Zum Inhalt der Seite

Lieben und geliebt werden

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der blutige Überfall

Mit einem Knie zwang er ihre Beine gewaltsam auseinander und schob sich zwischen ihre Schenkel. Mit einer Hand hielt er sie am Hals gegen den Boden weiterhin gedrückt und die Finger seiner anderen Hand nestelten an seinem Hosenbund.

 

„Lass meine Mama los!“, schrie ein dünnes Stimmchen panisch und dann traf ihn etwas Hartes gegen den Rücken.

 

Der Effekt funktionierte, er ließ von Oscar ab und wandte sich an den Störenfried. „Du kleines Miststück!“

 

Andrée fiel der Schürhaken aus der Hand, als der Mann sich in ganzer Größe aufrichtete und auf sie zusteuerte. Sie wich von ihm zurück. „Jetzt hast du wohl Angst?“ Vicedo lachte, machte weitere Schritte auf sie zu und trieb sie somit gegen die Wand hinter ihrem Rücken. „Dann nehme ich dich halt als Vorspeise!“ Er griff nach ihr, wollte sie an ihrem Ausschnitt an sich ziehen und erstarrte dann plötzlich mit weit aufgerissenen Augen. Ein schmerzvolles Stöhnen entwich seiner Kehle und seine Finger ließen das Opfer los. Aus seinem Mundwinkel floss ein dünnes Rinnsal von Blut an dem Kinn herab und aus seinem Brustkorb ragte die Spitze von dem Schürhaken. Vicedo schwankte, drehte sich um und sah nur den eiskalten Blick von Oscar, bevor er zur Seite fiel und nicht mehr aufstand. „Niemand rührt meine Familie an!“, schnaubte Oscar außer sich vor Wut und konnte kaum noch an sich halten, nach dem Leichnam des Peinigers zu treten.

 

„Mama!“ Andrée eilte zu ihr und drückte sich verängstigt an sie. Ihr schmächtiger Körper zitterte und Oscar strich ihr sanft durch das feuchte Haar. „Es ist alles gut, aber nicht vorbei... Sei tapfer... Wir müssen Diane und anderen helfen...“ Auch wenn es nicht gerade leicht war, musste sie einen klaren Kopf bewahren und an alles andere denken.

 

„Bleib bei mir, Mama...“, wisperte ihre Tochter und Oscar drückte sie noch mehr an sich. „Ich bleibe bei dir, hab keine Angst... Ich hole nur meinen Degen, dann können wir sie besiegen...“

 

„Ja, Mama...“, schniefte die Kleine, aber wirkte sogleich aufgemunterter und entschlossen. Oscar zog nur noch schnell ihre Hose an und verließ hastig mit ihrer Tochter den Baderaum.

 

 

 

- - -

 

 

 

André ritt zusammen mit Alain und seinem achtjährigen Sohn heimwärts, als ihnen mitten auf dem Weg eine Kutsche begegnete. „Das ist doch...“ André trieb sein Pferd etwas schneller. Er hatte die Frau erkannt, die aus dem Fenster der Kutsche zu sehen war. „Madame Jarjayes!“

 

„Wir reiten schon mal vor!“, rief ihm Alain nach und preschte mit seinem Schwager in Richtung des Hauses, um allen über die Ankunft des Generals und dessen Frau mitzuteilen.

 

„Kutscher halte ein!“, rief Emilie, als sie aus dem Fenster genauer hinausschaute und ihren Schwiegersohn erkannte. „André, mein Junge.“, grüßte sie ihn erfreulich und dieser verneigte sich zum Gruß im Sattel. „Madame. General. Ihr seid sicherlich auf dem Weg zu uns?“

 

„Können wir weiterfahren?“, brummte Reynier aus der Kutsche, aber gleich darauf wurden seine strengen Gesichtszüge weicher und er schmunzelte sogar, als er neben André seinen Enkelsohn entdeckte. „Oskar, mein Junge! Du bist aber groß geworden!“

 

„Danke.“ Oskar begrüßte seine Großeltern mit dem gleichen Respekt, wie sein Vater.

 

Reynier begutachtete mit einem stolzen Aufleuchten in seinen sonst eisigen Blicken den hochgewachsenen Knaben. „Kein Wunder, denn der letzte Besuch liegt schon ein paar Jahren zurück.“ Zwei Jahren, um genauer zu sein, als General Jarjayes mit seiner Frau aus dem Ausland in die Normandie zurückgekehrt war und kurz darauf Oscar besucht hatte.

