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a little less terrified

Takari OS
von

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One-Shot

Wenn man den Jungen, der einem mehr bedeutete, als es Worte beschreiben könnte, bereits von Kindesalter an kannte, so machte es dieser Umstand nicht einfacher, zu begreifen, dass sich etwas geändert hatte. Man verbrachte auf der Mittelschule nicht mehr so viel Zeit miteinander, wie es in der Grundschule der Fall gewesen war. Ihr war klar, dass dies zwangsläufig eines Tages geschehen würde, schließlich war dies bei ihrem Bruder und seinen besten Freunden auch passiert. Nicht, dass die Freundschaft zerbrochen war, jeder ging nur seinen eigenen Weg. Es stimmte sie irgendwie traurig, dass sie sich immer mehr von ihrem besten Freund entfremdete, es schien ihm dabei nicht mal viel auszumachen, dass sie sich nur noch dann trafen, wenn etwas in der Digiwelt passiert war oder jemand aus ihrer Gruppe der Meinung war, dass sie sich wieder gemeinsam auf einen Kaffee treffen sollten. Natürlich war es nicht so einfach, alle an einem Tag zusammen zu trommeln. Es gab genau einen Tag im Jahr, an dem das möglich war und sich alle die Zeit dafür nahmen, egal wie stressig ihr Alltag war. Sie waren schließlich alle Digiritter und hatten gemeinsam schon so viele Abenteuer erlebt, die andere in ihrem Alter nicht erleben konnten. 

Kari merkte auch, dass sie sich nicht mehr so locker und ungezwungen unterhalten konnten, wie es in der Vergangenheit war. Eine gewisse Schwere lag in der Luft, die ein Gespräch mit einem verlegenen Schweigen und einem knappen Abschiedsgruß abrupt enden ließ.

 

Natürlich wusste sie, dass nicht alles beim alten bleiben konnte. Man entwickelte sich mit den Jahren auch weiter, niemand hatte jemals behauptet, dass der Prozess des Erwachsenwerdens einfach war. Vielleicht sollte es einfach so sein. «Liegt dir etwas auf der Seele?» Gatomon sah sie mit ihren großen blauen Augen sorgevoll an. «Ich habe nur nachgedacht», gab sie nachdenklich zurück. «Findest du, dass wir uns im Laufe der Jahre sehr verändert haben?» Ihr Partner schaute in die Ferne, wo die Sonne am Horizont unterging, während sie kurz über die Frage nachdachte. «Ich denke, es ist normal, wenn man sich durch bestimmte Ereignisse verändert. Das ist bei uns Digimon auch so.» «Wirklich?» Wenn sie so darüber nachdachte, war ihr nie in den Sinn gekommen, dass sich ihr Partner charakterlich groß verändert hatte. Vielleicht war sie nur viel zu sehr mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt gewesen, dass ihr diese Tatsache nie aufgefallen war? «Natürlich. Bei manchen fällt es mehr auf und bei manchen weniger. Ich denke, das ist ganz normal.» «Da hast du wohl recht», stimmte die Brünette ihrem Digimon zu und hob es auf ihren Schoss. Das katzenähnliche Wesen schloss dabei zufrieden seine Augen und schmiegte sich näher an seinem Partner. «Die Freundschaft zwischen dir und T.K. mag sich vielleicht verändert haben», begann Gatomon und sah dann zu Kari auf. «Aber es muss nicht zwanghaft bedeuten, dass ihr euch nicht mehr versteht. Ihr seid euch näher, als es dir in diesem Moment bewusst ist.» «Ich hoffe es sehr», murmelte sie nur, während sie gemeinsam den Sonnenuntergang in der Digiwelt betrachteten. 

 

