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Zwischen den Welten

Das Mary Sue-Projekt
von
Koautor:  Erenya

Vorwort zu diesem Kapitel:
Anweisung der Göttin:
»Liebe Shicchi,
Der Laden ist gut gefüllt, was nicht nur an der vollen Besetzung des Teams liegt, sondern auch an der Kundschaft. Die Tische sind gut besetzt und in der Küche ist ebenfalls gut zu tun. Zeit wirklich mal mit wem zu reden bleibt kaum.«

Da habt ihr's. In diesem Kapitel wird es keine spannenden oder konfliktreichen Gespräche geben. – Denkt ihr!
Endlich ein neues Kapitel! Fertig seit gut einem Monat, aber aufgrund von Weiterbildung kam ich erst über Weihnachten dazu, es zu überarbeiten. In diesem Sinne wünsche ich euch allen da draußen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins 2021! Komplett anzeigen

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Konfrontation mit der Vergangenheit

Die Ruhe im Café währt nicht lang. Sawa und ich sind nicht ganz fertig mit unserer Arbeit, als Toma uns zurück in die Bedienung zitiert. Zum Glück kommt er Waka zuvor, ich hätte mich ungern seinem Gebrüll ausgesetzt.

Wir kehren unverzüglich auf das Schlachtfeld zurück, und tatsächlich: Die Tische haben sich zum Großteil gefüllt. Unter den Gästen befinden sich mehrere Gruppen, die meisten aus Mädchen und Frauen bestehend. Ikki und Toma geben beide ihr Bestes, die zahlreichen Damen flux zu bedienen, und zeigen sich dabei so charmant wie gewohnt. Hanna eilt wie ein Wiesel von Tisch zu Tisch, Mine hat sich zu einer Herrenrunde gesellt. Ich sehe von hier, wie sie die jungen Männer mit ihrer lieblichen Darstellung bezirzt, und mich überkommt das alte Neidgefühl. Ich schüttle es von mir, schnappe mir Block und Tablett und stürze mich in das Getümmel.

Ich nehme ein älteres Paar in Empfang und geleite sie an einen Platz. Nachdem ich ihre Bestellung notiert habe, begegne ich Hanna, die mich um Unterstützung für Toma bittet. Sie selbst eilt Richtung Küche davon, weswegen ich Toma aufsuche, der just einer zehnköpfigen Tischreihe voll Mädchen den Rücken zudreht.

„Kannst du für mich bitte die Getränke übernehmen? Ich habe so viel zu richten“, erläutert er knapp. Ich nicke und begleite ihn hinter den Tresen, wo wir die lange Bestellliste durchgehen. Punkt für Punkt bereite ich Kaffee und Drinks, verziere Tassen und Gläser und halte im Anschluss Ausschau nach Ikki, der Toma beim Austragen der schweren Tabletts helfen soll. Fasziniert beobachte ich, wie scheinbar leicht sie die Meute an quietschenden Mädels bedienen, als würden sie nie etwas anderes tun. Ihnen zuzusehen, motiviert mich. Mit neuer Energie kehre ich zu meiner eigenen Arbeit zurück.

 

So vergehen zwei Stunden im Flug. Das Café wird gut besucht, es bleibt keine Zeit für lange Gespräche. Ich meine, dass heute besonders viel los ist, obwohl ich das nach vergangenem Samstag kaum beurteilen kann. Meine erste Wochenendschicht wurde durch das Nikolaus-Event getrübt, doch eines erscheint mir definitiv anders:

Mir fällt auf, dass der Hauptteil meiner Arbeit darin besteht, neue Gäste zu empfangen, sie an einen Platz zu geleiten, die erste Bestellung entgegenzunehmen, und dann hinter den Tresen zu treten und zu warten. Warten, weil die Kunden bestimmen, wer sie ab da an bedient. Und das bin in der Regel nicht ich, die ausländische Maid. Die meisten Besucher haben bereits ihren Favoriten, der Rest scheint mich bestmöglich zu meiden. Ich will nicht behaupten, dass sie es böswillig täten. Man begegnet mir überaus freundlich, manch einer mit einer zurückhaltenden Neugier. Zum Favoriten macht mich das lange nicht. Genau darum geht es jedoch, und das gibt mir das Gefühl, irgendwie nutzlos zu sein.

Ich versuche, es nicht persönlich zu nehmen. Dennoch fällt es mir schwer, darüberzustehen. Es kränkt mich zutiefst, meine Kollegen zu sehen, die kaum Zeit zum Luftholen haben, während ich sie mit weiterer Arbeit belaste. Nichtsdestotrotz lächle ich, bemüht mir meinen Unmut nicht anmerken zu lassen.

Entsprechend überrascht bin ich, als Sawa plötzlich vor mir steht und breit über das ganze Gesicht grinst. „Hey, Träumerin! Da ist ein Gast an Tisch fünf, der nach dir fragt. Er will ausschließlich von dir bedient werden.“

Ich blinzle sie ungläubig an. Es ist das erste Mal, dass jemand, der nicht Ukyo ist, ausdrücklich nach mir verlangt. Sawa weist zu einem Tisch, doch die Person daran ist mir nicht bekannt.

Ich danke ihr und trete vor. Entgegen meiner gelassenen Haltung bin ich überwältigt und auch ein wenig nervös. Ich freue mich, einen Kunden zu haben. Selbst mein Gang ist etwas beschwingt.

„Willkommen zurück, Herr“, grüße ich höflich und verbeuge mich in vornehmlicher Maid-Manier. „Meinen ergebensten Dank, dass Ihr nach mir verlangt habt. Wie darf ich Ihnen bedienlich sein?“

„Ich werde mich nie daran gewöhnen, so angesprochen zu werden“, meint er mit einem Lächeln und räuspert sich leise. Es erregt meine Aufmerksamkeit und ich mustere ihn neugierig.

Der Mann wirkt um die dreißig und typisch japanisch. Er trägt einen mittelständigen Anzug und sieht gepflegt aus. Braune Augen begegnen mir hinter einem schwarzen Brillengestell aus einem freundlichen Gesicht. Sein dunkles Haar liegt etwas unordentlich, sonst erkenne ich nichts Auffälliges an ihm. Trotzdem kommt er mir seltsam vertraut vor. Seine Stimme, kühl im Klang und von einem leisen Kratzen begleitet … Woher kenne ich sie?

Während ich überlege, beginnen meine Gedanken auf einmal schwindelerregend zu kreiseln …

Ich sehe diesen Mann mir gegenübersitzen. Legere Kleidung, rasiert, die schwarzen Haare ein wenig zaus. Vor sich einen aufgeschlagenen Laptop und mehrere verteilte Papiere. Er streicht sich unaufhörlich über das kurze Kinn. „Also dieser Satz, ich weiß nicht …“

Plötzlich sehe ich ihn in einer Szene zwischen Luka und Ikki stehen, augenscheinlich mit ihnen diskutierend. Es muss im Meido sein, Ikki trägt seine elegante Butler-Uniform. Was sie reden, verstehe ich nicht, doch der Fremde sieht ein wenig bedrängt aus.

Eine weitere kurze Szene folgt. Dieses Mal steht der Mann mir dicht gegenüber. Ich kann seine schmalen, offenen Augen im sanften Braun deutlich hinter der Brille erkennen. Er lächelt mir zurückhaltend entgegen, unterhalb meines Sichtfeldes vermute ich Köpfe eines bunten Blumenstraußes. „Herzlichen Glückwunsch“, spricht er heiser.

„Geht es dir gut?“, holt mich dieselbe Stimme ins Jetzt zurück. Meine Gedanken kreisen noch immer und mir ist flau. Ich fühle mich wie nach einer wilden Karussellfahrt, die abrupt gestoppt wurde. Meine Knie zittern verborgen unter dem langen Kimonostoff. „Du siehst nicht gut aus. Kannst du dich einen Moment setzen, oder bekommst du dann Ärger?“

Ich merke kaum, wie ich mich gegen die Tischkante lehne. Meine Beine drohen mich nicht zu halten. Als der Schwindel langsam verklingt, erinnere ich mich daran, wo ich bin und zwinge mich zu einem Lächeln. Indes dringen weitere Bilder in mein Bewusstsein.

Da steht der Fremde mit einer schlichten Geschenktasche vor mir im Raum, und reicht sie mir. Darin befinden sich eine kleine Sektflasche und ein wenig Süßkram. Dann sehe ich ihn mir gegenüber vor einem Tisch sitzen, einen Stift in der Hand, den er sich wieder und wieder gedankenversunken gegen die Schläfe tippt. Ich sehe ihn, wie er sich zwischen Ukyo und mich schiebt, wobei Ukyo diesen schattenunterlaufenen Blick trägt. Ich sehe den Mann, wie er mit mir lacht, während es um irgendwas mit Hanna, Kochen und einem Missgeschick geht …

„Entschuldigung“, keuche ich aus. Als ich aufsehe, bemerke ich denselben nachdenklichen Ausdruck, wie ich ihn etliche Male in den unzähligen Erinnerungsfetzen gesehen habe. Ich weiß, dass der Fremde sich räuspern wird, bevor er es tut.

„War das wieder Deutsch?“, fragt er und lächelt amüsiert. Augenblicklich werden meine Wangen heiß.

„V-verzeihen Sie, Herr“, korrigiere ich und falle in eine ungeschickte Verbeugung vor.

Der Fremde räuspert sich verhalten. „Ich weiß, du musst diese Rolle spielen, aber … Wirst du Ärger bekommen, wenn du mich bei meinem Namen nennst, statt mich mit ‚Herr‘ anzusprechen? Hilft es, wenn ich es ausdrücklich wünsche?“

Ich richte mich vorsichtig auf und wage, mein Gegenüber noch einmal ausgiebig zu mustern.

Es steht außer Frage, ich kenne diesen Mann. Doch woher? Würde er aus der Serie stammen, wüsste ich das. Ich weiß alles über »Amnesia«, was es zu wissen gibt. Folglich muss er ein normaler Bewohner der Stadt sein, aber was haben wir dann miteinander zu schaffen? Welche Verbindung besteht zwischen uns? Ein einfacher Stammgast scheint er mir nicht zu sein …

„Wenn du es mit Namen tust“, flüstere ich und lasse mich auf seinen vertrauten Umgangston ein. Ich liege richtig damit, denn der Fremde lächelt zur Antwort.

„Mako“, meint er und räuspert sich. „Ich meine, bitte nenne mich Mako.“

Ich lasse mir seinen Namen durch den Kopf gehen. Er klingelt nichts bei mir.

Ich schüttle den Gedanken ab und nicke in meiner Rolle. „Wie Ihr wünscht, Herr.“

Er räuspert sich erneut, greift nach der Karte und blättert darin.

„Habt Ihr bereits einen Wunsch, Mako-dono?“, erkundige ich mich.

„Einen Kaffee, schwarz“, räuspert er sich. „Vielleicht gönne ich mir dazu ein kleines Stück Kuchen, ausnahmsweise.“

„Wenn ich Euch in diesem Fall eine Empfehlung aussprechen darf: Unser Maid’s Coffee Set enthält ein Heißgetränk und ein Stück Kuchen nach Wahl.“

„Oh, richtig. Dann nehme ich das“, nickt er, schlägt die Karte zu und legt sie beiseite. „Habt ihr heute wieder diesen leckeren Cheesecake? Ansonsten hätte ich gern etwas mit viel Schokolade. Ich brauche wirklich ganz dringend etwas Süßes“, schmunzelt er schief.

Ich nicke lächelnd und mache mir Notizen. „Aber natürlich, Mako-dono. Ganz wie Ihr wünscht.“

„Ich habe dich wirklich lange nicht gesehen“, wechselt er überraschend das Thema. Ich sehe hoch. „Deswegen dachte ich, ich schaue hier mal vorbei. Ich dachte mir schon, dass du noch hier arbeitest. Ich hätte anrufen sollen, aber ich habe es zugegeben in all der Arbeit vergessen … Du kennst das ja.“

„Ist nicht schlimm“, sage ich ruhig. „Bei uns im Meido war in letzter Zeit auch sehr viel los. Ich freue mich, dass du vorbeischaust.“

„Wie geht es mit deiner Arbeit voran?“

„Besser“, erwidere ich. „Eine Weile war es sehr anstrengend, aber ich habe mich inzwischen an alles gewöhnt. Ich habe wirklich sehr liebe Kollegen, die sehr geduldig mit mir sind. Und auch die Kunden sind alle sehr freundlich. Die Karte kenne ich inzwischen auswendig und –“

„Ich meinte eigentlich nicht deine Arbeit im Café“, schmunzelt er. „Wie geht es mit deiner anderen Arbeit voran? Wie weit bist du mit deinem Manuskript?“

Manuskript? … Oh, Shit!

„Nicht so gut“, gebe ich kleinlaut zurück. In meinen Schläfen pulsiert es. Hatte Orion nicht mal erwähnt, dass ich nebenher schreibe? Wer ist dieser Mann? Mein Verleger? Ein Auftraggeber? Nur ein anderer Autorenkollege? Hatte Orion sonst noch irgendetwas gesagt? Ich erinnere mich nicht, verdammt!

„Wir sollten uns mal in Ruhe zusammensetzen“, meint Mako. „Vielleicht kann ich dir helfen. Ich will mich allgemein wieder mehr um dich kümmern, sofern du einverstanden bist?“

„Sehr gern“, sage ich freundlich. In Wahrheit werde ich panisch. „Ich bringe Ihnen sofort Ihren Kaffee, Mako-dono. Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.“ Ich verbeuge mich und verlasse nahezu fluchtartig das Café.

Im Personalflur lehne ich gegen eine Wand und atme tief durch. In meinem Kopf türmen sich Fragen. Befinde ich mich jetzt in Schwierigkeiten? Vielleicht habe ich ein geschäftliches Abkommen verletzt, oder habe eine Deadline versäumt, was weiß ich? Wie kann ich das am ehesten herausfinden?

Ich zwinge mich, zur Ruhe zu kommen. Zu allererst hat Makos Bestellung für mich Vorrang. Ich bin hier auf Schicht. Waka bringt mich um, wenn ich mich nicht um meine Gäste kümmere. Ich schaue kurz in der Küche vorbei, ordere ein Stück Käsekuchen bei Kento, kehre nach vorne zurück und bereite den Kaffee. Den gebrachten Kuchen dekoriere ich mit Schokogussschrift. Nachdem ich die Bestellung serviert habe, informiere ich Hanna, mich kurz im Pausenraum zu verziehen. Dort hole ich mein Handy hervor und verfasse eine Nachricht an Ukyo: »Hilfe! Hier ist ein Mako, der mich kennt! Wer ist das?«

Ich habe keine Zeit, auf eine Antwort zu warten. Mine stürzt in den Raum und scheltet, dass es für eine Pause zu früh ist. „Außerdem bist du zuletzt dran!“, fügt sie hinzu und ich wette, hätte in diesem Moment nicht Ikki gerufen, sie hätte mich zu Tode gestarrt. Ich darf leben und so schnell Mine gekommen war, ist sie schon wieder verschwunden.

Unglücklich, dass Ukyo nicht geantwortet hat, verstaue ich mein Handy in meinem Spind. Ich beeile mich, Mine nach vorne zu folgen.

 

Der übrige Nachmittag verläuft ereignislos. Mir bleibt keine Zeit, mich privat mit diesem Mako zu unterhalten, das würde Waka nicht dulden. Aus der Distanz beobachte ich, wie er eifrig an seinem Laptop hantiert. Arbeit, vermute ich und lasse ihn machen.

Wir wechseln noch einige Worte, als ich ihn zum Abschied geleite, und nehme ihm bei der Tür das Versprechen ab, die Tage von ihm zu hören. Ich verpasse zu fragen, worum es gehen wird, und sehe ihn mit gemischten Gefühlen seiner Wege ziehen. Hoffentlich kann mir Ukyo mehr über diese Person erzählen.

Ich erwäge für einen Moment, Ikki zu befragen. Hatte ich ihn nicht in einer dieser Erinnerungsfetzen bei diesem Fremden gesehen? Doch wie kann ich das Thema am besten anbringen, ohne Verdacht zu erregen? Im Gegensatz zu Ukyo weiß Ikki nichts von meiner Situation. Am Ende ist es vielleicht gut, dass ich keine Gelegenheit finde, ihn kurz zu mir an die Seite zu ziehen.

Mich befallen keine löchernden Fragen zu dieser Mako-Person. Ich schlussfolgere daraus, dass es niemandem neu ist, dass er mich auf Arbeit besucht. Vielleicht weiß sogar jeder mit Ausnahme von mir, in welchem Bezug ich zu diesem Mann stehe. Ich schaffe es unbeschadet bis zu meiner Pause, die ich allein vor der Tür des Hintereingangs verbringe. Wo ist Mari, wenn man sie braucht? Wieso hat mich keiner gewarnt, worauf ich mich einlasse, wenn ich dieses Leben übernehme? Nicht, dass ich je eine Wahl gehabt hätte …

Ich bin überrascht, Ukyo zu entdecken, als ich ins Café zurückkehre. Er scheint mich erwartet zu haben, denn er bemerkt mich sofort und winkt mich an seinen Tisch.

„Ich habe deine Nachricht erhalten“, eröffnet er flüsternd und hebt verdeutlichend sein Telefon hoch. „Ich habe dich nicht erreicht, also bin ich gekommen. Tut mir leid, dass es nicht schneller ging.“

„Ich darf dich hier nicht boxen“, mahne ich ihn. „Aber erinnere mich daran, wenn wir wieder zu Hause sind.“

„Schon verstanden“, lächelt er beschwichtigend. Dann wird er ernst. „Mako, hast du geschrieben? Mist, das habe ich ganz vergessen, dir zu sagen …“

„Wer ist das?“

„Kimura Makoto-san, du nennst ihn Mako. Er ist dein Agent.“

„Mein …Agent?“

Ukyo nickt. „Als du hier angekommen bist, zum ersten Mal“, flüstert er umsichtig, „da hast du dir ständig Sorgen gemacht, wie du hier leben sollst. Du hattest Sorgen wegen dem Geld, für die Miete und das alles. Du hast dich entschieden geweigert, dass alles auf mir lastet. Also haben wir gemeinsam  nach Möglichkeiten gesucht, wie du dein eigenes Geld verdienen kannst. Und neben dem Meido haben wir schließlich herausgefunden, dass du mit dem Schreiben noch ein wenig dazuverdienen kannst. Du hattest zuerst deine Zweifel, aber dann hast du dich doch auf einige Stellen beworben. Du hast mit verschiedenen Verlagen und Redaktionen gesprochen, aber das war nicht sehr einfach wegen deiner Herkunft und so … Nur eine Agentur hat schließlich Interesse gezeigt, und Makoto-san ist ein Angestellter davon. Er vermittelt zwischen verschiedenen Auftraggebern und dir, und er hilft dir bei deinen Texten. Ihr habt in der Vergangenheit oft zusammengearbeitet. Ich glaube, er schreibt selbst auch hin und wieder. Aber das wusstest du besser als ich.“

„Wirklich?“ Ich muss erst begreifen, was das bedeutet. „Das heißt, ich habe zwei Jobs? Verdammt, das wusste ich nicht … Habe ich vielleicht irgendeine Deadline verpasst?“

„Sprich am besten mit ihm, sobald du kannst“, rät er mir an. Ukyo zieht schuldbewusst die Schultern nach oben. „Ich hätte es dir früher sagen sollen, aber ich habe daran gar nicht gedacht. Alles war so hektisch und durcheinander … Leider weiß ich nicht, was ihr zuletzt vereinbart hattet.“

„Ist schon gut.“ Am Rande bemerke ich Toma, der mir heimlich zu einem wartenden Gast deutet. „Ich muss jetzt weiterarbeiten.“

„Oh, ja klar. Heute ist recht viel los im Vergleich zu sonst. Ich störe dich auch nicht länger, ich wollte dir nur schnell die Information geben. … Eins noch: Ist heute nicht euer Mädchenabend?“

„Ja.“

„Dann wünsche ich dir viel Spaß. Freunde dich ein wenig mit den anderen an, ja?“

„Ich versuch’s“, sage ich.

Ich geleite Ukyo zur Tür und erinnere ihn, morgen zu Hause zu sein. Kaum dass er verschwunden ist, kreuzt Toma meinen Weg. „Ukyo-san scheint einen Narren an dir gefressen zu haben“, meint er im Scherz.

„Der ist nur freundlich zu jedem“, kommentiert Mine von der Seite. Sie ist gerade dabei, einen freien Tisch abzuräumen.

„Was habe ich dir getan?“, murre ich unwirsch. Ich kann nicht verbergen, dass mich ihr Einwurf verletzt hat.

Mine zuckt ungerührt mit den Schultern. „Das habe ich schon gesagt.“ Ohne noch etwas zu ergänzen, zieht sie an mir vorbei.

 

„Mine“, suche ich das Gespräch, nachdem ich meinen nächsten Gast fertig bedient habe. Hinter der Theke richtet sie einen kunstvollen Eisbecher her.

„Stör mich nicht“, weist sie mich ab. „Ich habe dir schon so oft gesagt, was ich von dir halte.“

„Ich wollte mich nur bedanken“, sage ich ruhig. Es fällt mir schwer. „Für gestern. Es lag nicht in meiner Absicht, vorzeitig von der Arbeit zu gehen. Danke, dass du –“

„Und doch hast du’s getan“, fällt sie mir schnippisch ins Wort.

„Das lag nicht in meiner Hand“, bleibe ich gefasst. Ich zwinge mich, auf meinen Ton und meine Worte zu achten. „Luka hat … ein ziemliches Durchsetzungsvermögen. Ich weiß nicht, was er zu Waka-san gesagt hat –“

„Du brauchst dich gar nicht so einzuschleimen“, tut sie es erneut. Sie beendet ihr Kunstwerk, legt die Tuben beiseite und dreht sich mir zu. Provokant beugt sie sich vor. „Die anderen fallen vielleicht auf dich herein, aber ich durchschaue dich ganz genau. Du denkst, indem du zu allen so nett tust, kriegst du jeden dazu, dich zu mögen, nicht wahr? Du tust immer ach-so-hilflos, weil du ja erst kürzlich nach Japan gekommen bist und so weiter. Aber eigentlich genießt du es richtig, wie dich jeder behandelt. Du genießt es, dass jeder dir jede noch so dumme Dummheit verzeiht. Ist es nicht so? Gib es doch zu!“

Ich atme tief durch. „Mine, das stimmt nicht.“

„Was solltest du auch anderes sagen?“, seufzt sie gespielt. Sie wendet sich von mir ab und ihrem malerischen Eisbecher zu, den sie auf ein Tablett stellt. „Wie dem auch sei, mich beeindruckst du jedenfalls nicht. Ich verstehe nur nicht, was Ikki-san und Luka-san an dir finden. Du bist ja nicht einmal hübsch … Na ja, früher oder später werden sie das Interesse verlieren. Eine Ausländerin, die mit jedem Typen herumflirtet, wird ziemlich schnell langweilig.“ Sie macht eine Pause, als würde sie nachdenken. „Ich frage mich ja, was Waka-san davon hält. Vielleicht haben sich die Regeln inzwischen geändert …? Ich denke, ich sollte ihn fragen. Das würde die Arbeit so viel lustiger machen!“

Ich sehe Mine fassungslos nach, wie sie bestens gelaunt summend an mir vorbeizieht. Sawa und Hanna sind derweil zu uns gestoßen und flankieren mich beidseitig.

„Nimm dir Mine nicht so zu Herzen. Warte, ich rede mit ihr“, spricht Sawa mir zu und eilt davon, nicht ohne mir aufmunternd in die Seite zu stoßen.

„Was sie gesagt hat, war wirklich gemein“, meint Hanna gedämpft. Zum ersten Mal glaube ich, so etwas wie Ärger in ihrer Stimme zu hören. „Mine-chan ist eigentlich nett, sie zeigt es nur nicht immer. Ich denke, es fällt ihr schwer, neue Freundschaften zu schließen.“

„War das zwischen euch auch so … extrem kompliziert zu Beginn?“, frage ich.

„Nicht so wie bei dir“, gesteht sie.

Ich seufze. „Ich glaube, sie kann mich wirklich nicht leiden. Ich weiß noch nicht einmal, was ich ihr getan habe. So langsam weiß ich nicht mehr weiter …“

„Sie muss dich einfach noch etwas mehr kennenlernen“, meint sie überzeugt. Hanna gelingt es, von irgendwoher ein Lächeln zu zaubern. „Ich bin mir sicher, wenn ihr noch etwas mehr Zeit miteinander verbringt, wird es sich bessern. Ich finde, dass du eine nette Person bist, Shizana-san. Es ist nicht gerecht, wie Mine-chan zu dir ist … Aber bitte lass dich davon nicht entmutigen.“

„Ich versuch’s“, sage ich, überzeugt bin ich jedoch nicht.

Mine hasst mich, so viel steht fest. Ich bezweifle, dass sich ihre Meinung ändern lässt. Und ehrlich gestanden, ich bin mir nicht sicher, ob sie in einigen Punkten womöglich recht hat …

 

Zwei Stunden vor Ladenschluss ruft uns Waka zusammen. Militärisch wie je lobt er unseren unermüdlichen Einsatz und verkündet, die Hälfte des Trupps von seiner Pflicht zu entbinden. Wer vorzeitig geht, sollen wir unter uns selbst ausmachen.

„Ich denke, ich habe es mir von uns allem am meisten verdient, als Erste zu gehen“, meldet sich Mine sofort. Von ihrem Standpunkt überzeugt reckt sie das Kinn. „Schließlich war ich immerzu vorbildlich, und ich habe mehr als so manch anderer von uns gearbeitet.“

Ich weiß, dass sie vorrangig mich damit meint. „Ich bleibe“, sage ich daher. Mir scheint, dass ich keine andere Wahl habe, obwohl ich durchaus erschöpft bin.

„Ich würde gern gehen. Ich muss mich noch auf einen Test vorbereiten“, wendet Shin sich an Kento. „Kento-san, darf ich dir die Küche überlassen?“

„Mich stört’s nicht“, meint dieser. „Ich habe keine weiteren Arbeiten für heute. Geh nur, aber räum bitte vorher deine Seite der Küche auf.“

Shin nickt einverstanden.

„Ich möchte auch so gern geh’n“, stöhnt Sawa neben mir. „Ich kann den Abend mit euch Mädels kaum noch erwarten! Es gibt noch so viel vorzubereiten: Chips, Sodas, Zeitschriften, Make-Up …“

„Hältst du das für eine gute Idee?“, wirft Toma ein. Er besieht Sawa mit Sorge. „Nachdem du heute zu spät warst, solltest du besser guten Willen zeigen. Es könnte dein Minuskonto ein wenig aufbessern, wenn du noch bleibst.“

Sawa lässt die Schultern nach vorn fallen und seufzt gequält. Sie räumt ein, dass er wohl recht hat, blickt jedoch drein wie sieben Tage Regenwetter.

„Ikki-san?“, treibt Toma an.

„Ich kann die Damen unmöglich allein lassen“, betont Ikki und hebt die Arme in eine Geste, als ließe es sich nicht vermeiden. „Du hast gute Arbeit geleistet, Toma. Geh du ruhig früher nach Hause.“

„Bist du sicher?“

„Nur keine Sorge, ich bin in guter Gesellschaft. Nicht wahr, Ken?“ Ikki legt eine Hand an die Schulter des Freundes und grinst schelmisch.

„Nicht, dass du viel von meiner Anwesenheit hättest“, erwidert Kento ungerührt.

Toma nickt verstehend. „Na gut, dann werde ich gehen. Hanna, was ist mit dir? Eine von euch darf noch gehen. Möchtest du gern Feierabend machen?“

„Ich würde gern noch einige Dinge erledigen. Für später“, meint sie vorsichtig. Ihr fragender Blick streift Sawa und mich.

„Hach, ich bin ja so eine blöde Kuh! Wäre ich nicht so blöd, würden nicht andere den ganzen Spaß haben“, ärgert sie sich. Für den Moment schließt sich die Gruppe zusammen, Sawa zu tadeln, wobei es nicht jeder im Scherz meint.

Am Ende sind Hanna, Mine, Toma und Shin in der Umkleide verschwunden. Ich verabschiede mich von den Mädels, die ich später noch sehen werde, und wünsche den Jungs ein schönes Restwochenende. Sawa ist zutiefst niedergeschlagen, und ich vermag sie nicht wirklich zu trösten. Wenigstens sieht sie in mir ihre einzige Hoffnung, die übrige Schicht so irgendwie zu überstehen. Ikki, den sie als „größten Idioten“ betitelt, und Kento als „schrecklichster Langweiler“, stehen dagegen nicht zur Debatte. Ihrer Ansicht nach bilden sie das schlimmste Duo der Welt und sind als solches nicht zu ertragen. Ob mir ihre Gunst demnach immer noch schmeichelt, ich bin nicht sicher.

 

Die restlichen Stunden vergehen vergleichsweise schleppend. Obwohl ich durchgehend zu tun habe, sehe ich häufig zur Uhr. Ich fiebere dem Feierabend entgegen, nicht zuletzt wegen Sawa, die mir in jeder Pause ungewohnt schrill in den Ohren liegt. Aufgeregt und hellauf begeistert erzählt sie von vergangenen Übernachtungen, und was sie und die Mädels nicht alles gemacht haben.

„Ich wette, das wird ganz toll!“, sagt sie immer wieder. „Und lass dich von Mine nicht entmutigen. Das wird ein Abend, den wir so bald nicht vergessen werden! Glaub mir, wir werden noch lange davon erzählen!“ Ich lächle jedes Mal und zweifle im Stillen, ob der Mädchenabend wirklich das wird, wie sie ihn erhofft.

Wann immer sich die Gelegenheit bietet, schweift mein Blick hinüber zu Ikki. Ich gebe zu, ich liebe es sehr, ihn in der Rolle des zuvorkommenden Butlers zu sehen. Die Uniform steht ihm gut, er ist zudem überaus charismatisch und charmant in jeder Geste. Die Damen wissen es wie immer zu schätzen. Sie werden nicht müde, ihn zu sich zu rufen und in größter Bemühung, begleitet von Gackern und Kichern, bei Leine zu halten. Ich verspüre keine Eifersucht, während ich sie beobachte. Nur Mitleid, irgendwie.

Endlich verhängt Waka das Urteil, dass unser Sieg nah ist. Dennoch leert sich das Schlachtfeld nur langsam. Wie gehabt ist es an Ikki, die letzten Damen persönlich zur Tür zu geleiten, als es an der Zeit ist, das Café zu schließen. Sawa und ich haben derweil begonnen, Gläser und Teller zu spülen, Tische und Tabletts sind längst alle gereinigt.

„Ich helf‘ dir beim Wischen“, biete ich an, während Sawa und ich den Flur räumen.

„Das kann ich nicht annehmen“, verneint sie. „Schon vergessen? Du hast beim Nikolaus-Event gewonnen. Jeder, der mit dir Schicht hat, übernimmt die Putzarbeit.“

„Ach, komm! Das war doch ’ne Spaßsache.“

„Ich nehme das aber sehr ernst“, erhebt sie. „Abmachung ist Abmachung. Es liegt in meiner Ehre, mich daran zu halten!“

Ich seufze geschlagen. „Dann lass mich wenigstens Eimer und Wasser holen. Du kannst ja derweil die übrigen Stühle hochstellen.“

Sawa salutiert militärisch, ich hingegen wende mich ab. Im Pausenraum suche ich die Utensilien zusammen, mache einen Abstecher zum Waschraum und befülle den Eimer mit Wasser. Als ich in den Pausenbereich zurückkehre, entdecke ich Ikki, der bei seinem Spind steht. Im zweiten Moment erkenne ich das Handy in seiner Hand, die andere hält er zur Faust geballt gegen den Schrank. Ich frage mich, ob etwas passiert ist.

„Ikki? Ist alles in Ordnung?“, spreche ich ihn vorsichtig an.

Ikki sieht auf. Als er mich entdeckt hat, kehrt sein übliches Lächeln um seine Lippen zurück. „Hast du mich so schnell vermisst? Ich komme gleich wieder nach vorn, Sekunde.“

„Stress dich nicht“, sage ich. Unschlüssig stehe ich da und überlege, ob ich ihn erneut ansprechen soll. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihn etwas bedrückt. Vielleicht hat er eine schlechte Nachricht erhalten? Oder ihm gehen schon wieder irgendwelche Mädchen auf den Geist? Was immer es ist, ich denke nicht, dass ich mich einmischen sollte.

Ich harre noch einen Moment, doch da Ikki nichts sagt und bereits seine Sachen verstaut, wende ich mich zum Gehen.

„Warte“, höre ich ihn rufen. Meine Hand verharrt auf dem Türknauf.

Ich drehe mich um. Ikki ist kurz darauf bei mir und legt stumm seine Hände auf meine, drückt sie nachdrücklich nach unten. Gelenkt lasse ich Eimer und Wischer neben mir sinken und mich in seine Arme ziehen. Es wird still um uns herum.

„Doch nicht alles okay?“, flüstere ich, nachdem einige Zeit kein Wort zwischen uns gefallen ist. Schwerer denn je ruht Ikkis Kopf an meiner Schulter, so zumindest kommt es mir vor. Sein Atem geht langsam und tief, beinah als würde er schlafen. Ich zögere erst, hebe dann doch meine Arme und beginne, ihm tröstend über den Rücken zu streicheln.

„… Nein“, antwortet er schließlich. Seine Umarmung wird fester, kurz darauf spüre ich, wie Ikki langsam den Kopf hebt. „Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es ist, als hätte ich mich heute nicht im Griff“, knirscht er verbittert. Seine sonst klare Stimme klingt ein wenig erstickt. Er drängt sich zurück und sucht meinen Blick. „Kannst du es mir nachsehen?“

Ich weiche ihm aus und nicke verkrampft. Zum Sprechen bin ich nicht imstande.

„Ich suche selber nach einer Erklärung“, spricht er gepresst. „Den ganzen Tag denke ich über nichts anderes nach. Es macht mich fertig.“

Ich schlucke gegen den anwachsenden Kloß in meinem Hals. Nicht sicher, was ich antworten soll, fasse ich seine Hand und drücke sie sanft durch die samtenen Handschuhe. „Zwing dich nicht“, sage ich. Es klingt etwas kratzig, also räuspere ich mich, ehe ich fortfahre. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin da. Selbst wenn ich nichs tun kann, manchmal hilft es, einfach zu reden. Kento ist auch noch da, falls es dir eher hilft.“

„Nein, es ist gut so. Du bist vollkommen richtig“, gibt Ikki leise zurück. Auf seine traurigen Züge schleicht sich ein Lächeln. „Das ist es, was ich an dir schätze. Dieses Bedingungslose an dir. Selbst jemandem wie mir gegenüber …“ Er entzieht sich meiner Berührung und umfasst meine Hände stattdessen. Innig verweben unsere Finger ineinander.

Wir stehen da und sagen kein Wort. Mit jeder stillen Sekunde wird der Wunsch in mir lauter, ihm in die Augen zu sehen. Er wird so drängend und quälend, dass ich schreien will, wie unrecht es ist.

Wieso ist es mir nicht vergönnt, wie Hanna zu sein? Wieso gelingt es mir nicht, genug Willen zu haben, um dieser Magie entgegenzutreten? Mehr ist es doch nicht? Warum kann ich nicht stark sein, wenn Ikki es am dringendsten braucht? Ich fühle mich nutzlos, so ungemein schwach, und feige obendrein. Das Risiko ist einfach zu hoch. Es würde alle verletzen …

„Ich denke, ich weiß, was es ist“, dringt Ikki hervor. Seine Stimme zittert ein wenig dabei. „Doch allein der Gedanke bereitet mir Angst.“

Ich verliere seine Hände um meine Finger, stattdessen umfassen sie warm mein Gesicht. Im Reflex zucke ich vor der Berührung zurück, und als mir die kritische Lage bewusst wird, versuche ich, mich ihr ganz zu entziehen.

„Ich habe dir ein Versprechen gegeben“, flüstert er ruhig. Seine vertraute Stimme wirkt auf mich ein. „Es tut mir leid. Ich fürchte, ich kann es nicht halten … Wirst du mir verzeihen, wenn ich es ein einziges Mal breche?“

‚Welches Versprechen?‘, bäumt sich die Frage mir auf.

Unwillkürlich schaue ich hoch und suche nach Antwort. In diesem Moment wird alles still. Ich sehe nichts außer ihm. Nichts neben diesen bezaubernden Augen …

Langsam und zwanglos hebt Ikki mein Kinn. Oder bin ich es, die sich ihm entgegen reckt? Ich kann es nicht sagen. Etwas zieht mich magisch an.

Eine süße Stimme flüstert mir zu, meine Augen zu schließen. Ich möchte es tun. Es gibt keinen Grund, sich dagegen zu wehren. Ich will mich ergeben, will an nichts denken, will mich nur auf diesen zarten Wellen verlieren …

„Ikkyu“, höre ich eine Stimme entfernt. Plötzlich klärt meine Sicht. Mein Verstand katapultiert sich zurück und ich schnappe erschrocken nach Luft. „Ikkyu, du wirst vorne gebraucht. Würdest du bitte beenden, was immer du hier hinten …“

Kentos Stimme verstummt und ich zweifle für einen Moment, ob das hier die Realität ist.

Der Nebel in meinem Kopf lichtet sich elendig langsam. Nichtsdestotrotz genügt es, dass ich mir einiger Dinge bewusst werde.

Es erscheint mir wahrscheinlich, dass Kento gerade mitten im Raum steht. Meinungslos auf das Geschehen blickend. Allein die Vorstellung lässt meine Wangen glühen. Einerseits stehe ich geschützt mit dem Rücken zu ihm, andererseits macht das nichts besser. Meine Statur dürfte selbst von hinten schwer zu verkennen sein. Und was hier geschehen ist, oder beinah geschehen wäre, ist zu offensichtlich … Verdammt!

Ikki seufzt hörbar genervt. „Ken … kann das nicht warten?“

„Bedaure. Ich fürchte, das kann es nicht. Waka-san möchte –“

Ikki-kun!“, donnert es just durch den Flur. „Wo bleibt der Bericht?!

Ikki seufzt einmal lang und betont. Er drückt meine Finger in einer wehmütigen Geste. „Entschuldige mich“, raunt er mir zu, dann weicht er von mir zurück. Während er sich mit Kento aus dem Raum entfernt, höre ich, wie die beiden den Gang entlang laut diskutieren.

Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich warte darauf, dass das Poltern verebbt, doch das will es nicht tun.

‚Reiß dich zusammen!‘, schelte ich mich. Ich schlage meinen Kopf gegen die nächstbeste Wand, gerade so, dass ich es spüre. ‚Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen! Du hast einen Freund! Was sollte das eben? Los jetzt, komm wieder zu dir!‘

Mein Herzschlag wird ruhiger, die Hitze kühlt allmählich ab. Obwohl der Zauber langsam an Wirkung verliert, fühle ich mich noch immer benebelt. Ich versuche, mich gegen die Bilder zu stemmen, die allesamt Ikki zum Motiv haben. Sie zeigen, was soeben passiert ist, und was zudem hätte geschehen können. Zu allem Überfluss höre ich seine Stimme aus jenem Traum zu mir flüstern: „Ich liebe dich.“

 

„Was hat da so lange gedauert?“, nimmt mich Sawa in Empfang. Derweil hat sie das Café gekehrt und wartet seit keine-Ahnung-wie-ewig auf mich. Ihr anklagender Blick brennt sich in mich hinein.

