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I'm in Love with a Killer

Sie leben unter uns
von

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Das Treffen der Prinzen und Prinzessinnen

Das Treffen der Prinzen und Prinzessinnen

Rel:

Nachdem ich die Augen geschlossen hatte, verlangsamte ich meinen Atem so sehr, dass die anderen Anwesenden wohl dachten, ich sei eingeschlafen. Nachdem ich Pira’s Worte und die sich entfernenden Schritte vernommen hatte, machte ich langsam wieder die Augen auf und starrte die dunkle Decke über mir an. Da war ich dem Tod noch nicht einmal ein paar Stunden zuvor von der Schippe gesprungen und schon ging das ganze Theater, was ich eigentlich vermeiden wollte, los. Die Jungs erwarteten Antworten von mir, aber was sollte ich ihnen sagen? Dass ich das Buch nur behalten hatte, damit ich ein letztes Mal in den Palast gehen konnte, um meinem Vater deutlich zu machen, dass ich den ganzen Scheiß nicht mehr mitmachen wollte? Sie hätten mir so oder so nicht geglaubt. Ja, am Anfang wollte ich so schnell wie möglich zurück nach Hause, aber ohne Raym hatte ich einfach keinen Sinn mehr gesehen. Ich hasste meine Geschwister, besonders den Ältesten von uns. Ich musste einfach unter meine Vergangenheit einen Schlussstrich ziehen und das ging nur mit diesem beschissenen Buch! Ich wollte so wenige Insignien wie möglich in den falschen Händen wissen und dafür mussten sie dahin zurück, wo sie hergekommen waren. Das Buch würde in der Menschenwelt nur noch mehr Unheil anrichten, als es ohnehin schon getan hatte. Ich wusste, was ich den Jungs angetan hatte, aber bereuen tat ich es trotzdem nicht. Seit Raym’s Tod waren sie die einzigen Personen, die ich wirklich als eine Familie betrachten konnte. Ich durfte nicht zulassen, dass sie an dieser Stelle zerbrach. Würden sie mir die Wahrheit abkaufen, dass ich wirklich in keinen schlechten Absichten das Buch mitgenommen hatte? So oder so konnte ich jetzt im Moment nichts machen als Abwarten, bis meine inneren Wunden verheilt waren. Die Schmerzen schienen immer mehr nachzulassen und ich konnte förmlich spüren, wie sich mein Körper von selbst heilte. Noch ein paar Stunden und ich konnte aufstehen. Aber wie lange sollte ich wohl warten, bis ich meinem Vater und meinen Geschwistern einen Besuch abstatten konnte? Ich musste definitiv meine Kräfte sammeln, konnte ich mir nicht ausmalen was zu Hause momentan abging. Für meine Freunde war es zu gefährlich im Palast, sie musste hier bleiben, ob es ihnen passte oder nicht. Wenn ich sie mitnehmen würde, dann würden sie in den ganzen Mist der dort ablief mit hineingezogen werden und dass konnte ich nicht zulassen! Meine Geschwister würden sie höchstwahrscheinlich sofort töten.
 

„Schläfst du?“, rissen mich plötzlich Pey’s Worte aus den Gedanken. „Nein“, gab ich als Antwort zurück und drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Warum hast du das Buch damals nicht vernichtet?“, frage er gerade heraus. Ich schluckte. „Hatte ich nicht gesagt, dass ich das erst kläre, wenn’s mir besser geht?“ „Bis dahin könntest du dir irgendeine Ausrede einfallen lassen. Jetzt scheint mir der richtige Zeitpunkt“, drängte er weiter. „Ich bin zu fertig, um was zu erklären. Außerdem wirst du es mir eh nicht glauben“, meinte ich schlicht und starrte wieder die Decke an. „Wenn du es mir nicht sagst, kann ich dir nicht sagen, ob ich es glaube oder nicht“, versuchte er mich weiter zu überreden, mit der Sprache rauszurücken. „Ich will aber jetzt nicht darüber reden, Basta!“ „Und warum nicht?“ „Verdammt nochmal Pey! Raff doch einfach dass ich jetzt nicht darüber reden will!“, blaffte ich ihn an, so gut es eben ging. Er schwieg einen Moment, dann seufzte er und drehte sich ächzend auf die Seite. „Bleib doch normal liegen, wenn’s noch nicht geht.“ „Halt die Klappe“, zeterte er und zog sich die Decke ein Stückchen höher. „Man ey, bist du jetzt ernsthaft beleidigt?“, fragte ich augenverdrehend und blies die angestaute Luft aus. „Tze“, machte er nur und wusste ganz genau, was er damit bei mir bewirkte. Ich wurde zunehmend angepisster und starrte wütend die Zimmerdecke an. „Ich hab halt meine Gründe, aber ich bin kein Verräter!“, zischte ich zwischen den Zähnen hindurch. „Aha“, kam lediglich als Antwort. Meine Kiefermuskeln spannten sich immer weiter an und ich knirschte nun wütend mit den Zähnen. Die aufkommende Stille machte mich langsam wahnsinnig. Er wusste, dass mir dieses beleidigte Getue extrem gegen den Strich ging und er machte es trotzdem. Wenn er glaubte, dass ich ihm jetzt alles erklärte, dann hatte er sich gewaltig geschnitten. Ich würde mich doch nicht von so einem kindischen Getue kleinkriegen lassen.
 