Der Gedanke an ihre Freundschaft mit T.K. ließ sie auch in den folgenden Tagen nicht los, als sie sich nach ihrem Tanztraining auf den Heimweg machte und vorbei an der Oberschule ihrem großen Bruder in die Arme lief, der gerade mit seinem besten Freund vor dem Tor stand und etwas besprach. «Hallo Kari, na, hattest du heute wieder Training?» Sie nickte und ging auf die beiden Freunde zu. «Schön dich zu sehen, Yamato.» «Gleichfalls», gab der Blonde zurück und sah sich um. «Wo ist denn mein Bruder? Ihr seid doch sonst immer ein Herz und eine Seele.» Kari schluckte und zuckte mit ihren Schultern. «Wir sind doch keine siamesischen Zwillinge.» Offenbar war es Yamato entgangen, dass sie sich nur noch selten in ihrer Freizeit trafen. «Ich mach doch nur Spass, Kleines. Sieh mal, wenn man vom Teufel spricht... und oh!» Drei Augenpaare starrten in eine Richtung. «Sieh mal an, unser Kleiner hat wohl eine Freundin», feixte Taichi und stieß mit dem Ellenbogen in die Seite seines besten Freundes, der genauso breit grinste. Ideale Steilvorlage, um seinen kleinen Bruder etwas zu ärgern. Kari hingegen versuchte nur den Kloss, der sich plötzlich in ihrem Hals gebildet hatte, runterzuschlucken. Es sollte sie nicht überraschen, dass er früher oder später eine Freundin haben würde. Sie wusste genau, wie beliebt er bei den Mädchen an ihrer Schule war. Ihre Freundinnen hatten nicht selten von seinem freundlichen Lächeln geschwärmt, wenn er zufällig an ihnen vorbeilief und Kari anlächelte. Vielleicht war sie der Grund, weswegen ihre Gespräche immer nur so kurz gehalten wurden. Wollte er ihr einfach nur nicht sagen, dass es in seinem Leben jemanden Neues gab? 

 

Während die beiden Jungs bei dem Paar standen, blieb sie wie angewurzelt an der Stelle, wo sie war und versuchte das Beben in ihr unter Kontrolle zu bringen. Yamato hatte seinem jüngeren Bruder mit einem Schulterklopfen zu seiner neuen Flamme beglückwünscht, dieser hingegen lachte nur verlegen, während das Mädchen neben ihm errötete. Kari beschloss für sich, dass sie genug von der Szene mitbekommen hatte, und wollte gerade kehrtmachen, als sich ihre Blicke trafen und sie innehalten ließ. Sie schüttelte nur ihren Kopf und entfernte sich mit raschen Schritten von der Gruppe. Kari verstand sich in diesem Moment selber nicht, weswegen ihr dieser Moment gerade so viel ausgemacht hatte. Viel mehr sollte sie sich für ihn freuen, dass er jemanden gefunden hatte. So ein Verhalten war für sie schlicht und ergreifend untypisch. 

 

Bevor sie begreifen konnte, was überhaupt geschehen war, rannte sie nach wenigen Schritten los und stand wenige Minuten später vor dem Wohnhaus, in dem Miyako lebte. Was willst du eigentlich hier, schalt sie sich, während sie noch unschlüssig vor dem Eingang stand. Vor allem, wie soll sie ihrer Freundin erklären, weswegen sie so abgehetzt vor ihrer Türe stand, wenn sie die Situation noch selber nicht überblicken konnte? Vielleicht war sie noch nicht einmal zu Hause. «Kari?» Die Angesprochene schaute hoch und sah ihre beste Freundin auf sie zukommen. «Was für eine Überraschung, was führt dich hierher?» Die Brünette versuchte irgendwelche Worte zu artikulieren, was ihr versagte. Stattdessen machte sie ihren Mund auf und wieder zu. «Hm?», fragte Miyako nach und legte ihren Kopf schief. «Ist etwas nicht in Ordnung?», hakte die Ältere nach und fasste Kari sanft an der Schulter. Ein Blick in ihre braunen Augen sagten mehr als tausend Worte, dann schüttelte die Yagami ihren Kopf. «Okay, kein Problem, das kriegen wir wieder hin.» Ohne genau zu wissen, was genau vorgefallen war, lotste sie ihre Freundin in den nahe gelegenen Park zu einem der Bänke, bugsierte Kari kurz darauf und verschwand für wenige Minuten. 

«Hier, für dich.» Die Jüngere schaute kurz nach rechts zu ihrer Freundin, die ihr einen warmen Pappbecher in die Hände drückte. «Vorsicht, der ist heiß. Ein warmer Tee löst vielleicht den Gaumen, jedenfalls bei mir», lachte sie und trank selber vorsichtig einen kleinen Schluck Schwarztee und verbrannte prompt ihre Zunge. Ein nachsichtiges Lächeln zeigte sich auf Karis Lippen. «Vielleicht solltest du ein paar Minuten warten.» «Was bin ich froh, dass du etwas sagst, ich hatte mir schon Sorgen gemacht», sprach ihre quirlige Freundin und hätte beinahe ihren Becher neben sich mit ihrer Hand umgestoßen.

