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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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Ostern in Cambridge - Erwachen

Kieran

Vermutlich wäre Kieran viel früher aufgewacht, wären nicht die Vorhänge geschlossen gewesen, so dass es recht dunkel im Raum war, und wären die Decken, die Jonathan über ihm ausgebreitet hatte, nicht so warm gewesen, und wäre dieser elendige Divan nicht so verdammt gemütlich gewesen. Und doch sorgte eine Tatsache dafür, dass er zumindest nicht heillos verschlief – es war ein fremdes Bett, ein fremdes Zimmer, eine fremde Wohnung.

Und so wachte er auf, als das Treiben am Marktplatz wieder in Gang kam und die Kirchenglocken die zehnte Stunde des Tages einläutete. Kieran blinzelte, brauchte ein wenig, um zu realisieren, wo er war, dann richtete er sich erschrocken auf „Scheiße…“, entwich ihm sein erster Gedanke und er strich sich mit beiden Händen übers Gesicht, die Haare aus eben diesem und ließ seine Hände einen Moment auf seinem Kopf ruhen. „Scheiße, Scheiße, Scheiße…“ Wie hatte er hier nur einschlafen können! Eilig schlug er die Decken zurück, stand auf und ging zum Fenster, um nach unten zu blicken, wo Niamh dösend stand und in ihrem sanftmütigen Vertrauen auf ihn wartete. Offenbar hatte noch niemand das fremde Pferd bemerkt und das war sein Glück, denn sonst wäre er sicher schon nicht mehr hier, sondern im Arrest, wo entschieden werden würde, was mit ihm geschehen wird. Es war für seinesgleichen verboten, sich nach der Sperrstunde noch innerhalb der Stadtmauern aufzuhalten. Und wer würde ihm seine Geschichte glauben? Zumal sich Kieran nicht wirklich sicher war, ob das, was er hier gestern getan hatte, wirklich so legal war. Würde Jonathan nicht auch Probleme bekommen, wenn man sah, dass er nackte Männer zeichnete? Wahrscheinlich… Also würde er eine andere Ausrede finden müssen, die so glaubhaft war, dass man ihn nicht beschuldigen würde, dass er hier gewesen war, um zu stehlen oder sich zu prostituieren oder was diesen Idioten noch so alles einfallen mochte.

Und da war Kieran auch schon bei dem nächsten Punkt, der ihn belastete. Er hatte sich doch glatt ausgezogen… So im Nachhinein betrachtet kam es ihm wieder unglaubwürdig vor, auch wenn es gestern Abend in Ordnung war, die ganze Aktion in keinster Weise unangenehm gewesen ist. Die Scham und die Scheu, die er anfänglich gehabt hatte, war schnell vergessen und während sie gemeinsam arbeiteten nicht mehr präsent gewesen. Jonathan war ein Profi und auch er hatte versucht, sich professionell zu verhalten.

Kieran wandte sich vom Fenster ab und schlich zurück zum Paravent. Dort lag nicht zu übersehen eine Rolle Papier. Kieran nahm sie in die Hand und löste das Bändel, um sich die Bilder anzusehen. Jonathan hatte ihm tatsächlich das Bild, das ihm so gefallen hatte, gegeben. Und darüber hinaus auch noch eine Skizze von ihm. Kieran betrachtete sie, fand es seltsam, sich so zu sehen. Ja, das war er, natürlich! Und doch kam es ihm irgendwie fremd vor. Er sah irgendwie… gut aus, wenn er das mal so denken durfte… Kieran rollte die Papiere wieder zusammen, steckte sie in seine Umhängetasche und zog sich zügig an. Irgendwie kam er sich gerade wie eine billige Hure vor, die morgens das Lager ihres letzten Kunden verließ, um sich auf den Heimweg zu machen. Kieran wusste schon jetzt, dass Timothy toben würde, dass seine Dada ihn keines Blickes würdigen wird. Er hatte nicht nur dafür gesorgt, dass sie Ärger mit der Stadtwache bekamen, er hatte sich auch die gesamte lange Nacht nicht blicken lassen…

