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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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Wenn es zu spät ist

Tancrèd

Zu sehen wie Kieran fast zusammenbrach, konnte nicht verschleiern, wie sehr ihn das unverhoffte Zusammentreffen mit John traf. John den Tancred so schrecklich vermisst hatte, auch wenn er sich den Gedanken daran verboten hatte. Wieso nur hatte er heiraten müssen, wieso? Alles in ihm schrie danach sich mit dem Arzt auseinander zu setzen, mit John zu reden bevor all das hier den Bach hinunterging, was vorher so gut angefangen hatte. Doch er brachte es nicht über sich, wenn er an die junge Frau dachte, die so glücklich mit John getanzt hatte und die in diesem Traum aus weißer Seide so bezaubernd ausgesehen hatte. Obwohl sich alles in ihm weigerte die beiden Männer jetzt allein zu lassen, wandte er sich ab und ging hinaus. Die Luft in London war kühl geworden und Tancred zog den Hut tiefer ins Gesicht, so dass man nicht sah, wie sehr Johns hoffnungsvoller und Kierans verzweifelter Blick an ihm gezehrt hatten. Wie sollte er das drei Wochen überstehen?

Was würde überhaupt passieren, wenn John wirklich auf dieses Schiff kam? Nico und Alessandro hatten ihn dafür bezahlt, jeden den Kieran mitzunehmen gedachte, tatsächlich auf das Schiff zu lassen. Was wenn Kieran John mitbrachte? Was, wenn sogar seine Frau mit an Bord ging? Tancred wurde schlecht bei dem Gedanken und er verfluchte sich selbst dafür, überhaupt den Versuch gewagt zu haben, John für sich zu gewinnen. Es war zum Scheitern verurteilt gewesen und jetzt hatte er nichts mehr. Er hatte den Hafen verloren, den er sich selbst ausgesucht hatte, er hatte Kieran das Herz gebrochen und er hatte die Liebe verloren, die er seit Maria das erste Mal wieder gespürt hatte. Aus all diesen Gründen ging Tancred an den einzigen Ort, an dem er seit Jahren nicht mehr gewesen war: In die Kirche.

Jetzt wo es nichts mehr gab, das er tun konnte, außer Kieran heil zu Dominico zu bringen, betete er für Gottes Hilfe. Die Reise über den Atlantik zu dieser Jahreszeit würde beschwerlich werden und auch wenn Giannutri weit im Süden lag, würde es dort nicht mehr so heiß sein wie zu dem Zeitpunkt an dem er Alessandro dorthin gebracht hatte. Und dann... dann war er erneut allein und auf sich gestellt. Er würde sich etwas einfallen lassen müssen, dann irgendwann. Wenn er überwunden hatte, das John verloren war, das Kieran verloren war - und das London verloren war.
 

Kadmin traf ihn am Abend im Gasthaus. Er wirkte erschöpft und hatte dunkle Ringe unter den ohnehin schon so dunklen Augen. "Die Männer werden kaum Platz zum Schlafen haben bei all dem Kram, den sie uns gebracht haben. Und so viel Essen! Das wird nur schlecht.." Tancred zuckte mit den Schultern. "Der abgehangene Schinken den die Italiener so gern essen, der wird lange halten und wir haben ja niemanden sonst an Bord, die Leute reisen doch alle über Land mit Amadeo, nicht wahr?" Kadmin nickte und ließ sich auf das Bett fallen. "Wie hat er es aufgenommen?"

Tancred sah wieder auf das Feuer im Kamin und zog an der Zigarre die er sich angesteckt hatte. "Ich glaube, wenn er gekonnt hätte, dann hätte er mich im ersten Anlauf umgebracht. Danach war er erstaunlich gefasst und sagte, dass er morgen abfahrbereit sein würde. Wir holen ihn ab wenn wir zum Hafen hinunter reiten." "Auch John?" Kadmins Frage brachte dem Araber einen scharfen Seitenblick ein. "Wen auch immer er mitnehmen will. Ich habe darauf keinen Einfluss."

