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Zwischen den Welten

Das Mary Sue-Projekt
von
Koautor:  Erenya

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ankündigung der Göttin:
»Da scheint dir ja etwas wichtiges in die Hände gefallen zu sein, das du unbedingt noch in aller Ruhe lesen solltest. Aber am besten nicht in Lukas Wohnung.
Dieses Kapitel wird voller Entscheidungen stecken, die unter Umständen einen Einfluss auf Lukas Verhalten dir gegenüber haben und nicht nur auf sein Verhalten.«

Und ich will betonen, dass mir angedrohte Entscheidungen wirklich nicht leichtgefallen sind! Komplett anzeigen

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Luka unter Verdacht

Er lässt sich Zeit. Meine Tasse ist leer und ich werde allmählich unruhig. All meine Gedanken kreisen um das Buch in meiner Tasche. Ich kann es wirklich kaum erwarten, von hier wegzukommen.

Luka ist in einem der Nebenzimmer verschwunden. Von dem, was ich mitbekomme, führt er wirklich ein Kundentelefonat. Mehr kann ich nicht tun, als stumm hier zu sitzen, zu warten und zwischen Piano und Gespräch zu lauschen.

Es vergehen um die fünf Minuten, bis ich höre, wie Luka aus dem Nebenzimmer kommt. Noch hält er das Telefon an seinem Ohr, ein paar Mappen unter den Arm geklemmt, und beendet das Gespräch. Kaum dass er seinen Kunden verabschiedet hat, kommt er auf mich zu: „Hier bist du. Tut mir leid, dass du warten musstest. Ich habe großartige Neuigkeiten!“

„Kein Problem. Worum geht’s?“

„Stell dir vor, an diesem Wochenende findet eine Veranstaltung zu fördernden Zwecken statt. Ich wurde eingeladen, ihr beizuwohnen.“

„Als Künstler? Geht es um deine Bilder?“

„Ganz recht“, bestätigt er und nickt. „Der Sponsor ist ein guter Kunde und in der Gesellschaft angesehen. Es wird eine erwählte Kunstausstellung geben mit anschließender Spendenauktion. Sie bildet den Höhepunkt der Veranstaltung.“

„Wow, gratuliere. Das muss ein gutes Gefühl sein, so als Künstler anerkannt zu werden.“

„Das ist es.“ Seine Lippen umspielt ein stolzes Lächeln.

In einer fließenden Bewegung lässt er sich neben mir nieder. Der kleine Stapel Ledermappen findet Platz auf dem hellen Polster an seiner Seite. Ich gestatte, dass er mir die Tasse aus den Händen nimmt und auf dem niedrigen Glastisch abstellt.

„Ich möchte sie dir zeigen“, sagt er, wobei sein Blick den meinen sucht. „Die Bilder, die dafür ausgewählt wurden. Möchtest du sie sehen?“

„Na klar, zeig her.“ Bereitwillig lege ich meine Tasche zur Seite und rücke ein Stück näher. Ich gebe Acht, dass sie genug außer Reichweite ist, dass Luka nicht ohne Weiteres an sie gelangen kann. Er tut es mir gleich, wobei er die erste Mappe auf seinem Schoß ausbreitet.

„Sechs meiner Bilder wurden ausgewählt“, beginnt er zu erzählen. Zeitgleich löst er in geübter Handhabung einige erwählte Seiten aus ihrer Halterung. Er geht sehr bedacht in seinem Tun vor. „Welche davon ausgestellt werden, entscheidet sich vor Ort. Einmal dieses.“

Behutsam nehme ich die Blätter entgegen, welche er mir reicht. Jedes von ihnen liegt in einer durchsichtigen Schutzhülle. Ich nehme sie einzeln entgegen und betrachte sie ausgiebig in aller Ruhe. Derweil lausche ich den Ausführungen, die Luka zu jedem Bild parat hat.

Bei den ersten beiden handelt es sich um farbstarke Naturmotive. Etwas abstrakt erkenne ich Tiere und Pflanzen in dem vielen Bunt verborgen. In dem einen spielen farbenprächtige Vögel eine Rolle, in dem anderen erkenne ich verschiedene Waldtiere. Es macht Spaß, die vielen Details zu entdecken, je länger man die Bilder betrachtet.

Das dritte bildet einen Kontrast zu den ersten beiden. Zu erkennen ist ein stilles Stadtpanorama in idyllischen Blau-, Grau- und Violetttönen. Es wirkt wesentlich ruhiger, einträchtiger und lädt zum Verweilen ein. Die Farben sind voller Facetten, ihre variierenden Nuancen haben etwas Verspieltes. Das Motiv, so alltäglich es mit seinen hohen Bauwerken ist, wirkt auf neuartige Weise aufregend. Faszinierend, irgendwie. Mir fehlen die Worte für das, was ich sehe.

Als Luka mir das vierte Blatt reicht, versteift meine Haltung. Dieses Bild zeigt ein kleines Mädchen im weichen Aquarell. Ihr weißes Haar, zu zwei wehenden Seitenzöpfen gehalten mit rosa Spitzenverlauf, kommt mir sehr bekannt vor. Ich verliere mich in dem hellen Blau ihrer fröhlich strahlenden Kinderaugen. In vornübergebeugter Haltung scheint sie über das Blatt zu schweben. Zwischen den kleinen Händen hält sie eine große, runde Lichtkugel. Deren helles Leuchten verdeckt den Großteil ihrer vermutlich schwarzen Kleidung. Flügel im Glitzer, schemenhaft dargestellt, füllen den pastellenen Hintergrund großzügig aus.

Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Das Haar dieser Figur mag länger sein, die Augen froher und das Gesamtbild pompöser, dennoch habe ich das Gefühl, Mari ins Gesicht zu blicken. Was albern ist, denn darin fehlt jegliche Logik. Wie sollte Luka dazu kommen, ausgerechnet sie darzustellen? Nein, das ist schlicht nicht möglich. Es muss ein Zufall sein.

… Doch was, wenn nicht?

„Dieses hier“, sage ich und halte das Blatt ein Stück hoch. „Wie bist du auf dieses Motiv gekommen?“

„Hm? Darf ich sehen?“

Wortlos reiche ich es ihm. Luka wirft nur einen kurzen Blick darauf.

„Ah, dieses“, belächelt er und gibt die Zeichnung an mich zurück. „Sie war eine Eingebung, ein Geschenk der Musen an mich. Ich hatte diese Vision von einem Wesen, jung in Gestalt und doch älter als die Welt. Voll Güte und Barmherzigkeit. Faszinierend, findest du nicht? Sie ist wahrhaftig ein Engel, einfach bezaubernd.“

„Sie erinnert mich an jemanden.“

„Tatsächlich?“

Ich nicke, meinen Blick fest auf das Bild gerichtet. „Zu einem gewissen Teil zumindest. Ein paar Details weichen ab und die Botschaft ist eine andere. Aber so im Großen und Ganzen …“

„Und an wen erinnert sie dich?“

An ein Geistmädchen, das von keinem außer mir gesehen werden kann. Das kann ich ihm schlecht antworten. Schon in meinen Ohren klingt das schräg.

„An einen Charakter“, sage ich stattdessen. „Sie spukt mir schon eine ganze Weile im Kopf herum. Eines Tages war sie da … Man könnte sagen, sie ist wie aus dem Nichts aufgetaucht. Seitdem werde ich sie nicht mehr los. Sie taucht auf, wann immer ihr danach ist. Und jedes Mal gibt sie mir Rätsel auf. Wirklich nervig.“

„Ist das nicht wunderbar?“, jauchzt Luka erfreut. Seine Euphorie, woher auch immer sie gekommen ist, bringt mich für einen Moment aus dem Konzept. „Welch glückliche Fügung! Zu denken, dass wir dieselben Vorstellungen teilen … Zwei Künstler, so individuell in ihrem Schaffen, und doch im Geiste eins. Das kann kein Zufall sein, es ist Schicksal! Du und ich, wir sind wie der Klang einer perfekten Symphonie. Unsere Begegnung war vorherbestimmt!“

Ich befinde es für klüger, nichts darauf zu erwidern. Jede Antwort wäre eine Lüge gewesen oder zumindest verletzend. Mir ist nicht nach Diskutieren zumute, da ist Schweigen die bessere Wahl.

„Ich hatte gehofft, dass sie dir gefällt“, bekundet er weiterhin. „Ich habe viel an dich gedacht, als ich sie entworfen habe. Bei der Gelegenheit, ich habe hier noch ein –“

Ein lautes Rumpeln unterbricht seine Ausführungen. Erschrocken sehe ich nach oben, dann zu Luka. Es kann keine Einbildung gewesen sein, denn auch sein Blick ist der Decke zugewandt.

„Entschuldige mich kurz. Ich gehe eben nachsehen.“

„Ich komme mit“, verkünde ich und erhebe mich nach ihm. Gemeinsam gehen wir nach oben und werden Zeugen eines Flatterchaos, kaum dass Luka die Tür zu seinem Atelier geöffnet hat.

„Was zum …?“, höre ich ihn fluchen. Erst als er vor mir das Zimmer betritt, erkenne ich, was wirklich los ist.

Federn wirbeln durch die Luft. Ich beobachte Luka, wie er mit weiten Armen versucht, Herr über die Lage zu werden. Überall flattern Flügel laut und heftig. Ich erkenne zwei Tauben, die sich irgendwie in den Raum hinein verirrt haben. Unbeholfen ducke ich mich und schütze meinen Kopf mit den Händen. Wie um alles in der Welt sind die hier herein gekommen?

Mein Blick geht zu den Fenstern. Eines von ihnen steht weit aufgerissen. Ich versuche mich zu erinnern, wie ich das Zimmer verlassen hatte. Waren sie nicht geschlossen gewesen? Vielleicht war eines von ihnen lediglich angelehnt und ich hatte es nicht bemerkt?

Irgendetwas schlägt leicht gegen mein Bein. Ich sehe hinab und erkenne ein Blatt, das sich an meinem Schienbein verfangen hat. Weiter im Raum bemerke ich einen Karton, der von einem der Regale gestürzt sein muss. Nahezu sein gesamter Inhalt liegt über den weiten Boden verteilt: Mappen, einzelne Blätter und etliche Farbtuben.

Hier, wo ich stehe, bin ich Luka nur im Weg. Bei der Vogelhatz bin ich ihm keine große Hilfe. Ich beschließe, weiterem Übel vorzubeugen, indem ich an die Unglücksstelle gehe und alles einsammle, was mir auf dem Boden begegnet.