 

„Ja, Großvater.“ Oskar sah zu seinem Vater mit einem besorgten Blick. „Können wir weiter reiten? Ich habe ein bedrückendes Gefühl, das etwas vorgefallen sein könnte...“

 

„Das Gefühl habe ich auch...“, gab André zu und der General lachte darauf. „Sagt lieber, dass Oscar über meinen Besuch nicht gerade begeistert sein wird.“

 

„Ich bedauere Euch enttäuschen zu müssen, aber meine Frau war erfreut, als sie letzte Woche einen Brief über Euren Besuch bekommen hatte.“

 

„Das will ich sehen!“ General glaubte immer noch nicht daran und gab dem Kutscher den Befehl, weiter zu fahren.

 

 

 

- - -

 

 

 

Der Hof war verweist und leer, als sie allesamt an ihr Ziel ankamen. „Sagte ich doch, Oscar ist noch immer nicht begeistert mich zu sehen!“, meinte Reynier besserwissend, als er aus der Kutsche stieg und seiner Frau beim Aussteigen half.

 

„Es stimmt etwas nicht...“ erwiderte André während er vom Sattel herabstieg und seinem Sohn nach unten half. „Alain ist doch vorgeritten...“ Und dann hörten sie alle einen entsetzten Schrei von Gilbert, der ihnen durch Mark und Bein ging. Oskar stürmte unverzüglich ins Haus und dann zu dem kleinen Rosengarten im Hinterhof. André ließ alles stehen und liegen und rannte ihm nach.

 

„Du bleibst hier!“, befahl Reynier seiner Frau, zog sein Amtsschwert und marschierte den beiden mit langen Schritten nach.

 

 

 

André hatte in den Zeiten der Revolution viele Schreckensbilder von dem Tod und Blut gesehen... Aber das, was sich vor seinen Augen eröffnete, ließ augenblicklich das alles in den Schatten stellen: An dem kleinen Hühnerstall niederstreckte Alain einen Mann und nicht weit von ihm am Boden lagen bereits zwei weitere in ihrer eigenen Blutlache. Gilbert kniete in der Nähe des Hühnerstalls am Boden und wiegte seine blutüberströmte Schwester in den Armen. Sein jüngere Bruder Avel hielt sich eine klaffende Wunde an der Seite, war bereits grau im Gesicht und drohte umzukippen. André gebot ihm Halt. „Was ist passiert?“

 

„Wir wurden überfallen...“, röchelte Avel schwach. „Die Steuereintreiber von damals sind mit Verstärkung zurückgekehrt und haben Marguerite überrascht, als sie in den Stall wollte... Sie wurde... sie wurde von ihnen...“, weiter kam er nicht, seine Kräfte verließen ihn immer mehr, sein Körper sackte vollends in Andrés Armen zusammen und seine Augen flatterten... „Ich wollte sie retten, aber sie waren in der Überzahl... Diane hatte das gesehen und ist dann zurück ins Haus gerannt... Aber drei von ihnen haben sie auch gesehen und sind ihr nach... Ich habe mich gewehrt, wollte auch sie retten, aber meine Gegner waren stärker... Dann kamen Alain und Gilbert...“

 

„Wo sind Oscar und Andrée?“ Auch wenn André es zutiefst leid tat, Avel im Sterben zu sehen, aber er konnte für ihn nichts mehr tun.

 

„Im Haus... Lady Oscar wollte mit Andrée ein Bad nehmen...“ Der junge Mann schloss seine Augen, atmete tief durch und dann lag er still.

 

 

 

- - -

 

 

 

„Lasst sie sofort los!“, befahl Oscar wutentbrannt den beiden Männern, die Diane und Andrée festhielten, während sie selbst mit dem dritten kämpfte.

 

„Ich habe ein besseren Angebot.“, sagte dieser und während er Oscar abwehrte, gab er den Männern kurz ein Zeichen. Der eine drückte Andrée den Hals zu, bis diese nach der Luft schnappte und der andere legte Diane ein Messer an die Kehle und das andere Messer lehnte er mit der Spitze an ihren gerundeten Leib.

 

„Nein!“ Oscar wehrte mit der letzten Kraft den Hieb ihres Gegners mit dem Degen ab und ließ nach. „Bitte nicht... Ich, ich ergebe mich...“

 

„Nein, Lady Oscar!“, beschwor Diane und stellte somit das eigene Leben und das ihres ungeborenen Kindes aufs Spiel.

 

„Nein Mama!“, wand auch Andrée ein und versuchte sich zu befreien, aber der eiserne Griff ihres Peinigers wurde nur noch stärker.