Kurz sah er sich noch einmal um, ob er alles hatte, dann trat er durch den Raum. Am Zeichentisch des anderen blieb er noch einmal stehen, um auch die anderen Bilder zu betrachten. Sie waren wirklich gut, verdammt gut. Es war so anders, als die Bilder, die man sonst so zu sehen bekam und meistens keines rechten Blickes würdigte, weil sie ohnehin nur biblische Motive enthielten, oder den hässlichen Kopf irgendeines Idioten. So zu zeichnen, solche Motive zu zeichnen, wie es Jonathan tat, das war in Kierans Augen wahre Kunst – ein Abbild der Realität schaffen, keine Moralpredigt dahinter, keine Angstmacherei wie auf Kirchenbildern, keine Beschönigung oder Lobhudelei, einfach nur die Realität. Kieran fiel es schwer, die Bilder nicht weiter zu betrachten, aber eigentlich musste er los, auch wenn er keine rechte Lust hatte. Dennoch wendete er sich ab und betrat die Küche. Er bemühte sich leise zu sein, als er sie durchschritt, um die Wohnung zu verlassen und nach Hause zu reiten.
 

Jonathan

Jonathan hatte schon immer einen leichten Schlaf gehabt und auch heute war es nicht anders. Besonders, weil er es nicht gewohnt war, Gäste über Nacht zu haben. Schon das erste leise Geraschel ließ ihn aus seinem Schlaf erwachen und er blickte in die schummrige Dunkelheit. Ohne sich zu regen, lauschte Kieran den Geräuschen, bevor er sich nach einer Weile langsam erhob und den Kamin erneut entzündete. Rotes Licht ließ die rußigen Bilder an den schmutzigen Wänden tanzen und einen Augenblick später trat Kieran auch schon herein. "Guten Morgen, Feuertänzer. Kann ich dir was zu Essen anbieten? Oder etwas zu trinken?" fragte er mit vom Schlaf noch etwas heiserer Stimme. Leise räusperte er sich, bevor er ins Atelier trat und die Vorhänge zurück zog. Licht flutete die beiden Räume und mit einem sanften Ausdruck auf den Augen, wandte sich Jonathan wieder zu Kieran um. Er trug nichts als einen einfachen Lendenschurz aus Leinen und diesen hatte er nur hin und wieder zum Schlafen an. Da Kieran offenbar solche Probleme mit Nacktheit hatte, hatte er für diesen eine Ausnahme gemacht.

Mit geübten Bewegungen stellte der Künstler einen Krug Wasser auf den Tisch und zog aus einem Leinensack ein Stück Brot. "Ich hab auch Käse, etwas Met und einen Eimer mit Äpfeln, falls du welche magst", bot er an und steckte sich ein Stück Apfel in den Mund, bevor er sich in einen Tonbecher etwas Met aus einem weiteren Krug einschenkte. Jonathan war kein Säufer oder dergleichen... Er begann den Tag nur gerne mit etwas Wärme im Bauch und einem süßen Geschmack auf den Lippen.
 

Dominico und Alessandro Sforza

Es war noch nicht wirklich hell als Rod sich neben ihm bewegte. Er erwachte wegen der Glocken, die zu dieser frühen Stunde bereits den Tag begrüßten, und er war schnell damit, sich aus dem Bett zu schälen. Nico war langsamer, genoss die Wärme noch ein wenig, ehe auch er sich ankleidete. Er wollte Rodrego nicht direkt in die Stadt begleiten, doch auch er hatte Pläne und er würde bald darauf aufbrechen. Henry erwartete ihn bei seiner morgendlichen Besprechung und Nico hatte nicht vor, den König warten zu lassen.

Als Rod das Anwesen schon verlassen hatte ging Nico gerade den Korridor zu Alessios Gemächern hinauf. Er wusste selbst nicht genau warum, es war eigentlich ziemlich sinnlos hier entlang zu gehen, um schließlich im Salon ein Essen einzunehmen, doch er tat es. Vielleicht wirklich aus Neugierde, er wollte hineinsehen, ob der junge Mann noch da war. Doch soweit musste er gar nicht gehen - der Messdiener kam ihm bereits entgegen. Den Kopf gesenkt und seine Schritte noch weiter beschleunigend rauschte er an ihm vorbei hinaus. Nico rief ihm nach, dass er doch das Pferd mitnehmen solle, doch der junge Mann schien nichts dergleichen mehr zu hören.