„Ich dachte, ich hätte sie alle geschlossen. Seltsam.“ Ein Klacken folgt, als Luka das Fenster verriegelt. In der wiedergekehrten Ruhe höre ich die Schritte, als er in meine Richtung kommt. „Ist alles okay bei dir? Wurdest du verletzt?“

„Nein, mir geht es gut. Aber es hat einen deiner Kartons erwischt.“

An meiner Seite lässt er sich in die Hocke nieder. Ich bemerke in seiner Hand ein farbverschmiertes Stofftuch und eine Sprühflasche, durchsichtig mit bläulichem Inhalt. Ein umschauender Blick beantwortet mir, was er damit vorhat.

Der helle Linoleumboden ist über und über mit bunten Klecksen versehen. Vermutlich von den Tuben, die in dem Karton gelegen haben. Man sieht genau, wo sie aufgeschlagen sind. Genau jene Stellen benetzt Luka mit einigen Spritzern aus der Sprühflasche. Mir steigt der stechende Geruch von starkem Reinigungsmittel in die Nase. Unangenehm, doch ich beschwere mich nicht.

„Ein paar Blätter wurden geknickt“, berichte ich. Sorgfältig prüfe ich den kleinen Stapel aufgelesener Zettel in meiner Hand. „Es scheinen aber alles Skizzen zu sein. Ist das arg schlimm?“

„Nein, das ist nicht schlimm“, entgegnet er, während er die Bodensauerei bekämpft. „Leg erst einmal alles in den Karton. Ich schaue es später in Ruhe durch.“

„Okay. Ich lege sie hier zu der Mappe.“

Ein unglücklicher Griff, und schon passiert das nächste Dilemma. Zu spät bemerke ich, dass erwählte Pappmappe nicht durch ihren Gummibandverschluss gehalten wird. Ein Rutsch Blätter kommt mir entgegen und verbreitet sich großzügig über meinen Schoß.

Ich stöhne genervt. Na toll, noch mehr Papier. Heute ist irgendwie nicht mein Tag.

Während ich abermals alles einsammle, erregen zwei Seiten meine Aufmerksamkeit. Sie liegen gleich obenauf und unterscheiden sich deutlich von den anderen: diese hier sind nicht skizziert, sondern beschrieben. Ein Titel »Geist der Wünsche« steht auf der Ersten vermerkt. Jede Zeile des Linienpapiers ist mit Schriftzeichen gefüllt. Beim Überfliegen stelle ich fest, dass es sich um eine Geschichte handelt. Und mehr noch: dass es dieselbe Handschrift ist, die ich auch im Buch gesehen habe. Meine.

„Was ist das?“

Ich lese über die ersten Zeilen. Der Text ist im Ich-Erzähler verfasst, wie ich nach einer philosophisch angehauchten Einleitung bemerke. Eine seltene Wahl für mich. Es geht um Wünsche und die Frage, wie sie entstehen. Um Sternschnuppen und den Aberglauben, Wünsche unter einer solchen gesprochen gingen in Erfüllung. Etwas, woran der Erzähler nicht glaubt. Klingt ganz nach mir. Der Erzähler ist der Überzeugung, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Dass Wunder und Zauber durch einen selbst entstehen. Oder zumindest war es so, bis er diesem Wesen begegnet ist …

Mir werden die Seiten entrissen. Überrumpelt sehe ich zu Luka, der noch einige Mappen und Tuben aufliest, ehe er sich erhebt.

„Danke.“ Mit einer Leichtigkeit hebt er den Karton auf den Arm und entfernt sich wenige Schritte. Kurz darauf steht alles an seinem gewohnten Platz. Seine Hände sind leer, als er zu mir zurückkehrt. „Um den Rest kümmere ich mich später. Magst du nicht noch etwas trinken? Es gibt da etwas, das ich dich fragen möchte.“

Ich bin irritiert. Sein Verhalten wirft einige Fragen in mir auf. Hat er etwas zu verbergen? Will er ganz bewusst von meinem Fund ablenken? Oder ist es nur so, dass er mein Interesse nicht bemerkt hat? Nein, so unsensibel schätze ich ihn eigentlich nicht ein. Ich habe ihn gezielt darauf angesprochen, und er hat nicht geantwortet. Das hat in meinen Augen nichts mit Übersehen zu tun. Es ist Ignoranz, geflissentlich eingesetzt.

„Was war das gerade?“, hinterfrage ich ruhig. Ich erwäge, seine Hand auszuschlagen, die er mir gutmeinend entgegenhält. Erst nach kurzem Zögern willige ich ein und lasse mir aufhelfen.

„Hm? Was meinst du?“

„Das gerade … war etwas von mir Geschriebenes.“ Ich lasse diese Worte offen im Raum stehen. Zu gern würde ich mehr sagen, doch ein leises Stimmchen mahnt mich zur Vorsicht.

Mir ist bewusst, dass ich mich auf sehr dünnem Eis bewege. Jede Schlussfolgerung, jede leichtfertig gestellte Frage könnte es zum Einsturz bringen. Das Risiko ist zu hoch. Eine Sache darf ich bei allem Verdacht nicht vergessen: Egal, ob Luka etwas zu verbergen hat oder nicht, ich für meinen Teil habe es.

Ich sehe ihn an, wartend. Hoffend, dass er mir einen Anhaltspunkt bieten wird. Ich erhoffe mir Informationen durch Observation. Und, mit etwas Glück, eine Gelegenheit, meine Bedenken geschickt anbringen zu können, ohne mich in Verdacht zu stellen.