«Tut mir leid, du warst wohl auf dem Weg zu Ken.» Miyako winkte zugleich ab. Sie hatte ihrem Freund bereits geschrieben, dass sie sich verspäten würde, als sie beim Teestand auf ihre Bestellung wartete. «So ein Unsinn, du weißt, dass ich immer für dich da bin.»

 

Kari nickte dankbar und umklammerte den Becher in ihrer Hand. «Wann hast du eigentlich gemerkt, dass Ken mehr als nur ein Freund für dich war?» Miyako stutzte bei der Frage ihrer besten Freundin kurz und schob ihre Brille auf ihrem Nasenrücken zurück, während sie überlegte. «Das ist eine schwierige Frage, ich denke, da war ich erst gerade auf der Mittelschule, als sich meine ganze Umgebung verändert hatte.» Ein verlegenes Lächeln machte sich auf Miyakos Lippen breit. «Irgendwann hatte ich wohl gemerkt, dass sich auch unsere Freundschaft verändert hatte.» Kari hielt inne. Das war auch ihr in den vergangenen Monaten durch den Kopf gegangen. «Na, du weißt schon, die größte Gefahr damals war gebannt und unsere regelmäßigen Treffen nach der Schule hatten sich nach und nach verflüchtigt.» Sie zuckte mit ihren Schultern. «Der normale Alltag, jedenfalls was wir unter normal verstehen, hatte uns wieder. Das ist wohl der Lauf der Zeit.» So und nicht anders ging es Kari auch. «Irgendwann blieben selbst auch die regelmäßigen Mails aus, das war schon hart. Irgendwann hatte es auch bei mir klick gemacht. Erst wollte ich die Freundschaft nicht aufgeben, dann wurde es plötzlich mehr. Ohne, dass ich es überhaupt geplant oder in Erwägung gezogen hatte. Es war einfach geschehen.» Die Brünette, die bisher ihrer Freundin aufmerksam zugehört hatte, rang mit sich. Einerseits wollte sie ihrer besten Freundin erzählen, was sich nach der Schule ereignet hatte, andererseits verstand sie sich selber nicht. Sie war hin- und hergerissen. Miyako schien zu spüren, wie ihre beste Freundin mit sich selber rang, und wartete geduldig, bis sich das Mädchen neben ihr wieder gefangen hatte. 

 

«Weißt du, ich verstehe mich gerade selber nicht.» Nun hatte sie es ausgesprochen. «Du meinst, wegen dir und T.K.?», kam prompt die scharfsinnige Vermutung von Miyako zurück. Überrascht sah Kari ihre Freundin an. «Das war nicht schwer zu erraten. Ihr habt euch beide in letzter Zeit so seltsam verhalten, da musste man Eins und Eins zusammenzählen.» Es beruhigte Miyako etwas, dass Hikari ausnahmsweise mal zu ihr kam, wenn ihr etwas auf der Seele lag. Und es war ein schönes Gefühl, gebraucht zu werden. Die Jüngere seufzte lediglich und schüttelte ihren Kopf. «Ich denke, sein Verhalten in letzter Zeit lässt sich damit erklären, dass er jetzt eine Freundin hat.» Große verwunderte Augen starrten die Yagami an. «So ein Blödsinn», kommentierte Miyako mit einer wegwischenden Handbewegung. «Wie kannst du dir so sicher sein?», platzte es aus Kari ungläubig heraus. «Weil er nie für eine Andere Augen hatte.» Ihre beste Freundin hatte leicht reden, schließlich hatte sie nicht gesehen, dass sich dieses Mädchen bei ihm eingehakt hatte. «Hast du nie gemerkt, wie er dich, speziell dich, immer ansieht?» Die Brünette schüttelte lediglich ihren Kopf und krallte ihre Finger in ihren flaschengrünen Rock. «Vielleicht war da nie mehr.» 