Pey:

Meine Lippen zierte ein leicht triumphierendes Lächeln. Rel platzte wahrscheinlich schon innerlich vor Wut. Mit der Zeit hatte ich festgestellt, dass er es hasste, wenn sich jemand beleidigt stellte. In dieser Hinsicht war er einfach viel zu leicht zu provozieren und das nutzte ich jetzt auch gekonnt aus. Mich interessierte es sehr, was er zu sagen hatte und wenn er schon die Kraft hatte, mich anzublaffen, dann konnte er mir doch auch erzählen was Sache war. Waren wir nicht sehr gute Freunde und wusste er nicht, dass ich ihm nicht gleich den Schädel eintreten würde, egal was es war? Klar, ich war stinksauer gewesen, als er Anna diese grausamen Sachen angetan hatte, aber so richtig böse war ich ihm nicht mehr. Wäre ich wirklich so nachtragend gewesen, dann hätte ich mir keine Sorgen um ihn gemacht und hätte ihn wahrscheinlich in seinem Loch verrotten lassen. Auch wenn er immer so gesehen werden wollte, war er doch keine schlechte Person. Eigentlich war er sogar sehr fürsorglich, wenn es um uns ging und er hatte uns sehr oft aus der Misere geholfen. Na gut, vielleicht verspürte er ja noch etwas Reue dafür, dass er damals unser Leben zerstört hatte, aber das war Schnee von gestern. Klar, ich vermisste meine Schwester und meine Mutter schon ab und an, aber ich konnte mich schon fast nicht mehr an sie erinnern. Wir hatten viel zu viel in den letzten Jahren erlebt, dass uns unser altes Leben wie eine graue, verschwommene Vergangenheit aus einem anderen Leben vorkam. So ganz war das ja auch nicht falsch, denn nach unserem Tod und der sogenannten Auferstehung, hatte ein neues Leben für uns begonnen.
 

Hinter mir konnte ich das Schnauben des Blondhaarigen vernehmen und ich lachte mir heimlich ins Fäustchen. Gleich war es soweit und er würde vor angestauter Wut platzen. Gleich war es soweit… Nur noch ein paar Sekunden und dann… „Meine Fresse!“, fing er auf einmal an. Ich spitzte schnell die Ohren. Was jetzt wohl kam? „Ich hab keinen Bock mehr auf dieses behinderte, kindische Getue! Na gut. Du willst wissen, warum ich es nicht zerstört habe? Ganz einfach: Ich brauche es, damit ich nie wieder hier her zurück muss, ganz einfach!“ Langsam drehte ich mich zu ihm um. „Wie meinst du das?“, hakte ich nach. „Wenn ich das Buch zu Hause abgebe, habe ich meine Pflicht erfüllt. Außerdem wird das der letzte Gang dort hin sein da ich-“ Er stockte plötzlich und ich drehte mich nun gänzlich mit einem fragenden Gesicht zu ihm um. „Ich will mit dem ganzen hier abschließen, da meine Familie in eine andere Welt gehört…“, nuschelte er eher in sich hinein. Plötzlich musste ich etwas lauter anfangen zu lachen. Hatte ich mich gerade verhört, oder hatte er gerade gesagt, dass er uns als Familie betrachtete?! „Ist es dir etwa peinlich, dass du zugibst, dass du uns ja eigentlich doch magst?“ Er grummelte ein leises Ja und zog sich die Decke über den Kopf. Wer benahm sich denn jetzt bitte kindisch?! Er oder ich? „Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt. Wir sind eine Familie, aber deswegen musst du doch nicht dein früheres Leben wegwerfen“, bedachte ich, verstand ich einfach nicht, dass es wirklich nur so eine dämliche Sache war. So etwas sollte ihm doch nicht peinlich sein! Hätte er früher seine Klappe aufgemacht, dann wären wir wahrscheinlich schon früher hier her gekommen und hätten Rel auf seinen letzten Trip hier her begleitet, wenn er es damals genauso wie jetzt durchziehen wollte. Wenn die anderen das hören würden, dann würden sie wahrscheinlich vor Lachen auf dem Boden liegen. Natürlich hätten wir es damals nicht ganz verstanden, da wir nicht wussten, wo er überhaupt her kam, aber jetzt war es einfach nur urkomisch. Er kam nie und nimmer als eine Art Familienmensch rüber und nun? Leicht erstaunte es mich schon, aber es machte mich auch verdammt glücklich. Jetzt konnte er erst Recht nicht mehr behaupten, dass ihm solche Sachen egal waren. Ja, wir waren eine Familie und das würden wir auch bleiben, egal was kommen würde.
 

Rel:

Die Decke über den Kopf gezogen wartete ich einen Moment, bis sich mein Bettnachbar wieder eingekriegt hatte. „Beruhigt?“, fragte ich nach und erntete ein zufriedenes Aufseufzen. „Und das soll jetzt was heißen?“, wollte ich wissen und schlug die Decke zurück. „Das ich deine Einstellung toll finde“, grinste der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen. Bei diesem Anblick schüttelte ich nur belustigt den Kopf und drehte mich auf die Seite, um ihn besser sehen zu können. Meine Schmerzen wurden von Minute zu Minute immer weniger und ich fühlte mich immer fitter. Bald war es soweit und ich hatte bestimmt genügend Kraft getankt um aufbrechen zu können. Pey hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig durch die Nase ein und aus. Er schien einzuschlafen, also sprach ich ihn nicht mehr an, sondern hing meinen eigenen Gedanken hinterher. Nach einer Weile schloss auch ich die Augen und begann langsam weg zu dämmern. Vor meinem geistigen Auge spielten sich Szenen aus der Vergangenheit ab. Damals als Raym den Jungs zum ersten Mal Menschenfleisch zum Essen gegeben hatte und sie sich fast davon übergeben hatten. Es war einfach eine herrliche Erinnerung, weil wir uns so über sie schlapp lachen mussten. Dann war da noch diese ulkige Szene, als Pira zum ersten Mal ein Mädchen verführen wollte und sich eine schallende Backpfeife eingefangen hatte. Sie hatten alle so viel gelernt… Ich war wirklich stolz auf sie, da sie sich nicht so blöd angestellt hatten und ziemlich schnell begriffen, was Sache war. Ich wollte noch mehr mit ihnen erleben und das würden wir auch, nachdem ich mit meiner leiblichen Familie abgeschlossen hatte. Ja, meine Familie: Diese Ansammlung von Verrückten und Soziopathen. Wahrscheinlich hatten sie schon Wind von Raym’s Tod bekommen und Ersatz besorgt. Für Vater war das ja kein großes Problem, hatte er doch so viele Kinder. Es gab immer nur zehn Kinder, die er anerkannte, aber auch nur wenn sie für ihn von Nutzen waren. Würde einer von uns Zehn sterben, dann konnte er einfach eines seiner anderen Kinder in unseren Stand erheben. So war es schon seit Jahren und ich war mir durchaus bewusst, dass ich nichts weiter als ein temporäres Objekt war, das seinem Vater Macht gab. Ja, Macht. Darum drehte sich alles in unserer Welt. Alle 100 Jahre mussten wir zehn ein Ritual abhalten und unserem Vater etwas von unserer Energie abgeben und dadurch wurde er immer stärker und stärker. Vater hatte aber auch schon bald sein Limit erreicht, wie mir bei meinen Überlegungen deutlich bewusst wurde. Auch wenn es nicht überall bekannt war, aber wir konnten durchaus an Altersschwäche sterben. Ein Dämon war in der Hinsicht nicht komplett unsterblich, da wir auch nur eine begrenzte Anzahl an Zeit hatten, genauso wie die Menschen. Während diese nur vielleicht 100 oder 120 Jahre alt werden konnten, lag unser Limit bei 4000 bis 5000 Jahren. Sobald man 4000 Jahre alt war sollte man sich einen Thronfolger suchen und das war das Problem bei uns. Wir waren definitiv zu viele! Unser Vater hatte die Aufgabe aus uns zehn einen würdigen Nachfolger auszuwählen, doch er tat sich anscheinend sichtlich schwer damit. Meiner Meinung nach sollte einfach der Älteste von uns diesen dummen Platz einnehmen, aber da hatte ich die Rechnung ohne meine Geschwister gemacht, denn sie waren alle auf den Platz geil. Bis vor ein paar Jahren hatte ich mich an diesem Wettkampf noch aktiv beteiligt und um die Gunst meines Vaters geworben, doch seit ich in der Menschenwelt gewesen war, hatte sich das verändert. Es gab so viel mehr zu erleben, als Tag ein, Tag aus hinter diesen riesigen Steinwänden zu verbringen und zu warten dass die Zeit verging.
 

Als sich die Tür mit einen Knarzen öffnete schreckte ich kaum merklich aus einem traumlosen Schlaf aus. Meine Augen zu Schlitzen verengt blickte ich in Richtung des Störenfrieds der mich aus meinem erholsamen Schlaf gerissen hatte. Durch den geöffneten Durchgang schlüpfte gerade ein kleiner Junge herein und stellte ein Tablett auf einer Art Servierwagen ab, dann blieb er stehen und blickte zu mir. „Was gibt’s da so blöd zu glotzen?“, grummelte ich den kleinen an, der erschrocken einen Satz auf die Seite machte. „I-Ihr seid wach, Majestät?“ Ich begann hörbar mit den Zähnen zu knirschen. „Sprich mich nicht mit diesem Titel an!“ „Lass den kleinen doch in Frieden, Rel“, murmelte Pey neben mir und zog sich seine Decke über den Kopf. Ich verdrehte nur die Augen und begann mich im Bett aufzusetzen. „Was hast du da und wer bist du überhaupt?“, wollte ich wissen und das Kind mit den graublonden Haaren wirkte etwas nervös. „Mein Name ist Kisin“, stellte er sich vor und nahm das Tablett wieder in die Hand, nur um sogleich auf mich zu zukommen und das Tablett zu überreichen. Darauf standen zwei Teller mit Fleisch drauf. Bei dem Anblick meldete sich auch sofort mein Magen, begriff ich erst jetzt wie lange ich schon nichts mehr gegessen haben musste. „Eine Kleinigkeit zu Essen vom Meister“, fügte der Junge in den zerrupften Klamotten hinzu. Er musterte mich einen Augenblick, verneigte sich dann jedoch und verschwand wieder aus dem Raum. „Komischer Kauz“, murmelte ich und machte mich dann gleich über das Essen her. Da es ja zwei Teller waren, musste der andere mit ziemlicher Sicherheit für Pey sein, doch dieser schien noch nicht einmal ansatzweise Anstalten zu machen, nach etwas zu Essen zu fragen. Er schlief einfach seelenruhig weiter.
 

Anna:

Kisin kam beinahe die Treppe herunter gestolpert, als zu laufen. Der Junge war vielleicht seit einer Stunde wieder hier aufgetaucht und half dem Arzt bei allen möglichen Sachen. Hatte er denn nichts anderes zu tun, als sich in der Gegend herumzutreiben oder beim Medicus zu helfen? Keine Schule oder dergleichen? Gab es sowas hier überhaupt? Seit der Kleine wieder hier war herrschte reges Treiben.
 