Für einen kurzen Moment wallte Angst in Nico hoch. Angst darüber, seinen Bruder tot in dessen Bett vorzufinden. Er rannte das Stück bis zu Alessios Gemächern hinunter, riss die Türe auf und lief durch den Salon ins Schlafzimmer, wo noch immer Glut im Kamin glühte. Alessios Arm hing vom Bett, das Haar wirr auf seinem Nacken und über seinem Gesicht und sein Körper nackt und halb aufgedeckt im Schlaf. Doch er atmete und als Nico so hereinstürmte hob er leicht den Kopf. "Was...?", murmelte er schlaftrunken und Nico verdrehte die Augen, als die Angst die er eben noch gespürt hatte von ihm abfiel. "Ich habe eine Besprechung mit dem König. Denk an Cecile." Ein zustimmendes Brummen vom Bett und Nico verließ den Raum wieder. Alessio sagte nichts, während sein Bruder ging, er wusste auch so, dass er sich nicht umdrehen musste. Er war allein. Er war sich nicht sicher, ob er Fin hatte gehen hören, doch der junge Mann war fort.

Es dauerte noch mal eine Stunde bis Alessio sich aufrappeln konnte. Während Nico bereits auf einem gesattelten Pferd vom Hof ritt, saß Alessio noch immer nackt in seinem Bett. Müde stand er auf, legte Holz im Ofen nach und begutachtete sich im Spiegel. Er war müde, doch auch er hatte heute einige Termine. Er griff sich seine Wäsche und zog zumindest die dünne Hose an, ehe er zum Nachttisch hinüberging und geistesabwesend nach seinem Kreuz suchte. Nach einigen Minuten fiel ihm auf, dass es dort nicht lag. Und dass dort jemand.. gewühlt? hatte. Seine Nasenflügel blähten sich... verdammter, vermaledeiter keiner Schwanzlutscher. Und er hatte nichts, aber auch gar nichts… außer einem Namen.
 

Kieran

Kieran wusste nicht so recht, ob er sich freuen sollte, dass Jonathan aufgewacht war, weil er es eigentlich nicht mochte, sich so einfach davonzusteheln, oder ob er sich ärgern sollte, weil ihm die Situation doch etwas unangenehm war. Nichts desto trotz huschte ein Lächeln über seine Lippen, als er die Begrüßung des anderen hörte.

"Entschuldige, dass ich eingeschlafen bin", sagte er zunächst einmal. "Du hättest mich ruhig wecken können..." Und das meinte er nicht nur, weil er hier eigentlich nicht hatte schlafen wollen, sondern auch, weil es ihm lieber gewesen wäre, während der Sperrstunden sich nicht innerhalb der Mauern aufgehalten zu haben.

Sein Blick folgte Jonathan, der im Atelier die Vorhänge zurückzog, und fast blendete das helle Tageslicht ihn. Kierans Augen wanderten fast automatisch über den überraschend gut trainierten Körper des anderen. Die Muskeln am Oberkörper waren klar definiert und die Oberarme zeugten von Kraft. Der gesamte Körper entsprach nicht wirklich dem Klischee, das man von einem Künstler - ständig sitzend - haben mochte. Ein schöner Körper, wirklich ansprechend. Kieran zwang sich, dem anderen wieder ins Gesicht zu sehen, als dieser wieder in die Küche trat, um den Tisch zu decken.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er noch keine Antwort auf die Frage gegeben hatte. Aber er hatte gezögert, weil er zwar Hunger hatte – als der andere das Wort essen nur gesagt hatte, hatte sein Magen zu knurren begonnen – und gegen etwas zu essen sicher nichts hatte, aber die Zeit verrann weiter und es würde die Hölle werden, wenn er zurück ins Lager kehrte. "Ich weiß nicht so recht", sagte er zögernd, blickte kurz zum Fenster in die Richtung, wo seine Stute auf ihn wartete. "Ich hätte eigentlich gar nicht hier sein dürfen. Ich habe Angst, dass mich doch noch jemand entdeckt." Er verzog kurz das Gesicht. Letztlich wäre es aber vielleicht besser, wenn er wirklich noch bliebe. Dann könnte es am Stadttor so aussehen, als sei er ei einem anderen hineingekommen und jetzt wieder auf dem Heimweg... Und er hatte so gar keine recht Lust, sich jetzt gleich den Tag vermiesen zu lassen, wenn er bei Timothy auflief. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Der Geruch von Apfel kroch ihm in die Nase und brach jegliche Diskussion schließlich ab. "Na gut, aber", er sah den anderen an, während er seine Sachen nochmal ablegte und sich setzte. "Zieh dir bitte was drüber. Letztlich könnten sie mich jederzeit abholen, und dann habe ich genug Probleme, auch ohne dass sie mich für einen Stricher halten."