Ich weiche ihr aus und stelle das Wischzeug stumm neben ihr ab. Hinter uns höre ich das unermüdliche Klappern, das nach eifrigen Fingern auf einem Taschenrechner klingt. Gelegentlich raschelt Papier dazu. Ich wünsche, nur schleunigst hier rauszukommen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgaben:

1. Während der Schicht fällt dir auf, dass manche Gäste spezifische Wünsche an ihre Bedienung haben. Manche möchten nur von einer bestimmten Maid bedient werden. Dir fällt dadurch auf, dass scheinbar nicht nur Ikki einen Fanclub hat, sondern auch Toma und Mine.
2. Sawa kommt unerwartet zu dir, weil ein Kunde explizit dich als Bedienung wünscht. Es ist ein Mann ca. Mitte 30, typisch japanisches Aussehen. Als er dich sieht, lächelt er. Er spricht dich vertraut an. Kaum dass du seine Stimme hast, wirst du von einer Erinnerungswelle ergriffen. [weitere Vorgaben privat]
3. Ansonsten verläuft die Schicht ruhig. Je näher der Feierabend rückt, desto aufgeregter wird Sawa, die sich sehr auf den Mädchenabend freut. Mine und Hanna machen vor Sawa und dir Feierabend und wollen noch letzte Vorbereitungen treffen.
4. Zum Feierabend wird Ikki dich zu einem zweisamen Moment beiseite nehmen und unvermittelt in seine Arme ziehen. Sein Kopf ruht an deiner Schulter und er atmet ruhig, ohne zu offenbaren, was in ihm vorgeht. Beschreibe wie es sich anfühlt, was du denkst und was du empfindest. Ikki wird etwas sagen wie “Ich möchte einmal gierig sein.” Er löst sich von dir, sucht deinen Blick mit seinen Augen, doch gerade als er sich deinem Gesicht nähert und dich küssen will, stört euch Waka.

Mädchenabend im nächsten Kapitel, hat sie gesagt.
Am Ende doch ein sehr gefühllastiges Kapitel. Es hat mir wieder viel Spaß gemacht, nur die Ikki-Szene hat für ordentlich Herzschmerz gesorgt. (Die Überarbeitung war hardcore!) Im nächsten Kapitel geht es dann rein um die Mädels. Ich freue mich schon auf dezent Shipping-Action! *hat die Aufgaben vorliegen* ê.e Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fie_fy
2020-12-27T19:53:21+00:00 27.12.2020 20:53
Oh ja, spannend und konfliktreich! Das hab ich gespürt. Mine... :/ Naja wenigstens ist es jetzt offensichtlich, dass sie eifersüchtig ist. Finde es lustig, dass sie sagt Shizana würde sich einschleimen und mit jedem flirten, setzt aber selber (vor allem bei Ikki) dieses "niedliche" Gehabe auf x'D UFFF xD

Dieser Mako scheint nett zu sein, aber das muss er ja nicht wirklich sein. Cage-Boy scheint ja auch nett xD
Zu den Flashbacks, zum einen scheint die vorherige Shizana sich gut mit ihm verstanden zu haben und er hat sie (glaube ich?) vor Psycho-Ukyo beschützt, hat ihr Blumen geschenkt, wurde von Luka und Ikki aber mit irgendetwas konfrontiert... hmmm... ich bin noch misstrauisch xD
Da er ja jemand aus ihrer Vergangenheit ist, ist mir auch wieder eingefallen, dass Shizana etwas geschrieben hat, mit dem sie sich nicht identifizieren konnte. War wohl ein Auftrag? Und dass sie Luka als Picas eingespeichert hatte. Ich frage mich warum.

OMG die letzte Szene mit Ikki. Ich musste etwa 5 Pausen beim lesen machen >/////< Der Arme kann einem aber auch echt Leid tun. Es ist zwar noch nicht confirmed was er hat aber ich schätze mal er hat von Rika erfahren, dass Shizana bei Luka übernachtet hat oder ähnliches.

Und der Mädelsabend! Auf den freue ich mich auch schon. <3


Fy~
Antwort von:  Shizana
27.12.2020 22:15
Hallo Fy! ^^/

Uff, auf das alles bin ich auch extrem gespannt! Laut Gottheit ist Mako wohl tatsächlich harmlos, aber mal sehen, was wir noch zu ihm erfahren werden.
Mich würde auch interessieren, welche Nachricht Ikki bekommen hat … Was immer es war, es hat ihn wohl sehr aufgewühlt. Der Ärmste.
Der Picas-Eintrag wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Ich muss Erenya wirklich mal kitzeln, was sie sich dabei gedacht hat. xD

Woah, fünf Pausen bei der Ikki-Szene? Dann hat sich die harte Arbeit während der Überarbeitung offensichtlich gelohnt! Mal von den eigenen Feels ganz abgesehen: Ich wollte, dass die Szene sitzt. Ich habe viel gekürzt und balanciert, damit am Ende jedes Wort stimmt. Das war mir wirklich sehr wichtig.

Ich bin auch sehr auf den Mädelsabend gespannt! Die Aufgaben sind jedenfalls sehr vielversprechend.
Danke, dass du wieder dabei warst. ♥

Ein Frohes Neues wünsche ich dir!
Bleib gesund.


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