Nachdem wir alle wieder ins Wohnzimmer zurückgekehrt waren hatte es nicht lange gedauert und die ersten waren eingeschlafen. Es war nicht wirklich bequem gewesen, da wir ja nur die Sofas als Sitzmöglichkeit hatten, doch irgendwie hatte es geklappt. Pira, Piwi und ich hatten uns wieder auf unsere vorherigen Plätze gesetzt, Bana und Baka auf die Ihrigen. Piwi war der erste gewesen, der eingenickt war. Er war irgendwann auf der Schulter seines Bruders eingenickt und schlief einfach weiter. Bana und Baka waren irgendwann auch einfach eingeschlafen und Pira hatte seinen Kopf gegen den von Piwi gelehnt. Als ich das Bild so vor meinen Augen hatte, wie die Jungs alle mit entspannten und friedlichen Gesichtern vor sich hin dösten konnte ich nicht anders, als zufrieden zu Lächeln. Danach hatte es auch nicht lange gedauert, bis ich mich auf meinem Platz etwas eingerollt hatte und ebenfalls einschlief.
 

Wie lange wir so in unseren Positionen verharrt blieben wusste ich nicht ganz, doch als auf einmal die Tür aufgerissen wurde und der kleine Wirbelwind von Kisin hereingeweht kam, waren wir alle wieder hellwach. Ich hatte mich in einer sehr komischen Position befunden, hatte ich mich anscheinend irgendwie ausgestreckt und meine Beine auf den Schößen von meinen Sitznachbarn positioniert. Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen, der bis dato noch ganz schlaftrunken gewesen war, hatte von der ganzen Sache nichts mitbekommen, hatte ich meine Beine doch schnell wieder zu mir gezogen damit es aussah, als hätte ich die ganze Zeit so eingeknäult gelegen. Der Junge mit den graublonden Haar war komischerweise total gut gelaunt und begann von Anfang an uns von seinen Träumen zu erzählen, hatte er zu Hause ja nur geschlafen und war dann sofort wieder zu uns zurück gekommen. Dass es seinen Eltern anscheinend total egal war, wo sich ihr Sohn herumtrieb ließ mich schon ein wenig darüber grübeln. Wie konnte einem sein Kind so egal sein, dass es ein und aus gehen konnte wie es wollte?! War das Familienbewusstsein hier doch etwas ganz anderes, als ich es aus meiner Welt kannte?
 

Kisin, der nun endlich zu uns gestoßen war sah uns mit gemischten Gefühlen an. „Der Prinz ist wieder wach“, verkündete er und verschwand in der Küche, um Hiisi Bescheid zu geben. Ich lenkte meinen Blick möglichst unaufmerksam zu Pira, der eine ernste Miene aufgesetzt hatte. Heute Morgen war er noch so wütend und bissig gewesen und jetzt wirkte er eher nachdenklich. Hatte er sich seine Art und Weise wie er mit Rel gesprochen hatte nochmal durch den Kopf gehen lassen? Die Jungs um mich herum schienen etwas Ähnliches zu denken, denn Bana räusperte sich leicht, bevor er anfing zu sprechen. „Wollen wir hoch gehen?“, fragte er daher nach. „Wir warten noch ein bisschen“, antwortete Piwi’s Bruder schlicht. Der Rothaarige neben ihm fuhr sich mit seiner Hand durchs Gesicht. War er etwa noch immer müde? Hiisi, der schon seit einer Weile in der Küche geschuftet hatte kam nun wieder mit etwas zu Essen zurück. Ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, da wir uns ja regelrecht von vorne bis hinten von ihm bedienen ließen. Andererseits war mir auch sehr langweilig, da wir seit unserer Ankunft noch nicht wirklich was gemacht hatten. Wir waren einen Moment oben bei Rel und Pey gewesen und sonst saßen wir die komplette Zeit im Wohnzimmer und schlugen die Zeit tot. Okay, ein wenig hatten wir die Zeit auch überbrückt, weil wir mal ein wenig geschlafen hatten, aber das wars auch schon. Was konnte ich schon großartiges hier tun? Ich war doch bestimmt zu nichts Nützlich.
 

Die Jungs machten sich über das Essen her, als wäre es schon wieder Jahre her gewesen, dass sie das letzte Mahl zu sich genommen hatten und ich bekam wieder eine Schüssel Quark mit Müsli. Der kleine Junge kehrte nun auch zu uns zurück, ließ sich jedoch auf dem Boden nieder und starrte vor sich auf den Boden. „So still? Eben konntest du doch kaum Luft holen, weil du so viel quasseln musstest“, lachte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen auf. Kisin reagierte nicht wirklich auf die Stichelei, sondern fummelte an einem Loch seiner Hose herum. Er schien ganz in seiner eigenen Welt gefangen zu sein. „Was ist mit ihm los?“, fragte ich den Arzt, nachdem sich dieser wieder zu uns begeben hatte. Der Türkisäugige zuckte jedoch nur die Schultern, wusste er auch nicht was plötzlich los war. „In der Gegend laufen seit ein paar Stunden Wächter herum. Ich glaube, sie haben die Fährte des Prinzen aufgenommen und suchen ihn“, platze es plötzlich aus dem Jungen heraus. Unsere Augen weiteten sich ungläubig. Warum hatte er das nicht schon früher gesagt? „Kisin! Wieso sagst du das erst jetzt?“, wollte der Blauhaarige mit den türkisen Strähnen wissen, genauso wie wir anderen auch. „Weil… weil ich es vergessen hatte“, murmelte er entschuldigend. „Sowas vergisst man doch nicht?!“, fuhr der Arzt ihn an und eilte nach oben. Was wollte er denn dort?“
 

Rel:

Nachdem ich aufgegessen hatte blickte ich zu meinem Bettnachbarn hinüber, der noch immer zu schlummern schien. Ich musste wohl oder übel ein bisschen nachhelfen, er hatte bestimmt auch schon seit einer Weile nichts mehr gegessen. Hinter mir griff ich nach meinem Kopfkissen und warf es dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen ins Gesicht. Er grummelte nur, machte daraufhin jedoch die Augen auf. „Was?“, murrte er und blickte mich verständnislos an. „Essen!“, befahl ich ihm und hielt mit einer Hand das Tablett zu ihm. Mir schien es wirklich wieder besser zu gehen und das stimmte mich wirklich fröhlich. Die letzten Tage, wahrscheinlich war schon über eine Woche vergangen, ging es mir so beschissen, also war es ja auch verständlich, wenn ich mich über meine Genesung freute. Diese freute währte jedoch nicht lange, denn erneut wurde die Tür aufgemacht und jemand kam herein. Aufgerissen traf es wohl eher und die Person stürmte auch eher zu uns herein, was mich ein wenig verunsicherte. Was war denn passiert? „Eure Majestät, die Krähen sind in der Gegend und suchen nach Ihnen. Sie müssen ihre Energie unterdrücken, sonst stehen sie gleich vor der Tür.“ Meine Augen weiteten sich ein Stück. Ich hatte gar nicht bedacht, dass mich die Wächter suchen würden, sollten sie mich in dieser Welt wieder lokalisiert haben. Klar war ja, dass meine Kraft auf ein Minimum gesenkt war, als wir hier ankamen und je besser es mir ging, desto stärker wurde sie wieder. Sofort konzentrierte ich mich und versuchte nur noch einen Teil meiner dämonischen Energie flackern zu lassen. Andererseits dachte ich mir auch, dass es gar nicht so schlecht war, dass sie nach mir suchten. Ich war fit genug um mich bei meiner Familie blicken zu lassen und mich meinem Vater gegenüber zu stellen. Sollten sie mich doch finden! „Hast du eigentlich etwas zum Anziehen hier?“, wollte ich so leicht nebenbei wissen. Der Mann vor mir schien jedoch etwas verwirrt, hatte er eher damit gerechnet, dass ich wie aus dem Häuschen war oder ähnliches. „Ich könnte Euch etwas von meinen Sachen geben“, meinte er noch immer verwirrt und kratzte sich nun nachdenklich am Kopf. Dankend nickte ich ihm zu. „Das wäre sehr zuvorkommend.“
 

„Willst du dich nicht noch etwas ausruhen?“, wollte Pey wissen, nachdem der Arzt den Raum verließ, hatte er mein Vorhaben anscheinend durchschaut. „Mir geht’s bestens. Wenn ich es jetzt mache, dann können wir schneller wieder nach Hause zurückkehren.“ Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen neben mir lachte leicht verbittert. „Was für ein zu Hause? Wir können uns doch gerade wieder eins suchen“, meinte er und mir viel auf einen Schlag wieder alles ein. Pey hatte Recht, unser zu Hause hatten wir verloren, mal wieder. „Und was war mit der Erklärung den anderen gegenüber, die du ihnen noch schuldest?“ Ich zuckte die Schultern, schlug die Decke bei Seite und schwang meine Beine auf den Boden. Ich trug lediglich meine Jeans, wie mir soeben bewusst wurde. Die Decke hatte so schön warm gehalten und jetzt traf mich die Kälte wie ein Blitz. Mit den Augen auf den Boden gerichtet stemmte ich mich von der Matratze empor und schwankte leicht hin und her. Wann hatte ich denn das letzte Mal aufrecht gestanden?! „Sachte! Übertreib’s nicht gleich, Mann!“, fuhr mich mein Bettnachbar sofort an, welcher sich erschrocken aufgerichtet hatte, bereit mich aufzufangen, sollte ich hinfallen, doch soweit ließ ich es nicht kommen. Einen Moment später hatte die Welt aufgehört sich vor meinem inneren Auge zu drehen und ich stand schon viel sicherer. Hiisi, welcher einen Stapel Klamotten in der Hand hielt, schnappte erschrocken nach Luft, als er sah dass ich mich bereits wieder bewegen konnte. „Majestät! Schonen Sie sich!“ Ich tat seine Bedenken mit einer Handbewegung ab. „Mir geht’s super. Ich brauche nur ein paar frische Klamotten und eine Dusche“, teilte ich ihm mit und trat auf ihn zu. „Bei allem Respekt, aber Sie sollten sich noch mindestens zwei Tage im Bett auskurieren! Das was ihrem Körper angetan wurde, benötigt seine Zeit um zu verheilen. Es ist noch viel zu früh um herumzulaufen. Was habt Ihr überhaupt vor?“ „Ich muss meinem Vater und meinen Geschwistern einen kurzen Besuch abstatten“, erklärte ich und durchwühlte den Stapel Klamotten in seinen Händen. Hauptsächlich waren diese Schwarz oder in dunklen Tönen. Die Leinenhosen hingegen waren alle sehr hell, doch so richtig entsprach keine meinem Geschmack. Hatte er nichts Moderneres? „Etwas schlichtes ist immer gut“, warf Pey ein und setzte sich nun etwas bequemer im Bett hin. „Wo ist eigentlich mein Rucksack?“, wollte ich sofort wissen. „Ich werde ihn holen“, stellte sich der Blauhaarige mit den türkisen Strähnen zur Verfügung, um als Diener zu agieren. Ich setzte mich indes wieder auf das Bett und stützte meinen Kopf mit meinen Händen. „Willst du dich dann wirklich einfach auf den Weg machen?“ „Ich werde sie zu mir locken und dann bringen sie mich in den Palast. Wenn ich da fertig bin, dann komme ich wieder und wir können zurück und noch ein letztes Mal von vorne anfangen“, meinte ich sehr zuversichtlich. Der Junge neben mir schüttelte nur mit einem betrübten Lächeln den Kopf. „Denkst du wirklich, dass das alles so leichtfertig ablaufen wird? Denkst du nicht eher, dass sich Komplikationen ergeben werden? Ich will mitkommen!“, forderte er. „Spinnst du jetzt total? Sieh dich doch mal an! Du bist ein Wrack und solltest dich besser ausruhen. Bis ich wieder da bin, solltest du auch fit sein und dann können wir direkt wieder weg.“
 