Kieran nahm sich ein Stück Apfel.
 

Jonathan

"Du sahst erschöpft aus und mich hat es nicht gestört. Ich wäre mir undankbar vorgekommen, dich aus dem Haus zu schmeißen. Außerdem gehen bei mir ständig Leute ein und aus. Ob nun einer hier nächtigt, der nicht aus der Stadt kommt, wird wohl kaum auffallen", bekannte Jonathan und steckte sich ebenfalls ein Stück Apfel in den Mund, bevor er sich ein Stück Käse und ein grobes Stück Brot abschnitt und abwechselnd davon abbiss. Manchmal vergaß er über die Arbeit einfach, etwas Anständiges zu Essen und so wachte er oft mit einem missmutig knurrenden Magen auf. "Bedien dich", fügte er noch hinzu und deutete mit der Spitze seines Messers auf Brot und Käse, bevor er das Messer Kieran reichte.

"Sie müssten es schon auf dich abgesehen haben, um dich jetzt noch zu verhaften und solange du nichts angestellt hast...", versuchte Jonathan zu beruhigen, doch bei seinen Worten huschte sein Blick zu Kierans Gesicht und musterte dieses, als wolle er fragen: Du hast doch nichts angestellt oder...?

Bei Kierans nächsten Worten, hätte Jonathan beinahe Lachen müssen. Doch er beschränkte sich auf einen leicht amüsierten Ausdruck in den Augen, bevor er sich ohne Worte erhob und sich ein braunes Leinenhemd und eine dunkle Leinenhose überzog, welche beide großzügig mit bunten Farbklecksen aller Art bedeckt waren. Vielleicht hatte Kieran wirklich nur Angst, die Wachen könnten auf falsche Gedanken kommen. Vielleicht war es aber auch etwas anderes, aber das ging Jonathan nichts an und er würde sich hüten, es bei diesem jungen Mann - der ohnehin schon zu große Probleme damit gehabt hatte, sich auszuziehen - anzusprechen.

Wieder setzte er sich und nagte weiter an seinem Brot. "Allzu lange können wir uns allerdings nicht Zeit lassen, da ich noch einen Auftrag habe. Nichts, was mich persönlich erfreuen würde, aber es erfreut meine Geldbörse und die hat in letzter Zeit schon zu sehr gelitten, um sie weiterhin ihrem Zustand zu überlassen." Jonathans Worte waren voll amüsierter Ironie, doch er lächelte nicht und es schien ihm mehr Sorgen zu bereiten, als er sich selbst vielleicht eingestehen wollte.
 

Kieran

Kieran nickte dankbar, als Jonathan ihm sagte, er solle sich bedienen. Er wusste gar nicht, wann er zuletzt einmal einen Apfel gegessen hatte. Der Winter war lang und sie hatten als Reisende keinen kühlen Keller, in denen man diese lagern konnte.

Kieran nahm das Messer entgegen, und schnitt sich ein Stück Käse und ein Stück Brot ab. Auch das Brot roch gut und er biss gleich hinein, als er Jonathans Worte hörte und sich unwillkürlich verschluckte. Er blickte auf und fing den Blick des anderen ein. Kaute schnell und schluckte hinunter, um sich etwas Wasser einzuschenken und einen Schluck zu trinken. Kurz überlegte er, was er sagen sollte. Und ihm war klar, dass Jonathan anhand seines Verhaltens wusste, dass jener mit seinen Worten nicht so ganz unrecht gelegen hatte.

"Angestellt vielleicht nicht richtig, aber ich habe jemanden verärgert", begann er zögernd, nachdenklich. "Ich habe ein vielleicht großzügiges Angebot einer der Sforza-Brüder abgeschlagen. Ich..." Er unterbrach und vor seinem inneren Augen lief die letztlich furchtbare Szene am Stadttor ab. Kieran ließ die Hand sinken, legte das Brot auf den Teller. Irgendwie verging ihm gerade schon wieder der Hunger. "Ich hatte das Gefühl, dass er nicht ehrlich zu mir war, dass er andere Gedanken hatte, als mich wirklich in irgendeiner Weise in meiner Kunst zu fördern." Er ergriff doch noch ein Stück Apfel und biss hinein. Er hatte definitiv ein schlechtes Gewissen, heute mehr als gestern. Während er sich gestern über das Verhalten des anderen geärgert hatte, diesen Blick am Marktplatz, die Geste in seinem Zelt, die Bestimmtheit, ihm sagen zu können, wo er mit ihm darüber reden wollte, so empfand er heute eher Scham für sein Verhalten. Und das war ehrliche Scham, nicht ein Gefühl, das er sich einbildete, weil ihn die Konsequenzen, die noch auf ihn zukamen, erschreckten.

"Ich denke, er hat sich ziemlich über mich geärgert. Er wird dafür gesorgt haben, dass wir heute nicht mehr auftreten dürfen. Und ich traue ihm zu, dass er auch sonst genug Macht hat, mir noch eins reinzudrücken..." Er zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht." Dass er sich Jonathan einfach so anvertraute, tat ihm irgendwie gut. Es half ihm, seine Gedanken zu ordnen. Gerade was das seltsame Erlebnis von gestern betraf.

Als Jonathan ihm offenbarte, dass sie sich zwar nicht hetzen musste, er aber noch einen Auftrag hatte, nickte er. "Ich fürchte ich kann mich auch nicht länger davor drücken, mir meinen Anschiss von meinem Vater abzuholen." Er grinste leicht schief. "Als Künstler muss man wohl immer wieder Dinge machen, die einem eigentlich nicht wirklich gefallen." Er stellte das einfach nur fest. Aber in dem Moment, in dem er es gesagt hatte, begriff er erst, dass das ja auch für ihn zutraf. Vielleicht hätte auch er gestern einfach etwas tun sollen, das ihm eigentlich nicht gefiel, aber nötig war, um voran zu kommen.

Doch ihm blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Die offenen Fenster trugen Geräusche hinein, die ihm ganz und gar nicht gefielen. Man sprach über sein Pferd. Erschrocken sah er Jonathan an. "Ich gehe. Vielleicht schaffe ich es, dass du nicht auch noch Ärger bekommst."

Und so ergriff er hastig die Sachen, die er ohnehin schon zusammengesucht hatte und eilte hinaus. In der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. "Danke, Jonathan, für die interessante Erfahrung und die schönen Bilder. Ich hoffe, wir sehen uns irgendwann mal wieder." Dann eilte er die Treppe hinunter.
 

Zumindest hatte er es geschafft, dass die Soldaten nicht gesehen hatten, woher er gekommen war. Aber als sie ihn sahen, nahmen sie ihn direkt fest. Grund dafür war, dass eben jener Wachmann dabei war, der gestern auch Dominicos Befehl ausgeführt hatte, ihn und seine Familie anzuschwärzen. Und offenbar schien jener nicht eine Sekunde darüber nachdenken zu wollen, ob Kieran wirklich über Nacht hier war oder nicht. Wahrscheinlich hatte er sein Pferd gesehen und wiedererkannt. "Kieran Carney, ihr habt gegen das Stadtrecht verstoßen", wurde ihm mittgeteilt. "Der Sheriff wird entscheiden, was mit euch geschehen wird." Kieran wehrte sich nicht. Nur als der Hauptmann ihm seine Sachen abnahm und durchsuchte, sich die Bilder ansah, die er von Jonathan erhalten hatte, wurde ihm mulmig. "Das sind meine Sachen und wagt es ja nicht, sie mir zu entwenden", fauchte er. Ein trockenes "Abführen!" war jedoch die einzige Reaktion des Wachmanns. "Schmeißt ihn in den Kerker. Soll er da versauern." Kieran sah, wie der Wachmann an sein Pferd herantrat und es begutachtete. "Es gehört mir", sagte er und versuchte sich zu wehren, doch er wurde festgehalten. Der Wachmann blickte ihn abfällig an. "Dir gehört der Kerker", erwiderte er nur.
 

Kieran wusste, dass es ihm nichts nutzte, wenn er sich wehrte – ganz im Gegenteil. Aber nichts desto trotz hatte er nun wirklich Probleme. Ein Stadtverweis lebenslang war noch das Beste, was ihm geschehen konnte. Vielleicht würde er auch nur ausgepeitscht werden. Schlimm wäre es, wenn er seine Sachen und vor allem sein Pferd nicht wieder bekommen würde. Und das Schlimmste war, dass er keine Ahnung hatte, wann hier irgendetwas entschieden werden würde. Er saß auf der Erde an die Wand gelehnt unter dem Fenster, weil dort im von Fäkalien stinkenden Kerker die Luft noch am besten war. Als er Schritte hörte, blickte er auf. Ein Wachmann machte seine Runde. Kieran stand schnell auf und trat an das Gitter. "Hör zu", sagte er, doch der Wachmann ignorierte ihn. "Ich möchte, dass du Dominico Sforza mitteilst, dass der Feuertänzer ihn sprechen möchte." Der Hauptmann hatte gezögert, als er den Namen vernahm. "Bitte!", schob Kieran hinterher. Wenn er hier schon versauerte, würde er wenigstens versuchen, seine Situation auszunutzen. Er hatte etwas gut zu machen. Und vielleicht hatte er ein Quäntchen Glück.
 

Jonathan

Aufmerksam lauschte Jonathan den Worten des Feuertänzers und nickte dann schließlich langsam. Nachdenklich nahm er noch einen großen Schluck von seinem Honigwein und verschlang das letzte Stück Brot aus seiner Hand, bevor er sich bequem zurücklehnte. "Seid guten Mutes. Jeder Mensch hat seinen Preis. Die Frage ist nur, ob ihr ihn zahlen könnt oder bereit seid, ihn zu zahlen", bemerkte Jonathan mit einem seltsamen Blick und musterte Kieran, als wollte er herausfinden, zu was der Mann alles im Stande war. Er selbst konnte wohl ein Lied davon singen, wie es war, dem Adel zu missfallen. Schon oft hatte er mit seiner Kunst das Missfallen derer erregt, die seine Werke kritisierten. Für jeden Frevel und jeden Menschen galt es eine andere Art von Preis zu zahlen und wenn es um seine Selbstverwirklichung und seine Freiheiten ging, war Jonathan bereit, so einiges zu zahlen. Wobei Geld für die wenigsten Reichen eine Rolle spielte. Vor allem, da er davon nicht viel besaß. Man musste eben Prioritäten setzen.

Plötzlich kamen barsche Stimmen vom Fenster her und Kieran sprang mit einem Mal auf und verabschiedete sich. Etwas verwirrt blickte der Künstler ihm nach. Erst als der Feuertänzer schon auf der Straße war, bekam Jonathan eine Antwort heraus. "Das Glück sei mit euch...", murmelte er leise und trat gerade noch rechtzeitig ans Fenster, um zu sehen, wie die Wachen den jungen Mann abführten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich hoffe, euch gefallen die neuen Kapitel. Langsam kommt die Story in Schwung.
Würde mich sehr über einen Kommentar/ein Feedback freuen!

Liebe Grüße
Amber Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chaos-kao
2016-12-28T00:01:15+00:00 28.12.2016 01:01
Armer Kieran. Jetzt muss er sich doch noch auf Nico einlassen oder zumindest verlassen :(

Dein Schreibstil ist sehr angenehm und anschaulich. Die teilweise altertümliche Ausdrucksweise macht sich sehr gut und unterstreicht das Zeitalter.
Antwort von:  -Amber-
28.12.2016 07:59
Danke für das Lob! :D
Es sind mehrere Schreiber. Werde es weitergeben ;)

Ja, jetzt gibt Kieran doch noch sein Schicksal in Nicos Hände... ob sie ihn auffangen? Oder fallen lassen?


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