 

„So ist es brav...“ Der Mann bei Oscar entwaffnete sie und kam ihr zu nahe. „Es ist jammerschade, dass du unseren Anführer getötet hast, aber umso mehr bleibt für uns übrig...“

 

„Fast mich nicht an!“, spie Oscar heiser, als dieser nach ihr seinen Arm streckte.

 

„Wie du willst...“ Der Mann hob wieder die Hand und seine Kumpanen verstärkten den Druck bei dessen Opfern. Andrée röchelte, schnappte nach Luft und bei Diane floss ein dünnes Rinnsal von Blut an dem Hals herab.

 

„Aufhören!“ Oscar konnte das nicht länger mit ansehen und sie war an dieser Stelle gezwungen, endgültig aufzugeben – für ihre Lieben und dass ihnen nichts geschah. „Ich... ich tue was ihr wollt... aber nicht hier... nicht vor den Augen meiner Tochter...“

 

„Gut, dann kommst du mit mir um die Ecke...“ Der Mann wies mit seinem Kinn auf die besagte Ecke des Hauses und warf einen kurzen Blick auf seine Kumpanen. „Und ihr sorgt dafür, dass die beiden Weiber keinen Mucks machen!“

 

„Gerne...“, erwiderten alle beide und grinsten hämisch, während deren Anführer Oscar packte und vor sich her trieb.

 

Um die besagten Ecke des Hauses sprießten bereits Rosen mit spitzen Dornen an der Hauswand. Oscars Rücken und Füße scheuerten sich Wund, als der Mann sie gegen die Wand drängte. „Denk daran, dass die zwei sterben werden, sobald du eine kleine Dummheit machst...“, lechzte der Mann und drückte sie stärker in die Dornen. Gleichzeitig ließ er seine andere Pranke über ihren Körper wandern und raffte ihr das Hemd hoch. „So ist es brav...“ Mit seiner Zunge fuhr er den schlanken Hals entlang und Oscar drehte vehement den Kopf weg. Für einen Wimpernschlag erhaschte sie einen Blick über seine Schulter und hielt inne. Überrascht riss sie ihre Augen auf, aber da blitzte schon die scharfe Klinge auf und durchbohrte den Mann. Ohne dass dieser wusste, wie ihm geschah, glitt er an Oscar lautlos herab und fiel zu ihren Füßen tot um.

 

Oscar starrte ihren Retter perplex und mit butterweichen Knien an. „Vater...“, formten ihre Lippen und ihre Knie knickten ein.

 

Reynier fing sie ab, zerrte sie aus der Dornenhecke und hielt sie an sich. „Ganz ruhig... Niemand beleidigt meine Familie!“

 

„Ich danke Euch, Vater...“

 

„Mama!“

 

„Oskar...“ Oscar riss sich aus den Armen ihres Vaters und drückte ihren Sohn an sich, aber dann besann sie sich gleich. „Ich muss zu Andrée und Diane!“ Sie rannte um die Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Alain streckte gerade einen Mann nieder, der seine Schwester festgehalten hatte. Gilbert kam aus dem Hinterhalt und fing Diane auf. André versuchte den Mann anzugreifen, der seine Tochter festhielt... Letztendlich und aus irgendwo her tauchte der General auf und entriss seine Enkelin dem Mann aus den Händen und André konnte ihm endlich den Garaus machen. Oscar wusste am Ende nicht, zu wem sie rennen sollte.

 

„Sie sind gerettet, Mama!“, rief Oskar euphorisch und lenkte alle Blicke in ihre Richtung.

 

„Oscar...“ André ging langsam auf seine Frau zu und musterte sie besorgt von Kopf bis Fuß.

 

„Ich bin unversehrt...“, murmelte Oscar und ihr traten beinahe vor Freude und Schmerz die Tränen in die Augen. „Es ist nicht mein Blut...“

 

„Oscar!“ André glaubte es ihr erst dann, als er sie herzzerreißend an sich drückte und sich selbst von ihrer Unversehrtheit überzeugte.

 

„Ich würde sagen, du machst dich frisch und ziehst dich um, bevor deine Mutter dich so sieht.“, brummte Reynier im Hintergrund und Andrée sah zu ihm auf. „Ist etwa Großmutter auch hier?“

 

„Ja.“ Reynier legte seine Hand auf den Scheitel seiner Enkelin. „Wir sind alle da. Rechtzeitig angekommen, um euch zu beschützen.“ Er lächelte und zog sie beherzt an sich. Dankbar lehnte sich Andrée an ihn und zum ersten Mal spürte sie, dass sie ihrem Großvater doch noch nicht so gleichgültig war, wie sie es bisher angenommen hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück