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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London - Weichenstellung

Dominico

Das Gefühl leerer Arme verfolgte ihn auch in den Nächten darauf. Nachdem er sich damals von Rod getrennt hatte, war das Gefühl ebenfalls da gewesen, doch Rod war nicht einfach in die Unerreichbarkeit verschwunden. Wenn die Sehnsucht nacheinander groß geworden war, hatten sie beide diese Lücke einfach füllen können. Sie waren einfach wieder ein wenig mehr aufeinander zu gegangen und irgendwann war das Gefühl der Sehnsucht verschwunden, weil es sie einfach nicht gab. Kieran war jedoch nicht mehr da und Nico hatte ihn zu nah an sich herangelassen. Er litt nicht bewusst, sondern viel mehr unbewusst, wenn er nachts alleine war - und so vermied er genau das und tat damit Henry noch einen Gefallen. Dessen ausschweifende Feiern in London, die Bankette und die Bälle, die er für Anne ausrichtete, waren Feiern, auf denen auch Nico reichlich Zerstreuung in fremden Betten fand. Henry sah es ihm nach, im Grunde war es dem König gleich - er war ja auch nicht besser.

So zog sich die Zeit dahin, der Mai kam und die Tage wurden länger und wärmer. Gemeinsam mit Henry ritt Nico immer öfter zur Jagd, auch mit den anderen Herren des Stabes, den Henry um sich gescharrt hatte, denn es wurde langsam Zeit, auf die Bedrohung aus Schottland zu reagieren. Die willkommene Abwechslung für Nico kam in Form einer Reise in das schottische Hochland, zu einigen Familien - seine Aufwartung machen und für den König werben stand auf dem Programm. Henry wollte sich Schottlands Treue sichern und da es sich nicht ziemte, dass der König selbst reiste, war es Nicos Aufgabe geworden. Begleitet wurde er vom Duke of Suffolk, Charles Brandon. Die beiden Männer verstanden sich gut und Henrys Wohl stand ihnen beiden an erster Stelle, so dass sie nach wochenlanger Reise mit recht guten Nachrichten zu Henry zurückkehren konnten, der weiterhin kaum etwas anderes als die Scheidung von Katharina im Kopf hatte.

Als Nico am Tag ihrer Rückkehr durch die Stadttore ritt, dachte er das erste Mal seit sie aufgebrochen waren wieder bewusst an Kieran. Auch wenn er beinahe immer in seinem Kopf war, so war es der Moment, in dem er Schausteller auf dem Markt sah, der ihn an den jungen Akrobaten erinnerte. Es war schon eine Ewigkeit her - über ein Jahr- , dass sie Cambridge verlassen hatten, und er hatte Amadeo noch nicht nach Tottenham geschickt. Er wusste nicht einmal, ob er ihn schicken sollte. Wenn Amadeo dort zu einem Zeitpunkt auftauchte, zu dem Kieran auch zugegen war, was dann? Gut, es war im Zweifel nicht Nico selbst, aber es erschien ihm beinahe aufdringlich. Und wenn Kieran nicht dort war und man ihm keine Nachricht hinterlassen hatte? Dann würde er dastehen wie ein Idiot und das wollte Nico am allerwenigsten. Er rang mit sich und die Zeit verstrich.
 

Cecile hatte inzwischen seinen Cousin geheiratet und sie sendete ihre besten Wünsche nach England, mit dem Versprechen, niemals zurückzukehren, weil die Sonne und das Leben in Italien einfach viel schöner waren. Ja.. es war schöner. Es war unkomplizierter. Nico wollte sich an manchen Tagen selbst dafür schlagen, nicht einfach zurückkehren zu können, doch er gehörte an die Seite des Königs und da hatte er zu bleiben bis der ihn wieder aus dieser Pflicht entließ. So wie Henry sich gebährdete, konnte das noch eine ganze Weile dauern.
 

Es war Ende Juli und In ihrem Garten standen die Blumen in voller Blüte, als Nico wohl das Schicksal zur Hilfe kam.