"Hast du mit ihm gesprochen?" Tancred nahm die Zigarre aus dem Mundwinkel. "Was geht dich das eigentlich an Kadmin? Seit wann mischst du dich ein? Ich dachte wir hätten darüber gesprochen." Tancred, der eigentlich wütend klingen wollte, klang einfach nur abgekämpft. "Weil ich glaube, dass er gut für dich war. Er war gut für dich, er war gut für uns. Du hattest etwas, an das du geglaubt hast, mehr noch als an unser siegreiches Schiff. Du hast an ihn geglaubt und an euch. Er ist kein schlechter Mensch, auch wenn ich auf seine Anwesenheit gut verzichten kann. Kam dir nie der Gedanke, dass diese Hochzeit zu eurem Schutz gedient hat? Ist es so abwegig zu glauben, dass er diese Frau geheiratet hat um dich zu schützen und dass sie vielleicht weiß wie es um ihn bestellt ist?" Tancreds Blick hatte sich wieder verschlossen und lag auf dem Kamin. "Selbst wenn. Er hat ihr vor Gott seine Treue geschworen und er hat es mir nicht einmal gesagt. Er hätte jemanden an den Hafen schicken können aber so... so platze ich auf seine Hochzeit." Der Franzose fuhr sich durchs Gesicht, doch Kadmin ließ nicht locker. "Du solltest mit ihm reden. Du machst einen Fehler wenn du einfach so gehst."

Tancreds Blick verriet nicht, was er von dieser Sache hielt. Er starrte nur auf die tanzenden Flammen und sagte nichts mehr und Kadmin, der sich inzwischen ausgestreckt hatte, schlief einfach ein.
 

Patricia
 

Seit sie am Hafen gewesen war und von dem ersten großen Schiff nur zwei Männer herunter gekommen waren, von dem keiner Dominico war, war Patricia nervös gewesen. Als sie tatsächlich hörte, dass Nico nicht etwa verletzt an Bord lag, sondern wirklich in der Schlacht gefallen war, war ihr einfach nur übel. Die beiden Männer hatten sie vorgeschickt, so dass sie die Neuigkeiten einholen konnte und jetzt war sie es, die in der Apotheke warten musste um Kieran die schreckliche Neuigkeit zu unterbreiten, die er beinahe herbeigeahnt hatte.

Für John sah das anders aus. Tancred war wohlbehalten wieder angekommen und würde sicher zum Anwesen reiten um den Angestellten und Amadeo von dem Verlust zu berichten. Sie selbst konnte es immer noch nicht fassen. Der Mann, der ihr ihre Traumhochzeit spendiert hatte, der immer so freundlich und zuvorkommend gewesen war und dessen Haus sie einmal erben würde als Johns Frau – er war einfach nicht mehr da. Sie konnte es nicht begreifen, auch wenn sie selbst schon früh Menschen, die ihr nahe gestanden hatten, verloren hatte. Es war schrecklich, es war unfair. Als Kieran und John hereinkamen, ihre Diplome in der Hand und Kieran bei ihrem Anblick bereits ahnte was geschehen war, da konnte sie die eigenen Tränen auch nicht mehr zurückhalten. Sie weinte mit Kieran, um den Verlust eines so unglaublich großzügigen, mutigen Mannes.

Als John Kieran schließlich überredete zum Anwesen zu reiten, versprach Patricia die Apotheke zu hüten und schaffte es auch ohne Probleme die Abwesenheit der beiden vor Johns Vater mit Feierlichkeiten an der Universität zu erklären.

Sie stand mit dem alten Forbes gerade in der Apotheke als Amadeo hereinkam. Sie hatte den Mann auf ihrer Hochzeit kennengelernt und mochte ihn. Er war klug und charmant, sehr loyal und packte mit an. Als er jetzt hereinkam, in Schwarz und mit einer Miene die verriet, dass auch ihn der Tod seines Freundes traf, schluckte sie. Was wollte er hier?

Kurze Zeit später war klar: Amadeo war hier um das Testament zu eröffnen. Er zog eine versiegelte Kopie des Testamentes hervor und überreichte es Mr. Forbes, während Patricia angespannt daneben stand. Der alte Mann brauchte erst einmal seine Augengläser, ehe er schließlich anfing zu lesen, während seine Miene immer selbstgefälliger wurde. Patricia ekelte sich beinahe davor, doch sie sagte nichts. In Forbes Seniors Blick zeigte sich vor allem eines: Zufriedenheit. Er war zufrieden, dass sich John auszahlte. Das sich dessen Arbeit auszahlte und er wirkte beinahe so, als habe er dieses Privileg verdient in diesem Haus zu wohnen und dort seinen Lebensabend zu verbringen. Beinahe wünschte sich Patricia, Amadeo würde ihn einfach abstechen, doch den Gefallen tat er ihr nicht. Mr. Forbes Senior reichte ihr das Testament weiter und sie las es aufmerksam, stieß auf einige interessante Passagen. So wurde das Anwesen nicht Mr. Forbes Senior, sondern der Apotheke und ganz gezielt Mr. John Forbes und seiner Familie überschrieben - also ihr. Irgendwann würde der alte Mann schon abtreten. Sie zumindest würde ihn keine Befehlsgewalt über das Anwesen haben lassen.

Neben dem Labor und dem Kräutergarten, hatte Dominico Geld hinterlegt das reichen würde das Haus zu erhalten, auszubauen und ebenso weitere Angestellte einzustellen. Nicos Plan sah vor, in den weiten Flügeln eine Art Krankenhaus zu errichten, das sich um die Leute kümmerte, die sich normale Versorgung nicht leisten konnten - und damit genau den Kern dessen traf, was sich Patricia wünschte. Sie wollte Menschen helfen und sie würde es tun können, mit diesem Testament.

Als John am Abend wieder kam, war sie eigentlich ziemlich glücklich und konnte sich dafür selbst nicht leiden. Eigentlich sollte sie sich über den Tod nicht freuen, doch er brachte ihr das Leben, das sie sich immer gewünscht hatte. Forbes Senior war bereits im Bett und Kieran schlief - Patricia hatte John fest umarmt und war dann ebenfalls zu Bett gegangen. Morgen - ja morgen würde sie das Sahnehäubchen auf Johns Plan sein.
 

Tancrèd
 

Der nächste Morgen kam unbequem und kalt. Es regnete nicht, doch die Luft war feucht und der Wind pfiff schneidend frisch durch die Gassen. Tancred war früh aufgestanden, er hatte die Nacht ohnehin nicht wirklich gut schlafen können. Kadmins Worte hatten in seinen Gedanken nachgehallt und er hatte versucht etwas Wahres darin zu finden. Vielleicht hatte der Araber recht. Vielleicht sollte er doch ein letztes Mal mit John reden. Nur um zu hören, dass John lieber die Sicherheit gewählt hatte, die sein Vater ihm "gab" und die diese Ehe ihm gab. Er hatte gehört, dass Sodomie immer härter bestraft worden war und er konnte sich denken, dass es übel zuging mit Leuten, gegen die der Verdacht erhoben wurde. Aber reichte das aus?

Er hatte sich solche Mühe gegeben, so lange an ihm gehangen und doch… und doch…

Kadmin führte zwei Pferde am Zügel herbei, während Tancred noch immer wartend vor dem Gasthaus gestanden und Löcher in die Luft gestarrt hatte. Sie saßen beide auf und Tancred griff die Zügel fester. "Auf zur Apotheke", erklärte er leise, "und dann nichts wie weg."

Der Weg war nicht sehr weit, aber weit genug, um zumindest ein weiteres Stadtviertel durchqueren zu müssen. Als sie die Gegend der Apotheke erreichten, war der dichter Rauch zu sehen und die Gasse wurde enger, weil Menschen eine Eimerkette gebildet hatten, um ein offenbar brennendes Gebäude zu löschen. Tancred in seinem Tran dachte nicht wirklich daran, dass dieses brennende Gebäude etwas mit der Apotheke zu tun haben könnte und bog einfach in die Straße ein, durchbrach die Eimerkette und ritt dann über das Kopfsteinpflaster. Der Qualm stieg hoch über die Häuserdächer und Tancred rümpfte etwas die Nase, ehe Schreie seine halbherzige Aufmerksamkeit auf sich zogen - und dann war er auf einen Schlag hellwach.

Dort stand, keine 100m von ihm entfernt, Mr. Forbes Senior am Straßenrand. Vor ihm auf der dreckigen, nassen Straße hockte eine Frau, gebeugt über eine beinahe bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche. Es roch nach verbranntem Fleisch, je näher Tancred zu dieser Szene getragen wurde und die Schreie kamen von eben dieser Frau. Sie weinte, sie flehte und klammerte sich an den verbrannten Körper, während Forbes Senior versuchte sie davon weg zu ziehen. "JOHN! NEIN JOHN! GOTT DU DARFST IHN MIR NICHT WEGNEHMEN!!", jammerte sie aus Leibeskräften, ihre Stimme überschlug sich. Rauchschwaden zogen aus dem offenen Hoftor neben ihr und nahmen Tancred kurzzeitig den direkten Blick auf die Szene. Ihm wurde schlecht. In seinen Ohren dröhnte es, sein Blut rauschte laut durch seine Adern.

Er sah sie vor sich. Hoch aufgerichtet, die Hände an dem Pfahl festgebunden an dem sie Stand. Sie war nur in ein weißes langes einfaches Hemd gehüllt, das sich über ihre Brüste und über ihre schönen Hüften legte. Ihr Haar hatte sie selbst abgeschnitten, doch man hatte sie trotzdem erkannt. Ihr Gesicht war blass gewesen, so dass man die Spuren von Schlägen deutlich auf ihrer hellen Haut hatte sehen können. Dann hatte dieser Spanier die Fackel an den Scheiterhaufen gehalten. Tancred war sich sicher, dass es nur der Qualm gewesen war, der ihr Tränen in die Augen getrieben hatte. Maria hätte niemals von sich aus geweint. Und sie hatte erst angefangen zu schreien, als die Flammen bereits weit über ihre Beine züngelten. Er hatte sich abwenden wollen, doch man hatte ihn nicht gelassen. Er hatte seine Augen nicht schließen können und vor seinem inneren Auge wand sie sich in den Fesseln in den Flammen bis sie zusammensackte.

Und er sah John der sich wand, der fliehen wollte und nicht konnte und den er nicht hatte retten können. Johns Gesicht verschmolz mit Marias und beides verschwand in lodernden Flammen.

Tancred riss das Pferd herum. Sein Blick zeigte eine Mischung aus blankem Hass, Wut und einem Schmerz, der so tief ging, dass er das Gefühl hatte, nicht mehr Atmen zu können. "Apportez-les au port", hatte er zu Kadmin gesagt, und dem Pferd die Sporen gegeben. Erneut pflügte er durch die Eimerreihe, Wasser ergoss sich auf das Kopfsteinpflaster.

So schnell es die Stadt erlaubte ritt er zum Hafen, hinüber zum Schiff und drückte das Pferd einem Lakaien in die Hand, rauschte über die Gangway und stürmte in seine Kabine. Die Tür schlug so laut hinter ihm zu, dass es über den Fluss hinweg hallte und drinnen, den Kopf in ein Kissen gepresst, schrie er Wut und Schmerz gleichermaßen hinaus. Keiner seiner Männer, die das Schiff zum Auslaufen vorbereitet hatten, wagten es, an seiner Tür zu klopfen.

Verdammter verdammter Idiot der du bist! Wieso hast du nicht mit ihm gesprochen? WIESO?

Denn ihm war klar, dass John dieses Schicksal vielleicht sogar selbst gewählt hatte, jetzt wo Kieran ging und er ging. Auf seinem Nachttisch lag ein Brief, der Brief. Tancred hatte ihn dort hingelegt und doch nie gelesen.

Obwohl er wusste, dass er es bereuen würde, öffnete er den Umschlag und entfaltete das Pergament.

Ein Zeichen hatte John von ihm gewollt, nur ein kleines Zeichen.

Tancred war aufgestanden und im Zimmer auf und ab gegangen. Ein verdammtes Zeichen hatte er gewollt und Tancred hatte ihm keines gegeben. Stattdessen hatte er heute ein Zeichen bekommen. Eines, das deutlicher nicht hatte sein können, eines, das für ihn bestimmt gewesen war. Wütend schlug er gegen den massiven Schreibtisch, gegen die Wand. Er fegte die Karten vom Tisch, trat seine Stiefel über den Boden und warf das Backgammonspiel durch den Raum, das John ihm geschenkt hatte. Er hatte ihn verloren und er wütete, so lange bis ihm die Kraft ausging und er verzweifelt auf dem Bett zusammensank.
 

Jetzt war er es, der nur noch funktionierte. Kadmin kam offenbar zwei Stunden später mit Kieran und dessen Begleitung im Schlepptau auf das Schiff. Miguel, einer seiner Decksmänner, war vorgeschickt worden und klopfte sachte an die Tür, um dem Kapitän mitzuteilen, dass sie bereit waren, auszulaufen. Tancred richtete sich auf, hinterließ das Chaos in seiner Kajüte wie es war und stand auf. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass er schrecklich aussah, doch das war jetzt wohl kaum von Belang. Er wusch sich das Gesicht mit Wasser, rückte die Augenklappe zurecht, setzte seinen Hut auf und trat schließlich mit eingefrorener Miene an Deck, mit der er versuchte zu verschleiern wie es wirklich in ihm aussah.



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