Leider, wie ich feststelle, fahre ich keinen Erfolg. Lukas Gesicht verrät mir nichts. Ich erkenne offene Verwunderung darin, mehr aber auch nicht. Es lässt mich zweifeln, ob mein Verdacht an ihn berechtigt ist.

„Wolltest du es lesen?“

Ich nicke vorsichtig. „Schon?“

„Tut mir leid, das wusste ich nicht“, gibt er vor. Es klingt aufrichtig. Noch dazu beobachte ich, wie seine Hand in einer verlegenen Geste in seinen Nacken wandert. „Ich meine, ich habe nicht damit gerechnet. Würde es dir etwas ausmachen, damit zu warten? Ich habe etwas wirklich Wichtiges mit dir zu besprechen. Ich möchte das ungern aufschieben.“

Ich nicke erneut. Meine Gefühle sind ein einziges Chaos.

Ich kann nicht aufhören, Luka zu verdächtigen. Das Buch, die Zeichnung, obendrauf sein Verhalten nach meinem Fund … Das alles stinkt zum Himmel. Aber genügt es, daraus meine Schlüsse zu ziehen? Was, wenn alles seine Richtigkeit hat? Wenn er für all diese Dinge mein Einverständnis bekommen hat? Ich halte es für unwahrscheinlich, aber kann ich es ausschließen? Ich habe keine Beweise, die dagegen sprechen. Verdammt, ich kann mich nicht einmal auf mich selbst berufen!

Allmählich beginne ich, die Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Ich glaube zu verstehen, warum Orion der Heroine im Spiel davon abgeraten hat, jemandem von ihrer Amnesie zu erzählen. Das Risiko, einem Schein zu erliegen, ist zu hoch. Es gibt nichts, woran man sich halten kann. Toma war ein gutes Beispiel gewesen. Doch das hier ist kein Spiel. Im Gegensatz zur Heroine schützen mich weder Saves noch Walktroughs vor einem vermeintlichen Bad End. Ein kurzer unachtsamer Moment reicht aus, und … Ich weiß nicht einmal, was dann passiert.

 

„Wegen der Veranstaltung“, beginnt Luka, kaum dass wir ins Wohnzimmer zurückgekehrt sind. „Ich habe dir noch gar nicht alles erzählt. Der Sponsor ist ein guter Kunde von mir. Er pflegt Kontakte zu Kunstliebhabern in ganz Japan.“

„Aha“, sage ich und lasse mich zurück auf die Couch sinken. Mein Blick geht zu meiner Tasche. Sie auf meinen Schoß zu heben, könnte verdächtig wirken. Ich will so schnell es geht weg von hier. „Dann ist er wohl wichtig. Es werden viele Leute da sein, nehme ich an?“

„Genug, dass ich nicht ablehnen kann. Kein Künstler lässt sich diese Gelegenheit entgehen.“

„Nachvollziehbar. Ich freue mich für dich.“ Ich ringe mir ein Lächeln ab. Zu meiner Verwunderung reagiert Luka nicht. Den Blick gen Boden gesenkt wirkt er irgendwie abwesend, nachdenklich auf mich.

Fragend lege ich den Kopf schief. „Ist etwas?“

Er zögert noch einen Moment. Fast denke ich, dass er meine Frage nicht vernommen hat.

Als er endlich zu mir sieht, scheint er entschlossen. „Ich möchte, dass du mich begleitest.“

„Wohin?“

„Zu der Veranstaltung“, erklärt er. Seine Haltung entspannt sich, ebenso seine Gesichtszüge. „Als meine Freundin.“

Ich sehe ihn an. Mir kommt keine Antwort in den Sinn, ich sehe ihn einfach nur an.

„Sie wird über zwei Tage gehen“, fährt er fort. „Am Freitag ist die Eröffnung. Erwählte Werke stellen in einer Ausstellung die anwesenden Künstler und ihre Arbeit vor. Es wird eine formelle Feierlichkeit geben, an der Gäste aller Art teilnehmen. Am Samstag findet das eigentliche Event statt. Den ganzen Tag über dreht sich alles um Kunst und Visionen. Zum Abend erfolgt die Spendenauktion. Der Sonntag wird weniger wichtig, es werden überwiegend Kontakte gefestigt. Für Unterkunft und Verpflegung ist gesorgt, bei Bedarf.“

„Luka, ich weiß nicht“, gebe ich zögernd zurück. Unwohl lege ich mir die Arme um den Bauch und senke den Blick. „Eine Kunstaustellung ist nichts für mich. Ich fürchte, ich werde dort ziemlich fehl am Platz sein. Außerdem bin ich am Wochenende schon zu einem Mädchenabend verabredet. Und ich muss am Freitag arbeiten.“

„Es reicht, wenn du am Freitag dabei bist“, argumentiert er gegen. „Ich würde dich von der Arbeit abholen lassen. Du müsstest dich um nichts sorgen bis auf angemessene Kleidung. Um alles Weitere kümmere ich mich.“

„Ich weiß nicht …“

„Ich bitte dich“, beharrt er. Sein eindringlicher Blick gibt mir zu schaffen. „Du musst nur an meiner Seite sein. Ich sorge dafür, dass du dich nicht verloren fühlst. Ehrenwort.“

Ich hadere. Mein Kopf und mein Gefühl sind sich uneins. Auf der einen Seite ist diese Veranstaltung bestimmt wichtig und ich will Luka nicht hängen lassen. Zudem könnte es eine interessante Erfahrung werden und vielleicht ergibt sich mir eine Gelegenheit, Antworten auf meine vielen Fragen zu finden. Auf der anderen Seite würde es tatsächlich Stress bedeuten und ich fühle mich auf einer Kunstaustellung ziemlich fehl. Dazu der Gedanke, all die Zeit an Lukas Seite verbringen zu müssen … Nein, im Augenblick fühle ich mich wirklich nicht wohl damit. Lohnt es sich für mich bei all dem Verdacht und der Ungewissheit, über meinen Schatten zu springen und ihm etwas Gutes zu tun?