Hiisi kam wieder in den Raum getreten und hielt mir den Rucksack entgegen. „Majestät, ich-“ „Hör endlich mit dem Majestätsgelaber auf, bitte!“, fuhr ich ihn an, versuchte mich jedoch unter Kontrolle zu halten. „Mein Name ist Rel. R-E-L!“ „Na schön. Rel, ich halte es noch immer für eine gedankenlose, nein eher für eine BESCHEUERTE Idee, dass du jetzt einfach in den Palast zurückspazieren willst!“, entgegnete der Türkisäugige etwas angesäuert, da ich mich als sein Patient weiterhin der Bettruhe wiedersetzten wollte. „Wo ist das Bad?“, überging ich jedoch einfach seine Aussage und schulterte den Rucksack und griff mir ein schwarzes Hemd und eine helle Leinenhose aus dem Stapel. „Gleich nebenan“, murrte er, hatte er endlich eingesehen, dass Diskussionen mit mir keinen Sinn hatten. Ich machte mich auch sogleich auf den Weg und verschwand unter der Dusche. Diese würde bestimmt Wunder wirken und ich würde mich wie Neugeborgen fühlen. So eine herrliche, warme Dusche war einfach das Beste nach einer Krankheitsphase. Man wusch sich einfach den Dreck ab und danach ging es einem besser.
 

Pey:

Nachdem der Blondhaarige uns einfach so stehen, beziehungsweise sitzen, gelassen hatte senkte der Medicus betrübt den Kopf. Er hatte sich einfach nicht durchsetzten können. „Machen Sie sich keinen Kopf. Wenn Rel sich was in den Kopf gesetzt hat, dann kann man ihn nicht mehr davon abhalten“, versuchte ich ihn etwas zu beschwichtigen, doch dieser schüttelte einfach nur den Kopf. „Es ist doch wahrlich bekloppt, dass er sich in dem Zustand vor seinem Vater präsentieren will. Wenn er das wirklich durchzieht, dann seht ihr ihn heute zum letzten Mal“, verkündete er und verließ den Raum. Seine Worte ließen mich nachdenklich werden. Rel durfte nicht alleine gehen, aber wen sollte er mitnehmen? Er hatte Recht mit dem, was er gesagt hatte: Ich war ein Wrack! Mir wurde schon schummrig nur weil ich hier aufrecht saß. Auf Pira’s Hilfe konnte ich wahrscheinlich auch nicht bauen, da dieser momentan nicht so gut auf den Blondhaarigen zu sprechen war. Piwi würde ebenfalls nicht mitgehen, war er der Jüngste und vielleicht auch der Ängstlichste von uns. Bana war nicht dumm, man konnte sich auf ihn verlassen aber er und Baka waren ein Zweiergespann und zu dritt würden sie zu viel Aufmerksamkeit erwecken. Außerdem konnte ich mir nicht ausmalen, was bei Rel abging, da war es dann kontraproduktiv wenn es sich als Gefahr für alle drei entpuppte und der Blondhaarige die beiden beschützen wollte. War er alleine vielleicht doch besser dran, weil er dann nur auf sich achten musste? Aber dann konnte ihm doch auch keiner helfen, sollte es brenzlig werden.
 

Das ganze Hin und Her bereitete mir allmählich Kopfschmerzen und ich wusste einfach nicht, was wir machen sollten. Was ich machen sollte… So würde er mich ja nicht mitnehmen. Gab es hier sowas wie ein Handynetzt? Dann hätten wir auch so in Verbindung bleiben können. Eine Methode die mich etwas beruhigen würde… Nun war ich alleine und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich war satt und müde war ich auch nicht mehr, aber ich konnte ja schlecht zu den anderen runter gehen. Meine Beine würden mich vielleicht einen Meter weit tragen aber weiter auch nicht. Ich hielt mich an Hiisi’s Bettruhe, war es einfach sinnvoll sich erst auszuruhen nachdem man so etwas hinter sich hatte. Langsam wurde mir langweilig, da mir beim besten Willen einfach nichts einfallen wollte, wie wir Rel unterstützen konnten. Auch wenn ich ihn angebettelt hätte, nicht zu gehen, würde es nichts bringen. Rel war ein Sturkopf, durch und durch!
 

