorne und traf die Mitte von Sebastians Brustkorb. Er hörte ein deutliches Knacken und Sebastian krümmte sich vor Schmerz zusammen. Eine oder mehrere Rippen waren mit Sicherheit gebrochen. Das Atmen fiel ihm schwer und er hatte Probleme, sich aufzurichten. Nicht nur, weil er Schmerzen hatte, sondern auch, weil sein Vater ihn gewaltsam auf den Boden drückte.

„Du hast keine Ahnung, Junge!“, knurrte er.

Als es an der Tür klingelte, nutzte Sebastian seine Chance und rettete sich in sein Zimmer. Dort schloss er sich ein und hoffte, dass sein Vater ihn nicht bis hierher verfolgen würde. Er sah aus dem Fenster und wollte sehen, wer die Person war, die geklingelt hatte, auch wenn er es sich denken konnte. Aber es traf ihn wie ein weiterer Schlag seines Vaters, als er feststellte, dass Elena vor der Tür stand.

„Was?!“, entwich es ihm leise und als sie nach oben sah, versteckte er sich schnell.

Er wollte nicht mit ihr reden. Wie sollte er seinen schmerzenden Brustkorb, sein geschwollenes Auge und die Tatsache erklären, dass er letzten Abend nicht noch einmal zur Scheune gekommen war?

Doch der Schmerz übermannte ihn und er fiel auf die Knie. Er hielt sich den Brustkorb und er dachte, dass ihm jeden Moment die Luft zum Atmen fehlen würde. Mit jedem Atemzug und mit jeder Bewegung, die er machte, wurden die Empfindungen größer und deutlich schlimmer. Er war zwar oft in Prügeleien geraten, aber solche Schmerzen hatte er schon lange nicht mehr gehabt.

Doch, als er sich auf die Seite fallen ließ und zum Fenster sah, entwich ihm ein stumpfes Lachen. Denn die dunkelhaarige Frau, die eben eine Abfuhr von seinem Erzeuger erhalten hatte, stieg in diesem Moment durch das Fenster in sein Zimmer.

„E-Elena...“, murmelte Sebastian und ließ sich schwach auf den Rücken fallen.

„Was ist passiert?“, hörte er deutliche Sorge aus ihrer Stimme heraus.

„Egal...“

Mehr brachte er nicht hervor. Mehr wollte er auch nicht sagen.

„Geh...“, meinte er nach einigen Momenten, in denen alles still war. „D-Du darfst n-nicht hier sein... Er wird dich hören...“

17

„Ich gehe nirgendwohin“, flüsterte sie und kniete sich neben ihn.

Elena sah zur Tür, um zu überprüfen, ob sie abgeschlossen war. Dann sah sie sich sein geschwollenes Auge an.

„Was ist passiert, Sebastian?“, fragte sie noch einmal mit Nachdruck.

Sebastian versuchte sich aufzusetzen, doch die Schmerzen hielten ihn am Boden. Er schüttelte kraftlos den Kopf.

„E-Egal...“, brachte er schwach hervor. „Unwichtig...“

Man konnte auf dem Flur Schritte hören und Sebastian deutete Elena an, nichts zu sagen und leise zu sein.

„Mach die Tür auf, sonst breche ich sie auf!“, hörte man den Vater vor der Tür sagen.

„G-Gleich“, rief Sebastian als Antwort und hoffte, sein Erzeuger würde vorerst Ruhe geben.

Elena zuckte zusammen und sah panisch zu ihrem Freund. Er verzog sein Gesicht vor Schmerz, als er sich aufsetzte.

„Ich gehe hier nicht ohne dich weg“, flüsterte sie und legte ihm stützend einen Arm um die Hüfte.

Doch Sebastian sah sie finster an und schob sie von sich.

„Geh!“, flüsterte er ihr entgegen und wollte keine Widerrede hören. „Er wird dich verprügeln, wenn er dich hier erwischt! Geh! I-Ich komm klar!“

Er wollte ihr ein Lächeln entgegen bringen, doch er hörte erneut seinen Vater sprechen und er sah, wie die Türklinke sich zu bewegen begann.

„Öffne diese verdammte Tür!“

Sebastian zuckte unter diesem Tonfall zusammen und sah panisch zur Zimmertür.

Elena konnte nicht anders und gab ihm einen leichten Kuss auf die Lippen, bevor sie aus dem Fenster stieg und zu ihrem Auto rannte.

Sie fuhr ein paar Straßen weiter und parkte dann am Straßenrand. Verzweifelt schlug sie auf das Lenkrad.

Sebastian hingegen rappelte sich auf und schwankte zur Zimmertür, um diese zu öffnen.

„Was?!“, ging er seinen Erzeuger an.

„Mit wem hast du geredet?“, knurrte dieser sauer.

„N-Niemand… Es war niemand hier...“, gab Sebastian kleinlaut von sich. „Mit wem sollte ich reden?“

„Du wirst dort sein, wo ich dich im Auge behalten kann!“

Sebastian wurde am Arm gepackt und wurde unter erneuten Schmerzen die Treppen hinabgezogen und im Wohnzimmer in eine Ecke auf den Boden geworfen.

„Wenn du dich bewegst, dann breche ich dir die Beine.“

Der junge Mann konnte sich ein Beben des Körpers nicht verkneifen, allerdings durchfuhr ihn dabei wieder ein Stechen im Brustkorb, der sofort dafür sorgte, dass das Zittern endete.
 

Immer wieder überlegte Elena, wie sie Sebastian retten konnte. Aber ihr fiel nur eine einzige Möglichkeit ein.

Mit zitternden Händen wählte sie die Nummer des einzigen Menschen, der ihr jetzt helfen konnte.

„Ja?“, fragte eine vertraute Stimme.

Elena räusperte sich.

„Hey, Jake. Ich brauche deine Hilfe.“

Eine Träne lief ihr über die Wange, während sie den Wagen in die Richtung steuerte, die Jake ihr während des Telefonats genannt hatte.
 

Sebastian hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich auf seine Atmung, damit sie nicht zu rasch wurde und die Schmerzen ins Unermessliche anstiegen.

Er wusste nicht, wie spät war, als er die Augen wieder öffnete, denn er war wahrscheinlich eingeschlafen. Doch als er einen kurzen Blick aus dem Fenster warf, war es bereits stockdunkel. Kein einziges Licht erhellte den finsteren Himmel.

Sein Blick glitt zu seinem Vater. Er saß auf seinem Sofa und hatte die Flasche mit Alkohol in der Hand. Es widerte ihn an, seinen Erzeuger so zu sehen und zu wissen, dass er mit diesem Menschen verwandt war.

Er versuchte aufzustehen und zog einen finsteren Blick auf sich.

„I-Ich will nur etwas trinken...“, meinte Sebastian leise und bereute es jetzt schon, sich bewegt zu haben.

Der Vater stand auf und hielt ihm die Flasche mit der braunen Flüssigkeit hin.

„Ich gebe es dir ungern, aber verdursten lassen will ich dich auch nicht.“

Widerwillig nahm Sebastian einen Schluck der bitter schmeckenden Flüssigkeit. Angewidert verzog er das Gesicht.

„Brav...“, grinste sein Vater finster, ging zurück zum Sofa, damit er die Sendung im Fernseher weiter verfolgen konnte und ließ sich auf dieses sinken.

Sebastian wusste nicht weiter und er hoffte, dass irgendjemand kam und ihn aus dieser Hölle herausholte.
 

„Hör zu, ich mache wirklich alles, wenn du ihm nur hilfst“, schloss Elena ihre Erzählung ab.

Sie saß in Jacobs riesiger Villa am Stadtrand und beobachtete jede seiner Bewegungen. Seit sie angekommen war, war seine Miene undurchdringbar gewesen, aber jetzt lächelte er leicht.

„Elena...Das ist keine leichte Entscheidung für mich, nachdem du mir so eine Abfuhr erteilt hast“, sagte er süffisant.

Immer noch liefen Elena die Tränen über die Wange. Sie wusste einfach nicht mehr weiter.

„Okay, ich mache dir einen Vorschlag. Wir vergessen diesen hässlichen Zwischenfall von gestern. Ich hatte nicht das Recht, mich an deine Mutter zu wenden und das tut mir leid. Allerdings meine ich es ernst. Ich will dich heiraten. Und wenn du einwilligst, meine Frau zu werden, helfe ich deinem Freund.“

Seine Stimme war freundlich und verständnisvoll, aber Elena wusste, dass es kalte Berechnung war. Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte, aber sie hatte keine andere Wahl.

„Okay...Ich werde dich heiraten, aber bitte… Bitte hilf ihm“, flehte sie verzweifelt.

Jake stand auf und telefonierte kurz mit einem seiner Wachleute. Zumindest hatte er dies Elena gesagt.
 

Am Morgen stand die Sonne bereits früh am Himmel und Sebastian wurde von den ersten Sonnenstrahlen geblendet. Ihm taten nicht nur der Brustkorb und sein Auge weh, sondern mittlerweile auch der Rest des Körpers. Die Nacht hatte er auf dem unbequemen Boden sitzen müssen und durfte sich nicht bewegen. Immer, wenn sein Vater es nicht mitbekommen hatte, war er darauf bedacht, sich so wenig wie möglich zu bewegen, allerdings wollte er auch eine andere Sitzposition finden, die es für ihn doch etwas angenehmer machte.

Er sah zu seinem Erzeuger und bemerkte, dass dieser felsenfest schlief und lautstark schnarchte. Wie gern würde er ihm ein Kissen auf das Gesicht drücken und dafür sorgen, dass die Luftversorgung unterbrochen wurde. Allerdings konnte er es nicht tun, denn immerhin war er dennoch sein Vater.

Sebastian hörte, wie vor dem Haus Autotüren zugeschlagen wurden und kurz darauf wurde heftig auf die Klingel des Hauses gedrückt. Sein Vater schreckte aus seinem Schlaf, sah sich wütend um und brummte etwas vor sich her, als er sich vom Sofa nach oben drückte.

„Wer stört?!“, rief er laut durch das Wohnzimmer und stapfte zur Haustür, um diese zu öffnen.

Als der Ältere in den Flur gegangen war, sah Sebastian ihn nicht mehr und hörte nur ein dumpfes Geräusch. Es klang, als würde jemand zu Boden fallen. Was war hier los?

Sebastian wollte aufstehen und nachsehen, doch seine Schmerzen ließen es nicht zu. Doch dann kam auch schon Elena auf ihn zugerannt und umarmte ihn stürmisch. Ein schmerzhaftes Stöhnen entwich Sebastians Kehle, als sich seine Freundin an ihn klammerte.

„W-Was?“, kam es schwach zwischen seinen Lippen hervor.

Dann fiel sein Blick auf Jake, der ihn von oben herab ansah und eine gewisse Distanz zwischen ihnen bewahrte. Sebastians Augen verengten sich zu Schlitzen, allerdings war er nicht in der Lage etwas zu sagen und hoffte, dass Elena ihm erklären konnte, was hier los war.
 

„Alles ist gut, du bist in Sicherheit“, schluchzte Elena an Sebastians Hals.

Sie überhäufte ihn mit Küssen, weil sie keine andere Möglichkeit sah, ihrer Freude Ausdruck zu verleihen. Die ganze Nacht hatte sie Angst, ihm sei etwas zugestoßen. Sie hatte kein Auge zugemacht, aus Angst er könnte nicht mehr leben.

„Ich liebe dich, Sebastian. Vergiss das bitte nie“, sagte sie und küsste ihn noch einmal leidenschaftlich.

Sie war sich Jakes Blicke sehr wohl bewusst, aber er hatte ihr doch schon das Versprechen abgenommen, dass sie ihn heiratete. Dann konnte er ihr wenigstens diesen letzten Kuss lassen.
 

„Komm jetzt. Er wird alleine klar kommen“, sagte Jake sauer und wartete darauf, dass Elena zu ihm lief.

Besitzergreifend schlag er den Arm um ihren Körper und zog sie eng an sich.

Sebastian wollte aufstehen, ihnen hinterherrennen und sie aufhalten. Doch sein Körper verweigerte ihm den Dienst. Wütend schlug er mit der Faust auf den Boden. Er verfluchte sich selbst, dass er Elena nicht aufhalten konnte. Was hatte sie Jake gesagt, damit er ihr half?

Nach einiger Zeit schaffte es Sebastian trotzdem auf die Beine zu kommen und sah, dass sein Vater noch immer reglos im Flur auf dem Boden lag. Allerdings kümmerte er sich nicht um ihn, sondern lief in sein Zimmer, packte einige Sachen zusammen und suchte im Wohnzimmer nach seinem Handy. Er hatte es nach einigen Minuten gefunden und steckte es wieder in seine Hosentasche. Im Moment ignorierte er den stechenden Schmerz in seinem Brustkorb.

Wenn er in der Annahme richtig lag, dass Jake Elena noch immer heiraten wollte, dann hatte er noch einige Tage, bis die Hochzeit stattfand. Die letzte Abschlussprüfung war in genau einer Woche. Und, so wie er es verstanden hatte, war die Hochzeit genau auf den nächsten Tag gelegt worden.

Sebastian lief in die Garage und sah sein Motorrad, welches unsanft auf die Seite geworfen wurde. Irgendwann würde sein Vater dafür bezahlen, wie er mit ihm und seinen Sachen umging. Er stellte das Bike wieder auf die Räder, sah sich die Kratzer an, die diese Tat hinterlassen hatte, und stieg auf, um so schnell es ihm möglich war von hier wegzukommen.

Der erste Weg führte ihn zur Scheune, um seine Sachen, die er in eine Tasche gesteckt hatte, abzulegen und fuhr dann weiter zu einem Arzt, damit er ihm sagen konnte, wie schwer seine Wunden wirklich waren.

Am späten Nachmittag schaffte er es endlich, sich etwas zu essen zu organisieren und sich endlich mal auf das – mittlerweile für ihn ziemlich bequeme - alte Sofa in der Scheune zu setzen. Er schloss die Augen und hoffte, dass es Elena gut ging.

„Danke das du mir geholfen hast… Und du hast noch ein paar Sachen in der Scheune vergessen“, schrieb er eine Nachricht an seine Freundin.

Nach einigen Minuten hatte er die Hoffnung fast aufgegeben, dass noch eine Antwort kam, als plötzlich sein Handy vibrierte.

18

„Ich komme, so schnell ich kann“, schrieb Elena und sah zu ihrem zukünftigen Ehemann.

Sie standen bei einem Juwelier. Entgegen Elenas Protest hatte Jacob entschieden, ihr einen Ring zu kaufen. Sie wollte nicht wahrhaben, was sie getan hatte. Alles für Sebastian, sagte sie sich immer wieder selbst.

Jacob hatte ihr einiges über sich erzählt. Anscheinend war er ein Herzog von Irgendwas, also ein entfernter Verwandter der Königin von England. Damit er sein Herzogtum behalten konnte, musste er so schnell wie möglich heiraten. Seine Eltern, die in Amerika als Botschafter tätig waren, hatten ihm freie Wahl gelassen. Und Jacob selbst hatte sich vom ersten Augenblick an für Elena entschieden. Der Gedanke an sich war wahnsinnig romantisch, aber die Art wie er sie zu einer Hochzeit zwingen wollte, war ihr zuwider.

Nachdem sie nun ihren Ring am Finger trug, fuhr sie unter dem Vorwand, sie müsse ihre Sachen holen, mit dem Auto ihrer Mutter zur alten Scheune. In Zukunft würde sie ein Zimmer in Jacobs Villa beziehen, aber der Gedanke machte sie traurig.

Sie parkte vor der Scheune und lief hinein. Mit tränenüberströmtem Gesicht rannte sie zur Couch und ließ sich sanft in Sebastians Arme fallen.

„Es tut mir so leid“, schluchzte sie an seiner Brust.
 

Sebastian drückte Elena sanft an sich und schloss sie fest in seine Arme.

„Bleib hier...“, murmelte er leise und hob ihren Kopf sanft an, damit er sie ansehen konnte.

Mit einer gekonnten Bewegung der Finger, wischte er ihr die Tränen von den Wangen.

„Bitte weine nicht...“

Er musste grinsen, denn ihm kam eine merkwürdige Idee in den Kopf. Allerdings wusste er nicht, wie er diese umsetzen sollte oder gar ob sein Körper dafür bereit war.

„Ich … liebe dich“, hauchte er leise an ihre Lippen und versiegelte diese mit seinen.

Er vergrub seine Hand in ihren Haaren, die sich unter seinen Fingerspitzen so weich anfühlten. Er wollte sie nah bei sich spüren und sie nie mehr gehen lassen. Allerdings wusste er, dass Jake sie irgendwann suchen würde.
 

„Ich hab ihm gesagt, dass es etwas länger dauert“, flüsterte sie an seinen Lippen und versank wieder in ihrem Kuss.

Wenn dies das letzte Mal war, dass sie ihren Freund wiedersah, musste sie einfach jede Sekunde auskosten.

Vorsichtig, um ihn nicht zu verletzen, setzte sie sich auf seinen Schoß und schlang die Arme um seinen Hals. Seine Lippen lagen so weich auf ihren, dass sie alles um sich herum vergaß.

„Ich liebe dich so sehr“, stöhnte sie, während er mit seinen Lippen an ihrem Hals entlang glitt.

Es war, als würde sie vollkommen in Flammen stehen, und ihn gleich mit sich verbrennen. Sebastian hielt sie fest an sich gedrückt. Seine freie Hand fuhr immer wieder ihr Rückgrat auf und ab. Wieder fanden seine Lippen wie selbstverständlich Elenas.

Sie hatte keine Ahnung, wo das alles hinführen sollte, aber sie war fest entschlossen, ihrem besten Freund ein letztes Mal zu zeigen, wie sehr sie ihn wirklich liebte.
 

Sebastian sah verträumt in die Augen seiner Freundin. Er wusste, es würde das letzte Mal sein, wo er ihr so nah sein konnte.

„Elena...“, hauchte er leise in den Kuss hinein. „Sei heute Nacht mein, nur mein allein...“

Er drückte sie sanft an sich, als er mit seiner Hand an ihren Hüften angekommen war und drückte sie enger an sich. Den heranwachsenden, stechenden Schmerz in seiner Brust versuchte er, so gut es ging, zu ignorieren.

„Ich will dir so nah sein, wie noch nie jemand anderes...“

Er konnte nicht leugnen, dass er sie berühren wollte.
 

„Ich werde für immer nur dir gehören, auf diesem Weg und auf jedem anderen“, flüsterte sie und streichelte sanft Sebastians Wange.

Seine dunklen Augen glühten, seine sanften Hände ruhten auf ihren Hüften.

Als er seine Lippen wieder auf ihre legte, spürte sie die Dringlichkeit in seinem Kuss. Sebastian brauchte sie, genauso wie sie ihn in diesem Moment brauchte. Sie presste sich fest an ihn, so dass kein Raum mehr zwischen ihnen blieb.

Sebastian führte seine Hand unter Elenas Shirt und streichelte vorsichtig über ihren Rücken. An den Stellen, an denen seine Finger auf ihre Haut trafen, prickelte es angenehm. Elena spürte wie Sebastians Zunge leicht gegen ihre stupste, während sie sich immer weiter ineinander verloren.
 

Er richtete sich leicht auf und streifte ihr mit einer Hand das Shirt vom Körper. Seine Blick glitt über ihren Körper und er prägte sich jeden Zentimeter ein, der ihm unter die Augen kam.

„Elena...“, hauchte Sebastian und aus seiner Stimme konnte man deutlich heraushören, wie sehr er sie brauchte. „Berühre mich...“

Seine Hände glitten weiter über ihren Körper. Dort, wo er sie berührte, fühlte sich ihre Haut absolut heiß an und er hatte das Gefühl, sich jeden Moment an ihr zu verbrennen. Allerdings wollte er nicht aufhören, und als er merkte, dass Elena unter seinen Berührungen zusammenzuckte, stahl sich ein Grinsen auf seine Lippen.

„Ich will dich...“

Als Elena mit ihren Fingern langsam unter sein Shirt wanderte, zuckte er kurz zusammen, denn er bemerkte auf einmal wieder diesen stechenden Schmerz in seiner Brust. In diesem Moment wollte er nicht daran denken und einfach nur die Zweisamkeit mit ihr genießen.

19

Elena spürte jeden Muskel unter Sebastians weicher Haut. Bei jeder ihrer Berührungen fühlte sie, wie sie sich anspannten. Sie zog Sebastian das T-Shirt über den Kopf und sog scharf die Luft ein, als sie den riesigen Bluterguss an seinen Rippen sah. Besorgt sah sie ihn an und wieder traten Tränen in ihre Augen.

„Ich hätte dich gar nicht gehen lassen sollen“, flüsterte sie und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals.

Er streichelte immer wieder über ihren Rücken. Sie begann leichte Küsse auf seinen Hals zu hauchen. Mit kundigen Fingern öffnete er ihren BH und zog ihn ihr sanft aus. Mit einem Staunen betrachtete er ihren entblößten Oberkörper. Sie spürte, wie das Blut in ihre Wangen stieg und bedeckte ihren Busen mit den Armen. Sebastian lächelte leicht und schüttelte den Kopf, während er ihre Arme beiseite schob.
 

„Mir geht es gut“, sagte Sebastian und wollte seine Freundin damit aufmuntern.

Er wollte nicht daran denken und zog sie wieder in einen leidenschaftlichen Kuss. Mit seiner Zunge bat er wieder um Einlass und, als er diesen bekam, erkundete er erneut ihren Mund und umspielte ihre Zunge. Seine Hände ruhten währenddessen an ihren Hüften und drückten sie sanft an sich.

Mit einem Finger spielte er an ihrem Hosenbund und drückte sie etwas von sich, damit sie aufstehen und er ihr die Hose ausziehen konnte. Als sie vor ihm stand, glitt erneut ein Lächeln auf seine Lippen.

„Du bist so wunderschön...“, entwich es ihm leise und er stand auf, damit er sie erneut küssen konnte. „Ich kann es noch gar nicht glauben...“

Es dauerte einige Sekunden, bis er beobachten konnte, wie sich Elena gefasst hatte und ihre Hände an seine Hüften legte.
 

Sie stellte sich auf Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Mit einer Hand öffnete sie seine Hose und schob sie über seine Hüfte, sodass sie zu Boden fiel. Sie spürte seine Erregung an ihrem Körper, als sie sich wieder fest an ihn presste.

Mit einer gekonnten Bewegung hob er sie hoch und Elena schlang ihre Beine um seine Mitte. Seine Küsse wurden drängender, als er sie zu dem Palettenbett trug. Sanft ließ sich Sebastian mit Elena im Arm darauf sinken, ohne ihren Kuss zu unterbrechen. Er sog ihre Unterlippe zwischen seine Zähne und knabberte sanft daran. Sie kicherte leicht, aber für ihn war es das schönste Geräusch, was er seit Langem gehört hat. Er hauchte eine Spur Küsse von ihrem Hals bis zu ihrem Bauchnabel, bevor er ihren Mund wieder mit seiner Zunge erforschte.
 

Er drehte sich auf den Rücken, denn er konnte sich nicht über sie beugen. Es schmerzte in seiner Brust und er kniff deswegen kurz die Augen zusammen.

„Wir… sollten langsamer machen...“, hauchte er leise. „Es tut mir leid...“

Seine Stimme war leise und wirkte leicht traurig, denn er konnte sich nicht wirklich so bewegen, wie er es wollte. Und genau diese Tatsache störte ihn. Er verfluchte sich dafür, dass er sich nicht gegen seinen Vater gewehrt hatte. Er presste die Kiefer aufeinander, bis er in den Gelenken ebenfalls Schmerzen spürte.

Allerdings wollte er jetzt nicht weiter daran denken und lenkte seine Gedanken auf seine Freundin. Er ignorierte das Ziehen in seiner Brust, als er sich erneut über sie beugte. Mit seinen Lippen zog er eine feine Linie mit Küssen von ihren Lippen, über den Hals bis hin zu ihrem Bauch. Dort umspielte er ihren Bauchnabel mit sanften Küssen. Seine Finger glitten er über ihre Seiten und strichen dort auf und ab.

„Ich will dich berühren...“

20

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

21


 

Sebastian starrte in den Spiegel und seufzte. Nachdem er in der Scheune eingezogen war und er sich wieder frei bewegen konnte, war alles für ihn etwas einfacher gewesen. Die Scheune hatte er so umgebaut, dass sie an das Stromnetzwerk angeschlossen werden konnte und somit auch das heiße Wasser funktionierte. Auch die Inneneinrichtung hatte er deutlich verbessert. Er hatte Wände eingezogen und auch sonst hatte er viel getan. Einen Abend, wo er nicht bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, gab es seitdem Elena gegangen war nicht mehr.

Immer wieder hatte er sich dabei erwischt, wie er sich vorgestellt hatte, wie es wohl wäre, wenn er und Elena in der Scheune leben würden. Er hatte sich vorgestellt, wie er von der Arbeit nach Hause kam und Elena bereits zu Hause war und auf ihn wartete. Sie würde ihn mit einem breiten Lächeln begrüßen und ihm um den Hals fallen, dann würden sie beide auf das Sofa sinken und einige Zeit zusammen dort sitzen. Elena würde eventuell dann das Essen vorbereiten.

Sebastian schüttelte den Kopf, um seine Gedanken wieder in die Realität zu lenken. Heute würden die Abschlusszeugnisse übergeben und dort würde er Elena wieder sehen. Am Abend war zusätzlich noch die Party, um das Schuljahr zu beenden.

Er stieg auf sein Motorrad, fuhr zur Schule und ging in die große Aula. Dort sah er sich um, konnte Elena aber nicht entdecken. Er hoffte, sie würde jeden Moment auftauchen. Allerdings, als sie auftauchte, war sie nicht allein. Jacob war an ihrer Seite. Er grinste breit, als er die Arme um ihre Hüften schlang. Doch Sebastians Reaktion darauf war, dass er die Hände zu Fäusten ballte und am liebsten hätte er Elena von ihm weggerissen, damit sie nicht so nah bei ihm war.

„Hey“, sagte Jacob, als sie an ihm vorbei liefen. „Ich hätte wissen müssen, dass du hier sein wirst.“

„Ich bin schließlich ebenfalls in der Abschlussklasse gewesen. Also warum sollte ich nicht hier sein?“, ging er Jake an.

Er konnte es nicht ertragen, dass Jacob Elena so nah war und er sah zur Seite. Er wollte diesen Anblick nicht vor Augen haben und schon gar nicht würde er sich vorstellen wollen, dass Jakob seine Freundin begehrte. Aber er atmete tief ein und aus und hoffte, dass seine innere Wut wieder verrauchte.

 

Elenas Magen verkrampfte sich, als sie Sebastian auf seinem Platz sitzen sah. Fast ein Monat war seit ihrer gemeinsamen Nacht vergangen. Seitdem hatte sie ihn kaum noch gesehen. Ab und zu war er ihr in den Schulfluren begegnet, aber er hatte sie nicht gesehen und sie hatte sich dann meistens schnell versteckt. Seit sie bei Jacob wohnte, war vieles anders geworden. Sie hatte ihr eigenes Zimmer in seinem Haus, den Rest musste sie sich mit ihm teilen. Um ihm aus dem Weg zu gehen, schlief sie länger und ging abends früh ins Bett.

Ihre Mutter hatte wieder angefangen mit ihr zu reden, aber wirklich ehrlich war sie nur zu ihrem Vater. Er verstand nicht, wieso sie sich darauf einließ, auch dann nicht, als sie es ihm versuchte zu erklären. Auch Lauren, Elenas Mutter, konnte er nicht umstimmen. Elena hatte den Verdacht, er wäre genauso machtlos wie sie selbst.

Die meiste Zeit verbrachte sie mit der Hochzeitsvorbereitung, nicht dass es sie besonders interessierte, aber so lenkte sie sich am besten ab. Jacobs Mutter war eine strenge Frau. Jedes Mal wenn sie Elena sah, rümpfte sie die Nase. Sie dachte Elena bekam es nicht mit, aber dem war nicht so. Den Herzog, wie Jacob ihn nannte, hatte Elena noch nicht kennengelernt. Angeblich verweilte er in Bangladesch.

Jetzt jedenfalls saß Elena neben ihrem Verlobten in der vordersten Reihe der Aula und versuchte die Blicke in ihrem Rücken zu ignorieren. Wie gern hätte sie sich umgedreht oder wäre zu ihm gegangen.

Nach und nach wurden alle Namen der Abschlussschüler aufgerufen. Als Elena aufgerufen wurde stand sie leicht schwankend auf und betrat die Bühne. Der Direktor lobte sie für ihre guten Noten und wünschte ihr viel Erfolg für die Zukunft.

Zukunft, dachte Elena und sah sich sehnsüchtig im Saal um, bis sie die Augen trafen, die sie unter Millionen wieder erkannt hätte.

Wie auf Knopfdruck reagierte ihr Herz. Es raste wie verrückt in ihrer Brust. Sie senkte den Blick und verließ wieder die Bühne, um sich zu setzen. Als sie wieder saß, gab Jacob ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Sie lächelte, aber dieses Lächeln brach ihr das Herz.

 

Elenas Magen verkrampfte sich, als sie Sebastian auf seinem Platz sitzen sah. Fast ein Monat war seit ihrer gemeinsamen Nacht vergangen. Seitdem hatte sie ihn kaum noch gesehen. Ab und zu war er ihr in den Schulfluren begegnet, aber er hatte sie nicht gesehen und sie hatte sich dann meistens schnell versteckt. Seit sie bei Jacob wohnte war vieles anders geworden. Sie hatte ihr eigenes Zimmer in seinem Haus, den Rest musste sie sich mit ihm teilen. Um ihm aus dem Weg zu gehen schlief sie länger und ging abends früher ins Bett.

Ihre Mutter hatte wieder angefangen mit ihr zu reden, aber wirklich ehrlich war sie nur zu ihrem Vater. Er verstand nicht wieso sie sich darauf einließ, auch nicht als sie es ihm versuchte zu erklären. Auch Lauren konnte er nicht umstimmen. Elena hatte den Verdachte, er wäre genauso machtlos wie sie selbst.

Die meiste Zeit verbrachte sie mit der Hochzeitsvorbereitung, nicht dass es sie besonders interessierte, aber so lenkte sie sich am besten ab. Jacobs Mutter war eine strenge Frau. Jedes Mal wenn sie Elena sah rümpfte sie die Nase. Sie dachte Elena bekam es nicht mit, aber dem war nicht so. Den Herzog, wie Jacob ihn nannte, hatte Elena noch nicht kennengelernt. Angeblich verweilte er in Bangladesch.

Jetzt jedenfalls saß Elena neben ihrem Verlobten in der vordersten Reihe der Aula und versuchte die Blicke in ihrem Rücken zu ignorieren. Wie gern hätte sie sich umgedreht oder wäre zu ihm gegangen.

Nach und nach wurden alle ihre Namen aufgerufen. Als Elena aufgerufen wurde stand sie leicht schwankend auf und betrat die Bühne. Der Direktor lobte sie für ihre guten Noten und wünschte ihr viel Erfolg für die Zukunft. Zukunft, dachte Elena und sah sich sehnsüchtig im Saal um, bis sie die Augen trafen, die sie unter Millionen wieder erkannt hätte. Wie auf Knopfdruck reagierte ihr Herz. Es raste wie verrückt in ihrer Brust. Sie senkte den Blick und verließ wieder die Bühne, um sich zu setzen. Als sie wieder saß, gab Jacob ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Sie lächelte, aber dieses Lächeln brach ihr das Herz.

 

Seine Augen ruhten auf ihrem Rücken und er presste die Kiefer aufeinander, als sich Jacob ihr näherte und ihr einen Kuss auf die Wange hauchte.

Es reicht…, ging es ihm durch den Kopf.

Sebastians Name wurde aufgerufen. Es dauerte einige Sekunden, bis Sebastian es verarbeitet hatte und lief auf die Bühne, um sein Zeugnis entgegen zu nehmen. Er war froh, dass er schnell wieder von der Bühne konnte und nicht die ganzen Blicke an ihm klebten.

Sein Blick glitt zu Elena, als er an ihr vorbei ging und in seinem Hals wuchs erneut ein Kloß, denn er würde sie am liebsten an der Hand mit sich ziehen und einfach von hier weglaufen. Doch es war ihm nicht möglich.

Als er wieder auf seinem Platz saß, zog er sein Handy aus der Innentasche seines Jacketts.

„Wir treffen uns in der Sporthalle. In 30 Minuten.“

Er sendete die Nachricht, und sah schon wenige Sekunden später, wie Elena ihren Kopf senkte und scheinbar etwas las.

 

30 Minuten später stand Elena in der großen Turnhalle und wartete mit dem Handy in der Hand auf Sebastian. Als er auftauchte, sah sie ihn verständnislos an. Aber er sagte kein Wort. Er kam einfach auf sie zu, legte seine Hände um ihr Gesicht und zog sie in einen leidenschaftlichen Kuss.

 

Er drückte sie mit seinem Körper an die Wand und hinderte sie somit daran wegzulaufen.

„Elena...“, murmelte er leise in den Kuss und er merkte, dass sein Körper sich nicht mehr bewegte. „Ich … kann es nicht mehr… Ich kann mich nicht mehr von dir fernhalten...“

Seine Augen füllten sich mit Tränen, allerdings konnte er verhindern, dass sie ihren Weg über seine Wangen suchten.

„Ich will dich für mich...“

Er sah ihr genau in die Augen und wusste nicht, was er weiter sagen sollte. Als er dann allerdings einen Schritt zurückweichen wollte, hielt Elena ihn am Handgelenk fest.

„Nicht...“, murmelte sie leise. „Bleib...“

Sebastian sah auf Elenas Hand.

„Ich will mit dir weglaufen. Ich kann es aber nicht...“, hauchte er leise.

 

Mit einem leichten Lächeln streichelte sie seine Wange. Tränen brannten in ihren Augen, aber sie wollten nicht kommen. Sie hatte schon so viel geweint.

„Wir können nicht weglaufen... Auch wenn es nichts gibt, was ich mir mehr wünschen würde“, flüsterte sie.

Mit der freien Hand spielte sie am Saum ihres roten Kleides.

„Ich kann nicht...“, flüsterte sie wieder, diesmal voller Verzweiflung.

Sebastian biss die Zähne zusammen, bis seine Kiefer schmerzten. Sanft hob er ihr Kinn an und sah ihr tief in die Augen.

 

„Ich kann dich vielleicht nicht hier wegholen, aber ich kann dir ein bisschen Glück geben. Wir müssen nur einen Augenblick finden, indem wir zusammen sein können...“, flüsterte er leise. „Es wird einen Weg geben...“

Sebastian versuchte sich selbst einzureden, dass alles gut werden würde. Allerdings hatte er momentan noch nicht die Hilfe.

„Ich will mit dir zusammen sein...“

Sein Blick glitt zur Seite. Doch Elena drehte seinen Kopf wieder zurück, so dass er sie ansehen musste.

„Wir sollten uns nicht mehr sehen“, meinte Elena und schluckte.

Es war für sie eindeutig schwer, ihn auszusprechen. Das konnte er deutlich heraushören.
 

22


 

Als Sebastian sich wieder zum Gehen wenden wollte hielt sie ihn wieder fest. „Warte...lass mich ausreden“, bat sie leise. Sebastian sah sie fragend an, aber er wartete. „Ich will es doch auch, aber ich werde auf Schritt und Tritt beobachtet. Überall wo ich alleine hingehe folgen mir seit einigen Wochen Bodyguards von Jacob. Er sagte zwar es sei nur zu meiner Sicherheit, aber dass stimmt nicht. Er will nur genau wissen was ich mache und mit wem.“ Elena schluckte schwer. Sie wandte den Blick ab, als sie weitersprach. „Ich liebe dich, aber ich lasse nicht zu dass du dich wegen mir in Gefahr begibst.“

Er drehte ihren Kopf wieder zu sich und küsste sie einmal kurz, unfähig irgendwas zu erwidern.

 

"Ich begebe mich doch nicht in Gefahr. Wieso sollten diese Typen mir irgendwas antun? Ich habe nicht vor, dich zu verletzen...", antwortete Sebastian, nachdem er den Kuss wieder gelöst hatte.

Er trat einige Schritte von Elena zurück und sah sich um, denn auf einmal fühlte er sich beobachtet. Allerdings sah er niemanden.

"Du solltest zu deinem Verlobten zurück, bevor er dich noch sucht..."

Das Wort 'Verlobter' kam ihm schwer über die Lippen, aber er hatte sie irgendwie hervor gepresst und sah sie jetzt an, als wäre es das letzte Mal, dass er sie sehen würde.

 

Am Abend war er auf der Party und nippte gerade an seinem Plastikbecher, der mit purem Alkohol gefüllt war. Er wollte hier eigentlich so schnell wie möglich wieder weg. Doch er konnte nicht, denn er hatte versprochen einen Freund am Ende nach Hause zu fahren. Dieser Becher mit dem Bier war der letzte, den er heute Abend anfassen würde, das hatte er sich geschworen.

Aber seine Gedanken glitten davon und zum Geschehen des Nachmittags. Er war gegangen und hatte Elena stehen gelassen. Er hatte in der Schule die Faust gegen die Wand geschlagen, um seine Aggressionen loszuwerden. Seine Hand schmerzte noch immer.

Als er Elena sah und sich ihre Blicke trafen, schluckte er kurz und fragte sich, wieso sie alleine war. Wo war er und wieso ließ Jake sie allein?

 

Grinsend kam Sarah auf sie zu getanzt, als sie das Haus betreten hatte. Mit einem Lächeln nahm Elena den Becher den ihre Freundin ihr hin hielt. Jacob war mit seinen Eltern zur Feier des Tages essen gegangen, also war es ihre Chance noch einen letzten Abend mit ihren Freunden verbringen zu können.

Quer durch den Raum sah sie Sebastian an der Bar stehen, aber sie beachtete ihn nicht, sie konnte es grade nicht ertragen. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Becher. Das Brennen in ihrer Kehle war angenehm und ließ sie vergessen. Nach dem dritten oder vierten Becher ging sie zur Bar hinüber und mischte sich noch etwas zusammen.

„Wo ist denn dein Verlobter“, fragte eine bekannte Stimme neben ihr. Unwillkürlich hüpfte ihr Herz schneller. Sie drehte sich zu ihm um und ihr Körper reagierte. „Er ist nicht hier“, sagte sie gedehnt. Der Alkohol in ihrem Blut ließ sie mutiger werden. Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Aber trotzdem dürfen wir nichts Unanständiges machen“, fügte sie zwinkernd hinzu. Am liebsten würde sie ihn berühren, seine weiche Haut unter ihren Fingern spüren.

Er seufzte leicht und berührte kurz ihre Hand, als er nach der Flasche darin griff. Das Knistern zwischen ihnen war fast greifbar. Nervös kaute Elena auf ihrer Unterlippe, bevor sie noch einen Schluck von ihrem Becher nahm. Sein Gesicht und sein Körper tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Ihr Gesicht glühte vor Verlangen.

 

Sebastian zuckte gelangweilt mit den Schultern.

"Was ist bei dir unanständig?", zog er eine Augenbraue nach oben, als hätte er absolut keine Idee, was Elena meinte.

Doch es war ihm egal, dass sie wahrscheinlich einen Wachhund dabei hatte, der aufpasste, dass sie Jake nicht fremdging. Aber er nah den Becher aus ihrer Hand und stellte ihn auf die Theke. Er umfasste ihr Handgelenk und zog sie mit sich auf die kleine Tanzfläche, wo sich bereits einige Anschlussschüler im Rhythmus der Musik bewegten. Er zog Elena mit einer Hand an ihrer Hüfte an sich und hielt sie fest, damit sie nicht weglaufen konnte.

"Verbringe den Abend mit mir", hauchte er nah an ihrem Ohr.

Der Alkohol vernebelte seine Sinne und den Verstand. Klar denken konnte er in ihrer Gegenwart sowieso nicht, auch wenn er es vielleicht wollte. Er rieb unmerklich seine Hüften an ihren und begann sich im Takt der Musik zu bewegen.

Vielleicht wollte er sie um den Verstand bringen. Vielleicht wollte er ihr noch einmal so nah wie sein, wie er es in der Scheune gewesen war. Vielleicht wollte er ihr aber auch beweisen, dass niemand ihm etwas tun würde. Er war sich nicht sicher, wieso er genau dies tat. Aber er wusste, dass es sich in diesem Moment vollkommen richtig anfühlte.

 

Sein warmer Körper war so nah an ihrem, dass sie kaum denken konnte. Seine weichen Berührungen waren Balsam für ihre gereizten Nerven.

Irgendwo im Raum waren wachsame Augen genau auf sie gerichtet, aber es war ihr egal. Eigentlich wollte sie sogar, dass Jacob erfuhr was sie hier trieb, damit er wusste was er ihr antat.

Sanft legte sie ihre Hände auf seine Hüften und wiegte sich mit ihm zusammen im Takt. Das Knistern zwischen ihnen wurde immer leidenschaftlicher. Mit einem Ruck zog er sie an ihrem Gürtel, den sie um ihr Kleid geschlungen hatte, an sich und küsste sie drängend. Seufzend öffnete Elena leicht die Lippen und seine Zunge glitt in ihren Mund.

Erleichterung mache sich in ihr breit, als sie seine Lippen auf ihren spürte. Der Druck in ihrem Unterleib stieg mit jedem Augenblick an.

Sie löste sich langsam von ihm und nahm seine Hand, um ihn ins obere Stockwerk des Hauses zu führen. Am oberen Ende der Treppe angekommen, presste Sebastian sie an die Wand und drängte ihr Beine auseinander. Elena schlang die Arme um seinen Hals und er hob sie hoch und trug sie ins nächstbeste Schlafzimmer.

Vor dem großen Himmelbett ließ er Elena wieder zu Boden sinken und sie gab ihm einen kleinen Schubs, so dass er sich rückwärts aufs Bett fallen ließ. Er rutschte an obere Ende und lehnte sich mit dem Rücken ans Kopfteil. Elena krabbelte zu ihm aufs Bett und auf seinen Schoß. Sebastian schob seine Hände unter den Saum ihres Kleides und zog sie an den Oberschenkeln näher an sich heran.

 

Sebastian sah sie aus halb geschlossenen Augen an, als er mit seinen Händen den Stoff von ihrem Körper streifte. Als er diesen achtlos auf den Boden warf, interessierte es ihn nicht im geringsten, dass sie nun nur noch ihre Unterwäsche trug. Er ließ seinen Blick kurz über ihren wunderbaren Körper gleiten und legte dann seine Hände an ihren Hintern, um diesen sanft zu kneten. Auf seinen Lippen spiegelte sich ein zufriedenes Grinsen wieder, dass er nicht unterdrücken konnte.

Er merkte deutlich, wie ihre Finger sich ihren Weg unter sein Hemd suchten. Er merkte ihre Finger deutlich in seinem Nacken, als sie zwischen Kragen und Haut sanft entlang wanderten. Ein Keuchen entwich ihm leise und er begann seine Hüften gegen ihre zu drängen.

“Elena…”, hauchte er und sah ihr entgegen, als er mit geschickten Fingern ihren BH öffnete und ihn ebenfalls auf den Boden warf.

Sanft lehnte er sich zurück, damit sie ihm das Hemd - langsam und Knopf für Knopf - öffnen konnte und es zur Seite legen konnte. Ihre Finger fuhren gierig über seinen Oberkörper und hinterließen bei jeder noch so kleinen Berührung ein Kribbeln auf seiner Haut.

Sebastian beförderte Elena sanft auf das Bett und kniete sich zwischen ihre Schenkel. Ihre Hände wanderten über seinen Rücken, griffen nach seiner Gürtelschlaufe und zog ihn somit zu sich, so dass er vollkommen auf ihr lag. Seine Lippen suchten sehnsüchtig die ihre und es entstand ein heißer, inniger Kuss, der von beiden so schnell nicht beendet werden würde.

Während dieses Kusses bemerkte er, dass Elena sich an seinem Gürtel und an seiner Hose zu schaffen machte. Er half ihr dabei, dieses Stück von seinem Körper zu streifen. Es dauerte nur wenige Momente bis auch der komplette Rest auf dem Boden landete und sie nackt nebeneinander auf dem großen Bett lagen.

Erneut beugte sich Sebastian über sie und sah ihr tief in die Augen. Mit seinen Fingerspitzen strich er ihr von den Wangen, über die Halsbeuge, weiter über ihr Schlüsselbein und dann weiter hinab, wo er kurz bei ihren Brüsten verweilte. Er umspielte ihre Brustwarzen und neckte sie, bis sie sich ihm - gierig nach mehr - entgegen streckten. Auf seinen Lippen war noch immer ein sanftes Grinsen zu sehen.

“Du bist so wunderschön…”, murmelte er sanft und ließ seine Hände weiter hinab sinken.

Er streichelte sanft ihren Bauch, bevor er seine Finger zwischen ihren Schenkeln verschwinden ließ. Sein Herzschlag beschleunigte sich noch einmal, als er mit seinen Fingern die empfindliche Stelle berührte. Kurz ließ er einen Finger in ihr verschwinden, ehe er sich erneut zwischen ihre Beine kniete und sie von unten herauf ansah.

“Du bist mein”, raunte er ihr ins Ohr, als er sich zu ihr gebeugt hatte. “Nur mein.”

Er nahm sein Glied, welches steif vor Erregung war, in die Hand und brachte es in Position, damit er langsam in sie eindringen konnte. Wie bereits beim ersten Mal passte er perfekt zu ihr. Er drang Millimeter für Millimeter in sie ein, bis er sie vollkommen ausfüllte. Sebastian ließ Elena genug Zeit, damit sie sich an ihn gewöhnen konnte, bevor er sich langsam anfing zu bewegen. Erst waren seine Stöße sanft, fast schon quälend langsam, doch dann erhöhte er das Tempo und auch die Intensität und den Druck, mit dem er in sie stieß. Er konnte ein Keuchen nicht unterdrücken und versiegelte ihre Lippen, als er hörte, wie sie ebenfalls anfing zu stöhnen. Seine Finger krallten sich in das Laken unter ihren Körpern und er versuchte, die Geschwindigkeit beizubehalten, allerdings machte ihm seine Lust einen Strich durch die Rechnung, denn er war bereits kurz vor seinem Höhepunkt.

“Nicht…”, entwich es ihm flüsternd.

Er hielt kurz inne und wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte und stieß dann mit einem kräftigen Stoß wieder in sie und fuhr mit sein Spielchen fort. Er machte so lange weiter, bis er wieder kurz vor dem Höhepunkt war und zog sich aus ihr heraus, damit er nicht in ihr kam. Doch sie hielt ihn mit den Beinen um seine Hüften geklammert eng an sich gedrückt, damit er nicht entweichen konnte. Er sollte nicht weggehen, sondern so nah wie möglich bei ihm bleiben.

“Sebastian…”, keuchte Elena, als sie mit ihm zusammen zum Höhepunkt kam und beide auf der Wolke 7 schwebten.

Nachdem beide wieder zu Atem gekommen waren, rollte sich Sebastian von ihr herunter und zog sie eng an sich. Beschützend und vor allem glücklich und zufrieden strich er ihr über den Rücken, nachdem er seinen Arm um ihre Schultern gelegt hatte.

 

Elena ließ sich tief in seinen Arm sinken, während sie immer noch versuchte wieder zu Atem zu kommen. Lächelnd sah sie Sebastian an, aber er sah nur, ebenfalls lächelnd, an die Decke. Egal was kommt, irgendeinen Weg musste Elena finden um mit ihm zusammen sein zu können.

Seufzend rollte sie sich von ihm weg und aus dem Bett.

„Wir sollten wieder runter gehen“, sagte sie und hob ihren BH auf. „Kannst du mir mal kurz helfen?“

Sebastian war hinter sie getreten und schloss ihren BH, wobei seine Hände danach sanft ihren Rücken streichelten. Er hauchte eine Spur Küsse in ihren Nacken und ihr Körper reagierte sofort. Die Härchen an ihrem Arm stellten sich auf und das vertraute ziehen in ihrem Unterleib begann wieder von vorn.

Wie gerne würde sie sich wieder mit ihm aufs Bett werfen, aber sicher suchten Jacobs Bluthunde schon nach ihr. Elena drehte sich zu ihm um und schlang die Arme um seinen Hals. Er grinste breit, aber sie konnte sein Lächeln nicht genau deuten. Etwas misstrauisch sah sie ihn an, aber da hatte er sie schon aufgehoben und gegen die Wand gepresst.

Seine Lippen waren hart und trotzdem weich zu gleich, Elena wollte sie nie wieder loslassen. Und schneller als sie etwas sagen konnte, versenkte er sich wieder in ihr. Ein kleiner überraschter Laut entwich ihrer Kehle und sie klammerte sich fest an ihn, während er immer wieder in sie hineinstieß.

Elena stöhnte laut auf, als sie fast kam. Sebastian verlangsamte sein Tempo, legte aber alle Kraft und Leidenschaft, zu der er im Stande war, in seine Stöße.

„Sebastian...“, hauchte sie an seinem Ohr, als sie beide bebend zum Höhepunkt kamen.

Er versteifte sich und presste sie an die Wand, als er in ihr kam. Sie küsste ihn leidenschaftlich, nachdem er sich wieder auf dem Boden abgesetzt war. Diese Gefühle die er in ihr auslöste, wollte sie ihr ganzes Leben lang spüren. Sie verließen beide Händchen haltend das Zimmer, als sie wieder fertig angezogen waren.

Auf dem oberen Treppenabsatz hielt Sebastian sie auf und sah sie ernst an.

„Heirate mich, Elena“, flüsterte er damit niemand sie hören konnte.

Elena blieb einen Moment die Luft weg. Wie gerne würde sie das tun.

„Ich liebe dich über alles, Sebastian“, flüsterte sie zurück, bevor ihre Lippen für eine lange Zeit, seine das letzte Mal berührten.
 

23


 

Sebastian hatte seinen größten Wunsch geäußert und Elena hatte ihn mit einer einfachen Geste, mit einem einfachen Satz und einer einfachen Handlung abgelehnt. Sie konnte ihm diesen Wunsch nicht erfüllen, auch wenn sie es gern getan hätte.

Sein Blick glitt hinter ihr her, als sie die Treppen hinab stieg und dann in der Menschenmenge verschwand.

"Elena...", entwich ihm ihr Name leise.

Er hatte das Gefühl, er würde dir in den nächsten Wochen, wenn nicht sogar Monaten, so schnell nicht wieder sehen. In ihm wuchs ein Knoten heran, der sein Herz zusammenpresste. Sein Herz brannte, allerdings nicht durch die Leidenschaft, die er zuvor noch gespürt hatte.

Seine Beine fühlten sich schwer wie Blei an, als er ebenfalls die Treppen hinunter ging und sich an der Bar auf einen Hocker fallen ließ.

"Zwei Doppelte", sagte er und wartete darauf, dass die beiden Gläser mit Alkohol zu ihm kamen.

Als sie endlich vor ihm standen, stieß er kurz Luft aus und nahm sich erst ein Glas und kippte den Inhalt seine Kehle hinab, dann folgte das zweite Glas. Auch dieser Inhalt war schnell verschwunden. In diesem Moment hatte er beschlossen, dass er heute Abend nicht mehr fahren würde. Er würde seinen Verstand, seinen Frust und seinen Schmerz einfach weg trinken.

Er drehte sich zur Menschenmenge hinter sich und durchsuchte, allerdings ohne das er es wollte, sie mit seinen Augen, in der Hoffnung, er würde Elena sehen. Sein Objekt der Begierde unterhielt sich mit einigen anderen Mädchen und ließ sich nicht anmerken, was gerade zwischen ihnen gewesen war. Niemand schöpfte Verdacht, dass Elena gerade Sex hatte. Und vor allem merkte niemand, dass Sebastian daran beteiligt war.

Nach einiger Zeit war sein Alkoholpegel in seinem Blut deutlich angestiegen und er konnte kaum noch geradeaus laufen. Allerdings hielt ihn das nicht davon ab, dass er sich seinen Weg durch die endlosen Straßen der Stadt suchte. Elena war bereits vor einigen Stunden gegangen. Das war das letzte Mal gewesen, dass er sie heute Abend erblickt hatte.

 

Nachdem Elena noch mit ihren Freundinnen gesprochen hatte, verließ sie weinend das Haus und stieg in ihren Wagen. Mit tränen überströmtem Gesicht fuhr sie den Highway entlang zu Jacobs Haus. Er war noch nicht wieder da, als sie es betrat. Das Haus war dunkel und kalt und Elena fühlte sich noch nie so einsam. Sie ging hoch in ihr Zimmer und ließ sich auf der Bank vor ihrem Bett nieder. Mit dem Kopf in den Händen saß sie eine Weile da, bis sie aus dem Augenwinkel heraus etwas bemerkte. Sie sah auf und entdeckte die weiße Kleiderhülle, die am Schrank hing und sich leicht im Wind bewegte. Ihre Kehle schnürte sich zu, als wäre es ein Galgen und nicht das Kleid für den eigentlich schönsten Tag in ihrem Leben.

 

Als Sebastian sich in der Scheune auf das Sofa fallen ließ, rollte ihm eine Träne über die Wange, die er nicht verhindern konnte. Es zeigte den Schmerz seiner Seele, seines Herzens. Noch nie hatte er sich so einsam gefühlt. Noch nie im Leben war ihm bewusst gewesen, dass er je von einer einzigen Person derartig abhängig sein konnte.
 

24


 

Am nächsten Morgen stand Elena ziemlich spät auf. Sie war auf der Bank vor ihrem Bett eingeschlafen und als sie nun aufstand tat ihr jeder Knochen im Körper weh. Noch vollkommen bekleidet ging sie ins Badezimmer, zog die Sachen vom Vorabend aus und stellte sich in die Dusche. Als das heiße Wasser auf die wunden Stellen zwischen ihren Schenkeln traf zuckte sie leicht zusammen. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer Hand über die Innenseite ihrer Schenkel und dachte sehnsüchtig an die vergangene Nacht zurück. Wie gern wäre sie jetzt mit Sebastian in der Dusche, oder auch nur im selben Haus.

Elena blieb so lange in der Dusche stehen, bis das Wasser langsam kalt wurde. Sie wickelte sich in ein riesiges Handtuch und ging zurück in ihr Schlafzimmer, wo sie sich schnell anzog. Als sie in den Flur trat, roch das ganze Haus nach Kaffee. Sie ging in die Küche, in der Hoffnung niemandem zu begegnen, aber Jacob saß schon am Küchentisch und las im Wirtschaftsteil der Zeitung.

Er sah auf als sie den Raum betrat, stand auf und rückte ihr den Stuhl zurück damit sie sich setzen konnte. Ohne ihn großartig zu beachten nahm sie sich einen Bagel und trank einen großen Schluck schwarzen Kaffee. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, traute sich aber nicht aufzusehen.

„Und, wie war die Party?“, fragte Jacob nach einer ganzen Weile. Elena sah auf und machte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht. „Es war nett, ich hatte ein, zwei Drinks, hab ein bisschen getanzt“, antwortete sie und schenkte ihm ein halbes Lächeln. Er nickte wissend. Natürlich wusste er ganz genau was sie getan hatte. „Und deine Freunde, wie geht es denen? War Sebastian auch da?“ Elena wusste genau worauf er hinaus wollte, aber sie ließ sich nicht in die Karten schauen. „Denen geht es gut, danke. Ja, er war da...ich habe sogar eine Weile mit ihm gesprochen. Aber das weißt du ja sicher, nicht wahr?“ Die Stärke in ihrer Stimme überraschte Jacobs, und um ehrlich zu sein auch sie selbst. Er zuckte mit den Schultern. „Und das konntest du nur unter vier Augen tun?“, fragte er misstrauisch. Sie spürte die Wut und den Hass in sich aufsteigen. „Ja, denn es war dort viel zu laut. Hör mal, mir egal ob du mir irgendwelche Leute hinterher schickst um mich beschatten zu lassen. Wenn ich meinen besten Freund sehen will, dann tue ich das auch“, sagte sie scharf und stand auf. Wenn sie jetzt das Haus verließ würde sie sicher zu Sebastian fahren und nirgendwo wäre sie in dem Moment lieber gewesen, aber sie konnte es sich nicht leisten, Jacob noch mehr zu verärgern. Also wahrte sie den Schein und ging nach oben in ihr Schlafzimmer, wo sie sich daran machte ihre Sachen für die Hochzeit zu ordnen.

 

Es vergingen einige Tage, in denen sich Sebastian nur betrank und versuchte, seine Gedanken zu verdrängen oder ganz und gar zu vergessen, dass er Elena für immer verloren hatte. Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt und er sah sich sein leuchtendes Handy an. Er nahm es in die Hand und las sich die Nachricht durch, die er erhalten hatte.

Es wäre schön, wenn wir uns mal treffen könnten.“

Auf seinen Gesichtszügen zeigte sich ein sanftes Lächeln.

Sag mir wo und ich werde dorthin kommen.“

Er tippte diese Worte schnell ein und sendete sie ab. Nur wenige Momente später erhielt er wieder eine Nachricht. In dieser stand ein Ort und eine Uhrzeit.

Sebastian lief am späten Nachmittag zu dem besagten Ort. Dort sah er schon, wer ihm die Nachricht geschrieben hatte und er beeilte sich, zu dieser Person zu kommen.

„Mutter...“, begrüßte er sie und blieb vor ihr stehen. „Lange nicht gesehen.“

Er lächelte ihr entgegen und wurde nur wenige Sekunden später von ihr umarmt.

„Ich hab dich so vermisst“, drückte Grace ihren Sohn an sich. „Ich wollte mich schon so lange bei dir melden...“

Ihre Stimme war nur ein Hauch ihrer selbst, aber Sebastian verstand dennoch jedes Wort.

„Alles gut… Du musstest deinen Weg gehen und das verstehe ich.“

Er nickte ihr entgegen und sie drückte ihn sanft von sich.

„Was ist, wenn du heute Abend mit zu mir kommst? Ich möchte dir zeigen, wo ich jetzt lebe und dir jemanden vorstellen.“

Sebastians Mutter lächelte ihm freundlich zu und wartete darauf, dass ihr Sohn ihr zustimmte. Natürlich tat er es auch und lief zusammen mit ihr zu ihrem neuen Zuhause.

Als sie die Wohnungstür öffnete, kam ihr ein kleiner Labrador entgegen gerannt und sprang sie voller Freude an. Natürlich erwiderte sie diese Geste mit einem Streicheln. Der kleine Hund rannte wieder davon und ein Mann sah um die Ecke in den Flur.

„Oh, du bist ja wieder zurück“, sagte er und trat zu ihnen.

„Ich habe jemanden mitgebracht.“

Grace sah ihren Mann an und sah dann zu ihrem Sohn.

„Darf ich dir meinen neuen Mann vorstellen? Er heißt Thomas und er hat eine Tochter, die ungefähr in deinem Alter ist.“

Wie gerufen kam die junge Frau zu ihnen.

„Ich habe Hunger“, beschwerte sich das Mädchen.

Sebastian sah sie mit hochgezogener Augenbraue an.

„Wer bist du?“, wollte er von der jungen Frau wissen.
 

25


 

Das Mädchen verengte die Augen und sah den Neuankömmling misstrauisch an.

„Ich bin Jamie und wer bist du? Du räumst doch nicht unsere Bude aus, oder?“, fragte sie und beäugte ihn von oben bis unten.

Seine langen weißen Haare fielen ihm strähnig ins Gesicht, er trug eine abgetragene Lederjacke zu zerrissener Jeans und dreckigen Stiefeln. Er sah aus wie ein Obdachloser, aber Jamie sprach es nicht laut aus, auch wenn sie es am liebsten getan hätte. Der Fremde setzte sich neben sie an den Küchentisch, während ihre Stiefmutter ihren Mantel wegbrachte. Ihr Vater war gerade dabei gewesen Essen zu kochen, aber als seine Frau wieder reingekommen war, hatte er damit aufgehört.

Genervt verschränkte Jamie die Arme vor der Brust und wartete bis sich die allgemeine Aufregung gelegt hatte.

 

„Sein Name ist Sebastian“, sagte Grace zu ihrer Stieftochter. „Er ist mein Sohn und es wäre schön, wenn ihr euch vertragen würdet. Wenn es in Ordnung ist, dann wird er ab und zu vorbeikommen.“

„Ich habe nichts dagegen“, sagte Grace‘ neuer Mann und stellte sich wieder an den Herd, um das Essen fertig zu kochen. „Ich würde mich freuen, wenn ich deinen Sohn kennenlernen kann.“

Er sah zu seiner Frau und konzentrierte sich dann wieder darauf, was er gerade tat.

Sebastian wusste noch nicht, was er von Jamie halten sollte, aber er war froh, dass er endlich mal auf andere Gedanken gebracht wurde und nicht immer nur nachdenken musste.

Nachdem das Essen auf dem Tisch stand und er endlich, das erste Mal seit Tagen, wieder etwas vernünftiges gegessen hatte, lehnte er sich zufrieden nach hinten und schloss für einige Sekunden die Augen. Er seufzte wohlig auf und bemerkte dann, dass seine Mutter und Thomas aus dem Raum verschwanden. Er sah zur Seite und sah, wie Jamie ihn noch immer beobachtete.

„Was?“, ging er sie viel zu hart an. „Soll ich dir ein Passbild schenken? Was willst du von mir?“

 

„Ich kenne dich“, stellte Jamie fest und verengte wieder die Augen. „Du warst mit Elena auf der Abschlussparty bei Aaron.“ Sebastian sah sie etwas erstaunt an. „Du kennst Elena?“, fragte er ein Stück zu interessiert. Etwas in seiner Stimme schien Jamie hellhörig zu machen. „Ja, jeder kennt Elena. Immerhin heiratet sie einen Herzog. Ich mache zwar erst nächstes Jahr meinen Abschluss, aber wenn es soweit ist angle ich mir auch einen reichen Prinzen. Dann muss ich nicht studieren.“

Sebastian funkelte sie wütend an. Mit ihren Worten riss sie Wunden auf, die er sich immer noch mühsam leckte. „Allerdings hat Sarah gesagt, dass sie sich kaum noch irgendwo blicken lässt, seit der Abschlussfeier.“ Jamie plapperte einfach weiter vor sich hin, ohne auf irgendeine Reaktion zu warten. „Du kennst Sarah?“, unterbrach Sebastian sie. Sie nickte eifrig und fuhr unbeirrt fort. „Sarah trainiert im Sommer das Cheerleaderteam. Max, mein Freund, hat erzählt, dass Jacob nur noch auf die Hochzeit wartet, damit er Elena endlich flachlegen kann. Das ganze Footballteam zerreißt sich darüber das Maul. Eigentlich ist es wirklich traurig für sie, dass er sie nur heiratet damit er an seine Kohle kommt. Sicher liebt sie ihn wirklich.“

Tief in Gedanken versunken registrierte sie gar nicht, wie Sebastian vor Wut förmlich schäumte.

 

"Sie liebt ihn mit Sicherheit nicht!", stand Sebastian wütend auf und warf dabei den Stuhl rückwärts um. "Ich kenne Elena schon viele Jahre und ich kann mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass sie diesen Typen nicht liebt. Wenn ich jemanden so sehr lieben würde, dann würde ich mich auch mit ihm in der Öffentlichkeit zeigen und mich nicht zu Hause verstecken!"

Er ballte die Hände zu Fäusten und presste die Kiefer aufeinander. Er konnte seine Wut nur schwer unterdrücken, geschweige denn sie kontrollieren.

"Wenn du jetzt noch ein Wort über Elena verlierst, dann..., wurde Sebastian unterbrochen, als seine Mutter den Raum betrat.

"Ich habe Elenas Namen gehört. Wie geht es ihr denn und was macht sie jetzt, nachdem die schule vorbei ist?", meinte Grace freundlich, ohne damit aufdringlich zu wirken.

"I-Ich... S-Sie...", begann Sebastian leise und sah dann zum Boden, damit er nicht weiter sprechen musste.

Er hatte zumindest die Hoffnung, dass er nicht antworten müsste.

Jamie nahm Sebastian allerdings die Last von den Schultern: "Elena wird einen Herzog heiraten."

Damit hatte Jamie erneut Salz in seine Wunder gestreut. Sie wusste nicht, wie es in ihm aussah und wie er sich fühlte. Und, wenn es nach ihn ginge, dann wäre es theoretisch auch nur dabei geblieben, dass er sich nichts hätte anmerken lassen müssen.

 

Grace schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund. „Heiraten? Elena? Wie ist das denn passiert“, fragte sie. Dann war es soweit, die mühsam aufgestaute Frustration brach aus Sebastian heraus. Mit voller Wucht warf er den noch voll gedeckten Tisch um und stapfte wütend ins Wohnzimmer. Seine Mutter und Jamie folgten ihm auf den Fuß. Er hatte sich auf einen der weichen Sessel geworfen und hielt seine Tränen zurück.

Grace setzte sich auf seine Armlehne und tätschelte ihm leicht die Schulter. „Was ist los, Schatz. So habe ich dich noch nie gesehen“, flüsterte sie und wartete auf seine Antwort.

Und so erzählte Sebastian ihr alles. Von dem Abend wo sie von zu Hause weggelaufen war, bis zu den Tagen, die sein Vater ihn misshandelt hatte und wie Elena ihn da raus geholt hatte, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Wie sie miteinander geschlafen haben und wie er sich fühlte seit er sie nicht mehr sah. Grace und Jamie sahen ihn beide mit weit aufgerissenen Augen an.

Als er mit seiner Erzählung fertig war, fühlte Jamie sich schrecklich, weil sie die ganze Zeit so ein Miststück war. „Und ihre Eltern lassen das einfach so zu?“, fragte Grace verständnislos und runzelte die Stirn, während sie ihren immer noch weinenden Sohn musterte. Sie kannte Elena seit sie noch ein kleines Baby war, dass sie nun gegen ihren Willen heiratete fiel ihr schwer zu glauben. Aber wenn sie darüber nachdachte, was sie selbst für ihren Sohn nicht tun konnte, spürte sie nichts als tiefe Dankbarkeit für die beste Freundin ihres Kindes. Sie hatte ihn selbstlos gerettet, ohne darüber nach zu denken, was das für ihre Zukunft bedeutete.

„Du musst sie aufhalten“, platzte Jamie hervor. Sebastian funkelte sie wütend an, aber sie hob abwehrend die Hände. „Du liebst sie doch, wie kannst du zulassen, dass sie jemanden anderes heiratet?“ Er seufzte als sie das offensichtliche aussprach. „Sie hat eine neue Handynummer. Ich kann sie nicht mal anrufen“, flüsterte er und räusperte sich. Jamie kam eine Idee wie sie ihm helfen könnte.

Sie sprang auf und holte ihr Handy aus der Küche. „Hey Sarah, hier ist Jamie ...ja genau.... Ich hab mal eine Frage..ja, also...es geht um Elena, könntest du mir ihre Telefonnummer geben? Ja, nein es geht darum auf der Party hatte ich ihr etwas in die Tasche gelegt, weil sie sagte sie passt darauf auf, aber dann ist sie früher gegangen und ich hätte es jetzt gern wieder....Was es ist? Ähm...das ist nicht so wichtig....Ja, wirklich? Danke schön. Ja bis dann“, hörte Sebastian sie aus der Küche sagen. Als sie das Wohnzimmer wieder betrat reichte sie ihm einen kleinen Zettel, wo sie mit Hand etwas drauf gekritzelt hatte.

 

Sebastian sah erwartungsvoll zu dem Zettel, den Jamie in der Hand hielt. Er wollte diese Nummer haben und Elena anrufen, aber gleichzeitig hatte er Angst davor. Er hatte sie gefragt, ob sie ihn heiraten wollte, doch sie hatte abgelehnt. Sein Herz wurde mit einem Mal extrem schwer und er fühlt sich, als würde ihm die Luft zum Atmen fehlen.

Jamie lief zu ihm und grinste ihn breit an, denn sie wusste mittlerweile alles über ihn und seine Gefühlswelt. Sie hielt ihm den Zettel entgegen, und so schwer es ihm auch fiel, er nahm ihn trotzdem entgegen. Er hielt im Moment das Wichtigste für ihn in der Hand und er wusste, wenn er diese kleine Notiz verlor, würde er nie wieder mit Elena sprechen können.

"Danke", flüsterte er, und war nicht fähig, irgendetwas anderes zu sagen oder zu tun.

Er ließ sich im Wohnzimmer auf das Sofa sinken und wischte sich mit dem Handrücken die restlichen Tränen aus den Augenwinkeln. Er sollte sich nie wieder so gehen lassen, wenn andere Personen bei ihm waren. Es war das letzte Mal, dass er zugegeben hatte, dass Elena seine größte Schwäche war. Und somit hatte er sich verletzlich und angreifbar gemacht.

Nachdem es außerhalb des Hauses dunkel geworden war, verabschiedete sich Sebastian von seiner Mutter, ihrem Mann und Jamie. Er wusste allerdings immer noch nicht, was er von ihr halten sollte und ob er sie mochte oder nicht. Es fiel ihm schwer, sie zu beurteilen.

Er lief zur nächsten Straßenbahnhaltestelle und wartet dort, damit er nach Hause fahren konnte. Sein Motorrad stand bei der Scheune und am Nachmittag, als er sich mit seiner Mutter getroffen hatte, hatte er sich entschieden dorthin zu laufen. Jetzt in diesem Moment bereute er es etwas. Er hasste überfüllte Orte, vor allem die Straßenbahn oder andere öffentliche Verkehrsmittel, wo sich Körper an Körper pressen konnten und man keine Möglichkeit der Flucht hatte.

 

Elenas Hände zitterten als sie auf ihrem Handy die Telefonnummer eintippte. Schon lange hatte sie nicht mehr mit der Person gesprochen, die sie gleich anrufen würde, aber es war wichtig.

Nach zwei Freizeichen ging jemand dran. „Ja?“, fragte Sarah und räusperte sich. Elena seufzte schwer. „Hey, ich bin´s. Können wir reden?“, fragte sie ebenfalls und die Nervosität übermannte sie fast. Sie hatte ihrer besten Freundin nach wie vor nicht erzählt, dass sie heiraten würde. Schon alleine der Gedanke daran, brach ihr das Herz. Am anderen Ende der Leitung hörte sie nichts mehr, bis Sarah schließlich einwilligte.

Am Nachmittag ging Elena zögernd in das Café, wo sie sich mit ihrer Freundin treffen wollte. Sarah saß bereits am Fenster und rührte in einer Tasse, während sie wartete. „Hey...danke das du es einrichten konntest“, sagte Elena und lächelte leicht. Sarah nickte „Wenn du mich mit deiner hochheiligen Präsenz beehrst, muss ich ja wohl kommen“, sagte sie bitter. Elena nickte. Was sollte sie auch anderes erwarten. Seit ihrem Abschluss hatte sie sich nur ein paar Mal bei Sarah gemeldet und da ging es nur um ganz alltägliche Dinge. „Ok, hör zu Sarah, ich weiß auch, dass ich mich bei dir öfter hätte melden müssen, aber es war soviel los. Mit meinen Eltern....und ….mit Sebastian...Ich muss dich was fragen und das hätte ich nicht so lange vor mich herschieben dürfen“, sagte sie und nahm über dem Tisch die Hand ihrer besten Freundin. „Du weißt, dass ich heiraten werde....und du bist wie eine Schwester für mich und ich liebe dich fast so sehr wie Sebastian. Also …würdest du meine Brautjungfer sein?“ Sarah sah sie überrascht an, nickte dann aber heftig.

Nachdem die erste Hürde überstanden war, unterhielten sich die beiden Frauen noch eine ganze Weile über die bevorstehende Hochzeit. Sarah kam nicht umher sich zu fragen, weshalb sie selbst sich mehr über die Hochzeit ihrer besten Freundin freute, als die Braut selbst. Jedes Wort was Elena an sie richtete, war trauriger als das davor. Sarah hörte sich geduldig alles an, aber sie merkte sofort das hier irgendwas absolut gar nicht stimmte.
 

26


 

Grace sah ihr Telefon lange an, bevor sie endlich die Telefonnummer eintippte, die sie aus dem Telefonbuch entnommen hatte. Sie hatte sich dazu entschieden, mit Elenas Eltern, genauer gesagt mit Elenas Vater zu reden und hoffentlich etwas gegen diese Hochzeit unternehmen zu können. Es war schwierig gewesen, ihren Vater zu finden, da sie seinen Vornamen nicht wusste. Doch mittlerweile hatte sie ihn gefunden und wartet nun, dass der Arzt ans Telefon ging oder er zumindest weitergeleitet wurde.

“John Carden”, meldete sich eine tiefe Männerstimme am Telefon, so dass Grace gar nicht lange warten musste.

“Guten Tagen, Grace Rieve mein Name...“, begann sie und suchte nach den richtigen Worten. “Ich will Sie nicht lange stören, aber es geht um ihre Tochter… Besteht die Möglichkeit, dass wir uns treffen könnten?”

“Was ist mit Elena?”, spielte auf einmal Sorge in seiner Stimme mit, als er antwortete. “Woher kennen Sie sie?”

“Ich bin die Mutter von Sebastian, aber ich möchte es ungern am Telefon besprechen…”

Es entstand eine kleine Pause, in der niemand etwas sagte. Doch dann meldete sich der Vater von Elena wieder zu Wort.

“Okay. Ich habe in einer Stunde Mittagspause. Kommen Sie zu mir ins Krankenhaus. Fragen Sie nach meinem Büro. Wir reden dort.”

Grace konnte sich genau vorstellen, wie er gerade in dem Büro auf und ab lief und sich nachdenklich durch das Haar fuhr.

Nachdem das Telefonat beendet war, zog sich Grace schnell an und fuhr zum Krankenhaus der Stadt. Sie parkte das Auto und stieg aus. Ihr Herz schlug nervös in ihrer Brust, und sie hatte das Gefühl, es würde jeden Augenblick aus dieser herausspringen.

Sie fragte am Haupteingang nach dem Büro, so wie es ihr gesagt wurde und augenblicklich hatte sie eine Wegbeschreibung bekommen, wie sie durch das Labyrinth der Gänge, zu diesem kommen würde.

Nach wenigen Augenblicken stand sie vor der Tür und zögerte einige Sekunden, bevor sie sich durchringen konnte, anzuklopfen.

“Herein”, ertönte die Männerstimme von innen.

Grace wollte nicht zu lange warten und öffnete unverzüglich die Tür. Sie trat in das hell eingerichtete Zimmer und staunte einen kurzen Moment, denn es sah hier eindeutig nicht danach aus, als wäre dies das Büro eines Arztes.

“Ich bin Grace Rieve… Wir hatten vorhin telefoniert…”, begann sie und John nickte als Zustimmung.

Er wies ihr an, sich zu setzen und sie kam dieser Aufforderung nur zu gern nach, denn sie hatte das Gefühl, dass ihre Beine jeden Moment den Halt verlieren würden und sie umfallen könnte. Sie lehnte sich in einen der Stühle, der vor dem Schreibtisch stand und sah nachdenklich zur Seite.

“Sie wollten mit mir sprechen?”, lächelte John ihr sanft entgegen.

Grace brachte kein Wort heraus und nickte nur als Antwort. Sie atmete unmerklich tief durch und sah dann in seine Richtung.

“Sebastian ist mein Sohn. Ich weiß, dass Elena heiraten soll und das nicht gerade freiwillig. Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden, dass die Hochzeit abgeblasen wird.”

Die Augen von John weiteten sich, denn er hatte mit allem gerechnet, allerdings nicht mit dieser Bitte. Ihm entwich ein Seufzen, denn er wusste nicht wirklich, was er sagen sollte.

“Ich würde gerne etwas dagegen unternehmen, denn ich weiß, wie sehr meine Tochter Ihren Sohn liebt… Aber ich kann gegen diese Hochzeit nichts unternehmen. Meine Frau hat alle Fäden in der Hand. Ich hatte ihr gesagt, dass ich es für eine schlechte Idee halte, aber es war ihr egal. Sie sieht nur das Ansehen der Familie und das ‘Glück’ unserer Tochter. Doch das Glück, was sie für Elena sucht, das findet Elena nicht bei Jacob. Sie findet es nur bei Sebastian. Haben Sie meine Tochter mal gesehen? Der Glanz aus ihren Augen ist verschwunden, das ewige Lächeln ebenfalls. Seitdem meine Frau einen Hass auf ihren Sohn hat - und fragen sie mich bitte nicht wieso - tut sie alles, damit Elena von Sebastian ferngehalten wird. Sie ist besessen davon, sie so weit wie möglich von ihm wegzubringen.”

Er fuhr sich durch das braune Haar, was hier und da schon leichte Anzeichen an grauen Strähnchen zeigten.

“Wissen Sie, Mrs. Rieve, wenn es mir möglich wäre, dann würde ich alles aufgeben, nur damit meine Tochter, mein Ein und Alles, glücklich wird.”

“Sorgen Sie dafür, dass die Hochzeit verschoben wird! Sebastian wird bestimmt etwas einfallen, damit er sie ‘retten’ kann”, grinste Grace kurz. “Ich werde mit ihm reden. Er wird sich nicht davor drücken können. Er wird Elena glücklich machen.”

Auch auf Johns Lippen bildete sich ein leichtes Lächeln.

“Ich werde sehen, was ich machen kann.”

Sein Blick ging zur Uhr, die auf seinem Schreibtisch stand.

“Ich muss aber leider weiter arbeiten…”, seufzte er und stand auf.

Grace tat es ihm gleich und sah ihm entgegen. Er reichte ihr freundlich die Hand und sie nahm diese als Abschiedsgeste.

Sie bedankte sich für das Gespräch und verabschiedete sich von ihm. Sie hatte zwar nicht vollkommen erreicht, was sie wollte, aber sie hatte eventuell eine Möglichkeit gefunden, wie sie Elena vor der Zwangshochzeit befreien konnte. Immerhin war ihr Vater auch nicht sonderlich begeistert von der Hochzeit gewesen. Vielleicht würde er ihnen ja sogar helfen, Elena vor einem großen Fehler zu bewahren.

 

Elena saß angespannt auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer. Sie erwartete Sarah zum Kaffee, aber ihr ging es absolut nicht gut. Seit mehreren Tagen brütete sie schon eine Grippe aus und die Übelkeit war wirklich kaum zu unterdrücken.

Sarah klingelte nicht als sie hereinkam.

„Immer noch übel?“, fragte sie als sie ins Wohnzimmer kam.

Elena nickte schwach. Jede Bewegung tat weh. Ohne großartig zu antworten setzte sich Sarah neben sie aufs Sofa und drückte sie leicht an sich. Sie glaubte zu wissen was mit ihr nicht stimmte, aber ihren Verdacht äußern wollte sie nicht.

Nur kurze Zeit später spürte Elena ihr Handy in der Hosentasche vibrieren.

„Hey, was ist los? Ist etwas mit Tommy?“, fragte sie besorgt.

Ihr blasses Gesicht verfinsterte sich, als sie aufmerksam zuhörte.

„Bitte... Ich möchte nicht darüber reden.“

Ihre Stirn legte sich in Falten. Während ihr Vater sprach verkrampfte sich ihr Magen immer mehr.

„Du liebst Sebastian... Nicht Jacob“, hörte sie ihren Vater sagen, aber da fiel ihr das Handy schon aus der Hand.

Sie stürzte in die Küche und übergab sich in der Küchenspüle.

 

John wusste nicht, wo seine Tochter hin gegangen war. Er hatte nur gehört, dass das Telefon herunter gefallen war. Dann war alles still gewesen.

“Elena?!”, fragte er panisch und in ihm wuchs die Sorge heran.

Sie war noch nie einfach weggegangen, außerdem hatte sie noch nie das Gespräch weiter laufen lassen.

“Elena? Bist du noch da?!”

Es dauerte einige Momente, bis er ihre Stimme wieder hörte.

“Tut mir leid”, murmelte sie leise ins Telefon.

“Was war denn los?”, erkundigte sich ihr Vater. “Du warst auf einmal weg…”

“Mir ging es nicht gut…”

Ihre Stimme klang so, wie sowie sich gerade wahrscheinlich fühlte.

“Wir reden später noch einmal. Erhole dich, Liebes”, meinte John ruhig und beendete dann das Gespräch, damit sich seine Tochter ausruhen konnte.

 

 

Grace kam erschöpft nach Hause und ließ sich auf das Sofa fallen. Ihr tat nach diesem anstrengenden Arbeitstag wieder alles weh. Sie wurde eben doch zu alt. Bei diesem Gedanken musste sie leicht lachen.

“Dein Sohn hat vorhin angerufen”, meldete sich ihr Mann aus der Küche und man hörte, wie er weiter das Gemüse zerkleinerte für das anstehende Abendessen.

“Wirklich? Ich hätte nicht gedacht, dass er anruft. Aber da habe ich wenigstens einen Grund, ihn anzurufen.”

Grace schwang sich wieder auf die Beine und griff nach dem schnurlosen Festnetztelefon. Sie wählte seine Nummer und nach wenigen Sekunden meldete er sich auch schon am anderen Ende der Leitung.

“Hey”, begrüßte Grace ihren Sohn.

“Ich habe erfahren, dass du mit Elenas Vater gesprochen hattest… Was ist dabei herausgekommen?”

Grace überlegte kurz, was sie sagen sollte und entschied sich dann, einfach alles zu erzählen. Sie sagte ihm, wie sie Elenas Vater erst angerufen hatte, dann wie sie zu ihm in die Klinik gefahren war und mit ihm geredet hatte. Sie erzählte ihm auch davon, dass John mit Elena reden wollte.

Sebastian schwieg erst einmal, als müsste er die neuen Informationen zunächst verarbeiten.

“Okay…”, sagte er nach einigen Momenten. “Wann wollte er das machen?”

“Ich nehme mal an, dass er es in den nächsten Tagen in Angriff nehmen wollte. Wahrscheinlich hat er es aber auch schon getan. Ich weiß es nicht.”

Grace hörte ihren Sohn deutlich seufzen und wahrscheinlich war er vollkommen verzweifelt. Verzweifelt, weil seine Liebe unerfüllt war. Verzweifelt, weil er etwas tun wollte, aber im Moment nichts tun konnte. Grace wusste genau, wie er sich in diesem Moment fühlte. Sie war auch einmal in dieser Situation gewesen. Nur bei ihr war der Mann nicht kurz vor einer Heirat. Grace hatte den Mann aufgegeben, da sie wusste, dass sie keine Chance bei ihm hatte. Es hatte viele Wochen und Monate gedauert, bis sie endlich den Schmerz aus ihrem Herzen verbannt hatte.

“Hör zu”, begann Grace und atmete tief durch. “Ich weiß, wie schwer es ist, aber du musst dich noch ein bisschen in Geduld üben. Du wirst den richtigen Zeitpunkt finden, um sie vor ihrem größten Fehler zu bewahren.”

“Ich weiß”, murmelte Sebastian leise.

Sebastian fühlte sich dennoch nicht wohl in seiner Haut. Er fühlte sich unwohl, wusste nichts mit sich anzufangen und wusste auch nicht, was der richtige Zeitpunkt war. Er würde Elena nicht vor der Hochzeit sehen und er wusste auch nicht, ob er sie überhaupt je wieder sehen würde.
 

27


 

Die letzte Woche vor der Hochzeit war Elena ein totales Wrack. Mindestens einmal am Tag rief sie Sarah total verzweifelt an, weil irgendetwas nicht stimmte. Jacob war in der ganzen Zeit kaum zu Hause, und auch so hatte Sarah ihn nicht ein einziges Mal an der Seite seiner zukünftigen Frau gesehen.

Am Mittwoch vor der Hochzeit war es besonders schlimm.

„Was ist los?“, fragte Sarah, als sie ins Zimmer gestürzt kam.

Elena saß in Unterwäsche auf dem Bett und hielt ihr Hochzeitskleid in der Hand. Seit Sarah eingewilligt hatte ihre Brautjungfer zu sein, hatte sie kaum noch einen freien Tag gehabt. Über die gesamten Wochen hinweg war ihre beste Freundin immer unausstehlicher geworden. Sie sah Probleme, wo keine waren und zweifelte an allem. Nichts stellte sie zufrieden und Sarah war mit ihrem Latein am Ende.