 

Oh Mann. Da war wohl mehr Überzeugungsarbeit nötig, als gedacht. Natürlich wussten alle, wie beliebt der blonde Schönling 2.0 unter den Mädchen war. Nach Yamato selbstverständlich, aber dieser war – wie bekannt – mittlerweile in der Oberschule und hatte seinen Posten als Schönling der Schule seinem kleinen Bruder weitergegeben. Natürlich musste Takeru zu allen Mädchen freundlich sein. Manchmal fragte sich Miyako wirklich, ob er sich dessen überhaupt bewusst war, dass er den Mädchen, zu denen er freundlich war, Hoffnungen machte. Typisch Mann, erst handeln und dann denken. Das Ergebnis war nun eine völlig aufgelöste Hikari neben ihr, die nun mit sich und ihren Gefühlen zu hadern hatte, woran sie und die Mädchen aus ihrer Gruppe nicht ganz unschuldig waren. Das Mädchen mit der Brille seufzte. Schließlich hatten sie ihr lange genug in den Ohren damit gelegen, dass T.K. und sie wohl das perfekte Paar waren. Sie hatte es selbst genug mit eigenen Augen mitbekommen: wann immer er glaubte, dass es keiner merkte, sah er sie mit seinem verträumten blauen Augen an. Als wäre er in sie verliebt. Auch seine Handlungen ließen sich darauf schließen, dass sie mehr als nur eine gute Freundin für ihn war. Dass er ein Mädchen im Auge hatte, war der ganzen Schule bekannt, auch wenn er dies steht’s abstritt. Sie brauchte bloß von einem Jungen angesprochen zu werden und schon stand er mit irgendeinem Vorwand neben ihr und lotste sie weg. Egal wo er war, seine Blicke suchten das gesamte Areal immer zuerst nach ihr ab. Wenn er sie erst entdeckt hatte, strahlte er übers gesamte Gesicht. Und Kari? Auch wenn sie es nicht offen zugab, so wusste Miyako genau, was in ihr vorging. Sie war nun mal nicht das Mädchen, das offen ihre Gefühle zeigen konnte.  Es waren diese scheuen Blicke und das warme Lächeln, die nur ihm galten. Die Art, wie sie mit ihm kommunizierte, war anders, als wenn sie mit Daisuke oder Ken redete. Takeru gegenüber konnte sie offen und sie selbst sein, denn er kannte sie schließlich seit Kindesalter an. Was sie hatten, ging über Freundschaft hinaus, wenn nicht sogar über Liebe. Seelenverwandtschaft, überlegte Miyako. Genau das war es, was die beiden verband. Nun war dieser Idiot drauf und dran diese Seelenverwandtschaft kaputtzumachen, dachte sie düster. 

 

«Alles in Ordnung bei dir?», hakte die Jüngere vorsichtig nach, nachdem sich der Gesichtsausdruck ihrer besten Freundin so schlagartig verfinstert hatte. «Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mit diesem Mädchen zusammen sein soll», murrte diese und trank einen Schluck Tee. «Wir müssen dem auf den Grund gehen!», beschloss sie kurzerhand, nachdem sie von der Bank aufgesprungen war. Oje, dachte Hikari lediglich. Wenn sich ihre beste Freundin etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab es kein Halt mehr. «Miyako...», der erste Versuch ihre Freundin wieder zur Vernunft zu bringen. «Liebe ist Kampf, Schätzchen!», unterbrach sie Kari und sah diese ernst an. «Du kannst nicht leugnen, dass er für dich mehr als nur ein Freund ist, nicht wahr?» Wie konnte sie nur vergessen, dass Miyako Inoue bekannt für solche Überraschungsmomente ist? «Ich glaube nicht...», der zaghafte zweite Versuch scheiterte bereits, als sie den entschlossenen Gesichtsausdruck ihrer Freundin sah, darüber hinaus hatte sie ihre rechte Hand zu einer Faust geballt. Bereit für den Angriff also, Hikari seufzte lediglich und fasste sich in die Schläfe. Sie ahnte schon, dass die Zahnräder im Superhirn der Inoue bereits auf Hochtouren ratterte. Für sie war ein Entkommen ausgeschlossen. 

 

So sehr Takeru seinen Bruder auch liebte, so gab es Momente wie diese, an denen er sich wünschte, ein Einzelkind zu sein. Dieses unheilschwangere Grinsen auf seinem Gesicht verhieß nie etwas Gutes, besonders in der Kombination von einem gewissen Taichi Yagami, der ebenfalls wie ein Honigkuchenpferd grinste, als sie ihn auf dem Schulhof erblickten. «Ich entschuldige mich bereits jetzt für alles, was passieren wird», sprudelte es aus ihm hervor, während das Mädchen neben ihm zusammenzuckte, während die beiden Oberschüler auf sie zukamen. Hikari, die gerade eben noch neben ihrem Bruder stand, blieb wie angewurzelt auf dem mausgrauen Asphalt stehen und blickte mit einem undefinierbaren Blick zu ihnen rüber. Der Blonde schluckte. «Bruderherz», säuselte Yamato bereits und legte seinen Arm um seinen jüngeren Bruder. T.K. würde sich noch einige Male bei seiner Klassenkameradin für das peinliche Verhalten seines Bruders entschuldigen müssen. «Platzen wir gerade in ein romantisches Tête-à-Tête?», feixte Yamato und klopfte anerkennend auf die Schulter seines kleinen Bruders. «Das ist alles ein Missverständnis», brach die Arme neben ihm mit einem dunkelroten Kopf hervor. «Hör auf mit diesem Blödsinn», lachte der Jüngere und sah zu der Stelle rüber, an der Hikari gestanden hatte. Sie war bereits weg und augenblicklich erstarb auch sein Lächeln. 

 

Seine Klassenkameradin hatte sich innert wenigen Sekunden verabschiedet und sah zu, dass sie so schnell wie möglich aus dieser unangenehmen Situation rauskam, in die sie dank seines Bruders hineinmanövriert wurde. «Vielen Dank auch», murrte der Takaishi und sah seinen Bruder und dessen besten Freund vorwurfsvoll an. «Du hast doch gesagt, dass du sie nicht datest», gab Yamato unbeeindruckt zurück. «Hab ich nicht! Oder... nein, wir daten nicht. Hör auf, mich zu verwirren!», gab T.K. frustriert von sich, während er nun mit den beiden in einem Café saß und missmutig mit dem Strohhalm in seinen Cream-Soda rührte. «Komm schon Kleiner, wir haben uns doch entschuldigt», warf Taichi rein, um seinem besten Freund Schützenhilfe zu leisten. «Wir waren nur überrascht, dich ausnahmsweise mal mit einem anderen Mädchen anzutreffen, außer mit...», wieder machte sein Bruder die Sache mit seinen Augenbrauen, wenn er auf etwas Bestimmtes andeuten wollte. «Kari», vervollständigte Tai den Satz und zog eine Augenbraue hoch, während er den Mittelschüler vor sich kritisch beäugte. «Wie oft denn noch?», seufzte T.K. lediglich. «Ja, ja, ihr seid nur Freunde», grinste Yamato und machte eine wegwischende Handbewegung.

«Zwischen uns läuft nichts blablabla, immer dieselbe Leier, kleiner Bruder.» Ertappt zuckte der Angesprochene zusammen. «So wie du sie immer mit deinen Blicken anschmachtest, ist doch klar, dass da mehr ist.» Neben Yamato verschluckte sich Tai lautstark an seinem Eiskaffee. «Ich möchte nichts davon hören, dass Jungs meine Schwester anschmachten.» Yamato klopfte seinem besten Freund lediglich auf die Schulter. «Ich weiß, es tut weh, aber auch unsere Kleinen werden eines Tages erwachsen. Dazu gehört die erste Liebe nun mal dazu.» Der theatralische Unterton war nicht zu überhören, Yamato sollte eine Schauspielerkarriere in Erwägung ziehen, sollte es mit der Musik nicht klappen. Dieses Gespräch wurde langsam selbst für Taichi Yagami zu bizarr. Da saß er nun mit seinem besten Freund und dessen kleinen Bruder, seinen potenziellen künftigen Schwager in dem kleinen Café unweit der Mittelschule und redeten über dessen Liebesleben. Quasi über Kari. Er schluckte. «Ihr seid echt anstrengend», seufzte der kleine Bruder von seinem besten Freund und fasste sich an die Stirn. «Ich hätte nicht gedacht, dass Kari diese Szene etwas ausmachen würde», warf Yamato nachdenklich ein, woraufhin Taichi resigniert seufzte. «Sie würde es nie offen aussprechen», er sah den besten Freund seiner kleinen Schwester an.

 

«Du kannst nicht immer vor der Wahrheit davonlaufen, T.K.»