Mit den Händen trommelte ich leicht auf meinem leeren Teller, welche in meinem Schoß ruhte, herum und ich blies frustriert die Luft aus. Ich wollte mit, aber ich konnte einfach nicht. Zaghaft wurde die Tür geöffnet und Anna spähte vorsichtig herein. „Anna“, hauchte ich beinahe, doch ein breites Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Es war ja beinahe so, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Hey“, hauchte sie mit einem Lächeln zurück und betrat den Raum. Verwirrt darüber, dass das Bett neben mir frei war, blicke sie einen Moment darauf. „Wo ist Rel?“, fragte sie dann, als sie endlich an meinem Bett ankam und sich zu mir setzte. „Duschen“, antwortete ich lediglich und blickte wieder auf den Teller vor mir. Wie sollte ich das Gespräch anfangen, wollte ich doch wissen was sie zu meinem Geständnis in dem Spiegelraum zu sagen hatte. „Wie ähm… geht’s dir?“, wollte sie wissen und begann damit unser Gespräch. „Gut, schätze ich“, entgegnete ich mit einem knappen Lächeln. „Ich-ich weiß nicht ob das alles passiert ist… Aber habe ich ähm… nun ja… komisches Zeug von mir gegeben auf dem Weg hier her?“, begann ich das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken. „Wie meinst du das?“, fragte sie verwirrt, wusste anscheinend nicht, was ich von ihr wollte. „Ich kann mich noch an so nen komischen Raum erinnern… aber ich bin mir nicht sicher ob ich das alles nur geträumt hatte…“, fuhr ich fort. Ihre Miene, in der zuvor noch ein warmes Lächeln geruht hatte, wich nun ein etwas erschrockener und dann peinlich berührter Gesichtsausdruck. „Meinst du etwa den Spiegelraum?“ Ich nickte daraufhin nur. „An was… kannst du dich denn erinnern?“, wollte sie wissen. Um ihre Nasenspitze schlich sich ein verdächtig, roter Schimmer. Also hatte ich es doch gesagt! „Ich bin so ziemlich ausgerastet, weil der komische Kautz die angefasst hat“, erzählte ich, „und dass ich ähm… dass ich… Haha, man ist das schwer. Ich hatte bisher noch nie Probleme sowas auszusprechen.“ Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Verdammt nochmal! Ich war ein 21-jähriger Kerl und schaffte es nicht einem Mädchen zu sagen was ich für sie empfand?! Wie erbärmlich war das denn?!! „Wenn du meinst… dass du kurz bevor du umgekippt bist gesagt hast… dass du mich liebst dann ja, das hast du.“ Ich blickte sie erstaunt an. Was war denn mit ihr passiert, dass so direkt geworden war? Noch vor gut zwei Wochen oder so, als ich sie kennengelernt hatte, war sie noch ein verdammt schüchternes Mädchen gewesen. Okay, dass wir in dem Club so offenherzig miteinander geflirtet hatten und dass wir schon gleich beim ersten Aufeinandertreffen im Bett gelandet waren schob ich auf den Alkohol. Außerdem hatte ich an dem Abend nur das Essen im Kopf gehabt, da war mir ihre eigentliche Art gar nicht aufgefallen, doch am nächsten Tag, da hatte ich es bemerkt. Wir hatten ihr so grausame Dinge angetan und jetzt? Ich hatte mich in sie verliebt, aber wie war das Möglich gewesen? Sie war bis zu dem Zeitpunkt an dem ich Rel’s Befehl verweigert hatte mein oder eher unser Opfergewesen und jetzt zählte sie beinahe schon zu einem festen Bestandteil unserer Gruppe? Schon komisch, was die Zeit mit sich brachte.
 

Anna hatte ihren Blick auf den Teller auf meinem Schoß gesenkt, hatte ich ja so lange Geschwiegen. „Und… was hältst du davon?“, wollte ich dann plötzlich von ihr wissen. Das war ja auch eigentlich der Grund gewesen, warum ich das Gespräch in diese Richtung gelenkt hatte. Sie sah zu mir auf und blickte mir mit ihren wunderschönen, grünen Augen in die Meinigen. „Ich denke, das sollte auf der Hand liegen“, meinte sie mit einem knappen Lächeln und blickte schüchtern zur Seite. In meinem Kopf ratterte es einen Moment, bis ich verstand. Fast automatisch fuhr meine Hand zu ihrer Wange und drehte ihr Gesicht zu meinem. Mit einer leichten Geste zog ich sie zu mir heran, beugte mich ihr aber auch ein Stück entgegen. Ihre rechte Hand erhob sich und legte sich an meine Wange, mit der anderen stützte sie sich seitlich von mir ab. Als sich unsere Lippen trafen war es so, als hätten wir uns vor Jahren das letzte Mal geküsst. Ihre waren so weich und sanft und ich genoss es richtig diese zu liebkosen. Mit der Zunge fuhr ich sacht über ihre Unterlippe und entlockte ihr einen kleines, wohliges Aufseufzen. Doch bevor wir unser Tun weiter vertiefen konnten hörten wir ein Räuspern aus Richtung Tür. „Ich will euch ja ungern stören, aber könnt ihr das auf später verlegen?“, fragte Rel in seiner gewohnten Tonlage und kam herein. Um seine Schultern trug er ein Handtuch, welches die Tropfen seiner nassen Haare auffing. Er selbst trug sonst nur die Hose, welche Hiisi ihm gegeben hatte, welche er mit seinem Gürtel festgeschnallt hatte. Er tapste barfuß zu dem Bett, auf welches er sich niederließ und seine Haare abtrocknete. „Wenigstens so lange, bis ich weg bin“, fügte er noch hinten dran und ließ sich nicht in seinem Tun beirren. „Du willst wirklich gehen?“, fragte ich, hatte ich gehofft er würde seine Meinung nochmals ändern. Von seitens des Blondhaarigen erntete ich jedoch nur ein knappes Nicken und er zog sich ein Paar Socken an, welches er ebenfalls von dem Arzt erhalten hatte. „Solltest du dich nicht ausruhen?“, fragte Anna nun wieder mit zaghafter Stimme. Rel gegenüber hatte sie wohl doch wieder etwas Angst bekommen, da er sie im Wahn ja mehr als einmal angegriffen hatte. Er sah sie mit einem emotionslosen Blick an, aus dem man einfach nicht schließen konnte, was er gerade dachte. „Sei einfach leise“, fuhr er sie an und strubbelte erneut durch seine Haare. Danach zog er sich das Hemd an und knöpfte es schnell zu. „Rel, jetzt warte doch. Hiisi meinte eben, wenn du jetzt gehst, wird es das letzte Mal sein, dass wir dich sehen. Was lässt dich so zuversichtlich sein, unbeschadet von dort wieder zurück zu kommen?“ Anna, welche ja zwischen uns saß verstand nicht so Recht, was los war und wo der adlige Dämon hin wollte. „Meine Fresse, lasst mich doch einfach machen. Ich werde unbeschadet wieder kommen, verlass dich drauf. Ich geb dir mein Ehrenwort!“ Er blickte mir ernst entgegen und ich konnte nicht anders, als ihm zu glauben. Nachdem er fertig mit zuknöpfen war zog er seine Schuhe an, welche vor dem Bett gestanden hatten und schulterte seinen Rucksack, welcher neben der Tür stand. „Aber-“, begann ich und er drehte sich zu mir um. „Genießt doch einfach die Zeit in der ich weg bin, okay? Anna kann dir bestimmt dabei helfen, deine Langeweile zu vertreiben“, zwinkerte er uns zu und ließ und verdattert an Ort und Stelle sitzen.
 

Rel:

Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte atmete ich einmal tief durch, schloss die Augen und ließ meiner Energie wieder freien Lauf. Als ich die Treppe herunter spaziert kam, standen die Jungs sofort erschrocken auf, hatten sie wahrscheinlich eher mit Anna als mit mir gerechnet. „Wo willst du hin?“, fragte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen sofort. Ich konnte die Feindseligkeit, welche in seiner Stimme mitschwang deutlich heraushören. „Ich werde meinem Vater einen Besuch abstatten und dann wieder kommen.“ „Ja klar! Du verpisst dich doch jetzt einfach und wir werden nie wieder was von dir sehen, geschweige denn hören!“, meinte er wütend und ballte die Fäuste. „Jetzt halt mal den Ball flach! Ich werde wiederkommen und alles erklären, aber zuerst muss ich das hier wieder an seinen rechtmäßigen Ort bringen!“ Dabei hob ich das schwarze Buch in die Höhe. Die Blicke der Jungs versteinerten sich augenblicklich. „Bis später“, verabschiedete ich mich und spazierte zur Tür hinaus.
 

Draußen wehte ein milder Wind und ich blickte in den Himmel empor. Der silberne Mond war aufgegangen, was mir signalisierte, dass es Nacht war. Schnell entfernte ich mich von dem Gebäude, in dem ich ein paar Tage gehaust hatte und machte mich in Richtung Dorfausgang. Die Krähen würden mich schon schnell genug finden, also musste ich nicht so weit gehen. Ich wollte sie möglichst weit von dem Haus weglocken, sollten sie ja nicht gleich wissen, wo sich meine Freunde befanden. Sicherlich hatten sie sich gewundert, wie diese Ruinen bewohnbar sein konnten. Was die Jungs und Anna nicht wissen konnten war, dass alle Häuser mit einer Art zauber bedeckt waren, sollte es wirklich mal passieren, dass ungebetene Gäste durch ein Portal spazierten. Dass so ein ungebetener Gast es jedoch tatsächlich hierher geschafft und keine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, zeigte doch sehr gut, wie sicher es hier war. Die Krähen hatten meine Freunde nicht entdeckt, daher mussten sie sie nicht als Gefahr oder dergleichen eingestuft haben.
 

Kurz vor dem Dorfschild hörte ich ein flattern hinter mir. Sie waren da und sie hatten mich entdeckt. „Majestät“, ertönt die Stimme eines Wächters und ich drehte mich schelmisch Grinsend um. „Ja?“, fragte ich sorglos und blickte ich entgegen. „Wir haben gar nicht mitbekommen, dass Sie zurückgekehrt sind. Wie kann das sein?“, fragte ein anderer. „Tzja, ihr müsst ja nicht alles wissen. Bringt mich zurück zum Palast“, befahl ich und sie verneigten sich vor mir. Kurz darauf öffnete eine der Krähen ein Portal, durch welches wir hindurch gehen konnten. Das war wirklich der kürzeste Weg von allen gewesen. Wir kamen direkt in der Vorhalle vom Thronsaal heraus und ich ging festen Schrittes auf die große Flügeltür zu. Vor ihr standen neue Wächter, welche mir sofort die Tür öffneten, als ich in ihr Blickfeld trat. Mit einem leisen Knarzen schwangen die steinernen Tore auf und gaben mit den Blick auf den riesigen Saal frei. In weiter Ferne stand der riesige Thron, auf welchem mein Vater bereits saß. An seinen Seiten reihten sich unsere Stühle, fünf auf jeder Seite. Auch diese waren schon reichlich besetzt, wenn auch vereinzelt ein Platz fehlte. Hinter den Stühlen standen weitere Krähen, welche jedoch nicht als Wächter agierten, sondern eher als persönliche Diener. Mit großen Schritten näherte ich mich den Anwesenden, bis ich vor meinem Vater stand. Er sah mich stumm an und ich kniete vor ihm nieder. „Na wenn das mal nicht das schwarze Schaf ist“, witzelte einer meiner Brüder neben meinem Vater. Jaromier… dieser Bastard!



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