Die Erinnerung an Kieran war in den Hintergrund gerückt und er hatte auch Amadeo nicht geschickt, doch am frühen Morgen stand ein Bote auf seiner Schwelle, der eine Nachricht von Familie Carney brachte - oder viel mehr von der Stadtwache.

Nico hatte schon mitbekommen, dass der alte Hauptmann der Wache Briefe für Katharina und einige spanische Rebellen in die Stadt geschleust hatte. Henry hatte das herausgefunden und den Mann prompt Köpfen lassen. Der neu ernannte Hauptmann war indess übervorsichtig geworden und ließ jetzt anscheinend die Familie Carney nicht mehr hinein, da er dem inzwischen abgewetzten und von Nico unterzeichneten Freischein keinen Glauben schenkte. Also waren sie wirklich hier in London. Nico nagte an seiner Unterlippe, während er einen neuen Erlass aufsetzte und mit seinem Siegel für richtig bescheinigte. Der Bote verneigte sich und ging. Kurz darauf verließ auch Amadeo das Anwesen in Richtung Tottenham. Nico war drauf und dran gewesen, selbst zu gehen, doch der kindische Unterton dieser Aktion wurde ihm nur all zu schnell bewusst. Er hatte einfach zu wenig zu tun und machte sich zu viele Gedanken. Was tat er schon den lieben langen Tag? Ja, er ritt mit Henry zur Jagd und ja, er machte sich Gedanken über die politische Situation, doch sein Leben war einfach so bequem und so unbedeutend, zumindest kam es ihm so vor. Unterbrochen wurde diese Eintönigkeit nur von den kirchlichen Intrigen seines Bruders und aller anderer Dinge, die sie beide taten, ohne dass Henry davon wissen durfte. Der Tanz auf diesem schmalen Grat zwischen Hochverrat und Loyalität war es, der Nico wirklich am Leben und bei Laune hielt.

Er war es auch, der Nico warten und Ruhe bewahren ließ, bis Amadeo wirklich mit einem Brief zu ihm zurückkehrte.

Als Nico ihn öffnete, rutschte die getrocknete Arnikablühte heraus und Nico musste unwillkürlich lachen. Auf dem schmalen streifen Pergament stand nur eine Adresse in Kierans fein säuberlicher Handschrift. Dort war er also zu finden. In Nico machte sich tiefe Ruhe breit, während seine Gedanken schon rasten. Einfach zu ihm gehen oder Amadeo schicken? Nein, zu einfach, zu platt. Nicht das, was er wollte. Er wollte ihm wieder nah sein, doch wie hätte es wohl ausgesehen, wenn er einfach wieder zu ihm gegangen wäre, um ihn in sein Bett zu holen? Nein. Jetzt war Nicos Fingerspitzengefühl gefragt.
 

Einige Tage darauf heftete sich ein rothaariger Bengel an Kierans Füße. Der Junge war noch keine 12, ein Straßenkind ganz offensichtlich. Es gab Hunderte von ihnen in der Stadt, die des Nachts in den Weisenhäusern ihr Dasein fristeten. Amadeo hatte ihn ausgewählt, weil es ein gescheites Kerlchen war und weil er verstanden hatte, was er für die versprochenen Münzen tun sollte.

Zunächst flossen die Informationen sehr spärlich, denn ihr kleiner Informant war sich noch nicht wirklich sicher, ob er auch die Entlohnung bekam, die man ihm versprochen hatte. Kaum hatten die ersten Münzen den Besitzer gewechselt, sprudelten die Informationen zusehends aus ihm heraus. Naja, wer beachtete auch schon Kinder all zu sehr? Sie waren und bettelten überall und so erfuhren Amadeo und bald darauf auch Nico davon, wo Kieran wohnte und was er tagsüber tat. Auch, dass er am Hofe ab und an tätig war und wo er sich am Abend herumtrieb. Sie erfuhren auch vom Sohn von Mr. Forbes, mit dem sich Kieran offenbar sehr gut verstand. Von den nächtlichen Streifzügen durch London, von Kierans sehr frühem nach Hause kommen aus anderen Häusern. Nein, das gefiel Nico ganz und gar nicht. Allerdings konnte er Kieran kaum einen einzigen Vorwurf machen, wenn er sich am Morgen aus dem Bett der Hofdamen schälte. Einsam zu bleiben schien für keinen von ihnen eine Option zu sein. Mit jedem Tag, an dem er mehr Informationen über Kieran sammelte, wurde es für Nico schwerer, die Füße still zu halten. Trotzdem blieb ihm nichts anderes übrig, bis er etwas fand, an dem er einhaken konnte.
 