 

Die Wahrheit? «Wie meinst du das, Tai?», misstrauisch beäugte er den Älteren. «Du hättest dich nicht so aufgeregt, wenn meine Schwester dabei gewesen wäre. Gib es schon zu, du magst sie so sehr, dass es sogar über Freundschaft hinausgeht.» Takeru war sich nicht sicher, was die Wahrheit war. Dass er Kari mochte, war Fakt. Da gab es nichts zu rütteln, von allen Digiritter war sie diejenige, die ihm am nächsten stand. Nicht nur altersmäßig, sie waren einfach auf einer Wellenlänge. Wenn sie einen Satz begann, beendete er diesen für sie. Hikari und er waren eine Einheit, das stimmte. Außerhalb der Schule sahen sie sich nicht mehr so häufig, aber das hieß nicht zwangsläufig, dass sie sich völlig entfremdet hatten – oder? Die Sache mit ihr hatte sich in so kurzer Zeit in ein einziges Chaos verwandelt. Sein Bruder hatte noch ordentlich Würze in dieses Gefühlschaos gebracht, indem er ihn und seine Klassenkameradin vor Kari als Paar dargestellt hatte. Ihm war ihr undefinierter Blick keineswegs entgangen, dass sie noch weggelaufen war, sagte schon alles aus. Wenn sie nicht sauer war, dann bestimmt enttäuscht, dass er es ihr nicht erzählt hatte und über diesen Weg von seiner vermeintlichen Freundin erfahren hatte. 

 

«Erde an Takeru!»

 

Der Angesprochene zuckte zusammen und blickte in die besorgten Gesichter der beiden Oberschüler und seufzte. «Ich weiß grade selber nicht, was ich davon halten soll.» Ehrlicher hätte er seine Gefühle zu diesem Zeitpunkt nicht formulieren können. Bisher dachte er immer, dass das Band zwischen ihnen stark war. So war es auch lange gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als sie auf die Mittelschule wechselten und er die Blicke der anderen Jungen bemerkte. Ihre Freundschaft hatte nichts erschüttern können, bis sich die ersten Gefühle bei ihm bemerkbar machten. «Tut mir leid, ich habe noch etwas zu erledigen.» Takeru schnappte sich seine Schultasche und verschwand aus dem Café und hinterließ zwei verdutzte Freunde, die ihm mit besorgten Blicken nachsahen. 

 

«Ich habe das Gefühl, dass da noch etwas auf uns zukommt», murmelte Yamato. Taichi nickte seufzend. «Ich hoffe, dass wir da ohne ein emotionales Chaos rauskommen.» Der ältere Bruder von Hikari konnte sich zu gut an dieses unschöne Gefühl erinnern, als sein bester Freund mit Sora zusammenkam und hoffte, dass seiner Schwester dieses Gefühl erspart blieb. Nichts war schlimmer als eine einseitige Liebe, die einem so verletzte, dass man das Gefühl bekommt, nicht atmen zu können. Er hatte damals keinen Groll gegen die beiden gehegt, schließlich waren Gefühle nicht kontrollierbar. Ihr Band zueinander zu kappen war zu dem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Er musste damals einfach funktionieren und ihre Freundschaft zwangsweise Aufrecht erhalten. Noch heute fragte er sich manchmal, wie alles gekommen wäre, wenn sie keine Digiritter gewesen wären. Möglicherweise würde er heute nicht mehr mit Yamato in einem Café sitzen und sich Gedanken über das Gefühlschaos zwischen seiner Schwester und dessen Bruder machen, an dem sie zugegeben auch Schuld dran waren. 

«Stimmt was nicht?» Yamato war der abwesende Blick seines Freundes nicht entgangen, als dieser in Gedanken seinen mittlerweile kalten Kaffee rührte. «Ich möchte nur, dass Hikari glücklich ist.» Ein nachsichtiges Lächeln legte sich auf die Lippen von dem Blonden, als er seine Hand auf die Schulter seines besten Freundes legte: «das wünsche ich mir auch. Aber das ist eine Sache, die sie unter sich klären müssen.» Taichi sah auf und nickte ihm zu. 

 

«Warte mal kurz, wohin gehen wir hin?», fragte Kari, die völlig überrumpelt von der Bank hochgezogen und nun von ihrer besten Freundin mitgeschleift wurde. «Wohin wohl? Wir werden diesen Betrüger aufsuchen und zur Rede stellen. Ist ja nicht zu fassen, wie dumm sich Männer verhalten!» «Odaiba ist groß, wie willst du ihn denn finden?», japste Kari, die hinter Miyako hinterherstolperte. Die Angesprochene hob lediglich ihr Digivice in die Höhe, war ja klar, dass sie nicht ohne eine Strategie in den Kampf zog. Resigniert ließ sie ihren Kopf hängen. Dieser Plan war nur zum Scheitern verurteilt. «Das ist keine gute Idee, es wird alles viel komplizierter machen», ein letzter halbherziger Versuch, ihre Freundin zur Vernunft zu bringen. Abrupt blieb Miyako plötzlich stehen, sodass Hikari direkt an ihren Rücken prallte. Funkelnd drehte sie sich um und stemmte ihre Hände an ihre Hüfte. «Willst du nun wissen, was zwischen ihm und diesem Mädchen läuft oder nicht?» Verwirrt über die direkte Frage sah sie Miyako nur verwirrt an. 

«Ja! Ich meine nein! Eigentlich geht mich das nichts an, ich...» «... natürlich geht dich das was an. Himmel, ihr beide seid so unbeholfen, das ist sogar Koushiro aufgefallen und der ist in solchen Gefühlsdingen nicht unbedingt der Hellste, auch wenn er ein Genie ist!» Verwirrt runzelte die Jüngere der beiden die Stirn. Das ganze entwickelte sich zu etwas, was ganz und gar nicht ihrem Geschmack entsprach. Dabei hatte dieser Tag ganz normal angefangen, bis sie ihn nach der AG mit einem anderen Mädchen sah und dann zu ihrer besten Freundin gelaufen war. Wann hatte diese ganze Sache ihren eigenen Lauf genommen? «Dass sich eure Brüder noch eingemischt haben, setzt dem ganzen die Krone auf, die haben so viel Taktgefühl wie drei Eimer Zement!», schimpfend wie ein Rohrspatz drehte sich Miyako wieder um und lotste ihre Freundin durch das Viertel, immer mit dem Blick auf das Digivice, welches sie wie ein Kompass führte. 

 

Takeru liebte seinen Bruder, vorausgesetzt, er benahm sich normal und die Aktion heute nach der Schule war alles andere als hilfreich gewesen. Wie er seine beste Freundin kannte, würde sie in solchen Dingen nicht auf ihn zugehen und fragen, was Sache ist. Dieses Mädchen stellte wirklich jedes Mal die Bedürfnisse der anderen über ihre eigenen, es war zum Verrücktwerden. Aber das war auch eine Eigenschaft, die er an ihr so liebenswert fand. Sie war diejenige, die es am ehesten bemerkte, wenn es ihren Freunden schlecht ging. Hikari war auch eine sehr gute Zuhörerin und obendrein schien sie auch nie jemanden zu verurteilen. Es gab so viele Eigenschaften und Eigenarten, die er an ihr liebte. Abrupt blieb der Blonde stehen. Der Tag hatte eigentlich ganz normal begonnen – gespickt mit sehr vielen Gedanken zu ihrer Beziehung – und endete mit der Erkenntnis, dass sie für ihn viel mehr war. Etwas was über Freundschaft hinausging. Eigentlich hatte er es schon sehr lange gewusst, dass sie ihm viel bedeutete. Es war die Angst davor, was sich verändern würde, wenn er diese Gefühle zuließ, die ihm einen Riegel vorschob, länger darüber nachzudenken. Lieber würde er seine Gefühle für sie totschweigen, als sie als Freundin zu verlieren. Hikari war für ihn alles. 

 

Eine laute und kaum überhörbare Stimme, die ihm nicht unbekannt war, ließ ihn zusammenzucken, und wie einen Soldaten strammstehen, als diese seinen vollen Namen nannte. Beinahe hätte er vor ihr noch salutiert. Er schluckte. Das hörte sich nach einer sehr wütenden Frau an, die ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte. Hinter ihr war eine etwas eingeschüchterte Kari, die ihm kaum in die Augen schauen konnte. Wenn es um ihre beste Freundin ging, konnte Miyako eine ganz schöne Glucke sein. Eine beängstigende Glucke, wie er gerade feststellen musste. «Takeru Takaishi, du bewegst dich gefälligst nicht vom Fleck!», schnaubte sie und blieb zusammen mit Hikari vor ihm stehen. Sein Adamsapfel hüpfte, als er das Feuer in ihren Augen sah. 

«Und du, Hikari Yagami redest mit ihm. Ihr beide solltet reden!» Auffordernd sah sie zwischen ihre Freunde hin- und her und vergewisserte sich, dass man ihren Appell verstanden hatte, ehe sie die beiden sich selber überließ und aus ihren Blickfelder verschwand. 

 

«Das war irgendwie typisch Miyako», bemerkte Takeru trocken, nachdem er sich wieder halbwegs gefangen hatte. «Sie ist immer wieder für eine Überraschung gut», gab Hikaru verlegend lächelnd zurück. «Tut mir leid, dass sie dich eben als Sündenbock auserkoren hat.» Seine blauen Augen ruhten auf ihr, während sie ihm diese Worte sagte. «Ich habe es wahrscheinlich verdient. Wer ihre beste Freundin verletzt, wird von ihr wie von einer Dampfwalze überrollt. Und ich habe dich verletzt, nicht wahr?», fragte er leise. «Es kam für mich ziemlich überraschend. Wir konnten früher sonst immer über alles reden.» Sie sah zu ihm hoch und wich dann seinem direkten Blick aus. 
 

«Ich habe das Gefühl, dass wir uns immer mehr voneinander entfernen.» «Sag so etwas nicht», murmelte Takeru. «Du bist die Person, die mir am nächsten steht. Das war früher so und bis heute hat sich nichts daran geändert.» Überrascht sah sie ihn direkt in die Augen. Sie konnte es sich nicht erklären, irgendwie klangen diese Worte nach einer Liebeserklärung. Ganz subtil, ganz wie der Takeru, den sie kannte. 

 

«Aber das Mädchen vorhin», platzte es dennoch aus ihr heraus. «Ist die Managerin unseres Basketballklubs.» Mit diesen Worten nahm er ihr mit einem Schlag all ihre Zweifel. «Na ja, sie hat mich nach dem Training zusammengestaucht, deshalb sind wir nach der Schule ein Stück gelaufen.» Verlegen zupfte er an seinem Hemdkragen. Hikari hingegen hatte das Gefühl, dass das Gewicht auf ihrem Brustkorb verschwunden war und sie endlich wieder atmen konnte. «Zusammengestaucht?», hauchte sie fast ungläubig. Dann sah sie ihn genauer an und bemerkte eine kleine Beule an seiner Schläfe. «Ich war in letzter Zeit mit den Gedanken nicht ganz beim Training und habe schließlich den Ball ins Gesicht bekommen.» Ganz automatisch hob sie ihre Hand und strich ihm sachte über die kleine Beule. «Tut es noch sehr weh?», wisperte sie.  

Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass sie für diese Verletzung verantwortlich war. Er lächelte, als wüsste er genau, was ihr durch den Kopf ging und legte seine Hand über ihre. «Nicht mehr, nein.»

 

Veränderungen mussten nicht zwanghaft etwas Schlechtes sein. Manchmal eröffnen sich dadurch neue Perspektiven, die einem im ersten Augenblick unerreichbar erscheinen. Es sind die Perspektiven, die einem Flügel verleihen. 

 

- END - 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh. Keine Ahnung, wie lange dieser OS halbfertig auf meiner Festplatte lag. Irgendwie hatte ich lange keine Lust und Muse etwas daran zu ändern. Beim Aufräumen vor einer Woche überkam es mich dann wieder. Jedenfalls danke ich fürs Lesen!

liebe Grüsse & ein schönes Restwochenende

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tasha88
2017-09-28T20:08:19+00:00 28.09.2017 22:08
Hallo Schneehasi :)

das erinnert mich daran, dass es bald wieder Winter wird >.<

Ich finde den Oneshot wirklich schön. danke, dass du ihn hochgeladen und mit uns geteilt hast :)

Liebe Grüße
Tasha
Antwort von:  Schneehasi
30.09.2017 10:10
Hallo Tasha

Vielen Dank für deine Rückmeldung, ich freue mich, dass dir die Geschichte gefallen hat :)
An den Winter möchte ich noch gar nicht denken! :D

liebe Grüsse
Schneehasi
Von:  Kaninchensklave
2017-09-23T20:00:04+00:00 23.09.2017 22:00
ein Toller OS

nun das Tai und Yamato ein Gefühl das kein Feingefühl ist war klar
doch zumindest ahben die zwei im Gefühlschaos sich befindlichen
ja noch Freunde und Managerinnen mit Takt und Feingefühl

da sie beiden etwas auf den Zahn gefühlt haben und dabei Gold richtig gelegen sind
aber sie bekommen das schon hin da bin ich mir sicher

GVLG
Antwort von:  Schneehasi
30.09.2017 10:10
vielen Dank :)


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