„Mein Kleid passt nicht mehr!“, schluchzte Elena und schlug mit der Hand auf den Perlenbestickten ausschnitt ihres Kleides. „Vor zwei Wochen passte es noch und jetzt kriege ich die Knöpfe nicht mehr zu!“

Sarah ließ sich neben ihre Freundin auf das Bett fallen und zog sie in eine feste Umarmung. Elena klammerte sich fest an ihren Arm und schluchzte leise vor sich hin.

„Hey, alles wird gut. Wir kriegen das hin...“, flüsterte Sarah in ihr Haar.

„Was ist, wenn das alles ein Fehler ist? Was ist, wenn das ein riesiges Zeichen ist Jacob nicht zu heiraten?“, flüsterte Elena leise, als sie sich soweit wieder beruhigt hatte.

Sarah schob sie ein Stück von sich weg und sah sie eindringlich an.

„Wenn du auch nur einen einzigen Zweifel hegst, bringe ich dich sofort von hier weg! Du brauchst mir nur ein Zeichen zu geben und ich fahre den Fluchtwagen!“, versprach sie.

Elena schüttelte langsam den Kopf.

„Ich kann das nicht abblasen. Ich muss das tun...für...“

Sie sprach nicht weiter und Sarah verstand nur Bahnhof. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, aber sie wusste, dass sie Elena nicht umstimmen könnte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

„Okay, also ich werde jetzt das Kleid zur Schneiderei bringen und es zwei Nummern größer machen lassen. Wenn was ist, dann ruf mich an“, sagte sie und gab Elena einen Kuss auf die Stirn.

Nachdem sie mit dem Kleid über der Schulter das Haus verlassen hatte, stieg sie in ihr Auto und wählte in ihrem Handy eine Nummer. Nach zwei Freizeichen ging er dran.

„Hey Sebastian, hier ist Sarah… Ich muss mit dir reden!“, sagte sie ernst.

Sie wusste das hier irgendwas nicht stimmte, und nur Sebastian konnte wissen, worum es dabei ging. Die sonst so gefasste Elena würde niemals wegen eines Kleides heulen, und schon gar nicht wenn es sich dabei um ein Kleid für einen Tag handelte, auf den sie sich noch nicht einmal freute.

 

Sebastian verabredete sich mit Sarah. Noch innerhalb der nächsten Stunde trafen sie sich in einem kleinen Café. Dort hatte sich der junge Mann in einer der hinteren Ecken niedergelassen und war aufgestanden, damit Sarah ihn sehen konnte, als sie das Lokal betrat.

„Hey“, sagte er und begrüßte sie kurz mit einer Umarmung. „Was willst du mit mir bereden?“

Er setzte sich wieder hin und nippte kurz an seiner Cola, die vor ihm stand.

„Es geht um Elena“, meinte Sarah ruhig und sah dabei nachdenklich in die Getränkekarte.

Als der Kellner zu ihnen kam, um die Bestellung von der jungen Frau aufzunehmen, sah sie kurz von der Karte auf und gab ihren Getränkewunsch ab. Er lächelte ihr dankend entgegen und lief wieder davon.

Sebastian wusste nicht, was Sarah von ihm wollte und als Elenas Name gefallen war, hatte er sich augenblicklich verkrampft.

 

Sarah lächelte Sebastian aufmunternd an und beugte sich über den Tisch zu ihm.

„Hör zu, ich weiß, das irgendwas zwischen euch lief. Es stört mich auch nicht weiter. Aber ich würde gerne wissen, wie es dazu kommt, dass sie jetzt diesen Kotzbrocken heiratet, anstatt dich. Und komm mir nicht mit „Das geht dich nichts an“. Elena geht es schlecht und ich will wissen was los war.“

Als sie zu Ende gesprochen hatte, lehnte sie sich wieder auf ihrem Stuhl zurück und trank einen Schluck von ihrer Cola.

Sebastian wirkte ziemlich angespannt, aber als er hörte wie es Elena ging, wurde sein Gesichtsausdruck weich.

„In wie fern geht es ihr nicht gut?“, fragte er und spielte geistesabwesend an seinem Schlüsselbund.

„Keine Ahnung, sie ist total fertig. Irgendwas stört sie einfach. Sei es die Hochzeitsdekoration, die Gästeliste oder wie heute: ihr Kleid. Sie fängt dann meistens an zu weinen, und du kennst sie, dass ist nicht typisch für sie. Ich hab den Verdacht, dass sie Jacob gar nicht heiraten will“, antwortete sie seufzend und ließ Sebastian dabei nicht aus den Augen.

 

„Zwischen uns läuft nichts“, widersprach Sebastian. „Es wird auch nie etwas laufen. Sie wird heiraten.“

Seine Kiefer pressten sich schmerzhaft zusammen, als er die Worte hervor presste.

„So eine Hochzeit ist eine ziemlich große Last auf ihren Schultern. Vielleicht kommt sie einfach nicht damit klar. Ich weiß nicht, was sie haben könnte...“

Er nippte an seiner Cola und sah einfach geradeaus.

„Wie kommst du aber auf deinen Verdacht?“

 

Sarah nahm noch einen Schluck von ihrem Getränk.

„Na ja, um ehrlich zu sein, weiß ich das da was lief. Ich bin nicht blöd und leugnen brauchst du auch nichts“, sagte sie und sah ihm tief in die Augen. „Und diese Hochzeit will sie doch auch eigentlich gar nicht. Und sie liebt ihn auch nicht. Und wenn sie wirklich schwanger ist, wird sie das sicher nicht von Jacob sein.“

Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an und wartete seine Reaktion ab.

 

„Wer sagt, dass sie schwanger ist?“, zog Sebastian verwirrt eine Augenbraue nach oben. „Hat sie so etwas gesagt?“

Er hielt für wenige Sekunden den Atem an, denn sollte es wirklich stimmen, was Sarah gerade gesagt hatte, dann würde er wahrscheinlich Vater von einem ungeborenen Kind sein. Wahrscheinlich wuchs in diesem Moment ein Kind in Elena heran, welches er gezeugt hatte.

 

„Gesagt nicht, aber sie ist überfällig mit ihrer Periode, und das bereits seit zwei Wochen. Normalerweise funktioniert das bei ihr wie bei einer Schweizer Uhr, aber seit zwei Wochen nichts. Sie schiebt es auf den Stress, aber das glaube ich nicht. Sie hat auch zugenommen. Ich musste heute ihr Kleid ändern lassen. In vier Tagen findet die Hochzeit statt. Weißt du, was es kostet, so kurzfristig ein Kleid ändern zu lassen?“

Sarah plapperte einfach weiter, ohne auf Sebastian zu achten.

 

Der junge Mann mit den hellen Haaren zuckte nur mit den Schultern.

„Nein, keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie viel so etwas kostet? Außerdem musste ich noch kein Hochzeitskleid umändern lassen.“

Sebastian schloss nachdenklich die Augen.

„Du solltest sie darauf ansprechen, also auf deinen Verdacht...“

Seine Stimme war leise und kaum hörbar. Doch es war ihm egal.

Als der Kellner zu ihnen kam und nach dem Rechten fragte, meinte Sebastian nur, dass er gerne bezahlen würde und nur wenige Augenblicke später kam der Angestellte wieder zu ihnen. Er hielt die Rechnung in der Hand und Sebastian bezahlte sie schnell.

„Ich muss leider weg“, sagte er und stand auf.

Er musste allein sein und brauchte Zeit für sich. Er musste nachdenken. Er musste überlegen, was er als nächstes tun sollte.

„Wir sehen uns später noch einmal.“

Sein Blick glitt zu ihr und ein flüchtiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Dann verschwand er durch das Lokal und verschwand aus diesem. Es dauerte nicht lange, bis er sein Motorrad erreicht hatte und er auf dieses gestiegen war. Er startete den Motor und fuhr einfach ziellos durch die Gegend.

Erst am Abend blieb er stehen und sah von dem Hügel, wo er einst mit Elena saß, auf die Stadt hinab. Ohne sie war es nicht mehr dasselbe. Nichts war mehr so, wie es bisher war.
 

28


 

Die Tage bis zu ihrer Hochzeit waren für Elena die Hölle. Nicht nur, dass es ihr durch die Lebensmittelvergiftung immer schlechter ging, ihr wurde auch immer mehr bewusst worauf sie sich da eingelassen hatte.

Stoßgebete zum Himmel sendend stand sie in dem kleinen Brautzimmer der Kirche und wartete darauf, dass Sarah mit ihrem Kleid auftauchte. Als ihre Brautjungfer dann kam, hing sie selbst schon wieder mit dem Kopf über der Schüssel. Ob wegen der Nervosität oder ihrer Krankheit wusste sie nicht so ganz.

Sarah half Elena ins Kleid, und nachdem es von der Schneiderei geändert worden war passte es auch endlich wieder. Mit den Fingern strich die Braut vorsichtig über den weit ausladenden Rock. Für ihren Geschmack war das viel zu viel, aber indirekt war es ja auch nicht ihre Hochzeit.

Sarah sah sie ernst an.

„Elena, ich liebe dich wie eine Schwester. Du brauchst mir nur ein einziges Zeichen geben und ich werde dich da rausholen, okay?“, sagte sie und strich ihrer Freundin eine Träne weg.

Elena wiederum schüttelte nur den Kopf.

„Ich muss das durchziehen. Für Sebastian. Er hat ein soviel besseres Leben verdient.“

Wieder strich sie über ihr Kleid, bevor sie sich daran machte ihr Make-Up aufzulegen.

„Und er ist es wert, dass du deine Zukunft wegwirfst?“, fragte Sarah wütend.

Sie konnte es einfach nicht mehr für sich behalten.

„Was wäre wenn du schwanger wärst? Von Sebastian? Würdest du dann auch so denken?“

Elena hielt in ihrer Bewegung inne.

„Da ich es nicht bin, erübrigt sich die Frage“, antwortete sie sachlich und richtete sich auf um Sarah anzusehen.

Ihre beste Freundin stand mit verschränkten Armen da und funkelte sie wütend an.

„Für Sebastian würde ich alles tun, und so gesehen, tue ich das gerade. Du weißt nicht in welcher Situation ich ihn gesehen habe. Ich konnte nicht anders, als Jake um Hilfe zu bitten. Es geht Sebastian besser. Es wird ihm besser gehen wenn ich erst verschwunden bin.“

Bei den letzten Worten begann Elena zu weinen und Sarahs Wut verrauchte im selben Moment.

„Aber ohne dich wird es ihm nie besser gehen“, flüsterte Sarah und nahm ihre Freundin in den Arm.

Sie entschuldigte sich kurz und eilte mit ihrem Handy in der Hand nach draußen.

„Du musst auf der Stelle herkommen. Sie braucht dich jetzt“, rief Sarah ins Telefon, als der Angerufene endlich abnahm.

Sie gab die Adresse durch und legte ohne auf eine Antwort zu warten wieder auf.

Elena hätte nie gedacht, dass ihr schönster Tag im Leben, der schrecklichste sein würde. Sie stand am Eingang der Kirche und wartete darauf das die Musik begann. Sarah und auch ihr zukünftiger Ehemann standen schon am Altar. Dann setzte das Klavier ein und Elena krallte sich in den Arm ihres Vaters. Er sagte kein Wort und traute sich noch nicht mal sie anzusehen. Mit wackligen Schritten gingen sie den langen Gang zum Altar entlang. Augenblicklich wurde ihr schlecht, als sie die vielen Menschen und vor allem den grinsenden Jacob dort stehen sah.

Ihr Vater übergab sie ihrem zukünftigen Ehemann. Elenas Hand zitterte, als sie sie vorsichtig in Jacobs legte. Und dann begann der Pfarrer auch schon das Gebet.

„Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf...“, hörte sie den Pfarrer sagen und wie gern wäre sie weggerannt.

Er fuhr fort und sie schaltete alles um sich herum aus.

Wie konnte sie nur in diesem ganzen Schlamassel landen. Sie hätte mit Sebastian ihren Abschluss gemacht und wäre aufs College gegangen. Das war immer der Plan. Elena konnte die Tränen nicht zurückhalten. Hemmungslos begann sie zu schluchzen.

„...Wenn jemand der Anwesenden etwas gegen diese Verbindung einzuwenden hat, möge er jetzt sprechen oder auf ewig schweigen...“

Alle Hochzeitsgäste sahen sich um.

 

Sebastian hatte das Handy in die Hosentasche gesteckt, als der Anruf beendet wurde. Nachdem er sich rasch umgezogen hatte, damit er sich auch auf der Hochzeit blicken lassen konnte, fuhr er mit dem Motorrad zur Kirche, in der die Hochzeit stattfinden sollte. Als er das Bike abgestellt hatte und er gefühlt jede rote Ampel mitnahm, rannte er förmlich durch das große Tor des Gebäudes.

“Wenn jemand der Anwesenden etwas gegen diese Verbindung einzuwenden hat, möge er jetzt sprechen oder auf ewig schweigen...”

Sebastian sah in die erstaunten Gesichter, die ihn ebenso anstarrten.

“Elena…”, hauchte er leise.

Es war kaum mehr als ein Hauch, doch sie sah ihn erschrocken an. In ihrem Blick war auch ein leichter Anflug von Hoffnung zu sehen.

“Nicht…”, meinte er weiter.

Seine Augen füllten sich mit Tränen.

“Bitte. Ich flehe dich an. Heirate ihn nicht.”

Er lief den schmalen Gang zum Altar und wurde unterwegs von Elenas Mutter aufgehalten.

“Verschwinde”, presste sie zwischen den Lippen hervor. “Du hast hier nichts zu suchen!”

“Lassen Sie mich in Ruhe”, schob er sie einfach zur Seite und lief an ihr vorbei.

Als er vor Elena stand, sah Jacob ihn fragend an.

“Was soll das, Sebastian?”, hob er eine Augenbraue nach oben.

Doch der Angesprochene reagierte nicht, sondern sah zu seiner jahrelangen Freundin.

“Gehe nicht den Weg, nur weil du es musst. Gehe den Weg, weil du ihn gehen willst. Zwinge dich nicht in ein Leben, dass du nicht willst. Zwinge dir nicht irgendein Glück auf, dass du nicht wirklich genießen kannst. Bau dir ein Leben auf, dass du auch wirklich genießen kannst.”

Sebastian streckte seine Hand nach Elena aus, und er wusste nicht, ob sie sich berühren ließ oder ob sie ihre Hand wegziehen würde, aber er wollte sie berühren. Er wollte ihr zeigen, dass er für sie da war.

“Wenn du sagst, dass ich gehen soll, dann werde ich es tun. Wenn du sagst, ich soll bleiben… oder dich ganz und gar hier weg bringen, dann werde ich auch dies tun…”

Seine Hand umschloss die ihre und er wartete auf eine Reaktion von ihr.
 

29


 

Elena sah ihn mit großen Augen an. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie ihn jemals wieder sehen würde. Sie sah zu Jacob, der sie irritiert anstarrte. Hinter Sebastian tauchte ihre eigene Mutter auf und funkelte sie wütend an.

„Elena...“, flüsterte Jacob.

„Elena!!“, fauchte ihre Mutter ebenfalls in ihre Richtung.

Sie sah tief in die Augen ihres besten Freundes. Er bat sie stumm mit ihm zu gehen. Einen Moment lang sah Elena in die Runde. Ihre Familie waren die Einzigen die sie hier kannte. Das hier war nicht ihre Hochzeit, und sie würde niemals glücklich werden. Entschlossen drückte sie Sebastians Hand und nickte einmal kurz, bevor er auf dem Absatz halt machte und sie hinter sich her aus der Kirche führte. Von überall waren Ah´s und Oh´s zu hören, und hinter ihnen klapperten Schuhe auf dem Parkett, als ihnen jemand folgte.

 

Sebastian führte seine Freundin aus der Kirche und hoffte, dass ihnen niemand folgen würde. Doch dem war nicht so. Ihnen war jemand gefolgt. Ihnen war eine Frau gefolgt. Als sie an seinem Motorrad angekommen waren, stieg Sebastian auf dieses und reichte Elena seine Hand, damit sie trotz ihres Kleides aufsteigen konnte.

“Komm”, sagte er zu ihr und lächelte ihr zuversichtlich entgegen.

Bis jetzt hatte er sich noch nicht getraut, sich zu der Person umzudrehen, die ihnen gefolgt war. Als er doch einen kurzen Blick wagte, erkannte er, dass es sich um Sarah und Elenas Mutter handelten.

“Schnell, beeil dich, Elena.”

Als sie hinter ihm Platz genommen hatte, sah er ihr kurz über die Schulter entgegen.

“Elena! Komm von diesem Kerl weg! Du wirst Jacob heiraten!”, rief Elenas Mutter zu ihr. “Du wirst sofort hierher kommen!”

“Sie macht wahrscheinlich das erste Mal in ihrem Leben, dass was sie wirklich will”, stellte sich Sarah neben sie und grinste sie breit an. “Ich denke nicht, dass sie wieder zurückkommen wird.”

 

Elena lächelte Sarah dankbar zu und raffte ihr Kleid so gut es ging zusammen um sich an Sebastian festzuhalten. Ein kleiner Ruck und sie sausten durch den Mittagsverkehr ihrer Stadt. Eine Weile lang fragte sie sich, wo sie wohl hinfahren würden, bis der Schotterweg zur Scheune vor ihnen auftauchte.

Vor der Tür blieben sie stehen und Sebastian half Elena vom Motorrad. Er musterte sie von oben bis unten, als könnte er gar nicht glauben, dass sie mit ihm gegangen war. Elena selbst konnte es auch kaum glauben. Aber hier stand sie nun: Im Braukleid geflohen von ihrer eigenen Hochzeit und sah in die unendlich glücklichen Augen der Liebe ihres Lebens.

Am liebsten hätte sie ihn geküsst, aber um ehrlich zu sein traute sie sich nicht, weil sie Angst vor seiner Reaktion hatte. Elenas Magen begann wieder zu rebellieren, aber sie unterdrückte die Übelkeit so gut es ging.

„Wieso bist du gekommen?“, fragte sie ihn und sah zu ihm auf.

Sie presste sich ihre Hand gegen den Bauch in der Hoffnung, dass das flaue Gefühl darin verschwand.

 

„Wieso ich gekommen bin?“, wiederholte Sebastian ihre Frage. „Weil ich dich liebe. Weil ich nicht will, dass du in dein Unglück rennst. Du hast jemand besseren als diesen Typen verdient. Du solltest selbst entscheiden, mit wem du dein Leben verbringst.“

Er führte sie in die Scheune. Dort legte er seinen Helm auf einen kleinen Schrank, der nahe bei der Tür stand.

„Setz dich. Fühl dich wie zu Hause“, lächelte er ihr entgegen und deutete auf das Sofa.

Er hatte keinerlei Idee, wie es jetzt weitergehen sollte. Er wusste nicht, was sie machen sollten oder gar, wie es mit Elena weitergehen konnte. Er hatte sie von der Hochzeit entführt, auch wenn Elena freiwillig mit ihm gegangen war und demzufolge konnte Elena nicht zurück nach Hause. Auch wenn sie sich dort sowieso nie wohl gefühlt hatte.

„Komm“, reichte er ihre Hand und wartet darauf, dass sie diese in ihre nahm.

 

Lächelnd nahm Elena seine Hand und sah sich gespannt in der Scheune um. Er hatte sie komplett umgebaut. In der Scheune gab es jetzt Wände und eine Küche stand ebenfalls. Die alte Couch war gegen ein neueres größeres Modell ausgetauscht. Ziemlich überrascht sah sie zu Sebastian auf. Er lächelte auf sie hinunter.

Sie ließ seine Hand wieder los und ging in den Raum und drehte sich einmal um sich selbst.

„Wahnsinn. Wann hast du das denn alles gemacht?", fragte sie und grinste breit.

 

„Nachdem ich hier eingezogen bin, konnte ich ja nicht auf dem Palettenbett schlafen. Also habe ich mich dazu entschlossen, mit dem Geld, was ich von meinem Vater bekommen hatte, hier alles umzubauen. Als erstes hatte ich mir ein ordentliches Bett gekauft und dann habe ich nach und nach die Wände aufgebaut. Es hat mich viel Kraft gekostet, aber es ist jetzt einigermaßen annehmbar.“

Er half ihr aus dem Kleid und gab ihr erst einmal Kleidung von sich, damit sie etwas zum Anziehen hatte. In den nächsten Tagen würde er mit ihr neue Kleidung kaufen können, damit sie nicht nur in seinen Kleidern herumlaufen musste.

„Willst du etwas essen?“

 

Elena schüttelte leicht den Kopf, als sie sich sein T-Shirt überzog. Sie hatte in den letzten Wochen schon viel zu viel zugenommen. Außerdem war das für ihre Übelkeit auch nicht gerade förderlich.

„Nein, danke. Aber das hier ist mehr als annehmbar. Es ist traumhaft, genauso hatte ich es mir vor Jahren vorgestellt.“

Sie kam immer noch nicht aus dem Staunen heraus.

Sebastian hatte sich auf das Sofa gesetzt und vorsichtig setzte sie sich dazu. Sie hatten sich solange nicht gesehen und irgendwas war anders, aber sie konnte nicht ganz benennen was.

„Sebastian? Danke, dass du mich da herausgeholt hast“, flüsterte sie und zog die Knie an, um ihren Kopf darauf zu legen.

 

„Du hast mich aus der Hölle geholt, also hole ich dich aus deiner Hölle heraus.“

Er sah kurz zur Seite, da er nicht wusste, ob und was jetzt zwischen ihnen war. Mit seinen Fingern umfasste er ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren.

„Sarah hat mich vorhin angerufen. Das war der einzige Grund, wieso ich aufgetaucht war. Wenn sie nicht angerufen hätte, dann wäre ich nicht erschienen. Ich habe mit mir gehadert. Ich wäre auch erschienen, wenn sie nicht angerufen hätte. Ich hätte mich allerdings im Hintergrund gehalten.“

 

Elena schluckte bei seiner Erkenntnis, aber was hatte sie erwartet? Man reitet nicht so einfach auf einem weißen Schimmel in den Sonnenuntergang.

„Du weißt, dass ich nie aufgehört habe dich zu lieben?“, fragte sie und sah ihn traurig an.

Ihr Magen rumorte schon wieder. Sie schlug sich mit der Hand vor den Mund und unterdrückte ihren Würgereflex.

„Entschuldige...“, nuschelte sie.

Wenn es nicht bald besser wurde, musste sie zum Arzt. Wie lange dauerte eine Lebensmittelvergiftung für gewöhnlich?

 

Als sie aufstand und ins Bad rannte, sah er nur besorgt hinter ihr her. Nachdem sie nun einige Minuten verschwunden war, entschloss sich Sebastian dazu, nach ihr zu sehen. Er klopfte an die Tür und öffnete sie, als nichts als Antwort kam.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich. „Soll ich dir etwas bringen? Willst du irgendetwas?“

Ihm kamen wieder die Worte von Sarah in den Kopf.

Und wenn sie wirklich schwanger ist, wird sie das sicher nicht von Jacob sein.“

Er lief zu ihr und strich ihr fürsorglich über den Rücken.

„Soll ich dich morgen zum Arzt bringen? Sarah meinte, du hättest diese Übelkeit schon einige Zeit...“

 

Elena schüttelte mit dem Kopf, bis ihr auffiel, dass er es überhaupt nicht sehen konnte.

„Nein, geht schon“, stöhnte sie und ließ ihr Gesicht an den kalten Fliesen abkühlen.

Was stimmte nur nicht mit ihr? Sie überlegte eine Weile.

Sie hatte nichts falsches gegessen. Ihre Periode war auch ziemlich.…

„Oh Scheiße!“, rief sie aus und richtete sich auf.

Ihr kam in den Sinn das sie seit über zwei Wochen auf ihre Periode wartete. Schnell rechnete sie im Kopf nach.

„Oh Gott.“

Sie schlug sich die Hände vor das Gesicht.

Scheiße, scheiße, scheiße, dachte sie immer und immer wieder.

 

„Was ist los?“, sah er sie mit aufgerissenen Augen an. „Was ist so schlimm?“

Hatte er etwas falsches gesagt? Oder war ihr etwa etwas Ähnliches in den Kopf gekommen, was Sarah gesagt hatte?

Als sie noch immer nichts sagte und ihn auch nicht ansah, legte er seine Hände auf ihre und schob sie langsam von ihrem Gesicht weg.

„Rede bitte mit mir… Sag mir, was los ist...“
 

30


 

Elena schüttelte nur ungläubig. War es möglich, dass... Sie legte eine ihrer Hände auf ihren Bauch. Wuchs in ihr etwa wirklich ein Baby? Es würde passen. Sie war seit Wochen launisch, hatte zugenommen und ihr war ständig übel. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie Sebastian tief in die Augen sah.

„Ich glaube, ich… Ich glaube, ich bin schwanger", flüsterte sie und machte sich für seine Reaktion bereit.

 

„S-Sch-Schwanger?“, versuchte er es zu verstehen.

Er hatte bereits einige Tage Zeit gehabt, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Doch jetzt war dieser Moment zum Greifen nahe und er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.

„Wie…?“, schluckte er kurz.

Sebastian sah ihr in die Augen.

Seine Stimme war leise, fast nur ein Flüstern, als er murmelte: „V-Von … mir?“

 

Überrascht lachte Elena auf.

„Von wem denn sonst? Dachtest du etwa....?“

Sie konnte den Satz nicht zu Ende führen.

„Du dummer Junge“, flüsterte sie sanft und strich über sein Gesicht.

Sie wusste nicht genau was sie von ihrer Erkenntnis halten sollte. Eigentlich wollte sie noch gar keine Kinder, irgendwann schon, aber erst nach dem College und dann auch erst wenn sie verheiratet war. Geistesabwesend streichelte sie über ihren Bauch.

 

"Ich hatte nie angenommen, dass du mit ihm...", hauchte Sebastian leise. "Niemals."

Er zog Elena in eine Umarmung. Und als er sie in seinen Armen hielt, blieb für einen Moment die Welt um sie herum stehen. Alles war perfekt. Er hatte sich zwar nie erträumt, dass er so früh Vater werden würde, aber auch diese Hürde würden sie zusammen meistern. Sie würden es hingekommen und zusammen würden sie glücklich werden.

Selbst wenn sie keine Unterstützung der Eltern hatten, so hatten sie sich noch selbst und das war doch alles das zählte, oder?

 

Elena ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie weinte, vor Freude und auch aus Angst, aber vor allem war sie grenzenlos glücklich Sebastian wieder an ihrer Seite zu haben.

„Ich liebe dich“, flüsterte sie an seinem Hals.

Sie drehte ihren Kopf und sah zu ihm auf. Einen Moment hätte sie schwören können, dass auch ihm die Tränen in den Augen standen. Mit der Hand die eben noch auf ihrem Bauch geruht hatte, streichelte sie sanft sein Gesicht, bevor sie es zu sich herunter zog und seine Lippen mit ihren berührte. Der Kuss war zaghaft, aber voller Gefühl. Sie wollte jede Sekunde voll und ganz auskosten.

 

„Wir schaffen das“, flüsterte er in den Kuss hinein.

Er löste sich nach einiger Zeit von ihr und stand zusammen mit ihr auf.

„Du solltest einen Arzt aufsuchen, der dir versichern kann ob oder ob du nicht schwanger bist... Wobei ich mir im Moment ersteres mehr wünschen würde.“

Auf seinen Lippen lag ein fröhliches, und vor allem ein sehr zufriedenes und glückliches Lächeln.

Er wusste nicht, was er sagen sollte, aber er führte sie erst einmal ins Wohnzimmer zurück und setzte sich mit ihr auf das Sofa. Er wusste ebenfalls nicht, zu welchem Arzt man in solch einer Situation gehen sollte. Hausarzt? Frauenarzt? Er war vollkommen ratlos…

 

Sie nickte leicht und schmiegte sich eng an seine Brust.

„Morgen“, versprach sie und schloss die Augen.

In diesem kleinen Augenblick war sie der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Sebastian war immer schon ihre Familie gewesen und jetzt würden sie bald selbst eine haben.

„Wir schaffen das“, flüsterte sie wieder, bevor sie in ihren Traum hinüber glitt.

Dort sah sie kleine weißhaarige Mädchen, die mit Spielzeugautos spielten und brünette Jungs, die auf kleinen Bänken Bücher lasen. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen.
 



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