Es dauerte noch eine weitere Woche bis das endlich passierte. Allerdings nicht, weil Nicos Informant ihm Neuigkeiten brachte, sondern weil im Audienzsaal einer der Hofärzte Mr. Forbes nach Kieran fragte. Kieran war nicht dabei, daher war die Chance für Nico erkannt zu werden nicht vorhanden und so lauschte er ungeniert, wie einer von Henrys Hofärzten, John Chambers, nach einer Rezeptur fragte, die Kieran wohl benutzt hatte. Das Talent des jungen Akrobaten fiel also bereits auf. Das war genau das, was Nico brauchte.
 

Zwei Tage später kam Mr. Chambers in die Drogerie von Mr. Forbes. Es war ein regnerischer Tag in London und vom wollenen Mantel des Arztes perlte das Wasser auf die Straße hinunter. Er war ein Mann mittleren Alters mit langer Hakennase, seine Augen jedoch sprühten noch vor jugendlicher Neugier. Er hatte in Spanien und im Kaiserreich studiert, war auch ein ums andere Mal nach Italien gereist. Er war ein kluger Mann, der vor Naturmedizin nicht zurückschreckte und sich damit beim König gegenüber all den anderen Medizinern einen Vorteil verschafft hatte. Gerade deswegen passte Kieran so hervorragend in das Bild. John Chambers wurde bei Mr. Forbes vorstellig und brachte ihm sein Anliegen vor: Er wollte Kieran, wenn es denn dessen Wunsch war, zum Arzt ausbilden. Da er selbst studierter Mediziner war, stand es in seinen Möglichkeiten, einen Assistenten zu benennen und Kieran in einem Studium der Medizin zu fördern, wenn Kieran das denn wollte. Eigentlich schlug niemand so ein Angebot aus und so wartete John Chambers während Mr. Forbes nach Kieran rief, der sich wohl im Haus aufhielt.
 

Kieran

Kieran war etwas verwirrt, als ein Bote zu ihnen in den Laden kam und ihm einen Brief seiner Eltern überreichte. Einen Moment hatte er Angst, etwas Schlimmes könnte passiert sein und so riss er hastig die Nachricht auf. Was er nun zu lesen bekam war ohne jeden Zweifel nervig. Er bat Mr. Forbes, ihn für diesen Nachmittag zu entschuldigen, und ritt sogleich zu seinen Eltern, die er noch auf dem Weg zurück nach Tottenham, einholte. Kieran wusste, dass die Stadtwache den Hauptmann gewechselt hatte, er hatte die Enthauptung mitbekommen, aber er hätte nicht gedacht, dass das irgendwie sie betreffen könnte. Unterwegs beratschlagten sie bereits, was zu tun war. „Lass dich doch nochmal durchvögeln, Kieran“, kam der Kommentar von Gregor. „Der Typ steht doch auf dich. Am besten reitest du gleich los.“ Das dreckige Lachen das folgte, ließ Kieran innerlich kochen. Aber er blieb ruhig. Seine Mutter legte ihm die Hand auf den Arm. „Hör nicht auf ihn“, sagte sie leise zu ihm und fuhr lauter fort. „Er ist ein gefühlloser Mistkerl, der kein bisschen Anstand besitzt. Er ist es nicht wert, sich zu prügeln, auch wenn er es verdient hätte, noch einmal mit einem blauen Auge herumzulaufen.“ Kieran war ihr dankbar für ihre Worte, aber es war eigentlich gar nicht so sehr Gregor, der ihn aufregte. Es waren vielmehr die Erinnerungen, die durch die Worte des anderen mit einem Mal so heftig hochkamen und so verdammt schmerzten. Noch hatte niemand den Brief abgeholt, den er geschrieben hatte. Und das hieß doch nichts anderes, als dass Dominico ihn vergessen hatte, er ihm vollkommen egal war, oder? Einen Moment kam ihm sogar der Gedanke, dass dieser sein Angebot vielleicht wirklich zurückgenommen hatte. Aber das konnte er kaum glauben. Das wollte er nicht glauben. Denn wenn dem so war, dann hatte er sich bei einem Jahr wirklich wie eine Hure verkauft gehabt.