„Lass mich erst mit Sawa reden“, lenke ich ein. „Ich habe den Mädels schon zugesagt und ich breche ungern gegebene Versprechen. Allerdings war noch nichts Festes vereinbart, ich weiß keine Details. Vielleicht kann ich etwas vereinbaren.“

„In Ordnung.“ Er nickt einverstanden, obgleich er unzufrieden auf mich wirkt.

Seufzend hole ich mein Handy hervor und öffne meine gespeicherten Kontakte. Ich erinnere mich, Sawas Namen in ihnen gesehen zu haben. Wenn ich Glück habe, erwische ich sie zu einem günstigen Zeitpunkt.

„Ich werde sie eben anrufen“, verkünde ich nach kurzem Überlegen. „Für eine Nachricht ist es zu viel abzuklären. Stört es dich?“

„Nein, mach nur.“

Ich nicke und erhebe mich. Am Rande bemerke ich meine Tasche, was mich daran erinnert, was in ihr verborgen liegt. Wegzugehen und sie außer Sicht zu lassen, kommt nicht infrage. Also drehe ich mich lediglich ab, bleibe aber in der Nähe der Couch, während ich Sawas Nummer anwähle.

Nach nur zweimal Tuten wird das Gespräch angenommen. „Ja, hallo? Sawa hier.“

„Hallo, Sawa. Hier ist Shizana. Störe ich gerade?“

„Ah, nein, nein. Es passt noch. Was gibt’s?“

„Hör mal, bei mir hat sich etwas ergeben“, beginne ich und überlege, wie ich mein Anliegen am besten formulieren soll, ohne dass mir Sawa vor Luka eine Szene macht. Es wäre ungünstig, wenn er davon etwas mitbekäme. „Am Wochenende steht doch der Mädchenabend an. Hanna hatte mich eingeladen …“

„Ah, ja, das hat sie mir gesagt“, antwortet sie fröhlich. „Du kommst doch, oder? Es wäre so cool, wenn wir jemand Neues dabei hätten.“

„Genau darum geht es. Hanna hat mir keine Details genannt, wann ihr das machen wollt und wo und ob ich etwas mitbringen soll. Sie wollte außerdem erst mit dir und Mine darüber reden. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Naja, wir haben uns ja auch nicht nochmal gesehen. Nur gestern einmal kurz vor meinem Schichtbeginn.“

„Naja, geredet haben wir darüber. Meinetwegen kannst du gern kommen, das weißt du hoffentlich? Mit Mine wollte sie gestern noch reden, aber ich habe vergessen nochmal nachzufragen, was dabei herausgekommen ist. Tut mir leid. Ich kann aber Mine nachher gern fragen, wenn wir auf Schicht sind.“

„Naja, die Sache ist die, es eilt ein wenig bei mir. Luka hat mich um einen Gefallen gebeten und ich möchte nicht, dass sich das überschneidet.“

„Luka? Der? Um was hat er dich denn gebeten, wenn ich fragen darf?“

„Um es kurz zu machen“, sage ich und werfe einen vorsichtigen Blick zu Luka. Dieser hat sich derweil auf der Couch niedergelassen, von wo aus er mich aufmerksam besieht. „Ich soll ihn auf eine Veranstaltung begleiten. Sie findet dieses Wochenende statt.“

„Eine Veranstaltung? Was denn für eine Veranstaltung?“

„Eine Kunstausstellung.“

„Kunst? Ah, er ist ja Künstler. Stimmt, da war etwas.“

„Also? Wann wäre denn der Mädchenabend und wie habt ihr euch das vorgestellt?“

„Naja, also … Wir treffen uns Samstag direkt nach der Arbeit und gehen gemeinsam zu Hanna. Am Sonntag liegt bei keinem etwas an, wir können also so lange wachbleiben, wie wir wollen. Wir machen ganz unser Ding, nur unter Mädels. Und wehe dem, der mir mit Unikrams ankommt!“

„Samstag also.“ Prüfend sehe ich zu Luka und er erwidert meinen Blick mit Interesse. Ich sehe deutlich die Erwartung in seinen grünen Augen aufblitzen. „Okay, dann weiß ich fürs Erste Bescheid. Hältst du mich wegen Mine auf dem Laufenden?“

„Na klar. Ähm …“ Sie zögert. „Wegen der Sache mit der Ausstellung … Willst du da wirklich mit ihm hingehen?“

Na super. Genau diese Frage kann ich im Augenblick überhaupt nicht gebrauchen.

„Das ist gerade ungünstig“, weiche ich aus und hoffe, dass Sawa meinen Wink versteht. Vor Luka möchte ich mir die Unbefangenheit, die diese Frage in mir auslöst, wahrlich nicht anmerken lassen.

„Bist du etwa gerade bei ihm? … Ah, ich verstehe schon. Dann machen wir das besser ein andermal.“

Ich nicke. „Ja. Also dann, melde dich dann bitte noch einmal bei mir. Ich bin gespannt, was Mine dazu zu sagen hat.“

„Ach, mach dir darum keine Sorgen. Ich kann sehr überzeugend sein, weißt du?“

Ihre Worte lassen mich lächeln. Zu deutlich kann ich mir ihr zuversichtliches Grinsen vorstellen, mit dem sie ihre Überzeugung vertritt.

„Na schön, ich vertraue darauf. Viel Erfolg.“

„Dir auch. Wir telefonieren später nochmal.“

„Okay. Viel Spaß auf Arbeit, nehme ich an?“

„Ja, ich muss gleich los. Also dann, bis später.“

„Bis dann. Und danke.“

Wir beenden das Gespräch und ich atme einmal lang durch. Am Samstag also. Das bedeutet, rein von der Zeitplanung her steht Lukas Bitte nichts im Weg. Die Frage ist nur, ob ich will …

„Und?“

„Also, der Mädchenabend ist am Samstag“, berichte ich, wobei ich mich ihm offen zuwende. „Theoretisch steht der Sache nichts im Wege. Ich könnte mitkommen.“

„Theoretisch? Das klingt nicht, als ob du es auch möchtest.“

Ich schweige. Seine Vermutung bringt die Sache auf den Punkt, das will ich nicht noch untermauern.

„Ich habe dir meine Bedenken genannt“, sage ich stattdessen. „Ich denke nicht, dass ich eine gute Begleitung wäre. Ich kenne mich mit Kunst nicht aus. Am Ende stehe ich blöd da, wenn mich jemand darauf anspricht. Und du gleich mit.“

„Hm.“ Sein Gesicht wird nachdenklich. Zu gern wüsste ich, was in seinem Kopf vorgeht. „Du musst am Freitag arbeiten, sagtest du?“

Ich nicke. „Ja.“

„Wie lange geht deine Schicht?“

„Bis halb neun. Ehe ich raus bin, rechne mit neun mit Aufräumarbeiten und allem.“

„Verstanden.“ Luka erhebt sich und ich beobachte gespannt, wie er einige Schritte auf mich zukommt. Meine Tasche findet bei dem Ganzen keine Beachtung, zum Glück. „Halte dich aufbruchbereit. Ich sorge dafür, dass du pünktlich Feierabend bekommst. Du musst dich um nichts kümmern, warte einfach vorm Meido auf mich.“

„O…kay?“

„Hast du irgendwelche Einwände?“

Zu Genüge, aber interessiert das irgendwen? Bei Luka bezweifle ich es allmählich.

„Keine, die ich nicht schon angebracht hätte.“

„Gut“, gibt er sich zufrieden. Seine Gesichtszüge entspannen und formen ein versöhnliches Lächeln. „Nur keine Sorge, du wirst wunderbar sein. Ich weiß, dass du das sein wirst. Ich werde dir keine Gelegenheit geben, daran zu zweifeln. Es wird ein schöner Abend werden.“

Die Zweifel kommen mir unweigerlich, doch ich halte sie in mir zurück. Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Luka hat sich entschieden und ich kann ihn nicht zurückweisen. Allem Unmut zum Trotz, das bringe ich nicht über mich.

„Also, abgemacht?“

Ich seufze besiegt. „Na schön, abgemacht. Ich versuche mein Bestes.“

„Das freut mich“, antwortet er fröhlich, worauf sein Blick zur Wand geht. „Ich fürchte, ich muss dich bitten zu gehen. Ich würde gern länger reden, aber es ist später geworden, als ich gedacht habe. Ich habe noch einiges zu erledigen.“

Ich folge seiner Bemerkung und prüfe mein Handy. Das Display zeigt mir eine Zeit von zehn nach eins. Eine knappe dreiviertel Stunde bin ich schon hier. Mir kommt der Gedanke, ob sich Orion bereits Sorgen um mich macht. Zwar liege ich noch im Rahmen der Zeit, die ich ihm angekündigt habe, aber wenn Luka es nicht angesprochen hätte … Erschreckend, irgendwie.

„Na schön, dann will ich dich nicht länger aufhalten. Danke, dass du dir die Zeit für mich genommen hast.“

„Keine Ursache. Du bist mir jederzeit willkommen.“

Ohne jede Hast hebe ich meine Tasche von der Couch und halte sie nah bei mir, als Luka mich in den Flur führt. Wir wechseln kein weiteres Wort, während ich in Schuhe und Mantel schlüpfe. Als er die Wohnungstür öffnet, fällt mir etwas ein.

„Was ist mit den Zetteln?“, frage ich und drehe mich zu Luka herum.

„Den Zetteln? Ah.“ Er senkt das Kinn ein Stück und zeigt ein Lächeln, dem nur noch ein Schnurren gefehlt hätte. „Die waren nicht wichtig. Aber wenn du sie unbedingt sehen willst, zeige ich sie dir ein andermal, okay?“

„Sicher?“

„Ich vergesse es nicht.“

Ich belasse es bei einem Kopfnicken. Weiteres Drängen führt zu nichts, das sehe ich ein. Immerhin, ich verlasse seine Wohnung nicht mit leeren Händen. Selbst wenn Luka versuchen sollte, mir auszuweichen, ich kann ihn jederzeit auf dieses Gespräch ansprechen. Bis dahin werde ich mich weiter in Geduld üben. Mit etwas Glück kann das Büchlein in meiner Tasche ein paar Dinge für mich aufdecken. Ich hoffe sehr darauf.

Vor dem Aufzug warten wir, dass der Fahrstuhl im obersten Stockwerk eintrifft. Ich nutze die Zeit, um noch eine wichtige Sache anzusprechen.

„Übrigens“, sage ich und suche den Blickkontakt zu ihm, „ich hatte dir doch erzählt, dass Rika mich angerufen hat. Sie ist der Meinung, dass wir gestritten hätten. Deswegen bin ich hergekommen. Wie denkst du darüber?“

„Gestritten?“, reagiert er fragend. Seine Miene nimmt einen strengen, nachdenklichen Ausdruck an. „Ich weiß nicht, was sie meint, fürchte ich.“

„Gut, ich nämlich auch nicht“, seufze ich leise. Erleichterung macht sich in mir breit. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir den Abend gestritten hätten. Wenn ich streite, sieht das für gewöhnlich anders aus. Und du hast mir auch nicht das Gefühl gegeben, dass es bei dir anders wäre.“

„Keine Sorge.“

Pling, der Fahrstuhl ist eingetroffen. Ich steige ein und betätige den Knopf für das Erdgeschoss, zögere dann aber für einen Moment.

„Sag mal“, beginne ich und drehe mich zu Luka herum. Mein Finger liegt auf dem Haltknopf, um ein Schließen der Tür zu verhindern.

„Was ist?“

Ich sage nichts. Jetzt, da ich ihm ins Gesicht sehe, bereue ich, einen Anfang gesetzt zu haben. Aber es ist zu spät für einen Rückzieher. Luka wartet auf eine Erklärung und ich würde es vermutlich bereuen, diese Chance nicht genutzt zu haben.

„Wenn etwas wäre, das unsere Beziehung belastet“, wage ich daher hervor, „würdest du doch mit mir darüber reden? Ich frage das aus gegebenem Anlass. Nicht, dass ich eines Tages wirklich über eine dritte Person erfahre, dass etwas nicht stimmt. Das wäre der Sache nicht sehr förderlich.“

Damit ist es gesagt.

Ich versuche in Luka zu lesen, erfolglos. Sein Gesicht ist so unbewegt und starr, dass es mich nervös stimmt. Es vergehen Sekunden, glaube ich. In dieser Anspannung fehlt mir jegliches Zeitgefühl.

„Ja.“

„Gut.“ Ich nicke. So knapp seine Antwort auch ausgefallen ist, sie genügt mir fürs Erste. „Ich wollte nur sichergehen. Hören wir uns nochmal vor Freitag?“

„Bei Gelegenheit.“

„Okay. Dann dir noch viel Erfolg bei der Arbeit.“

„Danke, dir auch.“

Ein kühler Abschied, wie immer. Ich versuche, mich nicht daran zu stören. Zumindest hege ich gute Hoffnung, dass man es mir nicht anmerkt.

Endlich schließt die Tür. Stille kehrt ein und ich feiere sie in einem langen Seufzen. Das sanfte Ruckeln löst Erschöpfung in mir aus. Im Nachhinein denke ich, dass diese kurze Zeit bei Luka anstrengender war als jede Convention, die ich in meinem Leben besucht habe. Die haben zumindest noch Spaß gemacht, meistens jedenfalls. Das kann ich von meinem Besuch nicht gerade behaupten.

Müde lasse ich mich gegen die kühle Blechwand sinken. Ich gestatte mir, für die wenigen Sekunden meine Augen zu schließen. Das Gewicht meiner Tasche wiegt angenehm schwer auf meiner Schulter. Ich drücke sie enger an mich, hoffend, dass ich meine Entscheidung nicht bereuen werde.

 

Mit einem erneuten »Pling« kommt meine Fahrt zu einem Ende. Damit ist es geschafft. Jetzt heißt es nur noch Orion anrufen und dann nichts wie nach Hause.

Der Fahrstuhl öffnet sich und ich verwurzle an meinem Fleck. Draußen vor der Tür steht ein kleines Mädchen, deren weiße Seitenzöpfe mir zu bekannt vorkommen. Aus großen, erwartungsvollen Schlumpfaugen sieht sie mich an. Sie macht den Anschein, als habe sie auf mich gewartet. Gruselig, zu denken, von Geistern verfolgt zu werden.

„Da bist du ja“, begrüßt sie mich heiter. Der Gedanke, mich in eine Bonusfahrt zu flüchten, verliert sich in Anbetracht ihres breiten Lächelns. „Schön, dich zu sehen. Ich habe auf dich gewartet.“

„Das sehe ich“, entgegne ich angebunden. Die Frage, warum sie hier ist – ausgerechnet hier, an diesem Ort – lässt mich die Stirn runzeln.

„Hast du es gefunden?“

„Äh, wie bitte?“

„Na, was ich dir gezeigt habe. Hast du sie gesehen?“

„Was meinst –“ Ich breche ab, als ich das Klacken der Haustür vernehme. Herein tritt eine alte Frau, deren quietschbuntes Regencape jede Toleranz übersteigt. Ihre schlurfenden Schritte werden von tapsigen Hundepfoten begleitet. Wir grüßen einander höflich, als sie an mir vorbei in den Fahrstuhl tritt. Ihr grauer Zwergterrier macht einen Aufstand, als sei ich ein Schwerverbrecher, der tödliche Waffen bei sich führt. Entsprechend misstrauisch trifft mich der Blick der Alten hinter dicken Rundgläsern, regelrecht anklagend. Ich wünschte, ich könnte ihr sagen, dass das Gekläff ihres Zottels nicht mir, sondern dem Mädchen an meiner Seite gilt. Zu blöd, dass es nichts zur Aufklärung beitragen würde. Eher im Gegenteil.

„Du bist die Einzige, die mich sehen kann“, äußert Mari neben mir, kaum dass sich der Fahrstuhl geschlossen hat. Es entlockt mir ein Schnauben.

„Was du nicht sagst.“

„Bist du böse auf mich?“

„Ich bin nicht böse auf dich“, seufze ich kopfschüttelnd.

„Ich wollte dir keinen Ärger machen“, murmelt sie leise. „Ich will dir helfen, aber ich mache immer noch so viele Fehler. Tut mir leid.“

„Schon okay“, will ich sie beruhigen. Ein Blick in ihr Gesicht sagt mir, dass sie genauso betreten dreinschaut, wie sie geklungen hat. „Viel wichtiger: Was machst du hier? Du willst dich hoffentlich nicht wieder nur entschuldigen und dann plötzlich verschwinden und mich mit Fragen zurücklassen.“

„Nein.“ Sie schüttelt den Kopf. Als sie anschließend zu mir sieht, liegt ein ernster Ausdruck in ihren blauen Augen. „Ich will mit dir reden. Es ist wirklich wichtig.“

„Ich glaube, das ist überfällig“, entgegne ich. Es fällt mir schwer, die Gefühle, die in mir aufwallen, zurückzuhalten. „Lass uns aber besser woanders hingehen. Es kommt seltsam, wenn ich die ganze Zeit Selbstgespräche führe. Zumindest aus der Sicht von anderen.“

Sie nickt verstehend, schon dreht sie sich herum. „Komm mit“, ruft sie mir zu. „Ich weiß einen Ort. Es ist nicht weit.“

Ich folge ihr ohne weitere Einwände. Still hoffe ich, dass wir dieses Mal wirklich reden werden. Und dass diese Unterhaltung zu etwas führen wird. Das wäre eine Abwechslung. Ich habe sehr viele Fragen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgaben:

1. Luka beendet das Gespräch mit seinem Kunden. Er wird dir freudig berichten, dass er in zwei Tagen mit seinen Bildern in einer Ausstellung zu sehen sein wird. Ganz ungefragt wird er dir eines von 6 Bildern zeigen. Zu sehen ist ein Abbild von Mari. Frage Luka wie er zu diesem Motiv kommt. (Er wird dir antworten, dass er sie gesehen hat, als er einen inspirierten Moment hatte.)
2. Plötzlich hört ihr von oben etwas poltern. Gemeinsam geht ihr hoch und seht nach. Augenscheinlich kam der Lärm von einigen Skizzenbüchern, die aus einem Regal gefallen sind wie von Geisterhand. Hilf Luka beim Aufheben der Skizzenbücher.
3. Als du eines der Skizzenbücher hochhebst, fällt ein Blatt Papier mit deiner Handschrift raus. Es scheint ein halb fertiger OS zu sein mit der Überrschrift "Geist der Wünsche" (optional änderbar). Du hast allerdings nicht die Zeit es zu lesen, denn Luka reißt es dir förmlich aus den Händen. Frage Luka was das zu bedeuten hat, dass er etwas von dir besitzt.
4. Luka wird dir keine zufriedenstellende bzw. glaubwürdige Antwort geben. Er wird dich zurück ins Wohnzimmer lotsen und schnell das Thema wechseln. Dort wird er dir sagen, dass er dich gerne bei der Ausstellung dabei hätte.
Entscheide ob du zusagst oder nicht. Bedenke, es ist ein Freitag und du musst beide Schichten arbeiten.
4a) Entscheidest du zu kommen, wird Luka dir mitteilen, dass er dich nach der Arbeit abholen lässt.
5. Egal wie du dich entschieden hast, Luka wird dich bitten zu gehen, da er noch einiges zu tun hat. Verlasse also seine Wohnung und triff draußen Mari. Sie sieht dich ernst an und wird dich bitten ihr zu folgen, damit ihr reden könnt.
Entscheide ob du ihr folgst.
5a) Folgst du ihr, so folgt im nächsten Kapitel ein Gespräch mit ihr.

Endlich geschafft. Das war wohl mit Abstand das schwierigste Kapitel für mich. Das letzte Mal, dass ich so gehapert und gekämpft habe, war im 11. Kapitel und wie auch dort, habe ich hier so viel abgeändert, dass es zwei Versionen davon gibt. Ich bin nur froh, dass man beim Lesen nichts davon merkt.
Mit dem Ergebnis bin ich dennoch sehr zufrieden. Und ich bin schon sehr gespannt auf die Veranstaltung, wuhu~! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Erenya
2016-10-30T19:35:09+00:00 30.10.2016 20:35
Du freust dich doch auf andere Sachen und nicht auf die Veranstaltung. *mit Augenbraue wipp*
Ich bin auch froh, dass es diese zweite Version gibt. Sie ist viel besser.
Antwort von:  Shizana
30.10.2016 20:55
Pssst! <///<
Ich muss echt nochmal die alte Version lesen. Weißt ja, ich schmeiße nichts weg. Und iiirgendwann werde ich meine ZdW-Verbrechen vllt. mal in einem Weblogbeitrag zusammenfassen und in der FF verlinken. Zum 50. Kapitel dann. :p
Antwort von:  Erenya
30.10.2016 21:00
Oi nötige mich nicht das auch zu tun... ichh hab keine ersten Versionen mehr.


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