Sie einigten sich schließlich, dass seine Familie sich wirklich direkt an Dominico wenden sollte, er würde sich da aber raushalten.

Und so schrieben sie einen Brief an eben diesen, den sie mit einem Boten an das Anwesen schickten, von dem Kieran ja immerhin wusste. Dann verließ er sie wieder. Er konnte Gregors Visage nicht weiter ertragen und außerdem ging es ihm einfach nicht gut. Und so bekam er erst ein paar Tage später mit, dass der Brief nun doch abgeholt worden war.

Kieran wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Hieß das nun, dass Dominico sich jetzt erst an ihn erinnert hatte? Und jetzt hatte er sich überlegt: Man, den könnte ich doch mal wieder flachlegen…

Er war ungerecht, das wusste er. Aber irgendwie wurde er mit der Situation nicht fertig. Vielleicht sollte er doch auf Johns verhaltene Zuneigung eingehen. Einmal wieder aufwachen in den Armen eines anderen, der ihn warm umschloss und aus dessen Bett man nicht gleich fliehen wollte… Aber nein, das war nicht fair. Dafür mochte er John viel zu gerne. Außerdem würde der ihn durchschauen. John las ihn wie kaum ein anderer...
 

Dass der rothaarige Straßenjunge sich an seine Versen heftete, merkte Kieran erst nicht, irgendwann schon. Es wunderte ihn erst, aber als er den Jungen darauf ansprach. Aber der meinte nur, er sei daran interessiert, etwas über seinen Beruf zu lernen. Und so ließ er ihn hin und wieder ihm helfen oder er begleitete ihn. Der Junge, der Mat hieß, sagte ihm, dass er in der Nähe wohne und da seine Eltern viel arbeiteten, sei ihm langweilig. Schule könnten sich seine Eltern nicht leisten. Kieran mochte den Kleinen vorwitzigen und durchaus klugen Jungen und dachte sich, dass er ihn lieber begleiten solle, als dass dieser irgendwelche krummen Dinger auf der Straße drehte. Man rutschte in London schnell in die Kriminalität ab. Kinder als Taschendiebe, die eigentlich noch einfach nur spielen sollten, waren überall zu sehen.

Als ihm Mr. Forbes mitteilte, dass ein junger Arzt sich nach seinem Elixier gegen Gicht erkundigt hatte, machte das Kieran irgendwie stolz. Vielleicht würde sich da ja mehr daraus ergeben. Und so bat er Mr. Forbes dem Arzt die Zusammenstellung des Elixiers zu geben, sobald jener die Gelegenheit dazu haben würde. Kieran hatte sich mittlerweile am Hof ganz gut eingelebt und ging Mr. Forbes dort zur Hand.

Dominico hatte er bei seinen Besuchen am Hof nie gesehen und irgendwie war er auch ganz froh drum. Was sollte er ihm sagen? Wie sollte er sich verhalten? Der andere würde ihm wohl eh keine Beachtung schenken und da war es ihm lieber, ihn gar nicht erst sehen zu müssen. Und so war er gerade dabei, eben jene Rezeptur aufzuschreiben, als er die Stimme seines Chefs und Vermieters zu sich hinauf hörte.

„Kieran, du hast Besuch, beeil dich, damit der Herr nicht warten muss.“ Kieran war erstaunt. Besuch? Speziell für ihn? Normalerweise forderten manche Kunden ihn zwar, aber da Mr. Forbes keinen Namen genannt hatte, war ihm klar, dass es sich nicht um einen Kunden handelte. Ob es vielleicht doch endlich Dominico war? Aber nach fast einem halben Jahr? Sein Herz schlug hart gegen die Brust und er war mit einem Mal verdammt nervös, während er die Treppe vorsichtig hinunterstieg. Dabei schalt er sich selbst einen Idioten. Mit feuchten Händen öffnete er die Tür zum Laden, als er einen Mann mittleren Alters sah, dessen Augen ihn freundlich anblitzten. Irritiert und fast schon ein wenig enttäuscht, blickte er kurz zu Mr. Forbes. „Das ist Mr. Chambers. Er hat nach deiner Rezeptur gefragt“, erklärte Mr. Forbes und stellte ihm so den anderen vor. Kieran lächelte unwillkürlich und trat auf den anderen zu, um ihm die Hand zu geben. „Es freut mich, Sir, dass Euch das Elixier interessiert. Ich habe die Rezeptur soeben abgeschrieben, um sie Euch zukommen zu lassen. Wenn Ihr wollt, dann hole ich sie…“ Doch Mr. Forbes fiel ihm ins Wort. „Moment, Kieran, nicht so hastig“, sagte er und Kieran blickte zu seinem Chef. „Mr. Chambers ist hier, um dich etwas ganz anderes zu fragen.“ Kieran sah den ihm fremden Mann wieder an und als er hörte, was dieser zu sagen hatte, wurde sein Blick ungläubig. Seine Gedanken überschlugen sich und jegliche Etikette war zu viel. Allerdings könnte er sich noch davon abhalten, dem so sympathischen Mann um den Hals zu fallen... „Ihr wollt mir die Chance geben, als Euer Assistent Medizin zu studieren? Verstehe ich das richtig?“ Er war vollkommen überrumpelt und hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. „Ich… natürlich würde ich das gerne“, plapperte er zusammenhanglos los. „Davon träume ich schon lange.“ Er war noch immer verwundert und erst langsam sickerte durch, welch große Chance sich ihm gerade auftat - und welche Folgen es haben würde. Aber: er hatte es geschafft!

Er blickte zu Mr. Forbes, dessen gütiges Lächeln auch ein wenig ein trauriges Lächeln war. Dann spürte er dessen Hand auf seiner Schulter. „Das ist großartig“, sagte dieser. „Da trifft es den Richtigen.“

„Sagen Sie mir bitte, wie das gehen wird“, wendete sich nun Kieran wieder an Mr. Forbes. „Also wie wird das Studium und meine Assistenz aussehen?“ Er war noch immer verwirrt, aber deswegen vergaß er nicht seine Verpflichtungen, die er hatte. „Ich habe Verpflichtungen, meiner Familie gegenüber und auch Mr. Forbes, den ich nicht im Stich lassen kann und will“, fuhr er fort. „Versteht mich nicht falsch, ich möchte über alles in der Welt ein Arzt werden, aber …“ Er stockte. „Was verlangt Ihr von mir? Und wieviel würde es mich kosten? Muss ich hier ausziehen? Entschuldigt, ich bin etwas verwirrt. Das kam jetzt etwas plötzlich.“ Er lächelte den anderen Mann entschuldigend an.
 

Dominico

Mr. Chambers hatte sich durchaus erst misstrauisch gezeigt. Natürlich war Nico ein guter Freund des Königs und auch ein guter Freund von John Chambers, doch einfach so einen wildfremden jungen Mann unter seine Fittiche zu nehmen, war nicht das, was er sich für seine Karriere vorgestellt hatte. Nicht dass es ihm sehr darum gegangen wäre - er war nicht der Mann, der nur an die Karriere dachte - , doch man nahm in der Regel nur Sprösslinge reicher Familien auf, die das Studium finanzieren konnten. Und John hatte keine unbegründeten Ängste, denn wenn es Nico morgen einfiel, dass er Kieran doch nicht mehr fördern wollte, musste man vielleicht einen vielversprechenden Studenten aufgeben, weil er das Studium allein nicht finanzieren konnte und auch John nicht das nötige Geld für zwei Ärzte aufbringen konnte. Er durfte seinen Nachwuchs nicht selbst fördern, es musste also einen Sponsoren geben. Nico jedoch hatte ihm versichert, dass er von diesem Vorhaben nicht abspringen würde, und hatte deswegen einen Fond eingerichtet, der es John erlaubte, Kieran tatsächlich als seinen Schüler aufzunehmen. Als er dann noch erfuhr, was Kieran sonst noch leistete, schwand sein Misstrauen beinahe von einer Sekunde zur nächsten und er konnte allein anhand des Gichtmittels schon erkennen, dass der junge Mann bereits einiges an Vorarbeit geleistet hatte, welche ihm das Studium wesentlich erleichtern würde. So war er gespannt auf wen er treffen würde, wenn "Kieran" eintrat und er wurde angenehm überrascht. Während die Drogerie zwar sauber aber mit allerlei Krimskrams vollgestopft war, so war Kieran eine angenehme Erscheinung. Er hatte bemerkenswert wache Augen, dunkles volles Haar und einen Körperbau, der Kraft aber auch das nötige Fingerspitzengefühl erwarten ließ. Und doch war da auch Lebenserfahrung im Blick seines Gegenübers und... Enttäuschung? Hatte Kieran hier jemand anderen erwartet?

John Chambers war niemand, der sich in die Angelegenheiten am Hofe einmischte, aber es hatte immer einen gewissen Grund, wenn man hier und da um einen Gefallen gebeten wurde. In welcher Beziehung Dominico Sforza und dieser Mann vor ihm auch immer zueinander standen, es war mehr als der bloße Wunsch, den Traum eines Mannes zu erfüllen, den man vielleicht ein-, zweimal getroffen hatte. Doch all das ging ihn nichts an und solange die Bezahlung stimmte - und das tat sie - und so lange der Wille vorhanden war - und so wie Kieran reagierte, war er vorhanden - war alles andere uninteressant. Er schmunzelte als Kieran so überschwänglich direkt tausende Fragen stellte, an die John selbst noch nicht einmal gedacht hatte. Abwehrend hob er die Hände, um den Redefluss zu stoppen, musste sogar lachen bei diesem ganzen Übereifer. "Wenn Ihr denn wirklich Interesse habt, und ich glaube, dass ihr das schon habt, dann werden wir all die Einzelheiten gern bei einem Abendessen besprechen können. Ganz grob umrissen wird es so aussehen, dass Ihr hier wohnen bleiben könnt, wenn ihr das möchtet. Ich selbst lebe im Palast und habe kein eigenes Haus. Ich habe meine Gemächer und mein Labor dort. Auch der Kräutergarten des Palastes steht unter meiner Aufsicht, es ist also nicht nötig, ein eigenes Anwesen zu haben, und da ich nicht verheiratet bin-" er winkte ab. "Also Ihr könnt hier bleiben. Ihr werdet die Vorlesungen an der Universität besuchen, sie sind in der Regel am frühen Morgen. Danach begleitet Ihr euren Mentor bei seiner Tätigkeit und geht ihm zur Hand wenn er Eure Hilfe benötigt. Dabei setzt Ihr Euer Studium fort. Da es in meinem Fall nicht all zu viel zu tun gibt, da ich zum einen vor allem dem König und seinen Gefolgsleuten und seiner Familie verpflichtet bin, und mich zum anderen der Forschung verschrieben habe ,denke ich, es wird sich einrichten lassen, dass Ihr auch weiterhin einige Zeit des Tages oder einige Tage hier verbringt und Mr. Forbes zur Hand geht, dessen ausgezeichnete Arbeit wir am Hofe sehr zu schätzen wissen. Und was es Euch kostet - nun, ich bin sicher Ihr wisst, dass Mr. Forbes nicht in der Lage ist, euch das Studium zu finanzieren, da er bereits das Studium seines Sohnes finanzieren muss, und Ihr wisst sicher auch, dass der Mentor seinen eigenen Schüler ebenfalls nicht unterstützen darf. Doch am Hofe haben einige der von euch behandelten Patienten sehr gut von euch gesprochen. Gute Ärzte werden am Hofe immer sehr geschätzt und es hat nicht lange gedauert, bis sich ein Sponsor für Euch fand. Euer Rezept gegen die Gicht ist wirklich großartig und sehr durchdacht, das allein wird diese Investition sicher lohnen." Er lächelte, während Kieran noch gar nicht so recht zu wissen schien, was er davon halten sollte.

"Ich bin sicher, Ihr habt sehr viele Fragen, doch ich kann sie Euch nicht alle hier beantworten. Das ist nicht der Ort für solche Gespräche; also.. würde ich sagen, wir bereden all die Dinge, die Ihr noch erfahren müsst, bei einem Abendessen in meinen Gemächern im Palast. Eure Geldgeber werden ebenfalls anwesend sein, so dass Ihr euch gebührend bedanken könnt für diese Chance. Wie wäre es gleich morgen abend?"
 

Kieran

Ein Abendessen, bei dem sie alles besprechen wird. Irgendwie hatte er gerade ein Déjà-vu. Das letzte Mal, als er das gehört hatte, hatte er aus Misstrauen und Überforderung abgelehnt. Diesmal reagierte er anders, erwachsener. "Sehr gern, Mr. Chambers", sagte er und verneige sich leicht aus Höflichkeit. Dann lauschte er den Ausführungen des anderen und nickte. Was der andere sagte, klang gut. Er würde hier wohnen und Mr. Forbes weiter helfen. Und er würde wirklich zu den Vorlesungen können? Und er hätte jemanden, dem er bei der Arbeit direkt am Hofe unter die Arme greifen konnte? Und er würde wirklich zum Arzt ausgebildet? Er konnte seine Emotionen ohnehin nicht verbergen. Und jetzt sah man ihm nur zu deutlich an, dass er sich aus tiefstem Herzen freute.

Als es um das Finanzielle ging, horchte er jedoch auf. Dass Mr. Forbes ihn unterstütze, käme ihm ohnehin nie in den Sinn. Dass der Mentor es nicht tragen dürfte, davon hatte er keine Ahnung. Er hatte sich damit nur bedingt befasst, wenn John ihm erzählte, wie teuer ein Studium war. Aber welche Regeln etc. es da gab, davon wusste er nichts. Einen Moment runzelte er die Stirn. Er hatte Sponsoren? Dr. Chambers hatte im Plural gesprochen... Er hatte wirklich mit allem gerechnet, nur damit nicht... Personen, die von seinem Gichtmittel angetan gewesen waren? Und generell von seiner Arbeit? Kieran hatte keine Ahnung, wer einem wildfremden Menschen das möglich machte. Er wurde ein wenig misstrauisch. Nun, es gab bei Hofe sicher einige, die so ein Studium ohne überlegen zu müssen, finanzieren konnten, aber Leute dieses Standes verschwendeten ihr Geld doch nicht an jemanden wie ihn! Aber er wollte sich nicht undankbar zeigen. Am morgigen Abend würde er diese Sponsoren sehen? Nun, dann würde sich die Frage klären, wer das sein könnte.

"Das Mittel ist eigentlich nichts Besonderes", musste er dann aber einwenden. "Gicht heilt man meiner Meinung nach noch immer am besten, mit vielfältiger Ernährung, aber das ist ein anderes Thema." Er zögerte einen Moment. "Morgen Abend ist völlig in Ordnung, sagt mir nur, wie ich zu Euch kommen kann."

Dr. Chambers teilte ihm mit, dass er einfach hereindurfte, wenn er nur seinen Namen sagte. Er werde ja erwartet. Dann verabschiedete er sich noch. Kieran bedankte sich immer wieder und geleitete den Mann, der ihm eine so große Chance ermöglichte, noch zu dessen Kutsche. Wieder im Inneren des Ladens konnte er nicht an sich halten und umarmte Mr. Forbes herzlich, der ihm väterlich auf den Rücken klopfte.



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